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BGH: Amazon hat eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb gemäß § 19a Abs. 1 GWB

BGH
Beschluss vom 23.04.2024
KVB 56/22
Amazon


Der BGH hat entschieden, dass Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb gemäß § 19a Abs. 1 GWB hat.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof bestätigt Amazons überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Feststellung des Bundeskartellamts bestätigt, dass Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat. Erstmals hat der Kartellsenat damit in erster und letzter Instanz über eine Beschwerde gegen eine Feststellung nach § 19a Abs. 1 GWB entschieden. Die am 19. Januar 2021 in Kraft getretene Regelung des § 19a GWB dient der Modernisierung und Stärkung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht. Sie sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Danach kann das Bundeskartellamt in einem ersten Schritt die überragende marktübergreifende Bedeutung des Unternehmens für den Wettbewerb feststellen (§ 19a Abs. 1 GWB) und dem betroffenen Unternehmen in einem zweiten Schritt bestimmte Verhaltensweisen untersagen (§ 19a Abs. 2 GWB).

Sachverhalt:

Amazon ist weltweit unter anderem im Bereich des E-Commerce, als stationärer Einzelhändler und als Anbieter von cloudbasierten IT-Dienstleistungen (Amazon Web Services, AWS) tätig. Der Konzern war zum 27. Dezember 2021 mit einer Marktkapitalisierung von 1,721 Billionen USD das fünftwertvollste Unternehmen der Welt, wobei der Börsenwert innerhalb der vorangegangenen sieben Jahre um etwa 443 % gestiegen war. Das Unternehmen erzielte im Geschäftsjahr 2021 weltweit Umsätze von rund 469,8 Mrd USD. Auf Deutschland entfielen davon rund 37,3 Mrd USD. Damit stellte Deutschland auf den Umsatz bezogen nach den USA den zweitwichtigsten (Absatz-)Markt für Amazon dar. Die jährlichen Gewinne stiegen von (weltweit) 3 Mrd USD im Geschäftsjahr 2017 auf 33,4 Mrd USD in 2021, mithin um 1013 %. Amazon gehört mit 1,6 Mio Mitarbeitern zum 31. Dezember 2021 zu den größten Arbeitgebern weltweit.

Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 5. Juli 2022 nach § 19a Abs. 1 GWB festgestellt, dass Amazon.com, Inc. einschließlich der mit ihr verbundenen Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Die Feststellung ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet. Gegen diesen Beschluss haben Amazon.com, Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Beschluss aufzuheben. Während des Beschwerdeverfahrens wurde Amazon von der Europäischen Kommission als Torwächter gemäß Art. 3 Digital Markets Act (DMA) benannt. Für die von Amazon betriebenen Vermittlungsplattformen Amazon Marketplace und Amazon Advertising gelten in der Europäischen Union seit dem 7. März 2024 die das Marktverhalten regelnden Vorschriften des DMA.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof ist für die Beschwerde gemäß § 73 Abs. 5 Nr. 1 GWB in erster und letzter Instanz zuständig. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. § 19a Abs. 1 GWB und der auf Grund dieser Vorschrift erlassenen Feststellungsverfügung stehen auch keine unionsrechtlichen Gründe entgegen. § 19a Abs. 1 GWB ist eine Vorschrift des nationalen Wettbewerbsrechts, deren Anwendung neben dem DMA zulässig ist. Da sich die Feststellungsverfügung nicht auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft bezieht, verstößt sie auch nicht gegen das sich aus der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie) ergebende Verbot der Einschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat. § 19a Abs. 1 GWB musste ferner bei der Europäischen Kommission nicht nach der Richtlinie (EU) 2015/1535 notifiziert werden, weil es sich nicht um eine allgemein gehaltene Vorschrift betreffend Dienste der Informationsgesellschaft im Sinn dieser Richtlinie handelt. Danach bestand kein Anlass, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten.

Das Bundeskartellamt hat gemäß § 19a Abs. 1 GWB zu Recht festgestellt, dass Amazon in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten gemäß § 18 Abs. 3a GWB tätig ist und dem Konzern eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt.

Amazon unterhält weltweit 21 länderspezifische Domains mit Handelsplattformen (Amazon Store) und vertreibt darüber als Hersteller und Einzelhändler physische und digitale Waren an Endkunden (etwa Amazon Retail, Home Entertainment, Twitch, Prime Video, Kindle Content, Amazon Music, Amazon Games, Amazon Echo und Amazon Alexa, Amazon Fire, Fire TV, SmartHome-Geräte). Gleichzeitig betreibt Amazon die Handelsplattformen als Online-Marktplätze und ermöglicht es dritten Online-Händlern gegen Provisionszahlung, ihre Waren Endkunden anzubieten. Amazon hat eine eigene Logistikinfrastruktur und vermittelt - auch in Deutschland - Versandaufträge zwischen dritten Online-Händlern und Versanddienstleistern. Amazon Advertising bringt Werbekunden und Anbieter von Werbeflächen zusammen.

Die Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb setzt keine konkrete Wettbewerbsgefahr oder Wettbewerbsbeeinträchtigung voraus. Vielmehr reicht dafür das Vorliegen der strategischen und wettbewerblichen Möglichkeiten aus, deren abstraktes Gefährdungspotential durch die Vorschrift adressiert wird. § 19a Abs. 1 GWB soll dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle derjenigen großen Digitalunternehmen ermöglichen, deren Ressourcen und strategische Positionierung ihnen erlauben, erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter zu nehmen, den Wettbewerbsprozess zum eigenen Vorteil zu verfälschen sowie ihre bestehende Marktmacht auf immer neue Märkte und Sektoren zu übertragen. Das Bundeskartellamt hat zutreffend festgestellt, dass Amazon über solche strategischen und wettbewerblichen Potentiale verfügt. Der Konzern ist auf einer Vielzahl von verschiedenen, vertikal integrierten und in vielfältiger und konglomerater Weise miteinander verbundenen Märkten tätig und hat eine marktbeherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für Online-Marktplatzdienstleistungen für gewerbliche Händler. Er verfügt über eine überragende Finanzkraft und einen überragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten wie etwa Kunden- und Nutzerdaten, Daten aus dem Betrieb der Handelsplattformen und Werbeplattformen und damit verbundenen Diensten sowie aus dem Betrieb von AWS. Amazon hat als Betreiber von zahlreichen nationalen Online-Marktplätzen weltweit und in Deutschland eine Schlüsselposition für den Zugang von Einzelhändlern zu ihren Absatzmärkten und kann erheblichen Einfluss auf die Vertriebstätigkeit von Dritthändlern ausüben. Die nunmehrige Geltung der Regelungen des DMA und die während des Beschwerdeverfahrens gegenüber der Europäischen Kommission im Rahmen eines Missbrauchsverfahrens abgegebenen Zusagen von Amazon stehen der Feststellung nicht entgegen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

§ 18 Marktbeherrschung

(1) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt

1. ohne Wettbewerber ist,

2. keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder

3. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.

[ …]

(3a) Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen:

1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte,

2. die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer,

3. seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten,

4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten,

5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.

[…]

§ 19a Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb

(1) Das Bundeskartellamt kann durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinne des § 18 Absatz 3a tätig ist, eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Bei der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. seine marktbeherrschende Stellung auf einem oder mehreren Märkten,

2. seine Finanzkraft oder sein Zugang zu sonstigen Ressourcen,

3. seine vertikale Integration und seine Tätigkeit auf in sonstiger Weise miteinander verbundenen Märkten,

4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten,

5. die Bedeutung seiner Tätigkeit für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie sein damit verbundener Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter.

Die Verfügung nach Satz 1 ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft zu befristen.

(2) Das Bundeskartellamt kann im Falle einer Feststellung nach Absatz 1 dem Unternehmen untersagen,

1. beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, insbesondere

a) die eigenen Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen;

b) ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder in anderer Weise in Angebote des Unternehmens zu integrieren;

2. Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, insbesondere

a) Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ausschließlichen Vorinstallation oder Integration von Angeboten des Unternehmens führen;

b) andere Unternehmen daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, ihre eigenen Angebote zu bewerben oder Abnehmer auch über andere als die von dem Unternehmen bereitgestellten oder vermittelten Zugänge zu erreichen;

3. Wettbewerber auf einem Markt, auf dem das Unternehmen seine Stellung, auch ohne marktbeherrschend zu sein, schnell ausbauen kann, unmittelbar oder mittelbar zu behindern, insbesondere

a) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens mit einer dafür nicht erforderlichen automatischen Nutzung eines weiteren Angebots des Unternehmens zu verbinden, ohne dem Nutzer des Angebots ausreichende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Umstands und der Art und Weise der Nutzung des anderen Angebots einzuräumen;

b) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens von der Nutzung eines anderen Angebots des Unternehmens abhängig zu machen;

4. durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten, die das Unternehmen gesammelt hat, Marktzutrittsschranken zu errichten oder spürbar zu erhöhen, oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern, oder Geschäftsbedingungen zu fordern, die eine solche Verarbeitung zulassen, insbesondere

a) die Nutzung von Diensten davon abhängig zu machen, dass Nutzer der Verarbeitung von Daten aus anderen Diensten des Unternehmens oder eines Drittanbieters zustimmen, ohne den Nutzern eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;

b) von anderen Unternehmen erhaltene wettbewerbsrelevante Daten zu anderen als für die Erbringung der eigenen Dienste gegenüber diesen Unternehmen erforderlichen Zwecken zu verarbeiten, ohne diesen Unternehmen eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;

5. die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern;

6. andere Unternehmen unzureichend über den Umfang, die Qualität oder den Erfolg der erbrachten oder beauftragten Leistung zu informieren oder ihnen in anderer Weise eine Beurteilung des Wertes dieser Leistung zu erschweren;

7. für die Behandlung von Angeboten eines anderen Unternehmens Vorteile zu fordern, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen, insbesondere

a) für deren Darstellung die Übertragung von Daten oder Rechten zu fordern, die dafür nicht zwingend erforderlich sind;

b) die Qualität der Darstellung dieser Angebote von der Übertragung von Daten oder Rechten abhängig zu machen, die hierzu in keinem angemessenen Verhältnis stehen. Dies gilt nicht, soweit die jeweilige Verhaltensweise sachlich gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Unternehmen. § 32 Absatz 2 und 3, die §§ 32a und 32b gelten entsprechend. Die Verfügung nach Absatz 2 kann mit der Feststellung nach Absatz 1 verbunden werden.

[….]

§ 73 Zulässigkeit, Zuständigkeit

[…]

(5) Der Bundesgerichtshof entscheidet als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts

1. nach § 19a, auch in Verbindung mit §§ 19, 20 und Artikel 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie § 32 Absatz 1, 2 und 3,

2. […],

jeweils einschließlich aller selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen.

Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte/Digital Markets Act)

Artikel 1 Gegenstand und Anwendungsbereich

[…]

(5) Um eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu vermeiden, erlegen die Mitgliedstaaten Torwächtern keine weiteren Verpflichtungen im Wege von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf, um bestreitbare und faire Märkte zu gewährleisten. Diese Verordnung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Unternehmen – einschließlich solcher, die zentrale Plattformdienste bereitstellen – für Angelegenheiten, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, Verpflichtungen aufzuerlegen, sofern diese Verpflichtungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind und nicht darauf zurückzuführen sind, dass die betreffenden Unternehmen den Status eines Torwächters im Sinne dieser Verordnung haben.

(6) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV. Sie lässt auch die Anwendung der folgenden Vorschriften unberührt:

a) […]

b) nationaler Wettbewerbsvorschriften, mit denen andere Formen einseitiger Verhaltensweisen verboten werden, soweit sie auf andere Unternehmen als Torwächter angewandt werden oder Torwächtern damit weitere Verpflichtungen auferlegt werden, […]

Artikel 3 Benennung von Torwächtern

(1) Ein Unternehmen wird als Torwächter benannt, wenn es

a) erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt hat,

b) einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient, und

c) hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position innehat oder absehbar ist, dass es eine solche Position in naher Zukunft erlangen wird.

(2) Es wird davon ausgegangen, dass ein Unternehmen die jeweiligen Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, wenn es

a) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe a in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre in der Union einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Mrd. EUR erzielt hat oder wenn seine durchschnittliche Marktkapitalisierung oder sein entsprechender Marktwert im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 75 Mrd. EUR betrug und es in mindestens drei Mitgliedstaaten denselben zentralen Plattformdienst bereitstellt;

b) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe b einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 45 Millionen in der Union niedergelassene oder aufhältige monatlich aktive Endnutzer und mindestens 10 000 in der Union niedergelassene jährlich aktive gewerbliche Nutzer hatte, wobei die Ermittlung und Berechnung gemäß der Methode und den Indikatoren im Anhang erfolgt;

c) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe c die unter Buchstabe b des vorliegenden Absatzes genannten Schwellenwerte in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre erreicht hat.

[...]

Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr")

Artikel 3 Binnenmarkt

(1) Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen.

(2) Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.

[...]

(4) Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a) Die Maßnahmen

i) sind aus einem der folgenden Gründe erforderlich:

- Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen,

- Schutz der öffentlichen Gesundheit,

- Schutz der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen,

- Schutz der Verbraucher, einschließlich des Schutzes von Anlegern;

ii) betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der die unter Ziffer i) genannten Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt;

iii) stehen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen.

b) Der Mitgliedstaat hat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung,

- den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;

- die Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.

[…]

Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft

Artikel 1

(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

[…]

e) "Vorschrift betreffend Dienste" eine allgemein gehaltene Vorschrift über den Zugang zu den Aktivitäten der unter Buchstabe b genannten Dienste und über deren Betreibung, insbesondere Bestimmungen über den Erbringer von Diensten, die Dienste und den Empfänger von Diensten, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf die unter dieser Nummer definierten Dienste abzielen.

Im Sinne dieser Definition

i) gilt eine Vorschrift als speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielend, wenn sie nach ihrer Begründung und ihrem Wortlaut insgesamt oder in Form einzelner Bestimmungen ausdrücklich und gezielt auf die Regelung dieser Dienste abstellt;

ii) ist eine Vorschrift nicht als speziell auf die Dienste der Informationsgesellschaft abzielend zu betrachten, wenn sie sich lediglich indirekt oder im Sinne eines Nebeneffekts auf diese Dienste auswirkt;

f) "technische Vorschrift" technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie - vorbehaltlich der in Artikel 7 genannten Bestimmungen - die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.

[…]

Artikel 5

(1) Vorbehaltlich des Artikels 7 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.

Gegebenenfalls - sofern dies noch nicht bei einer früheren Mitteilung geschehen ist - übermitteln die Mitgliedstaaten gleichzeitig den Wortlaut der hauptsächlich und unmittelbar betroffenen grundlegenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften an die Kommission, wenn deren Wortlaut für die Beurteilung der Tragweite des Entwurfs einer technischen Vorschrift notwendig ist.

[…] Die Kommission unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über den Entwurf einer technischen Vorschrift und alle ihr zugegangenen Dokumente; sie kann den Entwurf auch dem nach Artikel 2 dieser Richtlinie eingesetzten Ausschuss und gegebenenfalls dem jeweils zuständigen Ausschuss zur Stellungnahme vorlegen. […]

Artikel 6

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Artikel 5 Absatz 1 bei der Kommission an.

[...]


BKartA leitet gegen Amazon Verfahren nach § 19a GWB ein - Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb

Das Bundeskartellamt hat gegen Amazon ein Verfahren nach § 19a GWB (Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb) eingeleitet.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Verfahren gegen Amazon nach neuen Vorschriften für Digitalkonzerne (§19a GWB)

Das Bundeskartellamt hat heute ein Verfahren gegen Amazon nach den neuen Vorschriften für Digitalkonzerne eingeleitet. Es ist das zweite Verfahren, das das Bundeskartellamt auf der Grundlage des neuen kartellrechtlichen Instruments eröffnet. Kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes wurde bereits ein entsprechendes Verfahren gegen Facebook eingeleitet (siehe PM vom 28. Januar 2021).

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „In den vergangenen Jahren haben wir uns bereits mehrfach mit Amazon auseinandergesetzt und u.a. weitreichende Verbesserungen für die Händler auf dem Amazon Marktplatz erreicht. Zwei weitere Verfahren laufen derzeit noch. Parallel dazu setzen wir jetzt auch unsere erweiterten Befugnisse in der Missbrauchsaufsicht ein. Konkret prüfen wir in einem ersten Schritt, ob Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Charakteristisch dafür ist insbesondere ein sich über verschiedene Märkte erstreckendes Ökosystem – eine schwer angreifbare wirtschaftliche Machtstellung. Mit seinen Online-Marktplätzen und vielen weiteren – insbesondere digitalen – Angeboten kommt dies für Amazon in Betracht. Wenn wir eine derartige Marktposition feststellen, könnten wir etwaige wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen von Amazon früher aufgreifen und untersagen.“

Im Januar 2021 ist die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Digitalisierungsgesetz) in Kraft getreten. Eine zentrale neue Vorschrift (§19a GWB) erlaubt der Behörde ein früheres und effektiveres Eingreifen, insbesondere gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Das Bundeskartellamt kann Unternehmen, die eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben, bestimmte wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen. Beispiele für Verhaltensweisen, die nach der neuen Vorschrift untersagt werden könnten, sind die Selbstbevorzugung von konzerneigenen Diensten, das „Aufrollen“ noch nicht beherrschter Märkte mit nicht leistungswettbewerblichen Mitteln, etwa Kopplungs- bzw. Bündelungsangeboten oder die Errichtung oder Erhöhung von Marktzutrittsschranken durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten.

Das Bundeskartellamt führt aktuell auch zwei Verfahren gegen Amazon nach den schon vor der jüngsten Gesetzesänderung geltenden kartellrechtlichen Missbrauchsvorschriften. In einem Verfahren untersucht das Bundeskartellamt, inwieweit Amazon durch Preiskontrollmechanismen bzw. Algorithmen Einfluss auf die Preissetzung der auf dem Amazon-Marktplatz tätigen Händler nimmt. In einem zweiten Verfahren prüft das Bundeskartellamt inwieweit Vereinbarungen zwischen Amazon und Markenherstellern, u.a. Apple, die Dritthändler vom Verkauf von Markenprodukten auf dem Amazon Marktplatz ausschließen, einen Verstoß gegen Wettbewerbsregeln darstellen.




Bundeskartellamt veröffentlicht Jahresrückblick 2019 - Bußgelder in Höhe von rund 848 Mio. Euro wegen verbotener Kartellabsprachen

Das Bundeskartellamt hat einen Jahresrückblick 2019 veröffentlicht. Im Jahr 2019 hat das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von rund 848 Mio. Euro wegen verbotener Kartellabsprachen verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Bundeskartellamt – Jahresrückblick 2019

Das Bundeskartellamt hat 2019 Bußgelder in Höhe von rund 848 Mio. Euro wegen verbotener Kartellabsprachen verhängt, rund 1.400 Zusammenschlüsse von Unternehmen geprüft, 104 Nachprüfungsanträge in Vergabesachen erhalten und zahlreiche Missbrauchsverfahren geführt. Hervorzuheben sind vor allem die derzeit beim Bundesgerichtshof anhängige Entscheidung der Behörde gegen die Datensammlung und -verwertung von Facebook sowie die weitreichenden Änderungen der Geschäftsbedingungen von Amazon, die das Bundeskartellamt bewirkt hat. Im Rahmen seiner Kompetenzen im Verbraucherschutz hat das Bundeskartellamt eine ganze Reihe von verbraucherunfreundlichen Praktiken von Vergleichsportalen offengelegt.

Kartellverfolgung

2019 hat das Bundeskartellamt rund 848 Mio. Euro Bußgeld gegen insgesamt 23 Unternehmen bzw. Verbände und 12 natürliche Personen verhängt. Betroffen waren Branchen wie der Fahrradgroßhandel, Gebäudeausrüstung, Zeitschriften, Industriebatterien, Autostahl-Einkauf sowie Stahl-Herstellung. Das Bundeskartellamt hat auch in diesem Jahr wieder viele Hinweise auf Kartellverstöße erhalten. 16 Unternehmen haben dem Bundeskartellamt über die Bonusregelung („Kronzeugenprogramm“) Informationen über Verstöße in ihrer Branche mitgeteilt, daneben gab es zahlreiche weitere Hinweise aus anderen Quellen. 2019 wurden fünf Durchsuchungsaktionen bei insgesamt 32 Unternehmen durchgeführt.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Wir investieren viele Ressourcen in die Kartellverfolgung. Das gilt für die Aufdeckung, die Durchsuchungsaktionen, die Auswertung von inzwischen meist elektronischen Beweismitteln, Zeugenvernehmungen, die Bewertung der Sachverhalte und in vielen Fällen auch in sich anschließende, aufwändige Gerichtsverfahren. Die Kartellverfolgung ist und bleibt ein Schwerpunkt unserer Arbeit, denn Kartelle schädigen die Wirtschaft und die Verbraucher durch künstlich überhöhte Preise, schlechtere Qualität und ausgebremste Innovation.“

Fusionskontrolle

Das Bundeskartellamt hat rund 1.400 angemeldete Vorhaben geprüft. Davon wurden 14 Zusammenschlüsse in der sogenannten zweiten Phase vertieft geprüft: In vier Fällen (Miba/Zollern, Heidelberger Druckmaschinen/MBO, Remondis/DSD, Loomis/Ziemann) endete das Verfahren mit einer Untersagung. In fünf Hauptprüfverfahren haben die Beteiligten ihr Vorhaben zurückgezogen. Ein Fall wurde ohne Auflagen freigegeben. In vier Fällen läuft das Hauptprüfverfahren derzeit noch.

Andreas Mundt: „Die Fusionskontrolle hat eine herausragende Bedeutung sowohl auf europäischer Ebene als auch in den Mitgliedstaaten, denn sie ist das einzige Instrument, mit dem wir der Konzentration von Märkten präventiv Grenzen setzen können. Wettbewerbsbehörden sorgen mit der Fusionskontrolle dafür, dass die Kunden und Verbraucher auch in der Zukunft zwischen verschiedenen Anbietern auswählen können."

Internetwirtschaft

Die Digitalwirtschaft stand auch im Jahr 2019 im Zentrum der Arbeit des Bundeskartellamtes. Aufgrund der Bedenken des Amtes hat Amazon seine Vertrags- und Geschäftsbedingungen gegenüber den auf dem Amazon Marktplatz tätigen Händlern weltweit in wichtigen Punkten verbessert. In dem Missbrauchsverfahren gegen Facebook hat das Amt dem Unternehmen Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt. Auf eine erfolgreiche Beschwerde des Facebook-Konzerns gegen die Entscheidung beim OLG Düsseldorf hat das Bundeskartellamt Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt, um zentrale Rechtsfragen zu klären. In einer gemeinsamen Studie mit der französischen Wettbewerbsbehörde, der Autorité de la concurrence, hat das Bundeskartellamt die Auswirkungen von Algorithmen auf den Wettbewerb untersucht.

Andreas Mundt: „Als Wettbewerbsbehörde müssen wir mit den Veränderungen durch die Digitalisierung in den Unternehmen Schritt halten. Unsere Verfahren sind ein Beleg, dass wir dafür gut gerüstet sind. Aufgrund unserer kartellrechtlichen Bedenken hat Amazon seine Geschäftsbedingungen für Händler auf den Amazon Online-Marktplätzen geändert. Mit unserem Facebook-Verfahren sind wir im Maschinenraum der Datenökonomie angelangt. Aus unserer Sicht ist der Umfang, in dem Facebook Daten ohne Einwilligung der Nutzer sammelt, dem Nutzerkonto zuführt und verwertet, missbräuchlich. Daher haben wir eingegriffen. Wichtige Rechtsfragen in diesem Verfahren muss nun der Bundesgerichtshof klären. Auch durch unsere Verfahren entwickeln wir ein tiefes Verständnis für neue Geschäftsmodelle und die Eigenheiten der digitalen Ökonomie. Dazu passt, dass wir in diesem Jahr gemeinsam mit der französischen Wettbewerbsbehörde eine Studie zum Thema „Algorithmen und Wettbewerb“ veröffentlicht haben. Das hinzugewonnene Fachwissen wird uns in Zukunft bei unserer Arbeit helfen. Dies gilt auch für die anstehende Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, durch die die Missbrauchsaufsicht im Digitalbereich weiter gestärkt werden soll.“

Verbraucherschutz

Im Rahmen seiner Kompetenzen im Verbraucherschutz hat das Bundeskartellamt im April 2019 eine Sektoruntersuchung zu Vergleichsportalen abgeschlossen und verbraucherunfreundliche Praktiken offengelegt.

Andreas Mundt: „Die umfangreichen und detaillierten Ermittlungen haben bestätigt, dass es gerade im Bereich der Internet-Portale zu Rechtsverstößen kommen kann, die mit zivilrechtlichen Instrumenten nicht wirksam zu bekämpfen sind. Derzeit können wir beim Verbraucher nur ein Bewusstsein für die Tücken gerade bei der Inanspruchnahme digitaler Angebote wecken, die wir im Rahmen unserer Sektoruntersuchungen vorfinden.“

Im Mai 2019 hat das Bundeskartellamt eine dritte Sektoruntersuchung eingeleitet, die sich mit der Erfassung, der Überprüfung und der Darstellung von Nutzerbewertungen im Internet befasst. Diese soll – ebenso wie die laufende Sektoruntersuchung zu Smart-TVs – im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Seine Möglichkeit, im Verbraucherschutz zu wichtigen Fragen eines Rechtsstreits Stellung zu nehmen (sog. Amicus Curiae), hat das Bundeskartellamt 2019 durch seine Beteiligung an verschiedenen Zivilrechtsverfahren genutzt.

Vergabekammern und Wettbewerbsregister

Im Jahr 2019 wurden bei den Vergabekammern des Bundes 104 Anträge auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt. Rund die Hälfte der Fälle betraf die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, gefolgt von Bauaufträgen. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Aufträge aus dem Bereich der Arbeitsmarktdienstleistungen sowie Vergaben aus dem Bereich Verteidigung und Sicherheit.

Das Bundeskartellamt arbeitet mit Nachdruck an der Einrichtung des Wettbewerbsregisters des Bundes. Unternehmen, die schwerwiegende Wirtschaftsdelikte begehen, sollen nicht von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen profitieren. Das Wettbewerbsregister wird es öffentlichen Auftraggebern künftig ermöglichen, durch eine einzige elektronische Abfrage bundesweit nachzuprüfen, ob es bei einem Unternehmen zu relevanten Rechtsverstößen gekommen ist. Das elektronische Register soll möglichst bis Ende 2020 funktionsfähig sein.


Bundeskartellamt: Bußgelder gegen Stahlhersteller wegen kartellrechtswidriger Preisabsprachen bei Quartoblechen in Höhe von insgesamt rund 646 Mio Euro

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder gegen Stahlhersteller wegen kartellrechtswidriger Preisabsprachen bei Quartoblechen in Höhe von insgesamt rund 646 Mio Euro verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartelamtes:

Rund 646 Mio. Euro Bußgeld gegen Stahlhersteller wegen Preisabsprachen bei Quartoblechen

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 646 Millionen Euro gegen die Ilsenburger Grobblech GmbH, die thyssenkrupp Steel Europe AG und die voestalpine Grobblech GmbH sowie drei verantwortliche Personen verhängt, weil sie sich über bestimmte Aufpreise und Zuschläge für Quartobleche in Deutschland ausgetauscht und verständigt haben. Die kartellrechtswidrige Absprache wurde von Mitte 2002 bis Juni 2016 praktiziert. Die hieran ebenfalls beteiligte Aktien-Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke hat als erstes Unternehmen mit dem Bundeskartellamt kooperiert und hierfür einen vollständigen Erlass der Geldbuße erhalten.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrages im Juli 2002 bis zum August 2008 haben sich Vertreter der Stahlhersteller regelmäßig im sogenannten Technikerkreis der Walzstahl-Vereinigung getroffen und haben Absprachen über die wichtigsten Aufpreise und Zuschläge für bestimmte Quartobleche in Deutschland getroffen. In den Folgejahren bis Mitte 2016 haben die Unternehmen diese Preisbestandteile weiterhin nach den einheitlichen, untereinander vereinbarten Modellen berechnet oder koordiniert voneinander abgeschrieben.“

Quartobleche sind warm gewalzte Stahl-Flacherzeugnisse. Sie kommen insbesondere in den Bereichen Stahl- und Brückenbau, Hochbau, Schiffsbau, Kessel- bzw. Druckbehälterbau, allgemeiner Maschinenbau, sowie zum Bau von Windtürmen und Pipelines und in der Offshore-Industrie zum Einsatz. Von diesem Verfahren nicht betroffen sind dabei die rost-, säure-, und hitzebeständigen Stähle, die Werkzeug- und Vergütungsstähle sowie die Stähle für Offshore-Konstruktionen nach DIN-EN 10225. Ebenfalls nicht betroffen sind walzplattierte Quartobleche.

Der Preis für die betroffenen Quartobleche setzte sich in Deutschland traditionell zusammen aus einem kundenindividuell verhandelten Basispreis und diversen Aufpreisen und Zuschlägen. Die Aufpreise wurden für die Erfüllung bestimmter Qualitätsmerkmale wie z.B. besondere Festigkeit oder Zähigkeit, aber auch für Zusatzleistungen, wie z.B. Ultraschallprüfungen, erhoben. Bei den Zuschlägen handelt es sich um die Legierungszuschläge und den Schrottzuschlag, also um Zuschläge für bestimmte Einsatzstoffe bei der Produktion einiger Quartoblechgüten. Die im Grundsatz brancheneinheitlichen Aufpreise und Zuschläge machten etwa 20-25 Prozent des Gesamtpreises für Quartobleche aus und waren bis Mitte 2016 in Preislisten der betroffenen Quartoblechhersteller enthalten und veröffentlicht.

Hintergrund der Absprachen war das gemeinsame Verständnis und Ziel der Unternehmen, mit ihren Kunden möglichst nur über die Basispreise und nicht über diese Aufpreise und Zuschläge zu verhandeln. Insgesamt hat die Bedeutung des traditionellen Preissystems im relevanten Zeitraum abgenommen.

Zum 1. Juli 2016 hat die thyssenkrupp Steel Europe AG eine neue Preisliste mit Aufpreisen und Zuschlägen herausgebracht, die von dem im Technikerkreis besprochenen Preismodell und den daraus abgeleiteten Preisen deutlich abweichen. Hierdurch endete die Geltung des im Technikerkreis besprochenen Preismodells insgesamt.

Die Unternehmen haben die vom Bundeskartellamt gegen sie jeweils erhobenen Vorwürfe eingeräumt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt. Dies wurde bei der Bußgeldfestsetzung berücksichtigt. Die voestalpine Grobblech GmbH hat darüber hinaus auch während des Verfahrens mit dem Bundeskartellamt kooperiert, was ebenfalls bei der Bußgeldfestsetzung berücksichtigt wurde.

Die verhängten Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide samt der in ihnen getroffenen Feststellungen kann Einspruch eingelegt werden, über den gegebenenfalls das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden würde.
Ein Fallbericht mit den Inhalten des § 53 Abs. 5 GWB wird in Kürze auf der Internetseite des Bundeskartellamts veröffentlicht.


Bundeskartellamt: 100 Mio EURO Bußgeld gegen BMW, Daimler und Volkswagen wegen kartellrechtswidriger Praktiken beim Stahleinkauf

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder gegen BMW, Daimler und Volkswagen wegen kartellrechtswidriger Praktiken beim Stahleinkauf in Höhe von insgesamt rund 100 Mio Euro verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartelamtes:

Bußgelder gegen deutsche Automobilhersteller wegen wettbewerbswidriger Praktiken beim Einkauf von Stahl

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 100 Millionen Euro gegen die Bayerische Motoren Werke AG, die Daimler AG und die Volkswagen AG wegen wettbewerbswidriger Praktiken beim Einkauf von Langstahl verhängt.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Von 2004 bis Ende 2013 haben sich Vertreter von BMW, Daimler und Volkswagen regelmäßig zweimal im Jahr mit Stahlherstellern, Schmieden und großen Systemzulieferern getroffen und sich dabei über einheitliche Preiszuschläge beim Einkauf von Langstahl ausgetauscht. Schrott- und Legierungszuschläge machen einen wesentlichen Teil der Einkaufspreise bei Langstahl aus. Soweit in der Folge der Gespräche hierüber nicht mehr individuell mit den Lieferanten verhandelt wurde, wurde der Wettbewerb untereinander in Bezug auf diese Preisbestandteile ausgeschaltet.“

Die Automobilhersteller verbauen bei der Produktion viele Teile, die aus Langstahl gefertigt werden (z.B. Kurbelwellen, Pleuel, Nockenwellen, Zahnräder und Lenkstangen). Diese Bauteile werden bei Schmiedeunternehmen eingekauft oder von den Automobilherstellern selbst in eigenen Schmieden gefertigt. Dazu wird im Vorfeld Langstahl als Rohmaterial eingekauft.

Üblicherweise wird Langstahl von den Stahlherstellern bzw. von den Schmieden nach einem bestimmten Preismodell vertrieben. Der Preis setzt sich aus einem Basispreis und aus Schrott- und Legierungszuschlägen zusammen. Die Zuschläge, die der Höhe nach schwanken, machten beim Edelbaustahl, dem hier hauptsächlich betroffenen Typ des Langstahls, im Tatzeitraum im Schnitt rund ein Drittel des Endpreises aus. Der Anteil der Einkaufskosten für Langstahl an den Gesamtkosten eines PKW liegt bei unter einem Prozent.

Im Gegensatz zu den Basispreisen wurden die Zuschläge traditionell nicht verhandelt, sondern nach feststehenden, branchenweit einheitlichen Formeln berechnet und als gesonderte Preisbestandteile auf den Basispreis aufgeschlagen. In den Jahren 2003 und 2004 nahmen die Stahlhersteller einseitig und zum Teil unter Androhung von Lieferstopps gewisse Veränderungen bei der Zuschlagsberechnung vor. Als Reaktion darauf wurden die Gesprächsrunden zwischen Automobilherstellern und Stahlherstellern sowie Schmieden unter dem Dach des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung aufgenommen. In den Gesprächen versicherten und bestärkten die Vertreter der Automobilhersteller sich gegenseitig darin, die von den Stahlherstellern vorgenommenen Veränderungen zu übernehmen und weiterhin an der etablierten Praxis einheitlich berechneter Preiszuschläge festzuhalten. Dies taten sie jedenfalls bis Januar 2016.

Die Unternehmen haben den vom Bundeskartellamt ermittelten Sachverhalt als zutreffend anerkannt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt. Dies wurde bei der Bußgeldfestsetzung ebenso berücksichtigt, wie die Tatsache, dass sie während des Verfahrens mit dem Bundeskartellamt kooperiert haben.

Gegen drei Zuliefer-Unternehmen und einen Verband wurden die Ermittlungen aus Ermessensgründen eingestellt.

Die verhängten Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide samt der in ihnen getroffenen Feststellungen kann Einspruch eingelegt werden, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet.

Ein Fallbericht mit den Inhalten des § 53 Abs. 5 GWB wird in Kürze auf der Internetseite des Bundeskartellamtes veröffentlicht.

Hintergrund – sonstige Verfahren im Bereich Stahl- bzw. Automobilhersteller

- In einem anderen Verfahren führt das Bundeskartellamt Ermittlungen gegen Hersteller von Edelstahlerzeugnissen. In diesem Verfahren wurden bereits erste Bußgelder verhängt (siehe PM vom 12. Juli 2018).

- Im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Flachstahl führt das Bundeskartellamt Verfahren gegen mehrere Stahlhersteller und einen Verband wegen des Verdachts auf Preisabsprachen.

- Das vorliegende Verfahren steht in keinem Zusammenhang zu den laufenden Ermittlungen der Europäischen Kommission gegen verschiedene Automobilhersteller wegen des Verdachts auf Absprachen bei



BKartA befragt Amazon-Marketplace-Händler - Verstoß gegen Kartellverbot durch Preisparitätsklausel bei Amazon Marketplace ?

Das Bundeskartellamt befragt derzeit Amazon-Marketplace-Händler. Das Bundeskartellamt möchte herausfinden, ob durch die Amazon-Preisparitätsklausel ein Verstoß gegen das allgemeine Kartellverbot vorliegt. Diese Klausel verbietet es Marketplace-Händlern, ihre Produkte im Internet an anderer Stelle billiger anzubieten.


Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes


Bundeskartellamt befragt Amazon-Marketplace-Händler
Bonn, 20. Februar 2013: Das Bundeskartellamt startet heute eine Web-Befragung von 2400 Händlern, die ihre Waren über den Amazon Marketplace anbieten.

Das Bundeskartellamt prüft im Rahmen eines kartellrechtlichen Verwaltungsverfahrens die Auswirkungen der von Amazon.de praktizierten Preisparitätsklausel für Marketplace-Händler. Neben dem direkten Verkauf von Produkten durch Amazon haben auch andere Händler die Möglichkeit, ihre Waren dort anzubieten. Die Preisparitätsklausel untersagt ihnen, Produkte, die sie auf Amazon Marketplace anbieten, an anderer Stelle im Internet günstiger anzubieten. Das Verbot bezieht sich sowohl auf andere Internet-Marktplätze wie z. B. Ebay oder Rakuten als auch auf eigene Online-Shops der Händler.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Amazon-Preisparitätsklausel, die den Händlern die Freiheit nimmt, ein über Amazon angebotenes Produkt an anderer Stelle im Internet preiswerter anzubieten, kann gegen das allgemeine Kartellverbot verstoßen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn durch die Beschränkung der Preissetzungsfreiheit der Händler auch der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Internet-Marktplätzen beschränkt wird. Hierfür spricht einiges, da die Händler unter normalen Umständen ja ein Interesse haben, ihre Waren auf mehreren Marktplätzen im Internet anzubieten.“

Um auf einem Internet-Marktplatz tätig zu werden, müssen die Händler an den Marktplatz-Betreiber (Amazon, Ebay, Rakuten) verschiedene Entgelte entrichten, u.a. einen bestimmten Prozentsatz vom erzielten Verkaufspreis. Da die Händler günstigere Konditionen nicht auch in einen günstigeren Preis für den Endkunden einfließen lassen können, kann es für alternative, insbesondere für neu hinzu tretende Internet-Marktplätze schwierig sein, neben Amazon eine hohe Reichweite zu erlangen. Es besteht die Gefahr, dass hohe Händlergebühren von Amazon durchgesetzt werden und das System so insgesamt zu einem höheren Preisniveau zulasten des Verbrauchers führt, ohne dass er ausreichende Vorteile hiervon hat.

Die Händlerbefragung soll möglichst umfangreiche Informationen zur Wirkung der Preisparitätsklausel und zur Bedeutung des Amazon Marketplace liefern.

Sollte sich der Verdacht durch die Ermittlungen bestätigen, kann Amazon dazu verpflichtet werden, die Preisparitätsklausel aus ihren Teilnahmebedingungen zu streichen.

Bundeskartellamt: Bußgeld von rund 24 Mio Euro wegen unzulässiger Preisabsprachen und wettbewerbsbeschränkendem Informationsaustausch bei "Calgonit" sowie "Somat"

Das Bundeskartellamt hat wegen unzulässiger Preisabsprachen und wettbewerbsbeschränkendem Informationsaustausch hinsichtlich der Geschirrspülmitteln "Calgonit" sowie "Somat" ein Bußgeld von rund 24 Mio Euro Verhängt.

Aus der Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

"Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts: „Reckitt Benckiser und Henkel haben in mehreren Fällen Preiserhöhungen für Maschinengeschirrspülmittel der Marken „Calgonit“ und „Somat“ abgesprochen. Die beiden Unternehmen haben Preiserhöhungen zwischen ihren Produkten über Jahre koordiniert. Die Zeche zahlte der Verbraucher.“

Die vollständige Pressemitteilung des Bundeskartellamtes finden Sie hier:

"Bundeskartellamt: Bußgeld von rund 24 Mio Euro wegen unzulässiger Preisabsprachen und wettbewerbsbeschränkendem Informationsaustausch bei "Calgonit" sowie "Somat"" vollständig lesen