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VG Ansbach: Hotel muss Weitergabe von Erkenntnissen aus Lebensmittelüberwachung durch Behörde an Dritte zur Veröffentlichung im Internet über Portal "Topf Secret" nicht hinnehmen

VG Ansbach
Urteil vom 12.06.2019
14 K 19.00773


Das VG Ansbach hat entschieden, dass ein Hotel mit angeschlossener Metzgerei die Weitergabe von Erkenntnissen aus der Lebensmittelüberwachung durch Behörde an Dritte zur Veröffentlichung im Internet über Portal "Topf Secret" nicht hinnehmen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Kein uneingeschränkter Verbraucherinformationsanspruch bei zu erwartender Veröffentlichung im Internet

Die 14. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach hat mit Urteil vom 12. Juni 2019 unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Rauch der Klage eines Hotels mit Metzgereibetrieb gegen die Mitteilung von Erkenntnissen aus der Lebensmittelüberwachung zur beabsichtigten Veröffentlichung im Internet stattgegeben
.
Die Klägerin ist ein Hotel mit Metzgerei aus dem Landkreis Ansbach. Der Beigeladene ist eine Privatperson, die über die von „Foodwatch e.V.“ und „FragDenStaat“ betriebene Internetplattform „Topf Secret“ einen automatisierten Prozess in Gang gesetzt hat, bei dem dem zuständigen Landratsamt eine Mail mit einem Begehren auf Auskunft nach dem Verbraucherinformationsgesetz geschickt wird.

Das Auskunftsersuchen bezeichnet den Betrieb, fragt ob es zu Beanstandungen im Rahmen der Lebensübermittelüberwachung kam und begehrt ggf. die Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte. Auf der Internetplattform wird der Nutzer darum gebeten, die entsprechenden Berichte zum Zwecke der Veröffentlichung der Plattform zur Verfügung zu stellen. Auf das Auskunftsersuchen des Beigeladenen hin teilte das zuständige Landratsamt Ansbach der Klägerin am 11. März 2019 mit, sie beabsichtige dem Auskunftsersuchen stattzugeben.

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit Klage und Eilantrag. Aufgrund der zu erwartenden Veröffentlichung der Kontrollberichte im Internet sei die Anfrage rechtsmissbräuchlich. Der Beigeladene wolle den Kläger an den „Pranger“ stellen. Für die Veröffentlichung von Erkenntnissen der Lebensmittelüberwachung im Internet gebe es mit § 40 Abs. 1a LFGB eine Sondervorschrift. Für deren Anwendung habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 21. März 2018 Voraussetzungen aufgestellt, die vorliegend nicht erfüllt worden seien. Demnach sei die Veröffentlichung insbesondere zeitlich nicht unbegrenzt zulässig und es müsse eine Mitteilung ergehen, wenn die Verstöße behoben worden seien. Ferner müssen die Verstöße eine gewisse Intensität haben. Im Falle der Klägerin seien die Verstöße jedoch nur geringfügig gewesen.

Dem tritt der Beklagte entgegen und verweist darauf, dass das Motiv des Beigeladenen keineswegs ersichtlich sei. Die Norm des § 40 Abs. 1a LFGB behandele eine aktive Pflicht zur Information der Öffentlichkeit und sei nicht vergleichbar. Eine Weiterverwendung der Informationen sei eine zivilrechtliche Fragestellung.

Zur Vermeidung unumkehrbarer Ergebnisse hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Mai 2019 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den adressierten Bescheid angeordnet. Mit Blick auf die noch ungeklärten Rechtsfragen müsse die mündliche Verhandlung am 12. Juni 2019 abgewartet werden. Mit Urteil vom 12. Juni 2019 gab das Gericht der Klage statt und hob den angefochtenen Bescheid des Landratsamtes Ansbach auf.

Die Kammer begründete die Entscheidung damit, dass ein Informationsanspruch des Beigeladenen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG aus zwei Gründen nicht besteht:
- Im konkreten Fall fehlt es bereits an der Feststellung einer nicht zulässigen Abweichung von gesetzlichen Anforderungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG, auf die sich ein Informationsanspruch beziehen muss. Der Beklagte hat in einem Kontrollbericht lediglich Mängel aufgelistet, ohne die nach der Rechtsprechung für die Feststellung einer Abweichung von gesetzlichen Anforderungen erforderliche Subsumtion, d.h. eine rechtliche Einordnung dieser Beanstandungen, vorzunehmen. Hierfür wäre beispielsweise die Nennung der Normen, gegen die verstoßen wurde, oder eine in einem Prüfbericht enthaltene Auseinandersetzung mit ihren Tatbestandsmerkmalen erforderlich gewesen.

- Eine Informationsherausgabe an den Beigeladenen wäre in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation unverhältnismäßig.
Angesichts der zu erwartenden und vom Beigeladenen ausdrücklich angestrebten Veröffentlichung auf der Internetplattform „Topf Secret“ kann eine Herausgabe der Informationen nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen, die sicherstellen, dass das dem Informationsinteresse des Verbrauchers gegenüberstehende Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt wird. Diese Anforderungen wurden vom Bundesverfassungsgericht für die Information der Verbraucher durch den Staat nach § 40 Abs. 1a LFGB aufgestellt und von
der Kammer im vorliegenden Fall auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG übertragen, da die Veröffentlichung auf der Internetplattform „Topf Secret“ eine große Breitenwirkung erreicht, die vergleichbar mit einer Information von Seiten des Staates ist. Darüber hinaus wird bei „Topf Secret“ das amtliche Dokument hochgeladen, sodass die staatliche Autorität der Behörde zum Ausdruck kommt. § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG ist daher insoweit einzuschränken, als die Information nicht zeitlich unbegrenzt veröffentlicht werden darf und keine geringfügigen Verstöße umfassen darf. Dies muss auch im Falle einer Veröffentlichung auf „Topf Secret“ sichergestellt sein, die regelmäßig zu erwarten ist, wenn sich der Verbraucher für die Anfrage an die Behörde dieser Plattform bedient hat. Die Nutzungsbedingungen der Plattform sehen eine zeitliche Beschränkung der Veröffentlichung jedoch nicht vor, sondern erfordern im Gegenteil die Zustimmung des Verbrauchers, dass „Topf Secret“ die Information zeitlich unbegrenzt verwenden darf. Zudem wurden bei der Klägerin keine gravierenden Mängel festgestellt.

Gegen dieses Urteil können der Beklagte sowie der Beigeladene Antrag auf Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof stellen.



VG Düsseldorf: Behörde darf Hygieneberichte an Nutzer der Online-Plattform "Topf Secret" auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) herausgeben

VG Düsseldorf
Beschluss vom 07.06.2019
29 L 1226/19


Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass die zuständige Behörde Hygieneberichte an Nutzer der Online-Plattform "Topf Secret" auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) herausgeben darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Der Kreis Mettmann darf an einen Verbraucher Informationen über Lebensmittelkontrollen bei einem Cash-and-Carry-Markt in Ratingen herausgegeben. Das hat die 29. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf durch Beschluss vom 7. Juni 2019 entschieden und damit den Eilantrag der Marktinhaberin, mit welchem diese die Herausgabe der Kontrollberichte verhindern wollte, abgelehnt.

Der Verbraucher verlangte auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) vom Kreis Mettmann über die Online-Plattform „Topf Secret“ der Verbraucherorganisation Foodwatch und der Transparenz-Initiative "FragDenStaat“ die Herausgabe von Informationen über die letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebskontrollen bei dem Cash-and-Carry-Markt in Ratingen, sofern es dabei zu Beanstandungen gekommen sei. Der Kreis Mettmann gab dem Antrag statt und kündigte an, die Kontrollberichte zu übersenden. Dagegen wandte sich die Marktinhaberin mit dem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, um die Herausgabe der Kontrollberichte vorläufig zu verhindern.

Nach Auffassung der 29. Kammer überwiegt jedoch das Interesse der Öffentlichkeit an einer zeitnahen Information über Rechtsverstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften das Interesse der Marktinhaberin an einer Geheimhaltung der Kontrollberichte. Bei den letzten beiden lebensmittelrechtlichen Kontrollen seien in dem Cash-and-Carry-Markt Mängel festgestellt worden. Bei den Mängeln handele es sich um unzulässige Abweichungen von Hygienevorschriften. Dem Zugang zu solchen Informationen könnten nach dem Verbraucherinformationsgesetz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht entgegengehalten werden, weil an der Geheimhaltung festgestellter Rechtsverstöße kein berechtigtes Interesse bestehe. Zugleich sei es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sich Verbraucher bei der Antragstellung der Online-Plattform „Topf Secret“ bedienten. Auch sei die Veröffentlichung der zur Verfügung gestellten Informationen in diesem Portal zulässig und nicht mit einer aktiven staatlichen Verbraucherinformation vergleichbar. Dass bei Bekanntwerden der Kontrollberichte der Marktinhaberin ein Imageschaden oder eine Verschiebung der Marktchancen mit möglichen Umsatzeinbußen drohe, sei in der vom Verbraucherinformationsgesetz bezweckten Förderung der Markttransparenz angelegt.

Gegen den Beschluss ist die Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster möglich.

Aktenzeichen 29 L 1226/19


OVG Münster: Hygienepranger in NRW ist offline - Gesetzliche Vorgaben verfassungswidrig - www.lebensmitteltransparenz-nrw.de

OVG Münster
Beschlüsse vom 24.04.2013
13 B 192/12, 13 B 215/13, 13 B 238/13
Hygienepranger


Das OVG Münster hat den Hygienepranger in NRW ( www.lebensmitteltransparenz-nrw.de ) gestoppt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die für die Veröffentlichung erforderliche Befugnisnorm § 40 Abs. 1a LFGB verfassungswidrig ist, da die Vorschrift keine zeitliche Begrenzung für die Veröffentlichung enthält.

Aus der Pressemitteilung des OVG Münster:

"Die beabsichtigte Veröffentlichung sei rechtswidrig. Sie verletze das Recht der Unternehmen auf informationelle Selbstbestimmung und freie Berufsausübung. Es fehle an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, weil § 40 Abs. 1a LFGB verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Die Vorschrift grenze die vorgesehene Information der Öffentlichkeit zeitlich nicht ein. Die Information der Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers stelle angesichts ihrer weitreichenden Verbreitung, die durch die automatische Abrufbarkeit über das Internet erreicht werde, und ihrer potentiell gewichtigen wirtschaftlichen Auswirkungen eine besonders weitgehende Form eines Eingriffs in die Rechte der betroffenen Unternehmen dar. Deshalb müsse der Gesetzgeber die zeitliche Wirkung dieser Veröffentlichung durch Aufnahme einer Löschungsfrist einschränken."

Die vollständige Pressemitteilung des OVG Münster finden Sie hier:



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