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LG Aurich: Angestellter Zahnharzt muss in Praxiswerbung als solcher gekennzeichnet werden - Irreführung durch Werbung für Intraoralscanner mit "bahnbrechende Technologie"

LG Aurich
Urteil vom 26.01.2022
2 O 895/19


Das LG Aurich hat entscheiden, dass ein angestellter Zahnharzt in der Praxiswerbung als solcher gekennzeichnet werden muss. Zudem hat des Gericht entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für Intraoralscanner mit "bahnbrechende Technologie" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Hinsichtlich des fehlenden Hinweises auf das Angestelltenverhältnis des beim Beklagten angestellten Zahnarztes folgt das Gericht der Bewertung des Klägers, wonach ein Verstoß gegen den insoweit eindeutigen Wortlaut der Berufsordnung für Zahnärzte der Zahnärztekammer vorliegt, was einen Verstoß gegen § 3 a UWG und zugleich wegen Irreführung durch Unterlassen gegen § 5 a UWG begründet. Die vom Beklagten vertretene und auf Literaturzitate gestützte einschränkende Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift findet im Wortlaut keine Stütze und wird deshalb vom Gericht auch nicht geteilt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das Publikum den weiteren Zahnarzt als Mitinhaber der Praxis mit persönlicher Haftung interpretieren kann.

In Bezug auf die Werbung für die Intraoralscanner-Technik, wie sie vom Beklagten betrieben worden ist, folgt das Gericht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gutachters ebenfalls der Argumentation des Klägers, dass es sich um irreführende Werbung gemäß § 5 UWG handelt.

Wie der Gutachter nachvollziehbar und unter Bezugnahme auf seine eigene berufliche Erfahrung und die ausgewertete Literatur dargestellt hat, ist das Intraoralscanner-Verfahren nicht in dem Sinne neu, dass es eine aktuelle, bahnbrechende und somit völlig neue Behandlungsweg eröffnende Technik wäre. Das Verfahren wird nach seiner Erfindung vor ca. 40 Jahren bereits seit längerer Zeit eingesetzt, ohne dass es aber zu einer Verdrängung früherer Techniken, die als „Abdruck-Verfahren“ bezeichnet werden könnten, geführt hat. Die Ausführung als kabelloses Gerät stellt eine Detailverbesserung dar, ohne die Anwendungsmöglichkeiten wesentlich, also „bahnbrechend“ zu erweitern. Ähnliches gilt für Zusatzfunktionen wie Zahnfarben-Erkennung, die seit 2013 auch von mindestens einem anderen Hersteller angeboten wird.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Scanner-Technik für die Patienten in allen Fällen angenehmer wäre als die bisherige Abdrucktechnik. Die Scanner-Technik erzwingt nämlich, wie der Gutachter dargelegt hat, Manipulationen in der Mundhöhle, die als sehr unangenehm empfunden werden und auch Würgereize auslösen können. Es verbleiben darüber hinaus Behandlungssituationen, in denen mit der Intraoralscanner-Technik keine befriedigenden Ergebnisse erzielt werden können, so dass auf die Abdruck-Methode zurückgegriffen werden muss und in der Praxis auch regelmäßig zurückgegriffen wird.

Im Gegensatz zu diesem, vom Gutachter dargestellten Sachverhalt suggeriert allerdings die Werbung des Beklagten, dass in seiner Praxis durch Einsatz einer ganz neuen Technik eine im Unterschied zu früheren Verhältnissen beschwerdefreie Prothesen-Vorbereitung erfolgen können. Es wird deshalb eine Erwartung besonders angenehmer Behandlungstechnik erzeugt, die gerade im Hinblick auf die weitverbreitete Furcht vor zahnärztlichen Behandlungen einen Sog in die Praxis des Beklagten erzeugen kann, der durch die objektiven Behandlungsaussichten nicht gerechtfertigt ist. Dies ist als irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechts zu bewerten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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