Skip to content

OLG Celle: Massenverfahren gegen Musikstreamingdienst wegen DSGVO-Verstößen - Jeweils Streitwert von 300 EURO für Unterlassungsanspruch, Feststellungsanspruch und Auskunftsanspruch

OLG Celle
Beschluss vom 10.06.2024
5 W 46/24

Das OLG Celle hat entschieden, dass in Massenverfahren gegen einen Musikstreamingdienst wegen DSGVO-Verstößen aufgrund eines Datenlecks für den Unterlassungsanspruch, Feststellungsanspruch und Auskunftsanspruch ein Streitwert in Höhe von jeweils 300 EURO angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts in erster Instanz, die sie als zu niedrig erachtet.

In dem dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren hat der Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus der DSGVO geltend gemacht. Die Beklagte - die D. - betreibt einen internationalen Musikstreaming-Dienst gleichen Namens, der in über 180 Ländern verfügbar und unter der Internetadresse www.D..com erreichbar ist. Das wesentliche Angebot besteht aus einem Streaming-Angebot, zusammengesetzt aus Musik, Hörbüchern, Hörspielen und Podcasts. Die Parteien haben über einen sogenannten Cyber- / Hackerangriff auf Kundendaten der Beklagten gestritten, wobei dessen zeitliche Abfolge, die Reaktion der Beklagten sowie das Ausmaß des Angriffs zwischen den Parteien streitig gewesen sind.

Der Kläger hat mit seiner Klage als Ausgleich für behauptete Datenschutzverstöße die Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes in Höhe von 1.000 Euro, einen Feststellungsantrag betreffend die Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden, einen Unterlassungsantrag sowie einen Auskunftsantrag geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage (nur) zum Teil stattgegeben. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Unter Ziffer IV. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hat das Landgericht den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 3.500 Euro festgesetzt. Den Zahlungsantrag hat es dabei mit 1.000 Euro bemessen, den Antrag auf Unterlassung mit 2.000 Euro, sowie die Auskunfts- und Feststellungsanträge jeweils mit 250 Euro. Dagegen richtet sich die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der diese eine Heraufsetzung des Streitwerts auf "mindestens 6.000 Euro" begehrt, wobei sie den Schadensersatzanspruch mit 1.000 Euro bemisst, den Unterlassungsanspruch mit 4.000 Euro, den Feststellungsanspruch mit 500 Euro, und den Auskunftsanspruch mit 500 Euro.

II.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist nach §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Im Ergebnis hat die Beschwerde keinen Erfolg. Im Gegenteil war der Streitwert für den Rechtsstreit in erster Instanz von Amts wegen herabzusetzen.

1. Der Senat ist nicht daran gehindert, den vom Landgericht festgesetzten Streitwert entgegen dem Ziel der Beschwerde, diesen heraufzusetzen, von Amts wegen herabzusetzen. Der im Zivilprozessrecht sonst fast ausnahmslos geltende Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" gilt im Streitwertrecht grundsätzlich nicht (einhellige Auffassung, vgl. z. B. Senat, Beschluss vom 29. April 2024 - 5 W 19/24, juris Rn. 7; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Oktober 2019 - 6 W 47/19, juris Rn. 26; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Januar 2018 - 12 W 37/17, juris Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2010 - 24 W 9/10, juris Rn. 10).

2. Der Senat setzt den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 1.900 Euro fest. Dabei entfällt auf den Zahlungsantrag ein Wert von 1.000 Euro sowie auf die restlichen drei Unterlassungs-, Feststellungs- und Auskunftsanträge jeweils ein Wert von 300 Euro.

a) Der Senat hat unter dem 4. April 2024 in den Verfahren 5 U 31/23 und 5 U 77/23 (jeweils bei juris) Urteile in Verfahren erlassen, die beide zum Gegenstand hatten, dass die jeweiligen Klageparteien Ansprüche aus der DSGVO auf Schadensersatz, Unterlassung, Feststellung und Auskunft aus Anlass eines sogenannten "Datenscraping-Vorfalls" bei der dortigen Beklagten, die Betreiberin eines weltweit agierenden sozialen Netzwerks ist, geltend machten. Die Prozessbevollmächtigten der dortigen Klageparteien - die identisch sind mit der hiesigen Beschwerdeführerin - haben bundesweit eine höhere vierstellige Anzahl von Verfahren dieser Art gegen die dortige Beklagte bei deutschen Gerichten anhängig gemacht. Zu dem Streitwert in diesen Verfahren hat der Senat beispielsweise in dem Verfahren 5 U 31/23 folgende Ausführungen gemacht (a.a.O., juris Rn. 113 ff.):

"Den Streitwert sowohl für das Berufungs- wie für das erstinstanzliche Verfahren setzt der Senat - jeweils unter Abänderung des Senatsbeschlusses vom 23. Januar 2024 - auf 2.100,00 € fest. Davon entfallen auf die einzelnen Klageanträge folgende Werte:

- Klageantrag zu Ziffer 1. (Zahlung): 1.000,00 € EUR

- Klageantrag zu 2. (Feststellung): 300,00 €

- Klageantrag zu Ziffer 3. (Unterlassung): 500,00 € (insoweit meint der Senat, dass hier ein einheitlicher Streitwert zu bilden ist, entsprechend der - aus Sicht des Senats vergleichbaren - Rechtslage bei mehreren ehrkränkenden Äußerungen, bspw. in einem Buch oder einem anderen Schriftstück, deren Unterlassung mit der Klage begehrt wird: vgl. dazu Kurpart in Schneider/Kurpart, Streitwertkommentar, 15. Aufl., Rn. 2.1006, Seite 328)

- Klageantrag zu Ziffer 4. (Auskunft): 300,00 €.

Das begründet sich wie folgt:

1. Der Senat hatte bislang in ständiger Rechtsprechung den Streitwert in Verfahren wie dem vorliegenden auf 7.500,00 € festgesetzt und dabei den Zahlungsantrag nach Ziffer 1. der Klageschrift mit 1.000,00 €, den Feststellungsantrag nach Ziffer 2. der Klageschrift mit 1.000,00 €, den Unterlassungsantrag nach Ziffer 3. der Klageschrift mit 5.000,00 € und den Auskunftsantrag nach Ziffer 4. der Klageschrift mit 500,00 € bemessen. Nachdem der Senat zwischenzeitlich einen "Gesamtüberblick" über die Verfahren der vorliegenden Art bekommen sowie Kenntnis von insbesondere den Entscheidungen des OLG Hamm (Urteil vom 15. August 2023 - 7 U 19/23, juris Rn. 271 ff.) sowie des OLG Köln (Urteil vom 7. Dezember 2023 - 15 U 33/23, juris Rn. 89) erlangt hat, hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung überdacht und neu bewertet. Danach ergibt sich Folgendes:

a) Die bisherige Bewertung des Unterlassungsanspruches mit 5.000,00 € durch den Senat in Verfahren wie dem vorliegenden hatte seine Grundlage in den Vorschriften der §§ 48 Abs. 2 GKG, 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, 36 Abs. 3 GNotKG. Den Wert des Feststellungs- sowie des Auskunftsanspruchs hatte der Senat nach § 3 ZPO geschätzt.

b) Indes hat sich für den Senat zwischenzeitlich gezeigt, dass von einem eigenen Interesse der jeweiligen Klagepartei (§ 3 ZPO) in Verfahren wie dem vorliegenden an dem Unterlassungs-, dem Auskunfts- sowie dem Feststellunganspruch im Regelfall nicht oder allenfalls in einem geringen Maße ausgegangen werden kann. Das zeigte sich für den Senat instruktiv im Rahmen der Anhörung des Klägers in dem vorliegenden Verfahren. Danach gefragt, welche "Zielrichtung" seine Klageanträge auf Unterlassung, Feststellung und Auskunft haben bzw. welches Interesse für ihn an der Durchsetzung dieser Anträge besteht, war der - ansonsten überaus eloquente - Kläger nicht in der Lage, substanzielle Antworten zu geben, er blieb mit seinen diesbezüglichen Ausführungen vielmehr im Vagen und hat sich auf "Allgemeinplätze" verlegt (wie z.B. in Bezug auf den Unterlassungsantrag: "Ich möchte natürlich nicht, dass das noch mal passiert"). Mindestens zum Teil hatte der Senat von dem Kläger auch den Eindruck, dass diesem noch nicht einmal bewusst war, welchen Inhalt diese Klageanträge haben.

Der Senat hat insgesamt von dem hiesigen Kläger den Eindruck gewonnen, dass ein eigenes Interesse an diesen drei Klageanträgen - also neben dem Zahlungsantrag - für ihn nicht besteht. Im Gegenteil hat der Senat zwischenzeitlich - und zwar ausdrücklich nicht nur aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in dem vorliegenden Verfahren, der zwangsläufig nur für die Wertfestsetzung in dem vorliegenden Verfahren von Relevanz sein kann - aufgrund des Gesamteindrucks der Verfahren der vorliegenden Art den Eindruck gewonnen, dass diese jeweiligen drei Klageanträge in den massenhaften Verfahren, die die Prozessbevollmächtigten des hiesigen Klägers zwischenzeitlich in ganz Deutschland anhängig gemacht haben, mindestens in erster Linie der Anreicherung des Prozessstoffs ohne ein wesentliches eigenes materielles Interesse der jeweiligen Klagepartei dienen. Damit im Einklang steht im Übrigen der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers in Verfahren wie dem vorliegenden bei dem Senat Streitwertbeschwerden im eigenen Namen (§ 32 Abs. 2 RVG) in einer inzwischen dreistelligen Anzahl erhoben haben, jeweils mit dem Ziel, den Streitwert heraufzusetzen.

Nach Abwägung der vorgenannten sowie aller weiteren Umstände des vorliegenden Falles bewertet der Senat mithin den Feststellungsantrag sowie den Auskunftsantrag jeweils auf der niedrigsten Wertstufe, also jeweils mit 300,00 € und den Unterlassungsantrag mit 500 €. Dies gilt für das vorliegende Verfahren und wird der Senat nunmehr - sofern nicht im Einzelfall konkrete Umstände eine andere Entscheidung bedingen - in Verfahren der vorliegenden Art regelmäßig praktizieren."

b) Diese Grundsätze wendet der Senat entsprechend auch für das vorliegende Verfahren an. Zwar sind bei dem Senat bislang von Seiten der Beschwerdeführerin - bei der es sich um dieselbe Rechtsanwaltskanzlei handelt, die auch die jeweiligen Klageparteien in den vorstehend genannten Senatsverfahren 5 U 31/23 und 5 U 77/23 vertreten hat - als Prozessbevollmächtigte von Klageparteien noch keine Verfahren in größerer Anzahl gegen die hiesige Beklagte anhängig gemacht worden. Indes hat der Senat aufgrund anderer Umstände des vorliegenden Falles davon auszugehen, dass auch die dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Klage Teil eines "Massenverfahrens" ist, dass die Beschwerdeführerin für eine Vielzahl von Klageparteien gegen die hiesige Beklagte führt. Auf Seite 14 der Klageerwiderung vom 12. Januar 2024 (Bl. 135 R d. A.) hat die Beklagte nämlich auszugsweise Folgendes vorgetragen:

"Der formelhafte, pauschale Vortrag der Klagepartei hat keinen individuellen Bezug zur Person der Klagepartei. Die außergerichtliche Darstellung ihrer angeblichen persönlichen Betroffenheit entspricht wortlautidentisch einer Vielzahl von mehr als 2.200 (!) Anspruchsschreiben, welche die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei für andere Mandanten an die Beklagte versendet hat. Auch der Vortrag in der Klageschrift entspricht zu großen Teilen wortlautidentisch anderen Klagen, die die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei bei anderen deutschen Gerichten eingereicht hat."

Dieses Tatsachenvorbringen der Beklagten ist erstinstanzlich unstreitig geblieben, weil der Kläger hierauf in der Folgezeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz inhaltlich nicht eingegangen ist (vgl. insbesondere erster Absatz auf Seite 7 des Schriftsatzes vom 6. Februar 2024, Bl. 158 d. A.). Der Senat hat das vorgenannte Tatsachenvorbringen der Beklagten daher seiner Entscheidung in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrunde zu legen (§ 138 Abs. 3 ZPO).

In diesen - unbestrittenen - Tatsachenvortrag der Beklagten fügt sich im Übrigen noch der - im Sinne von § 291 ZPO offenkundige (vgl. dazu, dass hierzu auch Informationen aus dem Internet gehören: BGH, Beschluss vom 7. Mai 2020 - IX ZB 84/19, juris Rn. 15) - Umstand ein, dass die Beschwerdeführerin auf der Startseite ihres Internet-Auftritts Kundenakquise in dem hier erörterten tatsächlichen Zusammenhang betreibt ("D.-Datenleck Steht Ihnen Schadensersatz zu? 14 Millionen betroffene Deutsche! Jetzt checken"). Des Weiteren hat die Beschwerdeführerin auf YouTube ein Video hochgeladen, mit dem sie Kundenakquise in Bezug auf den im hiesigen Klageverfahren streitgegenständlichen Vorfall betreibt.

Nach dieser Maßgabe gilt aber die Argumentation, die der Senat in seinen beiden vorgenannten Entscheidungen vom 4. April 2024 in den Verfahren 5 U 31/23 und 5 U 77/23 (sowie - bezogen auf die hiesige Beklagte - auch schon in seinem Beschluss vom 29. April 2024 - 5 W 19/24, juris) gemacht hat, entsprechend auch in dem vorliegenden Verfahren. Auch hier muss der Senat davon ausgehen, dass die Aufnahme der Feststellungs-, Unterlassungs- und Auskunftsanträge in die Klage in erster Linie der "Anreicherung des Prozessstoffs" gedient hat, ohne ein wesentliches eigenes materielles Interesse der hiesigen Klägerin. Demgemäß hat der Senat vorliegend die Feststellungs-, Unterlassungs- und Auskunftsanträge jeweils auf der untersten Wertstufe, nämlich jeweils mit 300 Euro, bemessen. In Bezug auf den Unterlassungsantrag besteht der Unterschied zu der diesbezüglichen Wertfestsetzung in den Verfahren 5 U 31/23 und 5 U 77/23 darin, dass in jenen Verfahren - anders als vorliegend - mit dem jeweiligen Unterlassungsantrag gleich zwei verschiedene Unterlassungsbegehren verfolgt worden sind.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Netflix-Serie "Skylines"

OLG Frankfurt
Beschluss vom 21.11.2019
16 W 56/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Netflix-Serie "Skylines" durch die Darstellung einiger Figuren keine Persönlichkeitsrechte realer Personen verletzen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1 und 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Verbreitung der Serie „Skylines“ über die Plattform „Netflix“ und anderer Medien hat. Zutreffend und ohne Fehler ist das Gericht der ersten Instanz davon ausgegangen, dass die Verbreitung der Serie durch die Kunstfreiheit der Antragsgegnerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt ist und das Verbreitungsinteresse der Antragsgegnerin das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und das Unternehmerpersönlichkeitsrecht seines Unternehmens „Firma1“ hier überwiegen. Der vom Landgericht herangezogene rechtliche Beurteilungsrahmen für die zu vollziehende Interessenabwägung ist zutreffend den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu ausgeformten Grundsätzen entnommen (vgl. BVerfGE 30, 173 ff. = NJW 1971, S. 1645 ff. - „Mephisto“; BVerfGE 119, 1 ff. - „Esra“). Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug. Auch die danach vom Landgericht vorgenommene Abwägung aller Gesamtumstände würdigt alle Umstände vollständig und ist ohne Fehler. Der Senat schließt sich der Bewertung der Kammer des Landgerichts an, dass die künstlerische Gestaltung des Lebensläufe von „Jinn“ und „Kalifa“ und der Geschäftstätigkeit der Firma „Firma1“ der Serie durch deren Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus der Filmserie in einer Weise verselbständigt und in der Darstellung ausreichend künstlerisch transzendiert ist, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figuren „Jinn“ und „Kalifa“ und der Firma „Firma1“ genügend objektiviert erscheint (vgl. dazu: BVerfG Entscheidung vom 24. Februar 1971, 1 BvR 435/68, - „Mephisto“ -Rn 68, juris; BVerfG - Urteil vom 13. Juni 2007, 1 BvR 1783/05 -„Esra“, Rn 83, juris). Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug und macht diese sich zu Eigen.

Die vom Antragsteller in der Beschwerde geltend gemachten und im Wesentlichen bereits im Antrag angeführten Argumente, führen zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat folgt dem Antragsteller nicht in der Bewertung, wonach die von ihm hervorgehobenen Anknüpfungspunkte der Serie an Umstände aus seinem eigenen Werdegang sich hier in einer Weise verdichten, dass Kunstbild und Urbild der der Figuren nicht mehr voneinander unterscheidbar wären. Zwar bestehen offensichtliche Übereinstimmungen zwischen seinem Werdegang als Künstler und dem der Serienprotagonisten „Jinn“ und „Kalifa“. Diese Übereinstimmungen sind aber nicht von einem solchen Gewicht, dass hierdurch für den Durchschnittsbetrachter der Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit aufgehoben und auf diese Weise die Eigenschaften der dargestellten Personen gerade dem Antragsteller oder dessen Unternehmen zugeschrieben werden. Es liegen zu wenige konkrete Übereinstimmungen der Lebensläufe vor, um den Antragsteller erkennbar werden zu lassen. Denn es trifft zu, dass sich in der Musikbranche Künstlerkarrieren eher häufig genauso entwickeln, wie dies im Werdegang des „Jinn“ in der Serie erzählt wird. Dabei ist der Umstand, dass ein über viele Jahre nicht der breiten Öffentlichkeit bekannter Musiker eines Tages von einem berühmten Plattenlabel „entdeckt“ wird und dort - unter Zurücklassung von Musikerkollegen und Freunden - unter Vertrag genommen und auf diese Weise erfolgreich wird, noch kein besonders herausgehobenes Merkmal, das für den Zuschauer deutlich auf die Person des Antragstellers verweisen würde und die Vermutung der Fiktionalität des Filmgeschehens aufheben kann. Denn über diese wenigen, in Künstlerkarrieren typischerweise vorkommenden Umstände hinaus, bestehen keine wesentlichen Übereinstimmungen mit der Biographie des Antragstellers. So finden zahlreiche weitere Einzelheiten der Handlung, wie zum Beispiel die geschilderte Liebesgeschichte zwischen der Schwester der Filmfigur „Jinn“ und dem früheren Partner „Momo“, keine Entsprechung im Leben des Antragstellers. Soweit der Antragsteller erneut geltend gemacht hat, die in der Serie benutzte Musik weise stilistisch eindeutig auf ihn hin, vermag der Senat nach Anhören der vorgelegten Musikausschnitte keine den Antragsteller besonders kennzeichnende Ähnlichkeit zu entdecken. Kompositionsweise und Akkordfolgen und die benutzten „Beats“ des Songs „Titel12“ der Serie sind nicht derart prägend oder von besonderer Schöpfungshöhe, dass dies den Musikstil des Antragstellers erkennen lässt. Ob daneben die Nutzung sog. „Live Beats“ im Bereich des Hip-Hop gerade vom Antragsteller erfunden sein mag, wird von diesem weder näher belegt noch in der für ein einstweiliges Verfügungsverfahren nach § 294 Abs. 1 ZPO gebotenen Form glaubhaft gemacht. Allein in der elektronischen Erzeugung von sog. „Beats“, wie in dem vom Antragsteller vorgelegten Beispiel gezeigt, lässt jedenfalls keinen neuen originellen Musikstil erkennen, für den gerade der Antragsteller steht. Zwar geht auch der Senat davon aus, dass die äußere Erscheinung des jungen „Jinn“ in Kopfform und Gesichtszügen gewisse Ähnlichkeit mit dem vom Antragsteller vorgelegten ihn zeigenden Foto (vgl. Anlage ASt 42) hat. Diese sind aber nicht so markant, dass hierdurch der Zuschauer eindeutig den Antragsteller identifizieren und als im Film tatsächlich porträtierte Person erkennen wird. Schließlich tritt hinzu, dass in der Serie gerade die Lebensläufe von „Kalifa“ und „Jinn“ als eigene Personen geschildert werden, die zeitgleich auftreten und miteinander agieren. Jinn wird dabei von Kalifa entdeckt und unter Vertrag seiner eigenen Firma genommen. Jinn selbst hat dabei keine eigene Firma.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich bei der Serie „Skylines“ der Antragsgegnerin auch nicht um ein sog. „Dokudrama“, sondern ersichtlich um eine rein fiktionale Serie, die in Darstellungsform und der Erzählweise den für fiktionale Serien typischen Gestaltungsprinzipien folgt. Nichts weist darauf hin, dass der Zuschauer dies als Dokudrama auffassen könnte. Es gibt keine Rahmenhandlung oder andere Merkmale, wie begleitende Kommentare, Interviews, Bildunterschriften, Bezüge zum Zeitgeschehen oder andere Elemente, die irgendeinen Bezug zu einem realen Geschehen erkennen lassen.

Auch das Argument des Antragstellers, durch die Übernahme der Bezeichnung seines Plattenlabels „Firma1“ als Name der in der Serie im Mittelpunkt stehenden Plattenfirma „Firma1“ und der Wahl der Stadt1 als Handlungsort ändert hieran in der Gesamtbewertung nichts. Zwar ist es richtig, dass mit der identischen Namensgebung in den Verkehrskreisen, in denen der Antragsteller mit seinen Musikproduktionen bekannt ist, eine direkte Verbindung zwischen Antragssteller und der Serie hergestellt wird. Allerdings ist der Senat der Ansicht, dass trotz der Namensübereinstimmung der Zuschauer keine Übertragung der geschilderten Gegebenheiten und Eigenschaften von Protagonisten und deren Geschäftsgebaren auf den Antragssteller und seinem Musiklabel vornehmen wird. Die Vermutung der Fiktionalität wird trotz der Namensübereinstimmung nicht aufgehoben. Denn die Handlungsweisen von „Kalifa“ und der anderen Verantwortlichen der Firma „Firma1“ der Serie sind in so hohem Maß von Gewaltexzessen, extremer Brutalität und schwerwiegenden Verbrechen und kriminellen Handlungen geprägt, dass der durchschnittliche Zuschauer hierin eine in Filmwerken dieses Genres üblicherweise vorkommende, filmische Übertreibung und Überzeichnung erkennt, mit der ausschließlich fiktionale Spannung erzeugt und das Interesse von Menschen, die sich im Film gerne solche, von exzessiver Gewalt geprägten Szenen anschauen, geweckt werden soll. Es bleibt dem Zuschauer aufgrund der gewählten filmischen Mittel (Schnittfolgen, Musikunterlegung, Licht- und Kameraführung) jederzeit bewusst, dass hier nicht der Werdegang und die Geschäftspraktiken einer in Stadt1 tatsächlich ansässigen Plattenfirma gleichen Namens nacherzählt wird, sondern die Figuren fiktionalen typisierenden Charakter haben. Hinzu kommt, dass auch die Stadt1 mit ihren Eigenschaften durch die Lichtführung und Auswahl der Szenen deutlich überzeichnet wird, wobei hier die allgemeinen Merkmale eines durch die Begehung von Verbrechen geprägten Milieus typisierend hervorgehoben werden. Eine Rückkopplung auf das reale Geschehen erfolgt bei dem Zuschauer dabei nicht.

Soweit der Antragsteller noch die Äußerungen der Pressesprecherin als unangemessen gerügt hat, ist nicht ersichtlich, welcher Bezug zwischen dieser Äußerung und der Entscheidungsfindung der Kammer bestehen kann.

2. Dem Antragsteller steht gegen die Verbreitung der Serie im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens im Ergebnis auch kein Unterlassungsanspruch aus dem Recht an einem Unternehmenskennzeichen nach §§ 5 Abs. 1, 2, 15 Abs. 2 MarkenG oder aus dem Namensrecht nach § 12 BGB zu.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin besteht für den Begriff „Firma1“ zugunsten des Antragstellers zwar ein Unternehmenskennzeichenschutz nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG und ferner auch Titelschutz nach § 5 Abs. 3 MarkenG, da er hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass er den Begriff „Firma1“ zum einen zur Bezeichnung verschiedener Tonwerke titelmäßig und zur Bezeichnung seines Musiklabels seit 2005 geschäftsmäßig benutzt hat. Denn die Eintragung einer Firma ins Handelsregister, ein besonderer Umfang des Geschäftsbetriebes oder eine besondere Marktdurchsetzung der hiermit bezeichneten Musikwerke oder des Geschäftsbetriebes ist für das Bestehen von Schutzrechten nach § 5 Abs. 1, 2 und 3 MarkenG nicht erforderlich. Es genügt, dass die Bezeichnung „Firma1“ entweder für ein Unternehmens als Ganzes oder einen bestimmten Geschäftsbetrieb charakterisierend und für den angesprochenen Personenkreis hinreichend kennzeichnungskräftig ist und so tatsächlich benutzt wird (vgl. zum Ganzen: Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. 2010, ( § 5, Rn. 27 und 29). Das ist hier der Fall. Denn jedenfalls steht fest, dass der Antragsteller unter der Bezeichnung „Firma1“ bei der Gesellschaft für die Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten registriert ist und mit dieser bereits seit 2006 ein Wahrnehmungsvertrag besteht. Die Bezeichnung wird ferner in diesem Zusammenhang jedenfalls seit 2005 als Sammelbezeichnung für Musikwerke des Musiklabels des Antragstellers benutzt, was sich aus den hierzu vorgelegten Anlagen ASt 20, 22, 23, 24 und ASt 35 und ferner den Berichterstattungen aus dem Jahr 2008 und 2005 über diese Musikveröffentlichungen unter dieser Bezeichnung ergibt (ASt 44, Ast 35 und 37). Die Bezeichnung „Firma1“ wurde jedenfalls in den angesprochenen Verkehrskreisen der Tonträgerindustrie bereits 2005 und 2006 als Hinweis auf die Musiktitel des Antragstellers angesehen. Diesen tatsächlichen Umständen ist die Antragsgegnerin in ihrer Schutzschrift auch nicht hinreichend detailreich entgegengetreten. Sie hat lediglich argumentiert, die Internetdomain www.(firma1).de sei für den Antragssteller noch nicht in dieser Zeit registriert gewesen, er sei lediglich unter dem Label „F“ und seinem Künstlernamen „A“ aufgetreten. Ferner ist es unerheblich, dass die Bezeichnung „Firma1“ auch rein beschreibende Elemente enthält, da dies dem Kennzeichenschutz nicht entgegensteht (BGH NJW 2001, 210 (212) „Windsurfing Chiemsee“). Denn jedenfalls ergibt sich aus dem E-Mailschreiben der GVL vom 24. Juli 2019 (ASt 14), dass mit dem Antragsteller dort seit 15. Juni 2006 ein Wahrnehmungsvertrag i.S. des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWahrnG, aufgehoben am 31.05.2016) bestand und damit diesem als Tonträgerhersteller einzelne Musikwerke für die Abrechnung von Leistungsschutzrechten nach §§ 85, 86 UrhG und ggf. auch nach § 72 UrhG im Geschäftsverkehr unterscheidungskräftig zugeordnet werden.

b) Allerdings fehlt es für die Geltendmachung derartiger Ansprüche an der für die im einstweiligen Rechtsschutz für den Erlass einer Verbotsverfügung erforderlichen Dringlichkeit i.S. des §§ 940, 917 Abs. 1 ZPO (Verfügungsanspruch). Denn der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren den Vortrag der Antragsgegnerin nicht bestritten, dass er von den Werbemaßnahmen und der Berichterstattung zur Serie ab Oktober 2018, jedenfalls aber im Zeitpunkt der Beantragung der Marken „Skylines“ und „Skyline Records“ am 23. Januar 2019 Kenntnis erlangt hat. Hiervon war vorliegend auszugehen. Soweit er in diesem Zusammenhang noch argumentiert, er habe erst den Inhalt der Serie vollständig würdigen müssen, um Rechtsverletzungen zu prüfen, verfängt dies für die Geltendmachung von Unternehmenskennzeichen- und Werktitelrechten nicht. Denn aus den von der Antragstellerin vorgelegten Beispielen aus der Presseberichterstattung hierzu ergibt sich bereits, dass in der angegriffenen Serie die Bezeichnung „Firma1“ als Unternehmenskennzeichen für ein Tonträgerunternehmen benutzt werden soll und ferner dass das Wort „Skylines“ jedenfalls als Titel eines Filmwerks benutzt werden wird. Diese Kenntnis wäre aber zur Geltendmachung unternehmenskennzeichen- und titelschutzrechtlicher Ansprüche bereits im Jahr 2018 ausreichend gewesen. Ob und wie der Antragsteller dabei den Hinweis des Gerichts verstehen durfte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Hamburg: Irreführende Werbung eines Streamingdienstleisters für angeblich vergütungsfreies Internetradio

LG Hamburg
Beschluss vom 10.01.2013
315 O 540/12


Das LG Hamburg hat die irreführende und damit wettbewerbswidrige Werbung eines Streaminganbieters untersagt. Dieser hat damit geworben, dass der Betrieb eines Internetradios ohne Zahlungen von Vergütungen an Verwertungsgesellschaften möglich sei.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hat auch in der Sache Erfolg. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus §§ 3, 8, 5 S. 1, S. 2 Nr. 1, 3 UWG. Die beanstandete Äußerung ist irreführend, da der durch sie geweckte Eindruck nicht den Tatsachen entspricht.
[...]
Tatsächlich entsteht für die Internetradio-Betreiber in Deutschland jedoch eine solche Vergütungspflicht aus §§ 78 Abs. 2 Nr. 1, 86 UrhG."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Livestreaming von Fernsehprogrammen ist nur mit Zustimmung des Fernsehsenders zulässig -

EuGH
Urteil vom 07.03.2013
C‑607/11
ITV Broadcasting Ltd u.a. ./. TVCatchup Ltd


Der EuGH hat entschieden, dass das Livestreaming von Fernsehprogrammen nur mit Zustimmung des jeweiligen Fernsehsenders zulässig ist. Insofern wird rechtswidrig in das Recht der öffentlichen Wiedergabe des jeweiligen Fernsehsender im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG eingegriffen. Es kommt dabei weder darauf an, ob der Streaminganbieter eigene Werbeeinnahmen erzielt noch ob die Nutzer den jeweiligen Fernsehsender auch terrestrisch empfangen könnten, da sie sich im im Empfangsgebiet des Senders aufhalten.

Die Leitsätze der Entscheidung des EuGH:

1. Der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er einer Weiterverbreitung der in eine terrestrische Fernsehsendung integrierten Werke erfasst,

– die von einer anderen Einrichtung als dem ursprünglichen Sendeunternehmen

– mittels eines Internetstreamings vorgenommen wird, das den Abonnenten dieser Einrichtung zugänglich gemacht wird, die diese Weiterverbreitung dadurch empfangen können, dass sie sich mit dem Server dieser Einrichtung verbinden,

– obwohl sich diese Abonnenten im Sendegebiet dieser terrestrischen Fernsehsendung befinden und diese rechtmäßig mittels eines Empfangsgeräts empfangen können.

2. Die Antwort auf die erste Frage wird nicht dadurch beeinflusst, dass eine Weiterverbreitung der im Ausgangsverfahren fraglichen Art durch Werbung finanziert wird und auf diese Weise Erwerbszwecken dient.

3. Die Antwort auf die erste Frage wird nicht dadurch beeinflusst, dass eine Weiterverbreitung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art durch eine Einrichtung erfolgt, die mit dem ursprünglichen Sendeunternehmen in unmittelbarem Wettbewerb steht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: