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OLG Frankfurt: Behauptung "Riesiger Shitstorm geerntet" ist überprüfbare Tatsachenbehauptung - wenige negative Stellungnahmen reichen nicht

OLG Frankfurt
Beschluss vom 11.05.2021
16 W 8/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Behauptung "Riesiger Shitstorm geerntet" eine überprüfbare Tatsachenbehauptung ist. Wenige negative Stellungnahmen reichen hierfür nicht aus. Daher hat das Gericht diese Aussage in einem Presseartikel untersagt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Aussage „riesigen Shitstorm geerntet“ stellt überprüfbare Tatsachenbehauptung dar

Bei dem Begriff „Shitstorm“ handelt es sich nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Lesers um einen Sturm der Entrüstung. Nur wenige negative Stellungnahmen reichen nicht aus, um sie als „riesigen Shitstorm“ zusammenzufassen. Da es lediglich zu wenigen kritischen Einzelstimmen gekommen war, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Beschluss einem Presseorgan die Äußerung, dass die Antragstellerin einen „riesigen Shitstorm geerntet“ habe, untersagt.

Die Antragstellerin ist Sängerin und Gründungsmitglied einer Band. Die Antragsgegnerin ist verantwortlich für die Inhalte einer Presseinternetseite. Sie berichtete in einem Artikel über einen ehemaligen Bandkollegen der Antragstellerin, der „in seiner Erinnerungskiste“ gekramt und Videos der Antragstellerin gefunden hatte. Diese hatte er auch auf seinem Instagram-Account thematisiert. Die Antragstellerin hatten den Post mit den Worten: „Kennst du die Choreo noch ganz? Krieg die nicht mehr zusammen!!! Mann mann mann, Demenz“ kommentiert. In dem Artikel der Antragsgegnerin heißt es u.a. dazu: „Auch seine ehemalige Bandkollegin ... kommentiert, spricht von Demenz und erntet einen riesigen Shitstorm“.

Die Antragstellerin wendet sich u.a. gegen diese Äußerung. Das Landgericht hat den auf Unterlassung gerichteten Eilantrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. In der Äußerung, dass die Antragstellerin einen riesigen Shitstorm geerntet habe, liege eine unwahre Tatsachenbehauptung. Bei dem Begriff „Shitstorm“ handele es sich nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Lesers um einen Sturm der Entrüstung. Wenige negative Stellungnahmen reichten nicht aus, um sie als „riesigen Shitstorm“ zusammenzufassen. Hier habe sich zwar ein User kritisch geäußert; zudem gebe es einen kritischen Bericht auf einem anderweitigen Portal nebst Kommentar. Darin erschöpften sich indes die negativen Reaktionen, abgesehen von einem weinenden und zwei erstaunten Smileys, deren Konnotation allerdings nicht zweifelsfrei zugeordnet werden könne.

Auch wenn die Äußerung der Antragstellerin unüberlegt gewesen sei, lasse sich die geschilderte Reaktion im Netz, die sich auf wenige Stimmen erstrecke, nicht als „Shitstorm“ oder gar „riesigen Shitstorm“ bezeichnen. Darunter verstehe der Leser eine Reaktion ganz anderen Ausmaßes.

Die im Eilverfahren ergangenen Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.5.2021, Az. 16 W 8/21

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.1.2021, Az. 2/3 O 1/21)



LG Berlin: Schleichwerbung für Amazon-Produkte durch Nachrichtenportal BuzzFeed - Produktempfehlung und Verlinkung müssen ausreichend als Werbung gekennzeichnet werden

LG Berlin
Urteil vom 11.02.2020
52 O 194/18


Das LG Berlin hat dem Portal BuzzFeed, Schleichwerbung für Amazon-Produkte untersagt. Der Portalbetreiber hatte Produktempfehlungen und Verlinkung nicht ausreichend als Werbung gekennzeichnet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Schleichwerbung nach § 5a Abs. 6 UWG durch als Presseartikel getarnte Werbung

OLG Frankfurt
Beschluss vom 22.08.2019
6 W 64/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein wettbewerbswidrige Schleichwerbung nach § 5a Abs. 6 UWG vorliegt, wenn ein Presseartikel tatsächlich getarnte Werbung ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.

1. Nachdem beide Parteien das Verfahren nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung seitens der Antragsgegnerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 5.6.2019 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Maßgebend war dabei der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang, also die Frage, wer bei einer Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich obsiegt hätte.

2. Der Verfügungsantrag hätte voraussichtlich Erfolg gehabt. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragstellerin gegen die Antragstellerin ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 3, 5a VI, 8 I UWG zustand.

a) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der A GmbH aktiv legitimiert (§§ 8 III Nr. 1, 2 Nr. 3 UWG). Unstreitig handelt es sich bei den beiden Unternehmen um Mitbewerber. Auf ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien des Verfahrens kommt es hingegen nicht an, wenn es - wie hier - um den Vorwurf der Förderung fremden Absatzes geht (Senat, WRP 2017, 875 - Unterkieferprotrusionsschienen).

b) Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Presseartikels stellt eine geschäftliche Handlung zur Förderung fremden Absatzes im Sinne des § 2 I Nr. 1 UWG dar.

aa) Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn das beanstandete Verhalten bei der gebotenen objektiven Betrachtung dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient. Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern in Bezug auf Produkte und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Redaktionelle Berichte von Presseunternehmen, die sich auf Unternehmensverhältnisse oder Produkte beziehen, dienen im Regelfall vorrangig der Ausübung der Pressefreiheit. Ein objektiver Zusammenhang im Sinne des § 2 I Nr. 1 UWG mit der Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens ist daher zu verneinen, wenn der Beitrag allein der Information und Meinungsbildung seiner Adressaten dient (BGH GRUR 2015, 694 Rn. 34 - Bezugsquellen für Bachblüten; GRUR 2012, 74Rn. 15 - Coaching-Newsletter; GRUR 1986, 812, 813 - Gastrokritiker).

bb) Von einem Beitrag, der allein oder vorrangig der Information und Meinungsbildung seiner Adressaten dient, kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Der Artikel berichtet nicht objektiv über die Spende der A GmbH. Er entspricht fast wörtlich einer „Pressemitteilung“ der A GmbH (Anlage AS6). Es handelt sich also entgegen dem Anschein gerade nicht um einen redaktionellen Beitrag der Zeitungsredaktion. In dem Artikel werden sowohl der Geschäftsführer des Unternehmens als auch Lokalpolitiker mit Aussagen wörtlich zitiert, die die Bedeutung der Spende sowie die Spendenbereitschaft des Unternehmens in ein überaus positives Licht rücken. Der Artikel geht damit über eine sachliche Information bei weitem hinaus. Es liegt eine geschäftliche Handlung zur Förderung des Absatzes der A GmbH vor.

c) Nach § 5a VI UWG handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Bestimmung bezweckt damit den Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen. Grundlage des Verbots redaktioneller Werbung ist die damit regelmäßig einhergehende Irreführung des Lesers, der dem Beitrag aufgrund seines redaktionellen Charakters unkritischer gegenübertritt und ihm auch größere Bedeutung und Beachtung bemisst (BGH GRUR 2013, 644 Rn. 15 - Preisrätselgewinnauslobung V).

aa) Voraussetzung dafür ist, dass der redaktionelle Beitrag ein Produkt oder ein Unternehmen über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend darstellt. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Inhalt des Berichts, dessen Anlass und Aufmachung sowie die Gestaltung und Zielsetzung des Presseorgans, zu berücksichtigen (BGH GRUR 2013, 644 Rn. 16 - Preisrätselgewinnauslobung V zu § 4 Nr. 3 UWG a. F.). Der streitgegenständliche Artikel (Anlage AS4) berichtet über eine Spende der A GmbH für einen wohltätigen Zweck. Wie oben unter b) bb) ausgeführt, geht der Artikel über eine sachliche Information bei weitem hinaus. Er rückt das Unternehmen in ein positives Licht und kommt damit einer Imagewerbung gleich.

bb) Der Artikel verfolgt einen kommerziellen Zweck. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kommt es insoweit nicht darauf an, ob sie für die verdeckte Werbung bezahlt wurde und insoweit eigene Interessen verfolgt. Es genügt, dass gezielt unternehmerische Interessen der A GmbH und damit ein fremdes Unternehmen gefördert wird. Dafür spricht, dass der Artikel eine „Pressemitteilung“ der A GmbH fast wörtlich übernimmt (Anlage AS6).

cc) Eine Verschleierung liegt vor, wenn die Handlung so vorgenommen wird, dass der Werbecharakter nicht klar und eindeutig zu erkennen ist (BGH GRUR 2013, 644 Rn. 15 - Preisrätselgewinnauslobung V). Für den Verbraucher als Leser des Artikels ist nicht ersichtlich, dass es sich in Wahrheit um einen Beitrag der A GmbH handelt, mit dem Werbeinteressen verfolgt werden. Vielmehr erweckt der Artikel insbesondere durch die wörtlichen Zitate den Eindruck, Journalisten der Antragsgegnerin hätten mit den erwähnten Protagonisten Interviews geführt. Der Leser erwartet, dass redaktionelle Beiträge auf eigenen journalistischen Recherchen beruhen (BGH GRUR 1997, 914, 916 - Die Besten II), was vorliegend offensichtlich nicht der Fall ist. Der Artikel ist auch nicht als „Anzeige“ gekennzeichnet.

dd) Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände kann sich die Antragsgegnerin für die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens nicht mit Erfolg auf die Presse- und Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG berufen. Der Schutzumfang der Pressefreiheit ist umso geringer, je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient und je mehr es Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art verfolgt (BGH GRUR 2015, 906 Rn. 37 - TIP der Woche). Nichts anderes gilt, wenn ein Bericht zwar Bestandteil einer Tageszeitung ist, die primär der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses dient, jedoch ein einzelner Artikel vorrangig eigennützige Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art bedient. So liegt es im Streitfall.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich. Wegen Fragen des materiellen Rechts, die im Rahmen des § 91a ZPO nur summarisch geprüft werden, kommt die Rechtsbeschwerde nicht in Betracht (Zöller/Vollkommer, 31. Aufl., § 91a Rn. 27, 29 m.w.N.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: