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LG Traunstein: Nutzer eines weltweit agierenden sozialen Netzwerks hat nach der DSGVO keinen Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe und Übermittlung personenbezogener Daten in die USA

LG Traunstein
Urteil vom 08.07.2024
9 O 173/24


Das LG Traunstein hat entschieden, dass der Nutzer eines weltweit agierenden sozialen Netzwerks nach der DSGVO keinen Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe und Übermittlung personenbezogener Daten in die USA hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist nur teilweise zulässig.

I. Das Landgericht Traunstein ist sachlich nach §§ 1 ZPO, 71 Abs. 1, 23 GVG, international nach Art. 79 Abs. 2 S. 2, 82 Abs. 6 DSGVO und örtlich nach § 44 Abs. 1 S. 2 BDSG zuständig.

II.Der auf die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klagepartei für künftige Schäden gerichtete Antrag ist nicht hinreichend bestimmt gern. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der auf die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klagepartei für künftige Schäden gerichtete Antrag ist nicht hinreichend bestimmt gern. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag bezieht sich auf „künftige Schäden“, „die der Klägerseite (…) entstanden sind und/oder noch entstehen werden.„Auch unter Berücksichtigung des gesamten klägerischen Vorbringens ist für das Gericht nicht zu erkennen, ob sich der Antrag nur auf künftige Schäden oder auch bereits entstandene, aber ggfs. noch nicht bekannte Schäden erstrecken soll.

III. Hinsichtlich des Feststellungsantrags besteht auch kein ausreichendes Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Ein Feststellungsinteresse ist zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW-RR 2007, 601). Welcher Schaden der Klagepartei dadurch entstehen soll, dass die Beklagte rechtswidrig ihre MessengerNachrichten überwacht, OffF Daten verarbeitet und Daten in die USA übermitteln sollte, ist für das Gericht nicht ersichtlich und wird auch nicht plausibel dargelegt.

IV. Der Unterlassungsantrag zu Ziff. 4 a) der Klageanträge ist nicht hinlänglich bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Wort „anlasslos“ schränkt das Unterlassungsbegehren in objektiv nicht abgrenzbarer Weise ein. Ein entsprechender Ausspruch wäre nicht vollstreckungsfähig.

V. Hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu Ziff. 4b) fehlt der Klagepartei das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klagepartei hat die Möglichkeit, über die Einstellungen die Behandlung der „Off-...- Daten“ bzw. „Aktivitäten außerhalb der ...-Technologien“ selbst zu steuern. Dies muss der Klagepartei spätestens aufgrund des Beklagtenvortrags im Rechtsstreit auch bekannt sein. Da ihr ein einfacherer Weg zur Erreichung ihres Rechtsschutzziels zur Verfügung steht, fehlt ihr für eine Unterlassungsklage das Rechtsschutzbedürfnis.

VI. Der Antrag auf Löschung „anlasslos gespeicherter“ Daten (Ziff. 5a und b der Klageanträge) ist aus den oben unter Ziff. IV genannten Erwägungen wegen Unbestimmtheit unzulässig.

VII. Im Übrigen ist die Klage zulässig.
B.

Die Klage ist – soweit sie unzulässig ist, jedenfalls auch – unbegründet.
23
I. Der Klagepartei stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit den behaupteten Vorwürfen hinsichtlich des ...-Messenger-Dienstes zu. Es fehlt bereits an einem relevanten Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO.

Die Klagepartei hat nicht schlüssig dargelegt, woraus sich ergeben soll, dass die Beklagte die über den ...-Messenger-Dienst ausgetauschten Inhalte systematisch automatisiert überwacht im Sinne eines „crawlings“ der Inhalte. Aus der Datenschutzrichtlinie der Beklagten ergibt sich solches jedenfalls nicht. Die Beklagte hat vielmehr plausibel dargelegt, dass sie die übertragenen Nachrichten entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere der ePrivacy-Richtlinie, behandelt und ein zulässiges CSAM (child sexual abuse material)-Scanning zur Identifikation kinderpornographischer Inhalte durchführt. Soweit die Klagepartei die Länge und Unübersichtlichkeit der Datenschutzrichtlinie der Beklagten rügt, lässt sich kein Verstoß gegen Art. 13, 14 DSGVO erkennen. Die umfangreichen datenschutzrechtlichen Anforderungen, die von Rechts wegen an die Beklagte gestellt werden, in Verbindung mit der Komplexität der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dienstleistungen lassen keine knappere oder einfachere Darstellung der datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen zu. Dass die Beklagte die über den MessengerDienst ausgetauschten Inhalte als solche speichert und an den Adressaten übermittelt, ist zur Bereitstellung dieser Dienstleistung unumgänglich, Art. 6 Abs. 1 Buchst. B DSGVO. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO) sieht das Gericht deswegen ebenfalls keine Anhaltspunkte. Das CSAM-Scanning ist von Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO gedeckt. Im Übrigen ist es der Klagepartei – wie jedem „f-Nutzer selbst überlassen, ob sie den MessengerDienst überhaupt verwenden will oder nicht.

II. Der Klagepartei stehen auch keine Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit den behaupteten Vorwürfen hinsichtlich der “Off-...-Daten“ zu.

1. Auch insoweit ist kein datenschutzrechtlicher Verstoß ersichtlich. Die Verarbeitung von Daten im Zusammenhang mit „Aktivitäten außerhalb der ...-Technologien“ („Off-...-Daten“) ist durch die Einwilligung des Nutzers gedeckt, Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO. Nach dem Vortrag der Beklagten, an dessen Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, holt sie die Einwilligung der Nutzer mittels eines im Schriftsatz vom 04.03.2024 auf S. 11 abgebildeten CookieBanners ein. Die entsprechenden Einstellungen werden durch Hinweise nachvollziehbar beschrieben und können vom Benutzer nachträglich abgeändert werden. Die Klagepartei ist bei „...“ angemeldet, so dass sie selbst die entsprechenden Einstellungen vornehmen kann. Wie es sich bei Personen verhält, die nicht bei „...“ angemeldet sind, kann dahinstehen, weil die Klagepartei nicht zu diesem Personenkreis gehört. Dass die Schaltfläche „Alle Cookies erlauben“ blau eingefärbt ist, stellt keinen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 2 DSGVO (datenschutzfreundliche Voreinstellung) dar. Denn es handelt sich um keine „Voreinstellung“, sondern um eine übliche und erlaubte optische Hervorhebung, die die aktive Entscheidungsmöglichkeit des Nutzers unberührt lässt. Soweit die Beklagte Informationen von Cookies und ähnlichen Technologien von Dritten erhält, verarbeitet sie diese nach eigenen Angaben ohne Zustimmung des Nutzers nur zu Sicherheits- und Integritätszwecken, was durch Art. 6 Abs. 1 Buchst. b ff. DSGVO bzw. Art. 9 Abs. 2 Buchst. B ff. DSGVO gedeckt ist. Substanziell Entgegenstehendes wurde durch die Klagepartei nicht in den Rechtsstreit getragen.

2. Soweit die Beklagte bis zum Beschluss des Bundeskartellamts vom 06.02.2019 (s. Pressemitteilung vom 07.02.2019, Anlage KE-4) die „Off-...-Daten“ ohne eine erforderliche Einwilligung verarbeitet haben sollte, wird schon nicht vorgetragen, dass die Beklagte „Off ... Daten“ aus diesem Zeitraum bezogen auf die Klagepartei überhaupt noch vorhält. Im Übrigen wären daraus resultierende Ansprüche der Klagepartei jedenfalls verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 214 Abs. 1 BGB. Die Klagepartei musste jedenfalls infolge der vorgenannten Pressemitteilung die tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen kennen oder sich dem Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis aussetzen. Verjährung wäre somit zum Ende des Jahres 2022 eingetreten.

III. Der Klagepartei stehen schließlich keine Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit den behaupteten Vorwürfen im Zusammenhang mit der Datenübermittlung in die USA zu.

1. Eine rechtswidrige Datenübermittlung kann das Gericht nicht erkennen. Die Plattform „...“ und der MKonzern stammen aus den USA. „...“ ist als globale Plattform konzipiert. Um dieses weltweite Netzwerk unterhalten zu können, müssen zwangsläufig Daten international ausgetauscht werden. Dass in diesem Zusammenhang auch Daten durch die Beklagte in die USA übermittelt werden, liegt folglich nahe. Dieses Erfordernis ist auch unabhängig davon, ob die Klagepartei mit USamerikanischen „...“-Nutzern „befreundet“ ist oder nicht. Denn allein die Suche nach Nutzern in anderen Rechtsgebieten kann nur funktionieren, wenn ein grenzüberschreitender Datenaustausch stattfindet. All dies muss jedem „..."-Nutzer, auch der Klagepartei, hinlänglich bekannt sein. Die Klagepartei hat keinen Anspruch darauf, dass „...“ dergestalt betrieben wird, dass sämtliche Daten in Europa gespeichert und verarbeitet werden im Sinne eines rein europäischen „...“. Die unternehmerische Entscheidung des Betreibers der Plattform „...“, Daten in den Vereinigten Staaten von Amerika zu verarbeiten, ist von den Nutzern hinzunehmen, zumal niemand dazu gezwungen wird, die Plattform „...“ zu nutzen.

2. Die Datenübermittlung ist daher grundsätzlich zur Vertragserfüllung erforderlich, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO. Dafür dass die Beklagte, was die Klagepartei letztlich behauptet, darüber hinaus ihren gesamten Datenbestand dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst voraussetzungslos zur freien Verfügung stellt, gibt es keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Was die USamerikanische Regierung insoweit „zugegeben“ haben soll, wird klägerseits nicht konkret dargelegt. Die Beklagte jedenfalls hat solches bestritten und Beweis wurde klägerseits nicht geführt.

3. Die Voraussetzungen für die Datenübermittlung in Drittländer nach Kapitel V DSGVO werden von der Beklagten eingehalten.

a) Aktuell erfolgt die Datenübermittlung aufgrund des Angemessenheitsbeschlusses der Kommission vom 10.07.2023. Dieser stellt eine taugliche Grundlage für die Datenübermittlung dar, Art. 45 Abs. 3 DSGVO. Eine weitergehende Überprüfung der Angemessenheit des Schutzniveaus erübrigt sich dadurch.

b) Für den vorangegangenen Zeitraum stellen die von der Kommission erlassenen Standardvertragsklauseln 2010 und 2021 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c) DSGVO eine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Nach Art. 46 Abs. 1 DSGVO müssen den Betroffenen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, um ein dem EURecht gleichwertiges Schutzniveau zu gewährleisten. Die Klagepartei rügt insoweit, dass der USamerikanische Rechtsbehelfsmechanismus auf einer Verordnung der Regierung und nicht auf formellem Gesetz beruhe. Auch bei einer Verordnung handelt es sich aber um ein Gesetz im materiellen Sinne. Wieso hierdurch kein gleichwertiger Rechtsschutz zur Verfügung gestellt werden könne, ist nicht zu erkennen.

c) Schließlich ist die Datenübermittlung, wie bereits oben ausgeführt, zur Vertragserfüllung erforderlich und damit auf Grundlage von Art. 49 Abs. 1 S. 1 b DSGVO zulässig.

d) Soweit Datenschutzbehörden abweichende Auffassungen vertreten, sind diese für das Gericht nicht bindend.

4. Für eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f bzw. Art. 32 DSGVO ist schlüssig nichts vorgetragen. Wieso Anlass zur Annahme bestehen sollte, dass die Beklagte die Daten der Klagepartei in technischer oder organisatorischer Hinsicht nicht hinlänglich schützt, ergibt sich aus dem Klagevortrag nicht.

5. Eine Verletzung von Art. 13 DSGVO kann das Gericht ebenfalls nicht erkennen. Die Beklagte hat die Fundstellen genannt, unter denen sich der Nutzer über die Notwendigkeit der Datenübermittlung an ausländische Unternehmen, namentlich die .., Inc., wie auch über die Beauskunftung von Regierungsanfragen informieren kann. Dass die Beklagte ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen wäre, ist nicht ersichtlich.

6. Soweit US-Regierungsbehörden einschließlich der Geheimdienste von .., Inc., nach USamerikanischem Recht Auskünfte verlangen können, ist dies Folge der rechtmäßigen Datenübermittlung in den Herrschaftsbereich der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Möglichkeit steht der Gewährleistung eines im Wesentlichen gleichen Schutzniveaus nicht entgegen, da sie auch unter europäischem Datenschutzregime nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO (Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung) zulässig wäre.

IV. Für einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO fehlt es zudem an einem kausalen Schaden der Klagepartei. Diese gab im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung lediglich an, dass sie erst durch die Klägervertreter auf etwaige Datenschutzverstöße im Zusammenhang mit der Übermittlung von Daten bzw. dem Messenger gebracht worden sei. Erst auf Hinweis des Gerichtes wurde ihr offenbar, dass die hiesige Klage sich nicht auf die Scraping-Fälle bezieht. Schließlich wird Bezug genommen auf die Entscheidung des OLG München, Az. 14 U 3359/23 e, Verfügung vom 19.12.23, in welcher folgendes ausgeführt wird:
„Die Befürchtung (noch deutlicher: englisch „fear“ und französisch „crainte“), in der der EuGH einen materiellen Schaden erblickt, kann nur etwas sein, was der Geschädigte (a) persönlich erlebt und was ihn (b) seelisch belastet, mithin psychisch beeinträchtigt. Vermag das Tatgericht nichts dergleichen zu erkennen, so ist der Eintritt des immateriellen Schadens nicht überwiegend wahrscheinlich im Sinne von § 287 Abs. 1 ZPO.“

So liegt der Fall hier: allein die im Rahmen der informatorischen Anhörung (erst) auf Vorhalt ihres Prozessbevollmächtigten angegebene „große Sorge“ (nachdem zunächst angegeben wurde, dass man es „auch schlimm findet“) stellt keinen immateriellen Schaden dar.

V. Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO stehen der Klagepartei gegen die Beklagte nicht zu.

1. Soweit begehrt wird Auskunft bezüglich der Daten „aus der Überwachung des FMessengers“ zu erteilen, „ChatProtokolle vorzulegen und deren interne Bewertung offenzulegen“, können die Chat-Verläufe durch die Klagepartei selbst heruntergeladen werden. Der Auskunftsanspruch ist dadurch erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Was unter einer „internen Bewertung“ zu verstehen sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht; eine Subsumtion unter eine der Kategorien des Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist insoweit nicht möglich.

2. Soweit Auskunft begehrt wird, welche „Off-...-Daten“ durch die Beklagte an der IP-Adresse der Klägerseite gesammelt und zu welchem Zweck sie gespeichert und verwendet wurden, verweist die Beklagte zu Recht auf die von ihr zur Verfügung gestellte Selbstauskunftsmöglichkeit und hinsichtlich der Verarbeitungszwecke auf eine bestimmte Seite im Hilfebereich. Die Auskunft ist damit erteilt, § 362 Abs. 1 BGB.

3. Hinsichtlich etwaiger an die NSA übermittelter Daten kann die Beklagte die Auskunft verweigern, weil zum einen eine Geheimhaltungspflicht nach USamerikanischem Rechts besteht und es sich zum anderen um ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftige Informationen handelt, Art. 23 DSGVO i.V.m. § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG, wobei sich letztgenannte Vorschrift entgegen der Auffassung der Klagepartei schon dem Wortlaut nach nicht auf Berufsgeheimnisträger beschränkt. Es versteht sich von selbst, dass die Information, ob und welche Auskünfte an Geheimdienste erteilt werden, ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig ist. Im Übrigen erfolgt die Beauskunftung an die NSA nicht durch die Beklagte, sondern durch die .., Inc., so dass die Beklagte hinsichtlich eines Auskunftsanspruchs auch nicht passivlegitimiert wäre.

VI. Die Löschungsanträge nach Art. 17 DSGVO (Ziff. 5 b und c der Klageanträge) gehen ins Leere, weil sie unter der Voraussetzung gestellt sind, dass die Datenverarbeitung „anlasslos“ erfolgt. Selbst wenn man diesem Begriff die Bedeutung „nicht notwendig“ (Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO), „ohne Rechtsgrundlage“ (Art. 17 Abs. 1 Buchst. b DSGVO), oder „unrechtmäßig“ (Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO) beimessen wollte, liegen diese Voraussetzungen, wie unter Ziffer I. bis II. ausgeführt, nicht vor.

VII. Sämtliche Unterlassungsansprüche scheitern am Fehlen eines Verstoßes gegen die DSGVO, s.o. Ziff. I bis III. Bezüglich der „Off-...-Daten“ tritt hinzu, dass es der Nutzer selbst in der Hand hat, die diesbezüglichen Einstellungen zu verwalten. Die Klagepartei handelt widersprüchlich, wenn sie die Einstellungen so belässt, wie sie sind, und andererseits von der Beklagten verlangt, die Daten nicht auf Grundlage dieser Einstellungen zu verarbeiten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Es ist unionsrechtksonform Anbietern wie Facebook und Hostinganbietern aufzugeben für rechtswidrig erklärte und sinngleiche Inhalte aktiv zu suchen und zu löschen bzw weltweit zu sperren

EuGH
Urteil vom 03.10.2019
C-18/18
Eva Glawischnig-Piesczek / Facebook Ireland Limited


Der EuGH hat entschieden, dass es unionsrechtskonform ist, Anbietern wie Facebook und Hostinganbietern aufzugeben, für rechtswidrig erklärte und sinngleiche Inhalte aktiv zu suchen und zu löschen bzw. weltweit zu sperren.

Tenor der Entscheidung:

Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), insbesondere ihr Art. 15 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass sie es einem Gericht eines Mitgliedstaats nicht verwehrt,

– einem Hosting-Anbieter aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die den wortgleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, unabhängig davon, wer den Auftrag für die Speicherung der Informationen gegeben hat;

– einem Hosting-Anbieter aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sofern die Überwachung und das Nachforschen der von einer solchen Verfügung betroffenen Informationen auf solche beschränkt sind, die eine Aussage vermitteln, deren Inhalt im Vergleich zu dem Inhalt, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt hat, im Wesentlichen unverändert geblieben ist, und die die Einzelheiten umfassen, die in der Verfügung genau bezeichnet worden sind, und sofern die Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zu der Formulierung, die die zuvor für rechtswidrig erklärte Information ausmacht, nicht so geartet sind, dass sie den Hosting-Anbieter zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen;

– einem Hosting-Anbieter aufzugeben, im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts weltweit die von der Verfügung betroffenen Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Das Unionsrecht verwehrt es nicht, dass einem Hosting-Anbieter wie Facebook aufgegeben wird, mit einem zuvor für rechtswidrig erklärten Kommentar wortgleiche und unter bestimmten Umständen auch sinngleiche Kommentare zu entfernen

Das Unionsrecht verwehrt es auch nicht, dass eine solche Verfügung im Rahmen des
einschlägigen internationalen Rechts, dessen Berücksichtigung Sache der Mitgliedstaaten ist,
weltweit Wirkungen erzeugt.

Frau Eva Glawischnig-Piesczek, die Abgeordnete zum Nationalrat (Österreich), Klubobfrau der „Grünen“ im Parlament und Bundessprecherin dieser politischen Partei war, verklagte Facebook Irland vor den österreichischen Gerichten. Sie beantragt, dass Facebook aufgetragen wird, einen von einem Nutzer dieses sozialen Netzwerks veröffentlichten Kommentar, der sie in ihrer Ehre beleidigt, sowie wort- und/oder sinngleiche Behauptungen zu löschen.

Der in Rede stehende Nutzer von Facebook hatte auf seiner Profilseite einen Artikel des österreichischen Online-Nachrichtenmagazins oe24.at mit dem Titel „Grüne: Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben“ geteilt, was auf dieser Seite eine „Thumbnail-Vorschau“ von der ursprünglichen Website generierte, die den Titel dieses Artikels, eine kurze Zusammenfassung davon sowie ein Foto von Frau Glawischnig-Piesczek enthielt. Der Nutzer postete außerdem einen Kommentar zu diesem Artikel, der nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts geeignet ist, Frau Glawischnig-Piesczek in ihrer Ehre zu beleidigen, sie zu beschimpfen und zu diffamieren. Dieser Beitrag konnte von jedem Nutzer von Facebook Service abgerufen werden. Vor diesem Hintergrund ersucht der Oberste Gerichtshof (Österreich) den Gerichtshof um
Auslegung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr.

Nach dieser Richtlinie ist ein Hosting-Anbieter wie Facebook nicht für eine gespeicherte Information verantwortlich, wenn er keine Kenntnis von ihrem rechtswidrigen Charakter hat oder wenn er, sobald er davon Kenntnis erlangt, unverzüglich tätig wird, um diese Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Dieser Ausschluss hindert jedoch nicht daran, dass
einem Hosting-Anbieter aufgegeben wird, eine Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, u. a. durch die Entfernung rechtswidriger Informationen oder der Sperrung des Zugangs zu ihnen.

Hingegen ist es nach der Richtlinie verboten, einen Hosting-Anbieter zu verpflichten, allgemein die von ihm gespeicherten Informationen zu überwachen, oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof dem Obersten Gerichtshof, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, die ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen schaffen soll, es einem Gericht eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, einem Hosting-Anbieter aufzugeben,

▪ die von ihm gespeicherten Informationen, die den wortgleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, unabhängig davon, wer den Auftrag für die Speicherung der Informationen gegeben hat;

▪ die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sofern die Überwachung und das Nachforschen der von einer solchen Verfügung betroffenen Informationen auf solche beschränkt sind, die eine Aussage vermitteln, deren Inhalt im Vergleich zu dem Inhalt, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt hat, im Wesentlichen unverändert geblieben ist, und die die Einzelheiten umfassen, die in der Verfügung genau bezeichnet worden sind, und sofern die Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zu der Formulierung, die die zuvor für rechtswidrig erklärte Information ausmacht, nicht so geartet sind, dass sie den Hosting-Anbieter zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen (so kann der Hosting-Anbieter auf automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung zurückgreifen);

▪ im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts, dessen Berücksichtigung Sache der Mitgliedstaaten ist, weltweit die von der Verfügung betroffenen Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Verbot der Verarbeitung bestimmter Kategorien sensibler personenbezogener Daten gilt auch für Suchmaschinen

EuGH
Urteil vom 24.09.2019
C-136/17
GC u. a. / Commission nationale de l'informatique et des libertés (CNIL)


Der EuGH hat entschieden, dass das Verbot der Verarbeitung bestimmter Kategorien sensibler personenbezogener Daten auch für Suchmaschinen gilt.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Das Verbot der Verarbeitung bestimmter Kategorien sensibler personenbezogener Daten gilt auch für die Betreiber von Suchmaschinen

Im Rahmen eines Auslistungsantrags ist eine Abwägung zwischen den Grundrechten des Antragstellers und den Grundrechten der Internetnutzer vorzunehmen, die potenziell Interesse an diesen Informationen haben .

Frau G. C., Herr A. F., Herr B. H. und Herr E. D. erhoben beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) Klagen gegen die Commission nationale de l’informatique et des libertés (CNIL, Nationaler Ausschuss für Informatik und Freiheitsrechte, Frankreich) wegen vier Beschlüssen, mit denen die CNIL es ablehnte, die Google Inc. aufzufordern, aus der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, verschiedene Links zu Websites Dritter zu entfernen. Die Links führen zu Websites Dritter, die u. a. eine unter einem Pseudonym online gestellte satirische Fotomontage, in der eine im Bereich der Politik tätige Frau dargestellt wird, einen Artikel, in dem einer der Betroffenen als Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit der Scientology-Kirche genannt wird, Artikel über die Anklageerhebung gegen einen im Bereich der Politik tätigen Mann sowie Artikel über die Verurteilung eines anderen Betroffenen wegen sexueller Übergriffe auf Jugendliche enthalten.

Der Conseil d’État hat dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Auslegung der Vorschriften des Unionsrechts über den Schutz personenbezogener Daten vorgelegt.

Der Conseil d’État möchte u. a. wissen, ob in Anbetracht des speziellen Verantwortungsbereichs, der speziellen Befugnisse und der speziellen Möglichkeiten des Betreibers einer Suchmaschine das den anderen für die Verarbeitung Verantwortlichen auferlegte Verbot, besondere Kategorien personenbezogener Daten (wie solche, die politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder das Sexualleben betreffen) zu verarbeiten, auch für einen solchen Betreiber gilt.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass durch die Tätigkeit einer Suchmaschine die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten erheblich beeinträchtigt werden können, und zwar zusätzlich zur Tätigkeit der Herausgeber von Websites; als derjenige, der über die Zwecke und Mittel dieser Tätigkeit entscheidet, hat der Suchmaschinenbetreiber daher in seinem Verantwortungsbereich im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Tätigkeit der Suchmaschine den Anforderungen des Unionsrechts entspricht, damit die darin vorgesehenen Garantien ihre volle Wirksamkeit entfalten können und ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Personen, insbesondere ihres Rechts auf Achtung ihres Privatlebens, tatsächlich verwirklicht werden kann.

Der Gerichtshof hebt sodann hervor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben vorbehaltlich bestimmter Abweichungen und Ausnahmen verboten ist. Außerdem darf die Verarbeitung von Daten, die Straftaten, strafrechtliche Verurteilungen oder Sicherungsmaßregeln betreffen, abgesehen von besonderen Ausnahmen, nur unter behördliche Aufsicht erfolgen, und ein vollständiges Register der strafrechtlichen Verurteilungen darf nur unter
behördlicher Aufsicht geführt werden.
Nach Ansicht des Gerichtshofs gelten das Verbot und die Beschränkungen vorbehaltlich der im Unionsrecht vorgesehenen Ausnahmen für sämtliche Verantwortliche, die solche Verarbeitungen
vornehmen.

Der Suchmaschinenbetreiber ist jedoch nicht dafür verantwortlich, dass die in diesen Bestimmungen genannten personenbezogenen Daten auf der Website eines Dritten vorhanden sind, wohl aber für die Listung dieser Website und insbesondere für die Anzeige des auf sie führenden Links in der Ergebnisliste, die den Internetnutzern im Anschluss an eine Suche angezeigt wird. Das Verbot und die Beschränkungen sind auf diesen Betreiber nur aufgrund der Listung der Website und somit über eine Prüfung anwendbar, die auf der Grundlage eines Antrags der betroffenen Person unter der Aufsicht der zuständigen nationalen Behörden vorzunehmen ist.

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass zwar die Rechte der betroffenen Person im Allgemeinen gegenüber dem Recht der Internetnutzer auf freie Information überwiegen; der Ausgleich kann in besonders gelagerten Fällen aber von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann.

Der Gerichtshof schließt daraus, dass der Suchmaschinenbetreiber, wenn er mit einem Antrag auf Auslistung eines Links zu einer Website befasst ist, auf der sensible Daten veröffentlicht sind, auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten prüfen muss, ob sich die Aufnahme dieses Links in die im Anschluss an eine Suche anhand des Namens dieser Person angezeigte Ergebnisliste als unbedingt erforderlich erweist, um die Informationsfreiheit von Internetnutzern zu schützen, die potenziell daran interessiert sind, mittels einer solchen Suche Zugang zu der betreffenden Website zu erhalten.

Bezieht sich die Verarbeitung auf Daten, die die betroffene Person offenkundig öffentlich gemacht hat, kann der Suchmaschinenbetreiber einen Auslistungsantrag ablehnen, sofern die Verarbeitung alle sonstigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit erfüllt und die betroffene Person nicht aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Gründen gegen die Datenverarbeitung Widerspruch einlegen kann.

Schließlich stellt der Gerichtshof zu Websites, auf denen Informationen zu einem Strafverfahren gegen eine bestimmte Person veröffentlicht sind, die sich auf einen früheren Verfahrensabschnitt beziehen und nicht mehr der aktuellen Situation entsprechen, fest, dass es Sache des Suchmaschinenbetreibers ist, zu beurteilen, ob diese Person ein Recht darauf hat, dass die betreffenden Informationen aktuell nicht mehr durch die Anzeige einer Ergebnisliste im Anschluss an eine Suche anhand ihres Namens mit ihrem Namen in Verbindung gebracht werden. Dabei hat der Suchmaschinenbetreiber sämtliche Umstände des Einzelfalls wie z. B. die Art und Schwere der Straftat, den Verlauf und Ausgang des Verfahrens, die verstrichene Zeit, die Rolle der Person im öffentlichen Leben und ihr Verhalten in der Vergangenheit, das Interesse der Öffentlichkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung, den Inhalt und die Form der Veröffentlichung sowie die Auswirkungen der Veröffentlichung für die Person zu berücksichtigen.

Der Suchmaschinenbetreiber ist daher verpflichtet, einem Antrag auf Auslistung von Links zu Websites, auf denen sich Informationen zu einem Gerichtsverfahren, das eine natürliche Person betraf, sowie gegebenenfalls Informationen über die sich daraus ergebende Verurteilung befinden, stattzugeben, wenn sich diese Informationen auf einen früheren Abschnitt des Gerichtsverfahrens beziehen und nicht mehr der aktuellen Situation entsprechen, sofern festgestellt wird, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls die Grundrechte der betroffenen Person gegenüber den Grundrechten der potenziell interessierten Internetnutzer überwiegen.

Der Gerichtshof weist noch darauf hin, dass der Suchmaschinenbetreiber, selbst wenn er feststellen sollte, dass die betroffene Person kein Recht auf Auslistung solcher Links hat, weil sich die Einbeziehung des betreffenden Links als absolut erforderlich erweist, um die Rechte der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz ihrer Daten mit der Informationsfreiheit potenziell interessierter Internetnutzer in Einklang zu bringen, in jedem Fall verpflichtet ist, spätestens anlässlich des Auslistungsantrags die Ergebnisliste so auszugestalten, dass das daraus für den Internetnutzer entstehende Gesamtbild die aktuelle Rechtslage widerspiegelt, was insbesondere voraussetzt, dass Links zu Websites mit entsprechenden Informationen auf dieser Liste an erster Stelle stehen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Suchmaschinenbetreiber Google ist nicht verpflichtet Inhalte weltweit aus dem Suchindex zu entfernen - Recht auf Vergessenwerden

EuGH
Urteil vom 24.09.2019
C-507/17
Google LLC als Rechtsnachfolgerin der Google Inc. / Commission nationale de l'informatique et des libertés (CNIL)

Der EuGH hat entschieden, dass der Suchmaschinenbetreiber Google nicht verpflichtet ist, Inhalte weltweit aus dem Suchindex zu entfernen.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Betreiber einer Suchmaschine ist nicht verpflichtet, eine Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen

Er ist jedoch verpflichtet, sie in allen mitgliedstaatlichen Versionen vorzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Internetnutzer davon abzuhalten, von einem Mitgliedstaat aus auf die entsprechenden Links in Nicht-EU-Versionen der Suchmaschine zuzugreifen.

Mit Beschluss vom 10. März 2016 verhängte die Präsidentin der Commission nationale de l’informatique et des libertés (CNIL, Nationaler Ausschuss für Informatik und Freiheitsrechte, Frankreich) eine Sanktion von 100 000 Euro gegen die Google Inc. wegen der Weigerung des Unternehmens, in Fällen, in denen es einem Auslistungsantrag stattgibt, die Auslistung auf
sämtliche Domains seiner Suchmaschine anzuwenden.

Die Google Inc., die von der CNIL am 21. Mai 2015 aufgefordert worden war, die Auslistung auf alle Domains zu erstrecken, kam dieser Aufforderung nicht nach und entfernte die betreffenden Links nur aus den Ergebnissen, die bei Sucheingaben auf Domains angezeigt wurden, die den Versionen ihrer Suchmaschine in den Mitgliedstaaten entsprachen. Die Google Inc. erhob beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses vom 10. März 2016. Sie ist der Auffassung, das Auslistungsrecht setze nicht zwangsläufig voraus, dass die streitigen Links ohne geografische Beschränkung auf sämtlichen Domains ihrer Suchmaschine entfernt würden.

Der Conseil d’État hat dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit denen er wissen will, ob die Vorschriften des Unionsrechts über den Schutz personenbezogener Daten dahin auszulegen sind, dass der Betreiber einer Suchmaschine, wenn er einem Auslistungsantrag stattgibt, die Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine, nur in allen
mitgliedstaatlichen Versionen oder nur in der Version für den Mitgliedstaat, in dem der Auslistungsantrag gestellt wurde, vorzunehmen hat.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass er bereits entschieden hat, dass der Suchmaschinenbetreiber dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Websites mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Websites nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht
werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Websites als solche rechtmäßig ist.

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass die Niederlassung, die die Google Inc. im französischen Hoheitsgebiet besitzt, Tätigkeiten ausübt, insbesondere gewerbliche und Werbetätigkeiten, die untrennbar mit der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Betrieb der betreffendenSuchmaschine verbunden sind, und dass die Suchmaschine vor allem unter Berücksichtigung der Verbindungen zwischen ihren verschiedenen nationalen Versionen im Rahmen der Tätigkeiten der französischen Niederlassung der Google Inc. eine einheitliche Verarbeitung personenbezogener Daten ausführt. Eine solche Situation fällt somit in den Anwendungsbereich der Unionsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten.

In einer globalisierten Welt kann der Zugriff von Internetnutzern, insbesondere derjenigen, die sich außerhalb der Union befinden, auf die Listung eines Links, der zu Informationen über eine Person führt, deren Interessenschwerpunkt in der Union liegt, auch innerhalb der Union unmittelbare und erhebliche Auswirkungen auf diese Person haben, so dass mit einer weltweiten Auslistung das Schutzziel des Unionsrechts vollständig erreicht werden könnte. Zahlreiche Drittstaaten kennen jedoch kein Auslistungsrecht oder verfolgen bei diesem Recht einen anderen Ansatz. Auch ist das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht, sondern muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Zudem kann die Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten einerseits und der Informationsfreiheit der Internetnutzer andererseits weltweit sehr unterschiedlich ausfallen.

Aus den Vorschriften ergibt sich jedoch nicht, dass der Unionsgesetzgeber eine solche Abwägung in Bezug auf die Reichweite einer Auslistung über die Union hinaus durchgeführt hätte oder dass er entschieden hätte, den in diesen Bestimmungen verankerten Rechten des Einzelnen eine Reichweite zu verleihen, die über das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten hinausgeht. Es ergibt sich daraus auch nicht, dass er einem Wirtschaftsteilnehmer wie der Google Inc. eine Pflicht zur Auslistung hätte auferlegen wollen, die auch für die nicht mitgliedstaatlichen nationalen Versionen seiner Suchmaschine gilt. Das Unionsrecht sieht zudem keine Instrumente und Kooperationsmechanismen im Hinblick auf die Reichweite einer Auslistung über die Union hinaus vor.

Der Gerichtshof schließt daraus, dass nach derzeitigem Stand ein Suchmaschinenbetreiber, der einem Auslistungsantrag der betroffenen Person – gegebenenfalls auf Anordnung einer Aufsichts- oder Justizbehörde eines Mitgliedstaats – stattgibt, nicht aus dem Unionsrecht verpflichtet ist, eine solche Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen.

Das Unionsrecht verpflichtet den Suchmaschinenbetreiber jedoch, eine solche Auslistung in allen mitgliedstaatlichen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen und hinreichend wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um einen wirkungsvollen Schutz der Grundrechte der betroffenen Person sicherzustellen. Eine solche Auslistung muss daher erforderlichenfalls von Maßnahmen begleitet sein, die es tatsächlich erlauben, die Internetnutzer, die von einem Mitgliedstaat aus eine Suche anhand des Namens der betroffenen Person durchführen, daran zu hindern oder zumindest zuverlässig davon abzuhalten, über die im Anschluss an diese Suche angezeigte Ergebnisliste mittels einer Nicht-EU-Version der Suchmaschine auf die Links zuzugreifen, die Gegenstand des Auslistungsantrags sind. Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob die von der Google Inc. getroffenen Maßnahmen diesen Anforderungen genügen.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass nach derzeitigem Stand das Unionsrecht zwar keine Auslistung in allen Versionen der Suchmaschine vorschreibt, doch verbietet es dies auch nicht. Daher bleiben die Behörden eines Mitgliedstaats befugt, anhand von nationalen Schutzstandards für die Grundrechte eine Abwägung zwischen dem Recht der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten einerseits und dem Recht auf freie Information andererseits vorzunehmen und nach erfolgter Abwägung gegebenenfalls dem Suchmaschinenbetreiber aufzugeben, eine Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




EuGH-Generalanwalt: Gerichtliche Verfügung kann von Facebook auch Identifizierung und weltweite Löschung wortgleicher und sinngleicher rechtswidriger Beiträge und Nutzerkommentare verlangen

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 04.06.2019
C-18/18
Eva Glawischnig-Piesczek / Facebook Ireland Limited


Der EuGH-Generalanwalt vertritt in seinen Schlussanträgen die Ansicht, dass eine gerichtliche Verfügung von Facebook auch die Identifizierung und weltweite Löschung wortgleicher und sinngleicher rechtswidriger Beiträge und Nutzerkommentare verlangen kann.

Der EuGH ist nicht an die Ausführungen des Generalanwalts gebunden, folgt diesem aber häufig.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Ansicht von Generalanwalt Szpunar kann Facebook gezwungen werden, sämtliche Kommentare, die mit einem ehrverletzenden Kommentar, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt wurde, wortgleich sind, sowie damit sinngleiche Kommentare, sofern sie von demselben Nutzer herrühren, zu eruieren und zu identifizieren

Im vorliegenden Fall regle das geltend gemachte Unionsrecht nicht die Frage, ob Facebook gezwungen werden kann, die fraglichen Kommentare weltweit zu löschen.

Frau Eva Glawischnig-Piesczek, die Abgeordnete im Österreichischen Nationalrat, Klubobfrau der
Grünen im Parlament und Bundessprecherin dieser Partei war, beantragte vor den österreichischen Gerichten den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Facebook, um der Veröffentlichung eines ehrverletzenden Kommentars ein Ende zu setzen.

Dem ging voraus, dass ein Facebook-Nutzer auf seiner Profilseite einen Artikel des österreichischen Online-Nachrichtenmagazins oe24.at mit dem Titel „Grüne: Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben“ gepostet hatte. Durch dieses Posting wurde auf Facebook eine „Thumbnail Vorschau“ von der Website oe24.at generiert, die den Titel und eine kurze Zusammenfassung des Artikels sowie ein Foto von Frau Glawischnig-Piesczek enthielt. Der Nutzer postete außerdem einen Frau Glawischnig-Piesczek herabwürdigenden Kommentar zu diesem Artikel. Diese Inhalte konnten von jedem Facebook-Nutzer abgerufen werden.

Als Facebook auf die Aufforderung von Frau Glawischnig-Piesczek, den Kommentar zu löschen, nicht reagierte, beantragte diese, Facebook aufzugeben, die Veröffentlichung und/oder Verbreitung von sie zeigenden Fotos zu unterlassen, wenn im Begleittext mit dem fraglichen Kommentar wortgleiche und/oder „sinngleiche“ Behauptungen verbreitet würden.

Da die beantragte einstweilige Verfügung vom erstinstanzlichen Gericht erlassen wurde, sperrte Facebook in Österreich den Zugang zu dem ursprünglich geposteten Beitrag.

Der schließlich mit der Sache befasste Oberste Gerichtshof (Österreich) ist der Ansicht, dass die
fraglichen Äußerungen darauf abzielten, Frau Glawischnig-Piesczek in ihrer Ehre zu beleidigen,
sie zu beschimpfen und zu diffamieren.

Da er darüber zu befinden hat, ob die Unterlassungsverfügung auch und weltweit auf Facebook nicht zur Kenntnis gelangte wort- und/oder sinngleiche Äußerungen ausgedehnt werden kann, hat
er den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr in
diesem Zusammenhang ersucht.

Nach dieser Richtlinie ist ein Host-Provider (und damit der Betreiber einer Social-Media-Plattform wie Facebook) grundsätzlich nicht für die Informationen verantwortlich, die von Dritten auf seine Server eingestellt werden, wenn er keine Kenntnis von ihrer Rechtswidrigkeit hat. Hat er jedoch erst einmal Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Informationen erlangt, muss er sie löschen oder den Zugang zu ihnen sperren. Außerdem kann einem Host-Provider nach der Richtlinie keine allgemeine Verpflichtung auferlegt werden, die von ihm gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit
hinweisen.

In seinen Schlussanträgen von heute vertritt Generalanwalt Maciej Szpunar die Ansicht, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr nicht daran hindere, dass einem Host-Provider, der eine Social-Media-Plattform wie Facebook betreibe, im Wege einer gerichtlichen Verfügung aufgegeben werde, dass er sämtliche von den Nutzern dieser Plattform geposteten Informationen durchsuche und darunter diejenigen identifiziere, die mit der Information wortgleich seien, die von dem Gericht, das die Verfügung erlassen habe, als rechtswidrig eingestuft worden sei.

Mit diesem Ansatz könne ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den betroffenen Grundrechten – Schutz des Privatlebens und der Persönlichkeitsrechte, Schutz der unternehmerischen Freiheit sowie Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit – hergestellt werden. Zum einen bedürfe es dafür keiner hochentwickelten technischen Hilfsmittel, die eine außergewöhnliche Belastung darstellen könnten. Zum anderen erweise sich diese Herangehensweise, da Informationen im Bereich des Internets leicht reproduziert werden könnten, als notwendig, um einen wirksamen Schutz des Privatlebens und der Persönlichkeitsrechte sicherzustellen.

Der Host-Provider dürfe mit der gerichtlichen Verfügung auch gezwungen werden, Informationen zu eruieren und zu identifizieren, die mit der als rechtswidrig eingestuften Information sinngleich seien, wobei er allerdings nur die Informationen zu durchsuchen brauche, die von dem Nutzer gepostet worden seien, der auch die rechtswidrige Information gepostet habe. Ein Gericht, das über die Entfernung derartiger sinngleicher Informationen entscheide, habe zu gewährleisten, dass die Wirkungen seiner Verfügung klar, konkret und vorhersehbar seien. Dabei müsse es die beteiligten Grundrechte abwägen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen.

Durch eine Pflicht, von allen Nutzern gepostete sinngleiche Informationen zu identifizieren, würde kein ausgewogenes Verhältnis zwischen den betroffenen Grundrechten hergestellt. Zum einen erfordere es kostspielige Lösungen, um derartige Informationen aufzuspüren und zu identifizieren.

Zum anderen würde der Einsatz dieser Lösungen zu einer Zensur führen, so dass die Meinungsund Informationsfreiheit systematisch beschränkt werden könnte.

Außerdem hindert die Richtlinie nach Ansicht des Generalanwalts, da sie die räumliche Reichweite einer Pflicht zur Entfernung von über eine Social-Media-Plattform verbreiteten Informationen nicht regle, nicht daran, von einem Host-Provider die weltweite Entfernung solcher Informationen zu verlangen. Im Übrigen sei die räumliche Reichweite auch sonst nicht unionsrechtlich geregelt, da sich Frau Glawischnig-Piesczek im vorliegenden Fall nicht auf das Unionsrecht berufe, sondern auf die allgemeinen Bestimmungen des österreichischen Zivilrechts über Verletzungen der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Ehrverletzung, in deren Bereich es keine Harmonisierung gebe. Sowohl die Frage nach den extraterritorialen Wirkungen einer gerichtlichen Verfügung, mit der eine Löschungspflicht auferlegt werde, als auch die Frage nach der räumlichen Reichweite einer solchen Pflicht sollten am Maßstab insbesondere des Völkerrechts und des Internationalen Privatrechts geprüft werden.

Ferner hindere die Richtlinie nicht daran, einem Host-Provider die Entfernung von Informationen aufzugeben, die mit der als rechtswidrig eingestuften Information sinngleich seien, wenn der Hinweis darauf von dem Betroffenen, von einem Dritten oder aus anderer Quelle stamme, da in einem solchen Fall die Entfernungspflicht keine allgemeine Überwachung der gespeicherten Informationen impliziere.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier: