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OVG Münster: Informationsfreiheitsgesetz NRW gilt nicht für Forschungseinrichtungen - Stadt Köln muss Forschungsergebnisse zu Kunstwerken aus der Sammlung der Russischen Avantgarde nicht herausgebe

OVG Münster
Beschluss vom 16.09.2020
15 B 1357/20


Das OVG Münster hat entschieden, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht für Forschungseinrichtungen gilt. Die Stadt Köln muss Forschungsergebnisse zu Kunstwerken aus der Sammlung der Russischen Avantgarde nicht herausgeben

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Museum Ludwig: Stadt Köln ist nicht zur Herausgabe von Forschungsergebnissen verpflichtet

Die Stadt Köln muss Informationen und Unterlagen zu Kunstwerken aus der Sammlung der Russischen Avantgarde, die in dem städtischen Museum Ludwig ausgestellt werden, nicht an die Inhaber einer in der Schweiz ansässigen Kunstgalerie herausgeben. Das hat das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom heutigen Tage entschieden.

Im Museum Ludwig soll ab dem 26. September 2020 eine Ausstellung mit dem Titel „Russische Avantgarde im Museum Ludwig – Original und Fälschung – Fragen, Untersuchungen, Erklärungen“ eröffnet werden, die sich der sogenannten Provenienz der ausgestellten Gemälde widmet. Dazu gehören auch Kunstwerke, die in der Vergangenheit von der Galerie der Antragsteller erworben worden sind. Die Antragsteller befürchten eine rufschädigende Wirkung der Ausstellung. Gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) beantragten sie deshalb, ihnen vor Eröffnung der Ausstellung Informationen und Gutachten zu den Ausstellungsstücken zu gewähren, die unter Fälschungsverdacht stehen. Diesen Antrag lehnte die Stadt Köln ab. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Stadt daraufhin durch Eilbeschluss vom 9. September 2020, den Antragstellern Zugang zu den begehrten Informationen und Gutachten zu gewähren. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Stadt hatte Erfolg.

Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt:

Den Zugang zu den begehrten Informationen und Unterlagen könnten die Antragsteller nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung erzwingen, weil es zweifelhaft sei, ob der Informationsanspruch bestehe.

Das IFG NRW gelte nicht für Forschungseinrichtungen, soweit sie im Bereich der Forschung tätig würden. Mit dieser Ausnahme habe der Gesetzgeber eine Gefährdung der vom Grundgesetz garantieren Freiheit von Wissenschaft und Forschung verhindern wollen. Es spreche viel dafür, das Museum Ludwig als Forschungseinrichtung im Sinne des Gesetzes anzusehen. Zwar sei die wissenschaftliche Forschung nicht seine Hauptaufgabe. Das Museum verfüge aber über wissenschaftliches Personal und betreibe verschiedene Forschungsprojekte. Auch spreche Manches dafür, dass die Vorbereitung der Ausstellung zur Russischen Avantgarde unter den Forschungsbegriff falle. Die Ausstellung diene u. a. dazu, die Ergebnisse durchgeführter kunsthistorischer und kunsttechnologischer Untersuchungen und die Erkenntnisse aus der Provenienzforschung mit den zugehörigen Gemälden der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die wissenschaftliche Provenienzrecherche sei ein zentrales Forschungsfeld der Museumsarbeit. Entsprechende systematische Überprüfungen seiner Sammlungsblöcke habe das Museum bereits in der Vergangenheit durchgeführt. Die für die Vorbereitung der Ausstellung federführende Mitarbeiterin des Museums sei studierte Kunsthistorikerin und widme sich seit 20 Jahren der Erforschung der Russischen Avantgarde. Es deute zudem Einiges darauf hin, dass sie ihre Forschungstätigkeit frei von Weisungen der Museumsleitung ausgeübt habe und sich deshalb auf die Wissenschaftsfreiheit berufen könne.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 15 B 1357/20 (I. Instanz: VG Köln - 13 L 1463/20 -)


Volltext BGH: Fotografien von gemeinfreien Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken genießen Lichtbildschutz nach § 72 UrhG

BGH
Urteil vom 20.12.2018
I ZR 104/17
Museumsfotos
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 2; UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, § 51 Satz 3, § 72, § 97 Abs. 1 Satz 1, § 97a Abs. 3 Satz 1, § 137f Abs. 1 Satz 2; BGB § 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 305 Abs. 2 Nr. 1, § 305c Abs. 2, § 307; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Fotografien von gemeinfreien Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken genießen Lichtbildschutz nach § 72 UrhG über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Stützt der Kläger einen Unterlassungsanspruch sowohl auf den Schutz des Lichtbildwerks nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG als auch auf den Lichtbildschutz nach § 72 UrhG, handelt es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand (Festhaltung an BGH, Urteil vom 3. November 1999 - I ZR 55/97, GRUR 2000, 317, 318 [juris Rn. 12] = WRP 2000, 203 - Werbefotos).

b) Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken unterfallen regelmäßig dem Lichtbildschutz nach § 72 UrhG.

c) Fertigt der Besucher eines kommunalen Kunstmuseums unter Verstoß gegen das im privatrechtlichen Besichtigungsvertrag mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam vereinbarte Fotografierverbot Fotografien im Museum ausgestellter Werke an und macht er diese Fotografien im Internet öffentlich zugänglich, kann der Museumsträger als Schadensersatz die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet verlangen.

BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 104/17 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Fotografien von gemeinfreien Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken genießen Lichtbildschutz nach § 72 UrhG

BGH
Urteil vom 20.12.2018
I ZR 104/17
Museumsfotos


Der BGH hat entschieden, dass Fotografien von gemeinfreien Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genießen.

Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Veröffentlichung von Fotografien gemeinfreier Kunstwerke

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken regelmäßig Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genießen. Der Senat hat weiter entschieden, dass der Träger eines kommunalen Kunstmuseums von einem Besucher, der unter Verstoß gegen das im Besichtigungsvertrag mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen vereinbarte Fotografierverbot Fotografien im Museum ausgestellter Werke anfertigt und im Internet öffentlich zugänglich macht, als Schadensersatz Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung verlangen kann.

Die Klägerin betreibt das Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim. Sie hat im Jahr 1992 durch einen Mitarbeiter dort ausgestellte Kunstwerke fotografieren lassen und diese Fotografien in einer Publikation veröffentlicht.

Der Beklagte ist ehrenamtlich für die deutschsprachige Ausgabe des Internet Lexikons Wikipedia mit dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons tätig. Der Beklagte hat Fotografien in die Mediendatenbank Wikimedia Commons hochgeladen und zum öffentlichen Abruf bereitgestellt, auf denen Werke - Gemälde und andere Objekte - aus der im Eigentum der Klägerin stehenden Sammlung zu sehen sind. Diese Werke sind sämtlich gemeinfrei, also wegen Ablaufs der Schutzfrist (§ 64 UrhG) urheberrechtlich nicht mehr geschützt. Bei den Fotografien handelte es sich teilweise um Aufnahmen aus der Publikation der Klägerin, die der Beklagte zuvor eingescannt hatte. Die übrigen Fotos hatte der Beklagte bei einem Museumsbesuch im Jahr 2007 selbst angefertigt und Wikimedia Commons unter Verzicht auf sein Urheberrecht zur Verfügung gestellt.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Sie stützt ihren Unterlassungsanspruch hinsichtlich der vom Beklagten eingescannten Fotografien auf Urheber- und Leistungsschutzrechte. Hinsichtlich der vom Beklagten selbst erstellten Fotografien beruft sie sich auf eine Verletzung des mit dem Beklagten geschlossenen Besichtigungsvertrags, der ein Fotografierverbot enthalte, sowie auf eine Verletzung ihres Eigentums an den ausgestellten Objekten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist - soweit für die Revision von Bedeutung - ohne Erfolg geblieben.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.

Das Hochladen der eingescannten Bilder aus der Publikation der Klägerin verletzt das der Klägerin vom Fotografen übertragene Recht, die Lichtbilder öffentlich zugänglich zu machen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG, § 72 Abs. 1 UrhG, § 19a UrhG). Die Fotografie eines Gemäldes genießt Lichtbildschutz nach § 72 Abs. 1 UrhG. Bei ihrer Anfertigung hat der Fotograf Entscheidungen über eine Reihe von gestalterischen Umständen zu treffen, zu denen Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Ausschnitt der Aufnahme zählen. Deshalb erreichen solche Fotografien regelmäßig - so auch im Streitfall - das für den Schutz nach § 72 Abs. 1 UrhG erforderliche Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung.

Mit der Anfertigung eigener Fotografien anlässlich eines Museumsbesuchs hat der Beklagte gegen das vertraglich vereinbarte Fotografierverbot verstoßen. Die entsprechende Vorschrift in der Benutzungsordnung und aushängende Piktogramme mit einem durchgestrichenen Fotoapparat stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die wirksam in den privatrechtlichen Besichtigungsvertrag einbezogen worden sind und der Inhaltskontrolle standhalten. Die Klägerin kann als Schadensersatz wegen der Vertragsverletzung des Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, die Bildaufnahmen durch Hochladen im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Dieses Verhalten stellt ein äquivalent und adäquat kausales Schadensgeschehen dar, das einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit der Vertragsverletzung aufweist.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 27. September 2016 - 17 O 690/15

OLG Stuttgart - Urteil vom 31. Mai 2017 - 4 U 204/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 64 UrhG:

Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.

§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG:

Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 72 Abs. 1 Satz 1 UrhG:

Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.

§ 19a UrhG:

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

§ 280 Abs. 1 BGB:

Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

§ 249 Absatz 1 BGB:

Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.