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OLG Celle: Streitwertangabe für lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche in der Klageschrift hat bei eindeutiger Sach- und Rechtslage keine indizielle Bedeutung

OLG Celle
Beschluss vom 07.03.2023
13 W 3/23


Das OLG Celle hat entschieden, dass die Streitwertangabe für lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche in der Klageschrift bei eindeutiger Sach- und Rechtslage keine indizielle Bedeutung hat.

1. In Verfahren über Ansprüche aus dem UWG bestimmt sich der Streitwert nach der aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache (§ 51 Abs. 2 GKG). Bei der Unterlassungsklage eines Wirtschaftsverbandes (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) ist dessen Interesse im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 12 Rn. 4.8 mwN). Die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber ist anhand des drohenden Schadens zu bestimmen und hängt von den Umständen ab (aaO, Rn. 4.6). Zu berücksichtigen sind insbesondere die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer, die Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten, Ausmaß, Intensität, Häufigkeit und Auswirkungen möglicher künftiger Verletzungshandlungen, die Intensität der Wiederholungsgefahr, die sich nach dem Verschuldensgrad beurteilt, sowie die Nachahmungsgefahr (aaO).

2. Nach dieser Maßgabe sieht der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände einen Streitwert von 5.000 € als angemessen an.

a) Das wirtschaftliche Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers ist im Streitfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände insgesamt als eher gering zu bewerten.

Es handelt sich um einen Verstoß von eher geringer Intensität. Die Beklagte hat nicht beachtet, dass aufgrund einer Änderung von § 3 Abs. 1 Satz 1 der Spielverordnung seit dem 10. November 2019 in Gaststätten nicht mehr drei, sondern nur noch höchstens zwei Geldspielgeräte zulässig sind. Für einen vorsätzlichen Verstoß ist insoweit nichts ersichtlich. Naheliegend ist vielmehr, dass die Beklagte die Änderung der Spielverordnung nicht bemerkt hatte. Zu Lasten der Beklagten ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie - trotz der Abmahnung durch den Kläger - das Gerät zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klagerhebung noch nicht entfernt hatte. Die Abmahnfrist war allerdings kurz bemessen (unter Berücksichtigung der Postlaufzeiten etwa eine Woche), sodass diese Nachlässigkeit noch nicht die Annahme eines schwereren Verstoßes rechtfertigt.

Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass durch den Verstoß bei einem gewichtigen Mitbewerber - etwa einem örtlichen Spielhallenbetreiber - ein größerer Schaden entsteht. Es ist wenig wahrscheinlich, dass das übliche Publikum einer Spielhalle in nennenswertem Umfang nicht mehr dort die Geldspielautomaten nutzt, sondern dafür das Café der Beklagten aufsucht, wenn dort nicht nur zwei, sondern drei Automaten vorhanden sind.

Bei der Bemessung des Streitwerts kann außerdem auch eine durch den Verstoß begründete Nachahmungsgefahr in Bezug auf andere Gastwirte berücksichtigt werden. Diese ist hier allerdings ebenfalls als eher gering zu bewerten, weil es wenig wahrscheinlich war, dass andere Gastronomen den nicht sonderlich auffälligen Verstoß der Beklagten zum Anlass nehmen, ebenfalls ein drittes Geldspielgerät anzubringen.

Der mit der streitgegenständlichen Regelung verfolgte Zweck der Suchtprävention wäre für die Bemessung des Streitwerts nur dann maßgeblich, wenn er sich gleichzeitig - über die vorstehend bereits berücksichtigten Umstände hinaus - auf die wirtschaftlichen Interessen des Mitbewerbers auswirken würde. Dies hat der Kläger weder dargetan noch ist es sonst ersichtlich.

b) Die Streitwertangabe in der Klagschrift (§ 63 GKG) führt zu keiner anderen Beurteilung.

Zwar trifft es zu und entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, dass der Streitwertangabe eine indizielle Bedeutung zukommen kann (BGH, Beschluss vom 24. November 2022 - I ZR 25/22 - Rn. 12 unter Verweis auf den Beschluss vom 20. Mai 1977 - I ZR 17/76 - juris Rn. 3). Dies ist insbesondere der Fall, wenn angenommen werden kann, dass der betreffende Kläger und sein Prozessbevollmächtigter sich bei der Einreichung der Klage um eine realistische Einschätzung des Streitwerts bemühen, weil die Erfolgsaussicht der Klage noch ungewiss ist und der Kläger sich bei einem Unterliegen durch eine überhöhte Streitwertangabe im Ergebnis selbst belasten könnte. Wenn hingegen - wie im Streitfall - die Sach- und Rechtslage eindeutig ist und für den Kläger kein erkennbares Prozessrisiko besteht, kann seiner Streitwertangabe nur eine entsprechend geringere indizielle Bedeutung zukommen.

Dies gilt insbesondere, wenn sich - wie hier - aus einer nachfolgenden Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers ergibt, dass seine Streitwertangabe nicht auf einer zutreffenden Berücksichtigung der für die Streitwertbemessung geltenden Rechtslage beruht. Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers irrtümlich angenommen, bei der Bemessung des Streitwerts seien zusätzlich zu den wirtschaftlichen Interessen eines gewichtigen Wettbewerbers auch Suchtprävention und Spielerschutz zu berücksichtigen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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