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OVG Schleswig-Holstein: Bei YouTube veröffentlichte Dashcam-Aufnahmen müssen vom Uploader verpixelt werden so dass Personen und KfZ-Kennzeichen nicht zu erkennen sind

OVG Schleswig-Holstein
Urteil vom 07.08.2024
8 A 159/20


Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass bei YouTube veröffentlichte Dashcam-Aufnahmen vom Uploader verpixelt werden müssen, so dass Personen und KfZ-Kennzeichen nicht zu erkennen sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Beklagten ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO in Verbindung mit Art. 12, 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO. Gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO verfügt jede Aufsichtsbehörde – und damit auch die Beklagte – über sämtliche Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit dieser Verordnung zu bringen.

Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 DS-GVO trifft der Verantwortliche geeignete Maßnahmen, um der betroffenen Person alle Informationen gemäß den Artikeln 13 und 14 und alle Mitteilungen gemäß den Artikeln 15 bis 22 und Artikel 34, die sich auf die Verarbeitung beziehen, in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln. Die Übermittlung der Informationen erfolgt schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch.

Entgegen der Ansicht des Klägers folgen die ihn treffenden Informationspflichten bei der Erstellung von Videoaufnahmen aus Art. 13 DS-GVO und nicht aus Art. 14 DS-GVO. Insoweit besteht zwischen Art. 13 und 14 DS-GVO im Hinblick auf den Zeitpunkt der Informationspflichten ein wesentlicher Unterschied. Bei Art. 13 DS-GVO sind die nach der Vorschrift erforderlichen Informationen der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten zu erteilen, während bei Art. 14 DS-GVO die Informationen erst innerhalb einer angemessenen Frist nach Erlangung der personenbezogenen Daten, längstens jedoch innerhalb eines Monats erteilt werden müssen (Art. 14 Abs. 3 DS-GVO).

Art. 13 DS-GVO betrifft die Datenerhebung bei der betroffenen Person, während Art. 14 DS-GVO greift, wenn die Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden. Unter welchen Voraussetzungen von einer Datenerhebung bei der betroffenen Person auszugehen ist, ist Art. 13 und 14 DS-GVO nicht zu entnehmen.

Die Abgrenzung der Datenerhebung nach Art. 13 DS-GVO von derjenigen nach Art. 14 DS-GVO hat nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters nach objektiven Kriterien zu erfolgen, insbesondere anhand des Ortes der Datenerhebung (vgl. Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 14 Rn. 30) oder der Mitwirkung der betroffenen Person. Einer Abgrenzung nach subjektiven Kriterien, insbesondere der Kenntnis der betroffenen Person von der Datenerhebung (vgl. dazu Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO - BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 13 Rn. 4) stehen einerseits Abgrenzungsschwierigkeiten entgegen und der Umstand, dass der Verantwortliche anderenfalls durch offene oder verdeckte Datenerhebung wählen könnte, ob Art. 13 oder 14 DS-GVO eingreift. Letzteres wiederum hätte zur Folge, dass sich der Verantwortliche den Informationspflichten letztendlich vollständig durch verdeckte Datenerhebungen entziehen könnte, weil die betroffenen Personen dem Verarbeitenden oftmals unbekannt sind mit der Folge, dass Informationen im Nachhinein aus tatsächlichen Gründen nicht mehr erteilt werden können und der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO griffe (Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 13 f.). Dies ist mit dem in Erwägungsgrund 6 DS-GVO normierten Ziel der Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus trotz Zunahme des Datenaustausches nicht zu vereinbaren.

Vor diesem Hintergrund sind Videoaufzeichnungen unabhängig von der Frage, ob es sich um offene (mit Hinweisschild oder ähnlichem Hinweis) oder verdeckte Aufzeichnungen handelt, als Datenerhebung bei der betroffenen Person nach Art. 13 DS-GVO anzusehen (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 15; a. A. Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 13 Rn. 11b; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 14 DS-GVO Rn. 31.2).

Die Differenzierung nach offenen und verdeckten Videoaufzeichnungen hätte auch hier zur Folge, dass der Verantwortliche im Ergebnis selbst wählen könnte, ob Art. 13 oder 14 DS-GVO einschlägig ist, indem er die Videoaufzeichnung entweder offen oder verdeckt ausführt. Dies hätte wiederum zur Folge, dass bei verdeckten Videoaufzeichnungen letztendlich oft keine Informationspflichten eingehalten werden müssten, weil die aufgezeichneten Personen dem Verantwortlichen unbekannt sind und deshalb der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO greift (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 13 f.).

Bezogen auf das streitgegenständliche Filmen mittels einer auf das Autodach montierten Kamera hätte die Abgrenzung nach dem subjektiven Merkmal der Kenntnis zudem Abgrenzungsprobleme in der Form zur Folge, dass der Kläger jeweils prüfen müsste, ob die Person die Kamera gesehen und damit Kenntnis von den Videoaufzeichnungen hat. In diesem Fall griffe dann Art. 13 DS-GVO. Im anderen Fall, in dem die betroffene Person die Kamera nicht gesehen hat, griffe Art. 14 DS-GVO ein und der Kläger müsste die darin normierten nachträglichen Informationspflichten erfüllen. Dazu müsste der Kläger bei jeder gefilmten Person prüfen, ob diese die Kamera gesehen beziehungsweise auf irgend eine Art davon Kenntnis erlangt hat. Bei allen anderen Personen müsste er prüfen, ob er die Informationen nachträglich erteilen kann oder der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO greift. Diese Vorgehensweise erscheint nicht praxistauglich.

Der Kläger ist ausgehend von diesen Maßstäben nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO verpflichtet, der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung die berechtigten Interessen mitzuteilen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden, wenn die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO beruht.

Der Kläger hat sich vorliegend insbesondere auf seine Kunstfreiheit und seine Berufsfreiheit und damit auf berechtigte Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO berufen.

Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO erfolgt die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch. Jedenfalls über seine berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO kann der Kläger auch in der von ihm gewählten Form informieren, dass sich auf dem Kraftfahrzeug ein Hinweis auf seine Website befindet, auf der dann wiederum die erforderlichen Informationen nachzulesen sind. Insoweit ist ein Medienbruch zulässig (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 12 Rn. 16). Gewisse Verarbeitungssituationen lassen es schlichtweg nicht zu, sämtliche Transparenzinformationen unmittelbar zur Verfügung zu stellen (vgl. Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSH, 3. Aufl. 2022, Art. 13 DS-GVO Rn. 43).

So ist auch hier zu berücksichtigen, dass beim Vorbeifahren eines Kraftfahrzeuges nur in begrenztem Umfang auf dem Kraftfahrzeug angebrachte Informationen von den betroffenen Personen wahrgenommen werden können und diese deshalb auf die essentiellen Informationen beschränkt werden müssen. Dazu zählen die berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO nicht. Hier ist es ausreichend, wenn die betroffenen Personen die Informationen auf Sekundärebene über eine Website abrufen können.

Vor diesem Hintergrund ist auch Ziffer 4 des Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit sich die Nachweispflicht mittels eines Fotos auf die Pflicht bezieht, bei der Anfertigung von personenbezogenen Filmaufnahmen sichtbar darauf hinzuweisen, welche berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO durch die Anfertigung der Filmaufnahmen verfolgt werden.

Im Übrigen sind Ziffer 3 und 4 des Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die für die betroffenen Personen essentiellen Informationen nach Art. 13 Abs. 1 DS-GVO müssen ohne Medienbruch bei der Verarbeitung mitgeteilt werden (vgl. Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSH, 3. Aufl. 2022, Art. 13 DS-GVO Rn. 43). Dazu zählen jedenfalls die von der Beklagten angenommenen Hinweise darauf, dass Filmaufnahmen für den Zweck der Veröffentlichung im Internet erstellt werden (Art. 12 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO), wer Verantwortlicher der Verarbeitung ist sowie dessen Kontaktdaten (Art. 12 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO).

Diese überschaubare Anzahl an Daten kann bei gefilmten Personen bei einem Hinweis auf dem Kraftfahrzeug des Klägers noch wahrgenommen werden. Gleichzeitig ist die Information über diese Daten für die Wahrung der Rechte der betroffenen Personen notwendig, damit auch Personen mit wenig Medienkompetenz hinreichend informiert sind und ihre Rechte möglichst umfassend ausüben können.

Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides ist hinsichtlich der nicht zu beanstandenden Informationspflichten nach Ziffer 3 des Bescheides ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO. Danach verfügt Jede Aufsichtsbehörde über sämtliche Untersuchungsbefugnisse, die es ihr gestatten, unter anderem den Verantwortliche anzuweisen, alle Informationen bereitzustellen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind.

Das von der Beklagten geforderte Foto ist notwendig, um überprüfen zu können, ob der Kläger die von der Beklagten geforderten Informationspflichten nach Art. 13 DS-GVO beachtet. Dazu ist die Beklagte nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO verpflichtet. Ermessensfehler sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. An der Verhältnismäßigkeit bestehen keine Zweifel.

Im Übrigen ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Zunächst leidet der Bescheid nicht an fehlender Bestimmtheit. Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, Urt. v. 15. Februar 1990 – 4 C 41.87 – juris Rn. 29).

Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts. Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, sodass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 2013 – 8 C 21.12 – juris Rn. 14).

Gemessen an diesen Maßstäben ist der Bescheid hinreichend bestimmt. Für den Kläger ist unter Berücksichtigung von Tenor und Begründung des Bescheides hinreichend klar, unter welchen Voraussetzungen die Aufnahmen so verändert werden müssen, dass Personen, nicht mehr anhand ihrer äußerlichen Erscheinung identifiziert werden können (Ziffer 1 und 2 des Bescheides) und was für ein Foto er einreichen soll (Ziffer 4 des Bescheides).

Dies ist bei Auslegung des Bescheides aus dem objektiven Empfängerhorizont immer dann der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände des Straßenverkehrs nicht mehr die Straße und die sie umgebende Landschaft die Aufnahme prägt. In den vom Kläger bislang veröffentlichten Aufnahmen prägt – im fließenden Verkehr – ganz überwiegend die Straße und die sie umgebende Straßenlandschaft das Bild. Gelegentlich passiert der Kläger dabei Personen, die jedoch im Hintergrund bleiben und kaum zu erkennen sind.

Anders verhält es sich unterdessen, wenn Personen aufgrund der äußeren Umstände der Verkehrssituation dicht an die auf dem Fahrzeugdach montierte Kamera herantreten, insbesondere an Ampeln, bei Verkehrsüberwegen und an Kreuzungen. In diesem Fall gerät die Person – angesichts der geringen Geschwindigkeit eines Fußgängers, Fahrradfahrers etc. über einen längeren Zeitraum – in den Fokus der Aufnahme mit der Folge, dass die Straße und die Straßenlandschaft verdeckt wird und in den Hintergrund gerät.

Zugegebenermaßen verbleiben dabei Abgrenzungsschwierigkeiten, weil nicht anhand fester Kriterien vom Kläger oder einem eingesetzten Algorithmus festgestellt werden kann, wie lange etwa eine Person aufgezeichnet werden muss, welchen Anteil sie vom Bildausschnitt ausfüllen muss beziehungsweise ab welcher Entfernung zur Kamera eine Anonymisierung zu erfolgen hat. Derartige feste Kriterien sind jedoch für die Abgrenzung nicht geeignet, weil anhand festgelegter Werte die Umstände der jeweils gegebenen konkreten Situation der Aufnahme nicht hinreichend gewürdigt werden können. Verbleibende Abgrenzungsschwierigkeiten sind in Kauf zu nehmen.

Dies vorangestellt hat die Beklagte zu Recht die Abgrenzungskriterien der sogenannten Beiwerk-Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG entsprechend herangezogen.

Nach dieser Vorschrift dürfen ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen. Auch hier ist die Abgrenzung zwischen Haupt- und Beiwerk schwierig.

Die Vorschrift stellt in erster Linie auf das Verhältnis des Abgebildeten zu der übrigen Aussage des Bildes, auf seinen Stellenwert im Gesamteindruck des Bildes, nicht auf den Grad seiner Erkennbarkeit ab. Von einem Beiwerk in diesem Sinn kann grundsätzlich dann keine Rede sein, wenn die Person das Bild fast ganz ausfüllt (BGH, Urt. v. 26. Juni 1979 – VI ZR 108/78 – juris Rn. 18). Maßgeblich ist, ob entsprechend dem Gesamteindruck der Veröffentlichung die Landschaft oder die sonstige Örtlichkeit Abbildungsgegenstand ist und die einzelnen Abgebildeten nur "bei Gelegenheit" erscheinen oder ob einzelne aus der Anonymität herausgelöst werden (LG Oldenburg, Beschl. v. 23. uar 1986 – 5 O 3667/85GRUR 1986, 464, 465). Voraussetzung hierfür ist, dass nach dem Gesamteindruck der Veröffentlichung die Landschaft der den Gesamtcharakter des Bildes prägende Abbildungsgegenstand ist und die auf dem Bild erkennbaren Personen derart untergeordnetes Beiwerk darstellen, dass sie auch entfallen könnten, ohne dass Inhalt und Charakter des Bildes sich veränderten (OLG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 14. November 1988 – 13 U 72/88 – juris Rn. 28). Die Personenabbildung muss derart untergeordnet sein, dass sie auch entfallen könnte, ohne dass Gegenstand und Charakter des Bildes sich verändern. Wesentlich ist damit, dass die Personendarstellung untergeordnet und nicht selbst Thema des Bildes ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18. August 1989 – 14 U 105/88 – juris Rn. 27). Der Stellenwert der Personen entsprechend dem Gesamteindruck des Bildes muss gegenüber dem Stellenwert der Landschaft erheblich niedriger sein (OLG München, Urt. v. 13. November 1987 – 21 U 2979/87 – juris Rn. 31).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat die Beklagte zu Recht für maßgeblich im Hinblick auf die Pflicht zur Anonymisierung darauf abgestellt, ob sich eine Person nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befindet.

In Bezug auf die in Ziffer 4 des Bescheides angeordnete Verpflichtung, durch Übersendung eines Fotos die Erfüllung der Informationspflichten nach Ziffer 3 des Bescheides nachzuweisen, bestehen im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz keine Bedenken. Es ist ohne weiteres verständlich, dass ein Foto des klägerischen Kraftfahrzeuges mit den nach Ziffer 3 des Bescheides geforderten Informationen einzureichen ist.

Rechtsgrundlage für Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO. Danach verfügt jede Aufsichtsbehörde über Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, zu verhängen.

Tatbestandsvoraussetzung für die Abhilfemaßnahmen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ist das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO. Ein solcher Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn Daten ohne entsprechende Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Dies war vorliegend der Fall.

Das Veröffentlichen von Aufnahmen, bei denen Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden und Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelesen werden können, stellt eine rechtswidrige Datenverarbeitung dar.

Bei der Veröffentlichung von Filmen, auf denen betroffene Personen zu erkennen sind, handelt es sich um personenbezogene Daten. Dazu zählen nach Art. 4 Nr. 1 Hs. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird nach Art. 4 Nr. 1 Hs. 2 DS-GVO eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt daher unter den Begriff der personenbezogenen Daten, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. EuGH, Urt. v. 11. Dezember 2014 – C-212/13 – juris Rn. 22). Dies ist jedenfalls für Personen anzunehmen, die sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden. Anhand ihrer äußeren Erscheinung können sie zumindest über Fotos sowie durch Personen, denen die äußere Erscheinung bekannt ist, identifiziert werden.

Auch Kraftfahrzeug-Kennzeichen stellen personenbezogene Daten dar, weil sie einem Halter und gegebenenfalls auch einem Fahrer zurechenbar sind (vgl. Schild in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 4 DS-GVO Rn. 21). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Halterabfragen beim Kraftfahrt Bundesamt nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.

Dies gilt uneingeschränkt für alle Kennzeichen, unabhängig davon, ob das Fahrzeug auf eine natürliche oder juristische Person zugelassen ist, weil die Kennzeichen auch bei auf juristische Personen zugelassenen Kraftfahrzeugen Rückschlüsse auf die Fahrer vermitteln können. Die DS-GVO findet nach Erwägungsgrund 14 auf juristische Personen keine Anwendung. Die hinter der juristischen Person stehenden natürliche Personen sind jedoch geschützt, wenn sich die Daten der juristischen Person auch auf sie beziehen (vgl. Gola in: Gola/Heckmann, DS-GVO - BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 4 Rn. 28). Jedenfalls Mitarbeiter oder anderweitig informierte Personen können ein Kraftfahrzeug einer juristischen Person über das Kennzeichen einer natürlichen Person als Fahrer zuordnen. So könnte etwa festgestellt werden, dass der Fahrer eines Fahrzeugs seines Arbeitsgebers (juristische Person) bei einer Dienstfahrt von der vorgegebenen Route abgewichen und in seiner Dienstzeit einer privaten Tätigkeit nachgegangen ist.

Im Einzelfall mag bei auf juristische Personen zugelassenen Fahrzeugen eine Identifizierung des Fahrers selbst unter Auswertung sämtlicher Datenquellen nicht möglich sein. Unter dem Aspekt einer praxistauglichen datenschutzrechtlichen Verfügung ist es jedoch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides diese Fälle nicht vom Anwendungsbereich ihrer Anordnung ausgenommen hat. Es ist in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich, zu erkennen, ob ein Kraftfahrzeug auf eine juristische oder eine natürliche Person zugelassen und deshalb dem Anwendungsbereich der DS-GVO unterfällt oder nicht. Dies ließe sich allenfalls durch eine Halterauskunft ermitteln. Auch Werbeaufschriften oder Ähnliches auf Fahrzeugen lassen keinen sicheren Schluss auf den Halter des Fahrzeugs zu, weil jeder Halter beziehungsweise Eigentümer eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich frei über die äußere Gestaltung seines Fahrzeugs entscheiden kann. Zudem kann der Verantwortliche nicht erkennen, ob über das Kennzeichen etwa mittels eines Fahrtenbuches möglicherweise Rückschlüsse auf den Fahrer als natürliche Person gezogen werden können.

Das von dem Bescheid der Beklagten erfasste Veröffentlichen der Filme auf der Website Youtube stellt eine Datenverarbeitung dar. Nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO bezeichnet „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie unter anderem die Speicherung und die Offenlegung durch Verbreitung.

Die Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der unter den Buchst. a bis f aufgeführten Bedingungen erfüllt ist.

Insbesondere eine Einwilligung der gefilmten Personen liegt nicht vor. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Das Filmen und die Veröffentlichung der Aufnahmen ohne Anonymisierung ist zunächst als Betätigung der von Art. 13 GRCh geschützten Kunstfreiheit, der von Art. 15 Abs. 1 GRCh geschützten Berufsfreiheit und der von Art. 16 GRCh geschützten Unternehmerischen Freiheit einzuordnen und stellt damit ein berechtigtes Interesse dar.

Die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen auch erforderlich. Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn kein anderes, gleich effektives Mittel ersichtlich ist (VG Ansbach, Urt. v. 23. Februar 2022 – AN 14 K 20.00083 – juris Rn. 40). Die Anonymisierung stellt kein gleich effektives Mittel dar, weil sie den Kläger in seiner Kunstfreiheit, Berufsfreiheit und der Unternehmerischen Freiheit beeinträchtigt.

Die Beklagte ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die Abwägung hier zu Lasten des Klägers ausfällt.

Abzuwiegen sind hier die berechtigten Interessen des Klägers als Verantwortlichen einerseits und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, andererseits. Erfasst – wie hier – derselbe Sachverhalt eine Vielzahl von betroffenen Personen, erfolgt die Abwägung anhand einer summarischen Prüfung der Belange der betroffenen Personen unter Zugrundelegung von Erfahrungswerten (Schulz in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 63).

Maßgeblich ist insoweit insbesondere die Eingriffsintensität, die Art der betroffenen Personen, die Zwecke der Datenverarbeitung sowie die Sphäre, in die eingegriffen wird (vgl. Schulz in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 63).

Die gefilmten Personen sind in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG berührt und zwar in erheblicher Weise.

Zunächst handelt es sich angesichts der Vielzahl an veröffentlichten Videos um eine erhebliche Vielzahl an betroffenen Personen, auch wenn je Video abhängig von der gefilmten Straßenlandschaft teilweise nur vereinzelt Personen in den Vordergrund des Bildausschnitts geraten. Die zufällig gefilmten Personen können sich dem Filmen zudem kaum beziehungsweise nur dann entziehen, wenn sie die Kamera bemerkt haben. Dies ist gerade bei größeren Kreuzungen oder unübersichtlicheren Verkehrssituationen oder wenn die gefilmten Personen durch Gespräche, Telefonate etc. abgelenkt sind nicht unbedingt der Fall.

Eingriffsmindernd ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass die Personen lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen sind. Die belastenden Auswirkungen der Verarbeitung auf die betroffenen Personen stellen sich zudem nach allgemeiner Lebenserfahrung und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als eher gering dar.

Dennoch überwiegen diese Interessen der betroffenen Personen die berechtigten Interessen des Klägers. Die Verpflichtung des Klägers, die veröffentlichten Filmaufnahmen aus dem öffentlichen Straßenverkehr so zu verändern, dass Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden, nicht mehr anhand ihrer äußerlichen Erscheinung identifiziert werden können und Kraftfahrzeug-Kennzeichen nicht gelesen werden können, stellt nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters einen Eingriff von geringer Intensität dar. Betroffen sind zunächst nur besondere Situationen, in denen Personen – anders als im fließenden Verkehr – in den Vordergrund geraten. Der ganz überwiegende Anteil der Aufnahmen ist nicht von der Pflicht zur Anonymisierung betroffen. Unter Würdigung der Gesamtumstände werden die vom Kläger erstellten und veröffentlichten Aufnahmen von Straßenlandschaften in ihrer Darstellung und Wirkung durch die Anonymisierung der Personen, die sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden, lediglich geringfügig beeinträchtigt, weil sich der Eindruck der Straßenlandschaft durch die Anonymisierung kaum verändert. Die abgebildete Person ist lediglich nicht mehr zu erkennen.

Erwägungsgrund 47 Satz 4 DS-GVO sieht zudem vor, dass insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen könnten.

Im öffentlichen Straßenverkehr können betroffene Personen grundsätzlich davon ausgehen, dass sie nicht gefilmt werden. Da vorliegend nichts dafür spricht, von diesem Grundsatz abzuweichen, führt auch dies zu einem Überwiegen der Interessen der betroffenen Personen.

Diese Wertung muss erst Recht für Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelten. Es mag für den Kläger zusätzlichen Aufwand bedeuten, die Kennzeichen etwa durch eine Verpixelung zu anonymisieren. Im Übrigen werden die Aufnahmen der Straßenlandschaften durch die Anonymisierung der Kennzeichen jedoch nur sehr geringfügig verändert, so dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG der Halter beziehungsweise Fahrer der gefilmten Kraftfahrzeuge überwiegt.

Rechtsfolge von Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO ist, dass der Aufsichtsbehörde bezüglich der Wahl der konkreten Abhilfemaßnahme ein Ermessen zusteht (vgl. dazu Erwägungsgrund 129 DS-GVO), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, § 114 VwGO. Vorliegend sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die Beklage hat ihr Ermessen ausgeübt, indem sie unter den verschiedenen Möglichkeiten die aus ihrer Sicht am wenigsten einschränkende, lediglich punktuelle Veränderung der Aufnahmen angeordnet hat (vgl. S. 8 des Bescheides).

Den Volltext der Entscheidung finden SIe hier:

OVG Schleswig-Holstein: Datenschutzbehörde durfte 2011 anordnen dass Unternehmen seine Facebook-Fanpage schließt - Entscheidung nach 10 Jahren nach dem Weg durch die Instanzen bis zum EuGH

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 25.11.2021
4 LB 20/13


Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die zuständige Datenschutzbehörde 2011 anordnen durfte, dass ein Unternehmen seine Facebook-Fanpage schließt. Somit liegt nach 10 Jahren eine Entscheidung nach dem Weg durch die Instanzen bis zum EuGH (siehe dazu EuGH: Betreiber einer Facebook-Seite / Facebook-Fanpage gemeinsam mit Facebook für Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Besucher verantwortlich) vor.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:1

Aus den Entscheidungsgründen:

B. Die streitgegenständlichen Verfügungen im Bescheid vom 3. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I. Dies gilt zunächst für die Anordnung der Deaktivierung der Fanpage der Klägerin.

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Deaktivierung der Fanpage der Klägerin ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2011. Nachträgliche Änderungen sind nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2019 – 6 C 15.18 –, Rn. 16, juris). Dies ergibt sich für den Senat bindend aus der vorliegenden Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. § 144 Abs. 6 VwGO).

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dem auch die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Dauerverwaltungsakten, nach der für den Erfolg einer gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Anfechtungsklage regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung maßgeblich ist (stRspr BVerwG, vgl. Urteil vom 19. September 2013 – 3 C 15.12 – Rn. 9, juris; Beschluss vom 5. Januar 2012 – 8 B 62.11 – Rn. 13, juris), nicht entgegensteht. Die streitgegenständliche Anordnung der Deaktivierung der Fanpage ist bei einer an §§ 133, 157 BGB entsprechend orientierten Auslegung des Regelungsinhalts nicht als Dauerverwaltungsakt zu bewerten. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass dies der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht, da es vorliegend den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung für maßgeblich erachtet hat, ohne sich zu seiner eigenen Rechtsprechung zu Dauerverwaltungsakten zu verhalten.

1. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Anordnung des Beklagten ist § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG i. d. F. der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814; im Folgenden BDSG a. F.). Gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG a. F. kann die Aufsichtsbehörde zur Gewährleistung der Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz bei schwerwiegenden Verstößen bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten oder schwerwiegenden technischen oder organisatorischen Mängeln, insbesondere solchen, die mit einer besonderen Gefährdung des Persönlichkeitsrechts verbunden sind, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung oder den Einsatz einzelner Verfahren untersagen, wenn die Verstöße oder Mängel entgegen der Anordnung nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a. F. und trotz der Verhängung eines Zwangsgeldes nicht in angemessener Zeit beseitigt werden.

Die an die Klägerin gerichtete Anordnung, ihre Fanpage zu deaktivieren, ist gemäß der den Senat bindenden Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach dem Eingriffsgewicht als Untersagung des Einsatzes eines Verfahrens gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG a. F. zu werten. Dass der Beklagte in der Überschrift des Bescheids vom 3. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2011 auf § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a. F. abhebt, ist – wie das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls mit Bindungswirkung für den Senat festgestellt hat – unschädlich (BVerwG, Urteil vom 11. September 2019 – 6 C 15.18 –, Rn. 17, juris).

§ 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG a. F. ist mit Blick auf eine Inanspruchnahme der Klägerin auch sonst anwendbar (vgl. zur Anwendbarkeit des Dritten Abschnitts des Bundesdatenschutzgesetzes a. F. § 27 Abs. 1 Nr. 1 BDSG a. F.). Die Klägerin ist als nichtöffentliche Stelle im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 2 Abs. 4 BDSG a. F., die keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (vgl. § 2 Abs. 1 bis 3 BDSG a. F.), zu qualifizieren. Es handelt sich um eine privatrechtlich organisierte gemeinnützige Gesellschaft.

[...]

3. Die Anordnung zur Deaktivierung der Fanpage der Klägerin ist materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Im Gebrauch der Registrierungsdaten und der übrigen vorhandenen personenbezogenen Daten von im Facebook-Netzwerk registrierten und angemeldeten Personen sowie in der unzureichenden Bereitstellung von Informationen über die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten für diese Personengruppe sind im hier maßgeblichen Zeitpunkt im Dezember 2011 Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zu erkennen (dazu unter a). Die Klägerin kann auch als Adressatin einer auf § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG a. F. beruhenden Verfügung herangezogen werden, da sie für den Gebrauch der genannten Daten zur Erstellung der auf ihre Fanpage bezogenen Insights-Statistiken durch Facebook sowie für die unzureichende Bereitstellung von Informationen (mit)verantwortlich ist (dazu unter b). Ferner wiegen die Verstöße schwer (dazu unter c). Vor diesem Hintergrund kann die rechtliche Bewertung einzelner technischer Abläufe dahinstehen (dazu unter d). Der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Verfügung steht auch nicht die in § 38 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 BDSG a. F. vorgegebenen "Stufenfolge" entgegen (dazu unter e).

a) Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten im Sinne des § 38 Abs. 5 Satz 2 TMG a. F. ergeben sich hier aus einem Widerspruch verschiedener durch den Besuch der Fanpage der Klägerin angestoßener und durch die Beigeladene gesteuerter Vorgänge zu den Vorgaben der § 12 und § 13 TMG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes vom 31. Mai 2010 (BGBl. I S. 692; im Folgenden TMG a. F.). Gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 2 TMG a. F. darf ein Diensteanbieter personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit das Telemediengesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Der Diensteanbieter darf für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TMG a. F. hat der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.

aa) Die durch den Besuch der Fanpage der Klägerin im Facebook-Netzwerk angestoßenen Vorgänge unterfallen dem Anwendungsbereich des gegenüber dem Bundesdatenschutzgesetz a. F. spezielleren Telemediengesetz a. F. Das soziale Netzwerk Facebook ist Telemedium im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG a. F. (vgl. i. E. Ricke, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 1 TMG, Rn. 12; Altenhain, in: MüKo zum StGB, 3. Auflage 2019, § 1 TMG, Rn. 26). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG a. F. sind unter Telemedien alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste ("IuK-Dienst"), die nicht Telekommunikation im engeren Sinne oder Rundfunk sind, zu verstehen. Dazu gehören beispielsweise Online-Angebote von Waren oder Internet-Suchmaschinen (vgl. BT-Drucks. 16/3078, S. 13). Das soziale Netzwerk Facebook ermöglicht durch seine Strukturen die Bereitstellung von Informationen sowie Diskussion über Sachthemen, d. h. das Verbreiten derartiger Themen und den anschließenden Dialog hierüber. Es ist damit selbst als sogenannter elektronischer "IuK-Dienst" anzusehen. Gleiches gilt für die Fanpage der Klägerin innerhalb des Facebook-Netzwerkes.

Die Beigeladene und die damalige Facebook Inc. sind auch Diensteanbieter im Sinne des § 12 Abs. 1 und Abs. 2 TMG a. F. Diensteanbieter ist gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 HS 1 TMG a. F. jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Da sowohl die Beigeladene als auch ihr Mutterkonzern das Telemedium, d. h. das soziale Netzwerk bzw. die Fanpage zur Verfügung stellen und allen Interessierten Zugang hierzu vermitteln, liegen die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 1 HS 1 TMG a. F. vor. Die Klägerin ist ebenfalls Diensteanbieter in diesem Sinne, da sie über die Errichtung der Fanpage einen (eigenen oder fremden) elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst, d. h. ein Telemedium im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG a. F., bereitstellt bzw. jedenfalls Zugang zur Nutzung vermittelt.

Die Vorgänge des Erhebens, Verarbeitens und Nutzens personenbezogener Daten im Sinne des § 38 Abs. 5 i.V.m. § 3 Abs. 3 bis 5 BDSG a.F. entsprechen denen des Erhebens und Verwendens im Sinne des Abschnitt 4 im Telemediengesetz a.F.; der Begriff der Verwendung ist als Sammelbezeichnung für das Verarbeiten und Nutzen personenbezogener Daten i.S.d. § 3 Abs. 4 und 5 BDSG auszulegen (Bizer/Hornung, in: Roßnagel, Beck´scher Kommentar zum Recht der Telemediendienste, 1. Auflage 2013, § 12 TMG, Rn. 53 m.w.N.).

Der Anwendbarkeit des Telemediengesetzes steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die Beigeladene mit Sitz in Irland nach eigenem Bekunden die tatsächliche Verantwortung für die hier maßgeblichen Datenerhebungs- und -verwendungsvorgänge trägt. Die §§ 12 ff. TMG a. F. werden nicht durch eine vorrangige Anwendbarkeit irisches Datenschutzrecht – ggf. in Kombination mit einer vorrangigen Prüfungskompetenz der irischen Datenschutzbehörde – verdrängt. Insoweit wird zur Begründung auf die Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im vorliegenden Verfahren verwiesen (BVerwG, Urteil vom 11. September 2019 – 6 C 15.18 –, Rn. 24 ff., EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 – C-210/16 –, Rn. 50 ff., juris).

bb) Für die Feststellung der maßgeblichen Datenerhebungs- und -verwendungsvorgänge bis Ende 2011 geht der Senat von folgenden, zu seiner Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) feststehenden Sachverhalten aus:

(1) Bei jedem Aufruf der Fanpage der Klägerin wird die Internetadresse der aufgerufenen Seite sowie die IP-Adresse des jeweiligen Internetnutzers an Facebook übertragen. IP-Adressen sind Ziffernfolgen, die dem mit dem Internet verbundenen Computern zugewiesen werden, um deren Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Beim Abruf einer Website wird die IP-Adresse des abrufenden Computers an den Server übermittelt, auf dem die abgerufene Website gespeichert ist. Dies ist erforderlich, um die abgerufenen Daten an den richtigen Empfänger übertragen zu können (vgl. Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe des AK I "Staatsrecht und Verwaltung" zum Datenschutz in sozialen Netzwerken vom 4. April 2012, S. 7, Bl. 223 GA; Datenschutzrechtliche Bewertung der Reichweitenanalyse durch Facebook, 11. August 2011, S. 15, Bl. 128 GA). Nach Angaben der Beigeladenen werden die empfangenen IP-Adressen nicht einzeln – insbesondere nicht in Profilen zu den Internetnutzern – gespeichert.

(2) Ferner ist der Senat davon überzeugt, dass Facebook bei Besuch der Fanpage den Inhalt der c_user-Cookies ausliest, die zuvor im Browser von im Netzwerk angemeldeten Facebook-Mitgliedern gesetzt worden sind. Cookies sind eindeutig zuzuordnende alphanumerische Kennungen, die im Internetbrowser auf dem Endgerät des Nutzers gespeichert werden. Facebook-Mitglieder haben sich im Facebook-Netzwerk registriert und im Zuge der Registrierung ihren Vor- und Nachnamen, ihr Geburtsdatum, ihr Geschlecht und ihre E-Mail-Adresse angegeben. Der c_user-Cookie enthält eine User-ID des Facebook-Mitglieds. Er wird von Facebook gesetzt, wenn sich das Facebook-Mitglied erstmals registriert oder wenn ein registriertes Facebook-Mitglied sich erneut im Netzwerk anmeldet (bzw. "einloggt"). Die Gültigkeit dieses Cookies hängt davon ab, ob das Facebook-Mitglied in den Kontoeinstellungen die Option gewählt hat, im Netzwerk (auch bei Verlassen) angemeldet zu bleiben. Ist dies der Fall, verliert der c_user-Cookie seine Gültigkeit erst, wenn das Facebook-Mitglied den Facebook-Webserver 30 Tage nicht mehr aufruft. Ansonsten wird der c_user-Cookie mit dem Schließen des Browsers gelöscht (vgl. Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe des AK I "Staatsrecht und Verwaltung" zum Datenschutz in sozialen Netzwerken vom 4. April 2012, S. 8, Bl. 224 GA).

Der Inhalt des c_user-Cookie wird innerhalb seines Gültigkeitszeitraums bei jeder Kommunikation mit Facebook an Facebook übermittelt und gibt Facebook die Möglichkeit einer Verknüpfung des Seitenaufrufs mit dem registrierten Mitglied. Diese Verknüpfung ermöglicht unter anderem die personalisierte Darstellung von Fanpage-Inhalten. Über die Personalisierung erfährt das Facebook-Mitglied beispielsweise, welche seiner Facebook-Freunde die Fanpage empfohlen oder kommentiert haben (vgl. Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe des AK I "Staatsrecht und Verwaltung" zum Datenschutz in sozialen Netzwerken vom 4. April 2012, S. 3, 15, Bl. 219, 231 GA).

Die über den c_user-Cookie ermöglichte Verknüpfung von Fanpage-Aufruf und Facebook-Mitglied speichert Facebook in den über das Mitglied angelegten Profilen, die wiederum zu Werbezwecken genutzt werden. Diese Überzeugung hat der Senat aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung gewonnen. In dieser hat die Beigeladene auf entsprechende Frage des Gerichts eingeräumt, es "ist anzunehmen", dass der Fanpage-Aufruf in den Profilen der Mitglieder gespeichert wird. Bereits zu Beginn dieses Verfahrens war zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten unstreitig, dass Facebook "bis zu einem bestimmten Grad" Profile seiner Mitglieder anlegt und diese zu Werbezwecken nutzt. Ferner deuten die Datenverwendungsrichtlinien 2011 von Facebook die Durchführung entsprechender Vorgänge an, indem sie darauf hinweisen, dass Facebook jedes Mal, wenn das Mitglied mit Facebook interagiert, beispielsweise eine bestimmte Seite aufruft, Daten erhält (vgl. Datenverwendungsrichtlinien 2011, Abschnitt I, Überschrift Informationen, die wir über dich erhalten, S. 1) und dass Werbeanzeigen bei den Personen eingeblendet werden, welche die vom Werbetreibenden ausgewählten Kriterien (beispielsweise "Kinobesucher") erfüllen (vgl. Datenverwendungsrichtlinien 2011, Abschnitt IV, Überschrift: Personalisierte Werbeanzeigen, S. 4). Letzteres ist nur dann möglich, wenn Facebook über die Registrierungsdaten hinaus Informationen zu den Personen, beispielsweise zu bestimmten Interessen und Vorlieben, speichert.

(3) Facebook unterhält außerdem den Dienst "Insights". Dieser beinhaltet die Erstellung von Statistiken über die Nutzung von Fanpages (auch als Seitenstatistik bezeichnet). Die Seitenstatistik umfasst unter anderem Angaben zur Anzahl der Seitenaufrufe, zur Verweildauer der Besucher, sowie zu deren Alter, Geschlecht, geographischer Herkunft und Sprache und zur Nutzung der einzelnen Funktionalitäten der Fanpage (vgl. Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe des AK I "Staatsrecht und Verwaltung" zum Datenschutz in sozialen Netzwerken vom 4. April 2012, S. 9, Bl. 225 GA; Datenschutzrechtliche Bewertung der Reichweitenanalyse durch Facebook, 11. August 2011, S. 12, Bl. 126 GA). Die Erstellung dieser Statistiken ist Facebook insbesondere aufgrund des c_user-Cookies möglich, da mit diesem der Aufruf einer Fanpage mit den Facebook-Mitgliedern und den zu diesen bereits gewonnenen Informationen verknüpft werden kann. Nach Angaben der Beigeladenen fließt der Aufruf einer Fanpage durch ein Nicht-Facebook-Mitglied ausschließlich in die Gesamtzahl der Aufrufe der Fanpage im Rahmen der Insights-Statistik ein. Weitere Erkenntnisse über Nicht-Mitglieder werden nach Angabe der Beigeladenen nicht in Insights verarbeitet.

Fanpage-Betreiber erhalten über Insights die Seitenstatistiken in aggregierter und anonymisierter Form, ohne dass es dazu der Erteilung eines entsprechenden Auftrags an Facebook bedürfte. Die Klägerin kann ebenso wie andere Fanpage-Betreiber den Dienst Insights auch nicht an- oder abwählen. Sie kann nicht steuern, welche Angaben in der Statistik enthalten sind. Ferner haben Fanpagebetreiber auf die technische Konfiguration der Fanpage keinen Einfluss, sie können die Fanpages "lediglich" mit Inhalt füllen.

Die Erstellung von Seitenstatistiken dient dem Zweck, den Betrieb einer Fanpage auf die Nutzer anzupassen, d. h. die Fanpage attraktiver gestalten zu können. Gleichzeitig sollen diese Facebook ermöglichen, den Werbewert des Netzwerkes zu erhöhen.




OVG Schleswig-Holstein: Berufung auf Auskunftsverweigerungsrecht nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG erstmals im Zwangsgeldverfahren ist zu spät

OVG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 19.03.2021
8 B 7/21


Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG erstmals im Zwangsgeldverfahren zu spät ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage 8 A 47/21 vom 19.02.2021 gegen die mit Bescheid vom 05.02.2021 (Bl. 30 Beiakte „A“) verfügte Zwangsgeldfestsetzung anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.

Die Zwangsgeldfestsetzung erweist sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, so dass das gesetzlich indizierte (§ 248 Abs. 1 S. 2 LVwG) öffentliche Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Ihre Rechtsgrundlage findet die Zwangsgeldfestsetzung in § 237 LVwG. Das Zwangsgeld ist ordnungsgemäß i. S. d. § 236 Abs. 1 S. 1 LVwG angedroht worden. Es hält sich im gesetzlichen Rahmen (§ 237 Abs. 3 LVwG) und steht zum öffentlichen Interesse einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung für die Antragstellerin andererseits in einem angemessenen Verhältnis. Die zugrundeliegende Ordnungsverfügung vom 21.12.2020 (Bl. 17 Beiakte A) ist unstreitig bestandskräftig geworden und die Antragstellerin ist den in dieser Verfügung angeordneten Auskünften nicht nachgekommen.

Die Antragstellerin kann sich gegenüber der Zwangsgeldfestsetzung auch nicht auf das aus § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG folgende Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Nach dieser Vorschrift kann der Auskunftspflichtige die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde, worauf der Auskunftspflichtige hinzuweisen ist.

Die Antragstellerin greift mit ihrer Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht die hier zugrundeliegende Verfügung vom 21.12.2020 an. Diese ist jedoch bestandskräftig. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit sind nicht ersichtlich. Sie hat sich im die Grundverfügung betreffenden Verfahren zu keinem Zeitpunkt auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. In einem solchen Fall gilt der allgemeine Grundsatz des § 248 Abs. 2 LVwG, dass Einwendungen gegen den dem Vollzug zugrundeliegenden Verwaltungsakt nur außerhalb des Vollzugsverfahrens mit den dafür zugelassenen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Folglich kann ein Auskunftsverweigerungsrecht im Vollzugsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 31.05.2017, 1 A 83/15, BeckRS 2017, 116998 zu § 38 Abs. 3 S. 2 BDSG a.F.; VG Minden, Urteil vom 26.04.2012, 2 K 884/12, zitiert nach juris). Damit wird dem rechtsstaatlichen Gehalt des Aussagverweigerungsrechts ausreichend Rechnung getragen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Schleswig-Holstein: Videoaufsicht bei coronabedingter elektronischer Hochschulprüfung durch Gebot der Chancengleichheit gerechtfertigt

OVG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 03.03.2021
3 MR 7/21


Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die Videoaufsicht bei coronabedingter elektronischer Hochschulprüfung durch das Gebot der Chancengleichheit gerechtfertigt ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Corona – Videoaufsicht bei elektronischer Hochschulprüfung zulässig

Ohne Erfolg blieb der Versuch eines Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen, dass die von ihm in elektronischer Form abzulegenden Prüfungen ohne die vorgesehene Videoaufsicht stattfinden. Sein Antrag an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht, eine entsprechende Satzungsregelung der CAU vorläufig außer Vollzug zu setzen, wurde gestern durch einen unanfechtbaren Beschluss als unzulässig verworfen (Az. 3 MR 7/21).

Unzulässig sei der Antrag deshalb, weil der Antragsteller sein Ziel auf diesem Wege nicht erreichen und seine Rechtsstellung folglich nicht verbessern könne, so der 3. Senat. Es sei davon auszugehen, dass die CAU davon abgesehen hätte, überhaupt Prüfungen in elektronischer Form vorzusehen, wenn sie diese nicht an eine Videoaufsicht koppeln dürfte. Dies wiederrum habe zur Folge, dass der Antragsteller im Falle eines gerichtlichen Erfolges überhaupt keine Prüfung ablegen könne, weil die alternativ anzubietenden Präsenzprüfungen nach der Hochschulen-Coronaverordnung des Landes grundsätzlich noch zu verschieben seien.

Im Übrigen hätte der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg gehabt, da der Senat die angegriffene Satzungsregelung über die Videoaufsicht auch unter Beachtung höherrangigen Rechts für voraussichtlich rechtmäßig hält. Das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) sei nicht betroffen, da dieses nur vor einem (digitalen) „Eindringen“ in die Wohnung schütze. Die Videoaufsicht erfolge jedoch nicht gegen den Willen der Studierenden. Sie könnten frei entscheiden, ob sie an der elektronischen Prüfung teilnähmen mit der Folge, Kamera und Mikrofon ihres Computers für die Aufsicht zu aktivieren, oder ob sie später eine Präsenzprüfung ablegten. Obwohl diese derzeit nicht durchgeführt werden dürften, sei die Freiwilligkeit ihrer Entscheidung ausreichend gesichert.

Der mit der Videoaufsicht verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei durch das Gebot der Chancengleichheit gerechtfertigt. Danach müsse sichergestellt sein, dass bei einer Prüfung, für die keine Hilfsmittel zugelassen seien, eine Aufsicht unabhängig von der Prüfungsform stattfinden könne. Zur Erreichung dieses Zwecks sei die Videoaufsicht auch hinreichend geeignet. Dass sie zur Vermeidung von Täuschungshandlungen tatsächlich weniger geeignet sein könne als eine Aufsicht im Rahmen einer Präsenzklausur, weil der Bildschirm des Prüflings nicht einsehbar sei und sich außerhalb des Kamerawinkels unzulässige Hilfsmittel befinden könnten, schade nicht. Auch bei Präsenzklausuren ließen sich nicht sämtliche Täuschungsversuche verhindern. Mit technischen Problemen, die zu einem regelhaften Ausfall elektronischer Prüfungen samt Aufsicht führten, sei nach zwischenzeitlicher Etablierung der Videokonferenztechnik gerade im Bildungsbereich nicht mehr zu rechnen. Im Übrigen sei vorgesehen, dass die Prüfung bei technischer Undurchführbarkeit vorzeitig beendet werde und der Prüfungsversuch als nicht unternommen gelte. Gleichermaßen geeignete Alternativen gebe es gegenwärtig nicht. Schließlich sei die Regelung bei Abwägung der widerstreitenden Belange auch angemessen. Die Videoaufsicht führe gegenüber der Präsenzaufsicht zwar zu einer intensiveren Belastung, doch sei die Teilnahme an der elektronischen Fernprüfung freiwillig und die Freiwilligkeit ausreichend sichergestellt. Zu einem „unbeobachtbaren Beobachtetwerden“ komme es nicht. Anders als etwa bei der Vorratsdatenspeicherung liege eine Überwachung von Prüfungen in der Natur der Sache und sei den Betroffenen bekannt.

Schließlich seien die Voraussetzungen und der Umfang der Datenerhebung und -verarbeitung in der Satzung der CAU hinreichend klar geregelt. Einer Regelung durch den Gesetzgeber habe es nicht bedurft, da er während der Corona-Pandemie bereits die entsprechenden Rechtsgrundlagen im Hochschulgesetz geschaffen habe.