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OLG Frankfurt: Privilegierte Zeichenverwendung nach Art. 14 Abs. 1 lit. c), 2 UMV und keine Markenrechtsverletzung durch "Ersatzkopf für Philips RQ11" für Drittanbieter-Ersatzteil

OLG Frankfurt
Beschluss vom 03.05.2022
6 W 28/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine privilegierte Zeichenverwendung nach Art. 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 UMV und keine Markenrechtsverletzung durch Verwendung von "Ersatzkopf für Philips RQ11" für ein Drittanbieter-Ersatzteil vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
A. Soweit die Antragstellerin ihren Verfügungsanspruch erstmals mit Schriftsatz vom 10.2.2022 darauf stützt, die beanstandete Werbung sei irreführend und daher gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter, fehlt es an dem Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Die Antragstellerin hat mit diesem Vorbringen einen neuen Streitgegenstand in dieses Eilverfahren eingeführt (BGH, Urteil vom 19.7.2018 - I ZR 268/14 - Champagner Sorbet II, Rn 14, juris). Die Antragstellerin hatte jedoch spätestens am 23.12.2021 Kenntnis von allen vermeintlich anspruchsbegründenden Tatsachen. Es bestand kein Grund, die Beanstandung der Werbung als irreführend erst mit Schriftsatz vom 10.2.2022 in dieses Eilverfahren einzuführen.

B. Im Übrigen fehlt es an einem Verfügungsanspruch.

1. Der Antragstellerin steht kein Verfügungsanspruch aus Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV zu.

a) Zwar wird die bekannte Verfügungsmarke in der angegriffenen Anzeige rechtsverletzend benutzt, da der Wortbestandteil des Zeichens, wenn auch in kleinen Buchstaben geschrieben, identisch für Zubehörteile von Elektrorasierern und damit für eine Ware benutzt wird, für die auch die Verfügungsmarke eingetragen ist.

b) Jedoch ist die Zeichenverwendung gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 UMV privilegiert.

Nach dieser Vorschrift gewährt die Unionsmarke dem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Unionsmarke zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung erforderlich ist, wenn die Benutzung durch den Dritten den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH entspricht die Benutzung der Marke den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel insbesondere dann nicht, wenn

- sie in einer Weise erfolgt, die glauben machen kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Markeninhaber besteht;

- sie den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt;

- durch sie diese Marke herabgesetzt oder schlechtgemacht wird;

- oder der Dritte seine Ware als Imitation oder Nachahmung der Ware mit der Marke darstellt, deren Inhaber er nicht ist (EuGH, Urteil vom 17.3.2005, C-228/03 - Gillette, Rn 49).

Die Verwendung der Verfügungsmarke „Philips“ durch die Antragsgegnerin ist erforderlich, um auf die Bestimmung des Scherkopfs als Ersatzteil für die von der Antragstellerin hergestellten Elektrorasierer hinzuweisen.

Die Art der Verwendung in der angegriffenen Werbung entspricht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel.

(1) Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.2.2022 die Auffassung vertritt, die Benutzung der Verfügungsmarke sei nicht mehr durch das Ankündigungsrecht gedeckt, weil die Antragsgegnerin darüber täusche, dass sie kein Original, sondern ein Plagiat liefert, ist dem nicht zu folgen. Der angesprochene Verkehr wird durch die angegriffene Werbung, wie sie sich in dem in Anlage AST 12 wiedergegebenen Kontext darstellt, nicht darüber getäuscht, dass es sich bei den Ersatzköpfen nicht um ein Originalprodukt der Antragstellerin handelt. Das ergibt sich bereits aus der Formulierung „Ersatzkopf für Philips RQ11“. Damit wird deutlich, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um einen Ersatz für den Original-Ersatz-Scherkopf von Philips handelt. Auch die Aufmachung der Internetseite im Übrigen, auf der der Wortbestandteil der Verfügungsmarke nur einmal kleingeschrieben verwendet wird, führt den angesprochenen Verkehr weg von der Annahme, dass es sich um ein Original-Ersatzteil handeln könnte, dies auch deshalb, weil die Antragsgegnerin das Produkt auf ihrer Internetseite grandada.com anbietet.

Im Übrigen widerspricht die Antragstellerin mit diesem Vorbringen im Schriftsatz vom 10.2.2022 ihrem Vorbringen in der Antragsschrift, wo sie die Verwendung des Zeichens „RQ 11“ beanstandet, weil die zusätzliche Angabe der Produktnummer RQ 11 erkennbar deshalb geschehe, um weiteren Traffic im Internet zu generieren. Auch die Antragstellung zielt nicht darauf ab, dass durch die beanstandete Werbung der Eindruck erweckt werde, es würden Original-Ersatzteile angeboten, sondern darauf, nicht originale Scherköpfe mit dem Zeichen „Philips“ in Kombination mit dem Zeichen „RQ11“ zu benutzen.

(2) Die Nutzung des Zeichens „RQ 11“ führt jedoch nicht dazu, die Nutzung der Verfügungsmarke als nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entsprechend anzusehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Wertschätzung der Verfügungsmarke durch die Nennung des Zeichens „RQ 11“, das die Antragstellerin für ihre Original Ersatz-Scherköpfe verwendet, an dem sie aber keine Zeichenrecht geltend macht, ausgenutzt wird oder die Verfügungsmarke gar hierdurch herabgesetzt oder schlechtgemacht wird. Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang insbesondere nicht auf die BGH-Entscheidungen „GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE“ (GRUR 2011, 1135) berufen, denn dort hat der BGH entschieden, dass es von dem Ankündigungsrecht nicht gedeckt ist, eine bekannte Wort-/Bildmarke eines Automobilherstellers zu verwenden, wenn die Benutzung der Wortmarke die schützenswerten Interessen des Markeninhabers weniger beeinträchtigt. Ebenso wenig einschlägig ist die Entscheidung „keine-Vorwerk-vertretung I“ des BGH (Urteil vom 28.6.2018 - I ZR 236/16), weil sich auch diese Entscheidung mit der Verwendung eines markenrechtlich geschützten Zeichens beschäftigt. Auch die Entscheidung des BGH „Verbrauchsmaterialien“ (GRUR 1996, 781) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Denn in diesem Urteil ging es darum, dass Produkte von Drittanbietern mit der identischen Bezeichnung der Originalprodukte versehen und unter dieser Bezeichnung auf den Markt gebracht wurden. Daran fehlt es vorliegend, da die Produkte der Antragsgegnerin, wie bereits ausgeführt, hinreichend deutlich als Ersatz für die jeweiligen Original Produkte ausgelobt werden.

(3) Soweit schließlich die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.2.2022 erstmals beanstandet, dass die Antragsgegnerin in der angegriffenen Werbung selbst „das Logo“ identisch übernommen habe, ist dieser Beanstandung nicht weiter nachzugehen, da sie keinen Niederschlag in dem Eilantrag gefunden hat. Dort ist zwar die konkrete Verletzungsform - die das Logo beinhaltet - wiedergegeben. Der abstrakte Tel des Antrags zielt aber auf die Verwendung des Zeichens Philips in Kombination mit dem Zeichen „RQ 11“ und den Bezeichnungen für die einzelnen Rasierertypen und wendet sich nicht gegen eine identische Verwendung eines Logos.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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