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EuGH: EU-Geldwäscherichtlinie wegen Verstoßes gegen Art. 7 und Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta teilweise unwirksam - Zugang zu Geldwäscheregister

EuGH
Urteil vom 22.11.2022
in den verbunden Rechtssachen
C-37/20 und C-601/20
WM (C‑37/20), Sovim SA (C‑601/20) gegen Luxemburg Business Registers


Der EuGH hat entschieden, dass die EU-Geldwäscherichtlinie wegen eines Verstoßes gegen Art. 7 und Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta teilweise unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Geldwäscherichtlinie: Die Bestimmung, dass die Angaben über die wirtschaftlichen Eigentümer von im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingetragenen Gesellschaften in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen, ist ungültig

Der mit dieser Maßnahme verbundene Eingriff in die durch die Charta gewährleisteten Rechte ist weder auf das absolut Erforderliche beschränkt noch steht er in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel Gemäß der Geldwäscherichtlinie wurde durch ein im Jahr 2019 erlassenes luxemburgischen Gesetz ein Registre des bénéficiaires effectifs (Register der wirtschaftlichen Eigentümer) geschaffen. Dieses Gesetz sieht vor, dass eine Reihe von Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der eingetragenen Einrichtungen in dieses Register aufgenommen und gespeichert werden. Zu einem Teil dieser Informationen hat die breite Öffentlichkeit Zugang, u. a. über das Internet. Ferner hat ein wirtschaftlicher Eigentümer nach diesem Gesetz die Möglichkeit, bei Luxembourg Business Registers (LBR), dem Verwalter des Registers, zu beantragen, den Zugang zu solchen Informationen in bestimmten Fällen zu beschränken.

In diesem Zusammenhang wurden beim Bezirksgericht Luxemburg Klagen von einer luxemburgischen Gesellschaft und dem wirtschaftlichen Eigentümer einer solchen Gesellschaft eingereicht, die erfolglos bei LBR beantragt hatten, den Zugang der breiten Öffentlichkeit zu den sie betreffenden Informationen zu beschränken. Dieses Gericht vertrat die Ansicht, dass die Verbreitung solcher Informationen ein unverhältnismäßiges Risiko einer Beeinträchtigung der Grundrechte der betroffenen wirtschaftlichen Eigentümer mit sich bringen könne, und stellte daher dem Gerichtshof eine Reihe von Vorlagefragen nach der Auslegung gewisser Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie und zu deren Gültigkeit im Licht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof (Große Kammer) die im Licht der Charta bestehende Ungültigkeit derjenigen Bestimmung der Geldwäscherichtlinie fest, nach der die Mitgliedstaaten in allen Fällen den Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen sicherzustellen haben. Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten dar, die in den Art. 7 bzw. 8 der Charta verankert sind. Die verbreiteten Angaben ermöglichen es nämlich einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen, sich über die materielle und finanzielle Situation eines wirtschaftlichen Eigentümers Kenntnis zu verschaffen. Außerdem werden die möglichen Folgen einer etwaigen missbräuchlichen Verwendung ihrer personenbezogenen Daten für die betroffenen Personen dadurch verschärft, dass diese Daten, sobald sie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden sind, nicht nur frei abgerufen, sondern auch auf Vorrat gespeichert und verbreitet werden können.

Allerdings möchte der Unionsgesetzgeber mit der fraglichen Maßnahme Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern, indem er mittels erhöhter Transparenz ein Umfeld schafft, das weniger leicht für diese Zwecke genutzt werden kann. Nach Auffassung des Gerichtshofs verfolgt der Gesetzgeber somit eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung, die selbst schwerwiegende Eingriffe in die in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte zu rechtfertigen vermag; auch ist der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer zur Verwirklichung dieser Zielsetzung geeignet.

Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass der Eingriff, den diese Maßnahme mit sich bringt, weder auf das absolut Erforderliche beschränkt ist noch in einem angemessenen Verhältnis zur verfolgten Zielsetzung steht. Neben der Tatsache, dass die fraglichen Bestimmungen die öffentliche Zugänglichmachung von Daten gestatten, die weder hinreichend bestimmt noch identifizierbar sind, stellt die mit der Geldwäscherichtlinie eingeführte Regelung einen erheblich schwereren Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der Charta verbürgten Grundrechte dar als die Vorgängerregelung (die neben dem Zugang der zuständigen Behörden und bestimmter Einrichtungen den Zugang aller Personen oder Organisationen vorsah, die ein berechtigtes Interesse nachweisen konnten), ohne dass diese zusätzliche Schwere durch etwaige Vorteile kompensiert würde, die sich aus der neuen Regelung im Vergleich zur früheren hinsichtlich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ergeben könnten.

Insbesondere das von der Kommission geltend gemachte etwaige Vorliegen von Schwierigkeiten bei der genauen Bestimmung der Fälle und Bedingungen, in bzw. unter denen ein solch berechtigtes Interesse besteht, kann nicht rechtfertigen, dass der Unionsgesetzgeber den Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den fraglichen Informationen vorsieht. Zudem hält der Gerichtshof die fakultativen Bestimmungen, die es den Mitgliedstaaten erlauben, die Bereitstellung der Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von einer Online-Registrierung abhängig zu machen und für außergewöhnliche Umstände Ausnahmen vom Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu diesen Informationen vorzusehen, als solche für weder geeignet, zu belegen, dass eine ausgewogene Gewichtung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und der in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte vorgenommen wurde, noch, dass hinreichende Garantien bestehen, die es den betroffenen Personen ermöglichen, ihre personenbezogenen Daten wirksam gegen Missbrauchsrisiken zu schützen.


Tenor der Entscheidung:
Art. 1 Nr. 15 Buchst. c der Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU ist ungültig, soweit durch diese Bestimmung Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission dahin geändert wurde, dass dieser Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2015/849 in seiner so geänderten Fassung vorsieht, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Zur internationalen und örtlichen Zuständigkeit bei unberechtigter Sperrung eines deutschen Amazon Marketplace-Händlers durch Amazon mit Sitz in Luxemburg

LG München
Urteil vom 03.09.2021
37 O 9343/21


Das LG München hat sich mit der internationalen und örtlichen Zuständigkeit bei unberechtigter Sperrung eines deutschen Amazon Marketplace-Händlers durch Amazon mit Sitz in Luxemburg befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Das Landgericht München I ist für die geltend gemachten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zwar international, nicht aber örtlich zuständig. Für den vertraglichen Erfüllungsanspruch fehlt es bereits an einer internationalen Zuständigkeit.

1. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I für die geltend gemachten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche beurteilt sich vorliegend nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel-Ia-VO).

Die Verfügungsklägerin beruft sich unter anderem darauf, dass die Verfügungsbeklagte mit der Deaktivierung des Verkäuferkontos ihre marktbeherrschende Stellung i.S.d. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 3 S. 1 GWB missbraucht hat bzw. als Mitbewerberin die Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr behindert hat i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG. Damit macht sie auf eine unerlaubte Handlung i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO gestützte Ansprüche geltend.

a) Die Brüssel-Ia-VO ist auf das vorliegende Verfahren anwendbar, da es sich um eine Zivilsache handelt und die Verfügungsbeklagte ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU, nämlich in Luxemburg, hat (vgl. Art. 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO).

b) Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten schließt das Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien die Beurteilung des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO nicht aus. Entscheidend für die Abgrenzung des besonderen Gerichtsstands des Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO von dem besonderen Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO ist vielmehr, ob ein gesetzlicher Anspruch geltend gemacht wird, der unabhängig von einem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mit der Klage beanstandeten Handlung des Anspruchsgegners nicht vom Inhalt der beiderseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten abhängt, sondern hiervon unabhängig nach Deliktsrecht zu beurteilen ist (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C- 59/19, Rn. 32f. - Wikingerhof; BGH, Urteil vom 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 11, juris).

c) So verhält es sich im vorliegenden Fall. Für die Kartellrechtswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens kommt es allein darauf an, ob der Verfügungsbeklagten eine marktbeherrschende Stellung zukommt und sie diese missbräuchlich ausgenutzt hat. Auf den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen ASE-Vertrags oder der sonstigen dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden Bestimmungen kommt es dagegen nicht an. Es ist deshalb im Sinne der Abgrenzungsformel des EuGH (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C-59/19, Rn. 32 - Wikingerhof) zur Beurteilung der Begründetheit der Klage nicht unerlässlich, den Vertrag zwischen den Parteien auszulegen.

Zwar erfordert die nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB stets gebotene Interessenabwägung im Einzelfall bei einer Vertragsbeziehung der Parteien auch eine Betrachtung der vertragstypischen Rechte und Pflichten und der zwischen den Parteien getroffenen Regelungen. Für die Qualifikation des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch ist dies jedoch ohne Belang, zumal dabei Interessen nicht berücksichtigt werden dürfen, deren Durchsetzung insbesondere nach den kartellrechtlichen Wertungen rechtlich missbilligt werden (BGH, Urt. v. 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 13, juris).

d) Soweit die Verfügungsbeklagte unter Berufung auf Urteile der Landgerichte Düsseldorf und Wiesbaden die Unanwendbarkeit von Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO damit begründet, dass die geltend gemachten deliktsrechtlichen Ansprüche in untrennbarem Zusammenhang mit der vertraglichen Vereinbarung der Parteien stehen (LG Wiesbaden, Urt. v. 11.02.2020 - 2 O 130/20 - Anlage HM 23, S.6), bzw. der Vertrag nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Anspruch entfiele (LG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2020 - 12 O 285/19, Anlage HM 24 S. 9) kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar knüpft der hier geltend gemachte Anspruch insofern an das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien an, als die Verfügungsklägerin ohne den Abschluss des ASE-Vertrages nicht über die Plattform der Verfügungsbeklagten hätte verkaufen können und es somit auch nicht zu einer Deaktivierung ihres Verkäuferkontos hätte kommen können. Dies dürfte jedoch bereits mit der vom EuGH in seiner früheren Rechtsprechung noch angeführten Anknüpfung an ein Vertragsverhältnis (EuGH Urt. v. 13.03.2014 - C-548/12, Rn. 27 - Brogsitter zur Vorgängernorm Art. 5 Nr. 3 VO (EG) 44/2001 (Brüssel-I-VO)) nicht gemeint gewesen sein. Maßgeblich ist vielmehr, wie der EuGH nunmehr - den beiden angeführten Urteilen des LG Wiesbaden und LG Düsseldorf zeitlich nachgelagert - klargestellt hat (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C-59/19, Rn. 32 - Wikingerhof) und wie oben bereits ausgeführt wurde, dass sich die Verfügungsklägerin in ihrer Antragsschrift auf einen Verstoß gegen das deutsche Wettbewerbsrecht beruft, das den Missbrauch einer beherrschenden Stellung unabhängig von einem Vertrag oder einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung allgemein verbietet. Der kartellrechtliche Missbrauchsanspruch kann sich aus dem Gesetz unabhängig davon ergeben, ob die Verfügungsbeklagte sich mit der Deaktivierung im Rahmen ihrer vertraglichen Befugnisse gehalten hat. Eine Auslegung des Vertrages ist für die Beurteilung dieses Anspruchs daher nicht unerlässlich.

e) Auch bei den von der Verfügungsklägerin geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO, da es sich hierbei um quasi-deliktische Ansprüche im Sinne dieser Norm handelt (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Artikel 7 (Artikel 5 LugÜ) EuGVVO, Rn. 54). Für die Einordnung der beanstandeten Verhaltensweisen als unlauter, kommt es auf eine Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragswerks nicht an. Die Frage, ob die Parteien Mitbewerber sind und die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr unbillig behindert hat, bemisst sich allein nach den Vorschriften des anwendbaren Lauterkeitsrechts. Dabei ist es unschädlich, dass die aufgrund der Vertragsbeziehung gegebene Interessenlage gegebenenfalls bei der Beurteilung einer etwaigen Unbilligkeit in die Abwägung einzubeziehen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 13, juris).

f) Die durch Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründete Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht durch eine zwischen den Parteien geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 25 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO ausgeschlossen. Zwar haben die Parteien in Ziff. 17 des ASE-Vertrages eine Zuständigkeit der Gerichte von Luxemburg Stadt, Luxemburg, vereinbart. Diese steht der Annahme der Zuständigkeit deutscher Gerichte jedoch nicht entgegen, da sie bereits nach ihrem Wortlaut keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet.

2. Soweit die Verfügungsklägerin ihr Unterlassungsbegehren dagegen auf einen vertraglichen Anspruch aus dem ASE-Vertrag stützt, besteht hierfür keine internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I. Für vertragliche Ansprüche ist gem. Art. 7 Nr. 1 a) Brüssel-Ia-VO das Gericht an dem Ort zuständig, an dem die vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Bei Dienstleistungen ist dies der Ort, an dem die Dienstleistung erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen, Art. 7 Nr. 1 b) Brüssel-IA-VO. Wo im Einzelfall der mit der Dienstleistung bezweckte Erfolg eintritt, ist grundsätzlich unbeachtlich (Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 124). Da die Verfügungsbeklagte ihre Dienstleistungen nach dem Parteivorbringen von ihrem Sitz in Luxemburg aus erbringt, sind die dortigen Gerichte für vertragliche Ansprüche zuständig.

Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründet im Falle einer Anspruchskonkurrenz auch keine Annexzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs auch für die vertraglichen Ansprüche (EuGH, Urt. v. 27.09.1988 - C 189/87, Rn. 19 f.; BGH, Beschluss vom 10.12.2002 - X ARZ 208/02, Rn. 19, juris; OLG Bamberg, Urt. v. 24.04.2013 - 3 U 198/12, Rn. 64, juris; aA Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Artikel 7 (Artikel 5 LugÜ) Brüssel-Ia-VO, Rn. 106 m.w.N.).

Die besonderen Zuständigkeiten der Art. 7,8 Brüssel-Ia-VO sind als Ausnahmen zur Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates des Beklagten (Art. 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO) einschränkend auszulegen. Die Gerichte des nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO international zuständigen Mitgliedstaates sind daher nicht auch dafür zuständig, über die Klage unter anderen, nichtdeliktischen Gesichtspunkten entscheiden. Zwar kann dies dazu führen, dass einzelne Aspekte eines Rechtsstreits von verschiedenen Gerichten entschieden werden, doch hat der Kläger stets die Möglichkeit, seine Klage unter sämtlichen Gesichtspunkten vor das Gericht des Wohnsitzes des Beklagten zu bringen (EuGH, Urt. v. 27.09.1988 - C 189/87, Rn. 19 f.).

3. Dem Landgericht München I fehlt, soweit es vorliegend international zuständig ist, jedoch die örtliche Zuständigkeit.

a) Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO regelt neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit. Ein Deliktsgerichtsstand ist dabei sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort gegeben (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 38 - CDC Hydrogene Peroxide; BGH, Urt. v. 06.11.2007 - VI ZR 34/07, Rn. 17). Dabei ist der Handlungsort der Ort des ursächlichen Geschehens, der hier angesichts des Sitzes der handelnden Verfügungsbeklagten in Luxemburg liegt. Der Erfolgsort ist der Ort, an dem sich der behauptete Schaden konkret zeigt.

b) Der Erfolgsort liegt hier - worauf die Kammer in der Verhandlung mündlich hingewiesen hat - jedenfalls in Mannheim als Sitz der Verfügungsklägerin, weil diese hier durch die Sperrung ihres Verkäuferkontos in ihrem Geschäftsbetrieb unmittelbar getroffen wird (vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 52 - CDC Hydrogene Peroxide). Ein Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO ist dagegen nicht in München gegeben.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO auch in München gegeben ist, ist zu berücksichtigen, dass Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO als Ausnahmeregelung autonom und eng auszulegen ist (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C- 352/13, Rn. 37 CDC Hydrogene Peroxide). Zudem beruht die Zuständigkeitsregel nach ständiger Rechtsprechung des EuGH darauf, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt. Bei unerlaubten Handlungen oder ihnen gleichgestellten Handlungen ist nämlich das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage, den Rechtsstreit zu entscheiden. Die Ermittlung eines der Anknüpfungspunkte, die nach dieser Rechtsprechung anerkannt sind, muss es somit erlauben, die Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, das objektiv am besten beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten vorliegen, so dass nur das Gericht zulässigerweise angerufen werden kann, in dessen Zuständigkeitsbereich der relevante Anknüpfungspunkt liegt (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 39-41 - CDC Hydrogene Peroxide).

c) Zwar können konkrete Auswirkungen des Verhaltens der Verfügungsbeklagten auch in München auftreten. Die Verkaufsplattform der Verfügungsbeklagten AHZOn.deMarketplace richtet sich in erster Linie an Kunden auf dem deutschen Markt. Daher kann der Ausschluss von einzelnen Verkäufern, gleich welchen Sitzlandes, den Wettbewerb auf dem gesamten deutschen Endkundenmarkt, mithin auch in München, beeinträchtigen (vgl. LG München I, Urt. v. 12.05.2021 - 37 O 32/21, Rn. 55, juris).

Der Zweck des Deliktsgerichtsstands ist es nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH jedoch, eine möglichst enge Verbindung von Gericht und Streitgegenstand herzustellen. Die Maxime des EuGH, dass das „am besten“ zur Entscheidung geeignete Gericht zur Entscheidung berufen ist, sowie der Ausnahmecharakter des Art. 7 Brüssel-Ia-VO sprechen dafür, dass trotz der durch den Verstoß möglichen Auswirkungen auf den gesamten deutschen Markt nicht alle deutschen Gerichte für den Rechtsstreit zuständig sein sollen. Zwar ist es fraglich, welche tatsächlichen Vorteile eine Verhandlung am Sitz der Verfügungsklägerin gegenüber anderen deutschen Gerichten bietet, zumal es vorliegend nicht um die Ermittlung eines bei der Verfügungsklägerin eingetretenen Schadens, sondern um die Entscheidung über einen Unterlassungsanspruch geht. Hiervon kann jedoch nicht in jedem Einzelfall die Zuständigkeit abhängen, da dies dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit zuwiderliefe, die der gesamten Zuständigkeitsordnung der Brüssel-Ia-VO inhärent ist (vgl. Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 138).

Eine Abweichung von der Zuständigkeit am Ort des Geschäftssitzes kommt insbesondere in Betracht, wenn die Verfügungsklägerin außerhalb der EU ansässig ist und daher innerhalb des international zuständigen Mitgliedsstaates keine besonders enge Verbindung zu einem bestimmten Gerichtsort besteht (vgl. LG München I, Urt. v. 12.05.2021 - 37 O 32/21, Rn. 55, juris). Vorliegend ist dagegen eine örtliche Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO lediglich in Mannheim begründet, da die Verfügungsklägerin ihren Sitz in Deutschland hat. Auch weist die Streitigkeit vorliegend nach dem Parteivorbringen keinen sonstigen Bezug zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landgerichts München I auf.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuG: Beschluss der EU-Kommission zur Besteuerung der europäischen Tochtergesellschaft des Amazon-Konzerns in Luxemburg nichtig

EuG
Urteil vom 14.05.2021
T-816/17 Luxemburg / Kommission
T-318/18 Amazon EU Sàrl und Amazon.com, Inc. / Kommission


Das EuG hat entschieden, dass der Beschluss der EU-Kommission zur Besteuerung der europäischen Tochtergesellschaft des Amazon-Konzerns in Luxemburg nichtig ist.

Die Pressemitteilung des EuG:

Kein selektiver Vorteil einer luxemburgischen Tochtergesellschaft des Amazon-Konzerns: Das Gericht erklärt den Beschluss der Kommission, mit dem die Beihilfe für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde, für nichtig

Nach Auffassung des Gerichts hat die Kommission rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass die Steuerlast einer europäischen Tochtergesellschaft des Amazon-Konzerns zu Unrecht verringert worden wäre.

Ab 2006 wickelte der Amazon-Konzern seine Geschäftstätigkeiten in Europa über zwei in Luxemburg ansässige Gesellschaften ab, nämlich die Amazon Europe Holding Technologies SCS (im Folgenden: LuxSCS), eine luxemburgische einfache Kommanditgesellschaft, deren Gesellschafter amerikanische Einheiten des Amazon-Konzerns waren, und die Amazon EU Sàrl (im Folgenden: LuxOpCo), eine 100%ige Tochtergesellschaft von LuxSCS.

Von 2006 bis 2014 war LuxSCS Inhaberin der für die Tätigkeiten des Amazon-Konzerns in Europa erforderlich immateriellen Vermögensgegenstände. Hierzu hätte LuxSCS mit amerikanischen Einheiten des Amazon-Konzerns verschiedene Verträge geschlossen, nämlich Verträge über die Erteilung von Lizenzen und die Übertragung bestehender Rechte des geistigen Eigentums mit der Amazon Technologies, Inc. (ATI) (im Folgenden: Eintrittsverträge) und einen Vertrag über die Aufteilung der durch das Programm der Entwicklung der immateriellen Vermögensgegenstände entstehenden Kosten (im Folgenden: Vertrag über die Aufteilung der Kosten) mit ATI und einer zweiten Einheit, der A.9.com, Inc. Mit diesen Verträgen erhielt LuxSCS das Recht, bestimmte Rechte des geistigen Eigentums, die im Wesentlichen die Technologie, die Kundendaten und die
Marken betrafen, zu nutzen, und Unterlizenzen über die genannten immateriellen Vermögensgegenstände zu erteilen. Hierzu schloss LuxSCS u. a. einen Lizenzvertrag mit LuxOpCo, der Gesellschaft, die hauptsächlich für die das operative Geschäft des Amazon-Konzern in Europa verantwortlich war. Mit diesem Vertrag verpflichtete sich LuxOpCo, LuxSCS als Gegenleistung für die Nutzung der immateriellen Vermögensgegenstände eine Gebühr zu zahlen.

Am 6. November 2003 erteilten die luxemburgischen Steuerbehörden dem Amazon-Konzern auf Antrag einen Steuervorbescheid (tax ruling, im Folgenden: Vorbescheid). Mit seinem Antrag hatte der Amazon-Konzern die Bestätigung der Behandlung von LuxOpCo und LuxSCS im Hinblick auf die luxemburgische Gesellschaftssteuer begehrt. Was speziell die Ermittlung des zu versteuernden Jahreseinkommens von LuxOpCo anging, hatte der Amazon-Konzern vorgeschlagen, den sog. Fremdvergleichspreis der Gebühren, die LuxOpCo an LuxSCS zu zahlen hatte, nach der Nettomargenmethode (transactional net margin method, im Folgenden: TNMM) mit LuxOpCo als „tested party“ (zu prüfendes Unternehmen) zu bestimmen.

Mit dem Vorbescheid wurde zum einen bestätigt, das LuxSCS aufgrund ihrer Gesellschaftsform nicht der luxemburgischen Gesellschaftssteuer unterliege, und zum anderen die Methode der Ermittlung der Gebühren, die LuxOpCo nach dem genannten Lizenzvertrag an LuxSCS zu zahlen hatte, gebilligt.

2017 stellte die Europäische Kommission fest, dass der Vorbescheid, soweit mit ihm gebilligt worden sei, dass die Methode der Ermittlung der von LuxOpCo an LuxSCS zu zahlenden Gebühren dem Fremdvergleichsgrundsatz genüge, sowie seine jährliche Durchführung von 2006 bis 2014 eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellten, und zwar eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Betriebsbeihilfe.1 Dass LuxOpCo einen Vorteil erlangt habe, begründete die Kommission damit, dass die Gebühren, die LuxOpCo im relevanten Zeitraum an LuxSCS zu zahlen gehabt hätte, nach der mit dem Vorbescheid gebilligten Berechnungsmethode zu hoch angesetzt worden seien, so dass die Einkünfte von LuxOpCo und damit die Steuerbemessungsgrundlage künstlich verringert worden seien. Der Beschluss der Kommission beruht insoweit auf einer Hauptfeststellung und drei ergänzenden Feststellungen. Die Hauptfeststellung bezog sich auf eine fehlerhafte Auswahl der „tested party“ bei der Anwendung der TNMM. Die drei ergänzenden Feststellungen bezogen sich auf die fehlerhafte Entscheidung für die TNMM als solche, auf der fehlerhaften Entscheidung für den Gewinnindikator als maßgebliche Größe für die Anwendung der TNMM und auf die fehlerhafte Anwendung eines Mechanismus der Obergrenze im Rahmen der TNMM. Die Kommission stellte ferner fest, dass der Vorbescheid von Luxemburg durchgeführt worden sei, ohne bei ihr vorher angemeldet worden zu sein. Sie ordnete deshalb an, dass die rechtswidrige, nicht mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe von LuxOpCo zurückzufordern sei.

Luxemburg und der Amazon-Konzern haben gegen den Beschluss der Kommission jeweils eine Klage erhoben. Sie haben sich beide vor allem gegen die Feststellungen der Kommission zum Vorliegen eines Vorteils gewandt.

Mit dem Urteil, das heute ergeht, gibt das Gericht der Europäischen Union den sowohl gegen die Hauptfeststellung als auch gegen die ergänzenden Feststellungen der Kommission zum Vorliegen eines Vorteils gerichteten Klagegründen und Argumenten der Kläger statt und erklärt den angefochtenen Beschluss daher in vollem Umfang für nichtig.

Ausgehend von den Grundsätzen, die bisher zur Anwendung der Tatbestandsmerkmale des Begriffs der staatlichen Beihilfe im Zusammenhang mit Steuervorbescheiden entwickelt wurden, erfolgen durch das Gericht wesentliche Klarstellungen zur Beweislast der Kommission beim Nachweis des Vorliegens eines Vorteils, in Fällen, in denen das zu versteuernde Einkommen einer Gesellschaft, die zu einem Konzern gehört, durch die Wahl einer Methode der Ermittlung der Verrechnungspreise bestimmt wird.

Würdigung durch das Gericht
Das Gericht weist zunächst auf die ständige Rechtsprechung hin, wonach bei der Überprüfung steuerlicher Maßnahmen nach Maßgabe der Rechtsvorschriften der Union im Bereich der staatlichen Beihilfen das tatsächliche Vorliegen eines Vorteils nur in Bezug auf eine so genannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden kann, so dass, um zu bestimmen, ob ein steuerlicher
Vorteil besteht, die Situation des Begünstigten, wie sie sich aus der Anwendung der in Rede stehenden Maßnahme ergibt, mit dessen Situation ohne die in Rede stehende Maßnahme, wenn die normalen Steuervorschriften angewandt werden, zu vergleichen ist.

Insoweit stellt das Gericht fest, dass bei einer Konzerngesellschaft die Preise konzerninterner Transaktionen nicht zu Marktbedingungen bestimmt werden. Wenn für Konzerngesellschaften und unabhängige Gesellschaften nach dem nationalen Recht im Hinblick auf die Körperschaftsteuer jedoch dieselben Voraussetzungen gelten, ist anzunehmen, dass dieses Recht beabsichtigt, den von einer Konzerngesellschaft erzielten Gewinn so zu besteuern, als ob er aus zu Marktpreisen getätigten Transaktionen stammte. Bei der Prüfung einer steuerlichen Maßnahme, die einer Konzerngesellschaft gewährt wurde, kann die Kommission deren Steuerlast, wie sie sich aus der Anwendung der in Rede stehenden steuerlichen Maßnahme ergibt, daher mit der sich aus der Anwendung der normalen Steuervorschriften des nationalen Rechts ergebenden Steuerlast einer Gesellschaft vergleichen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen Situation befindet und ihre Tätigkeiten zu Marktbedingungen ausübt.

Das Gericht weist ferner darauf hin, dass die Kommission bei der Prüfung der mit einem Steuervorbescheid gebilligten Methode der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einer Konzerngesellschaft nur dann feststellen kann, dass ein Vorteil vorliegt, wenn sie nachweist, dass etwaige methodischer Fehler, unter denen die Ermittlung der Verrechnungspreise ihrer
Auffassung nach leidet, dazu geführt haben, dass der Fremdvergleichspreis nicht verlässlich hat geschätzt werden können und stattdessen das zu versteuernde Einkommen der betreffenden Gesellschaft gegenüber der Steuerlast, wie sie sich aus der Anwendung der normalen Steuervorschriften ergibt, verringert wurde.

Nach diesen Grundsätzen prüft das Gericht sodann, ob die Erwägungen, auf denen die Feststellung der Kommission beruht, dass LuxOpCo mit dem Vorbescheid, indem eine Methode der Ermittlung der Verrechnungspreise gebilligt worden sei, mit der keine Fremdvergleichspreise hätten ermittelt werden können, ein Vorteil gewährt worden sei, zutreffen. Insoweit stellt das Gericht zum einen fest, dass die Hauptfeststellung zum Vorteil auf Erwägungen beruht, die in mehrerer Hinsicht fehlerhaft sind. Als Erstes stellt das Gericht fest, dass, soweit sich die Kommission bei der Feststellung, dass es sich bei LuxSCS entgegen den Feststellungen, die bei der Gewährung des Vorbescheids zugrunde gelegt worden sein, lediglich um eine passive Inhaberin der betreffenden immateriellen Vermögensgegenstände gehandelt habe, auf ihre eigene Funktionsanalyse gestützt habe, diese fehlerhaft ist. Insbesondere hat die Kommission weder die Aufgaben, die LuxSCS bei der Nutzung der betreffenden immateriellen Vermögensgegenstände wahrgenommen hat, noch die Risiken, die diese Gesellschaft insoweit eingegangen ist, gebührend berücksichtigt. Sie hat auch nicht nachgewiesen, dass es einfacher wäre, mit LuxSCS vergleichbare Unternehmen zu bestimmen als mit LuxOpCo vergleichbare, und dass mit dem Abstellen auf LuxSCS als „tested party“ verlässlichere Vergleichsdaten hätten ermittelt werden können. Das Gericht gelangt deshalb zu dem Schluss, dass die Kommission entgegen ihren Ausführungen im angefochtenen Beschluss nicht nachgewiesen hat, dass die luxemburgischen Steuerbehörden bei der Ermittlung der Höhe der Gebühren zu Unrecht LuxOpCo als „tested party“ herangezogen hätten.

Als Zweites hat das Gericht entschieden, dass die Kommission, selbst unterstellt, nach der TNMM hätte bei der Ermittlung der Gebühren nach dem Fremdvergleichsgrundsatz LuxSCS als „tested party“ herangezogen werden müssen, nicht nachgewiesen hätte, dass ein Vorteil vorliegt, da auch die Feststellung, dass sich die Vergütung von LuxSCS allein auf der Grundlage der im
Zusammenhang mit dem Eintrittsvertrag und dem Vertrag über die Aufteilung der Kosten entstandenen Kosten für die Entwicklung der immateriellen Vermögensgegenstände hätten ermitteln lassen, mit der einer späteren Steigerung des Werts der immateriellen Vermögensgegenstände in keiner Weise Rechnung getragen wird, nicht zutrifft.

Als Drittes hat das Gericht entschieden, dass die Kommission auch die Vergütung, auf die LuxSCS nach dem Fremdvergleichsgrundsatz wegen der Aufgaben im Zusammenhang mit der Erhaltung ihrer Rechte an den immateriellen Vermögensgegenständen Anspruch hatte, nicht richtig bewertet hat. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss können solche Aufgaben nämlich nicht mit Dienstleistungen „mit geringer Wertschöpfung“ gleichgesetzt werden. Der bei
konzerninternen Dienstleistungen mit niedriger Wertschöpfung häufige Aufschlag, auf den die Kommission abstellt, ist daher im vorliegenden Fall nicht aussagekräftig. Das Gericht kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die Kommission mit ihrer Hauptfeststellung nicht nachgewiesen hat, dass die Steuerlast von LuxOpCo durch eine zu hohe Bewertung der Gebühren künstlich verringert worden wäre. Zum anderen kommt das Gericht nach der Prüfung der drei ergänzenden Feststellungen zum
Vorteil zu dem Ergebnis, dass die Kommission auch hier nicht nachgewiesen hat, dass die festgestellten methodischen Fehler zwingend zu einem zu niedrigen Ansatz der Vergütung, die LuxOpCo unter Marktbedingungen erhalten hätte, geführt und damit in Form einer Senkung der Steuerlast einen Vorteil verschafft hätte. Das Gericht führt hierzu aus, dass die Annahme der Kommission, dass die von LuxOpCo im Zusammenhang mit den immateriellen Vermögensgegenständen ausgeübten Funktionen zum Teil über reine Funktionen der „Verwaltung“ hinausgegangen sei, zwar nicht zu beanstanden ist. Die Kommission hat die methodischen Schlussfolgerungen, die sie daraus gezogen hat, aber rechtlich nicht hinreichend begründet. Sie hat auch nicht dargetan, inwieweit die Funktionen von LuxOpCo, wie sie von ihr festgestellt worden sind, zwingend zu einer höheren Vergütung von LuxOpCo geführt hätten. Auch bei der Auswahl des geeignetsten Gewinnindikators und bei dem mit dem Vorbescheid gebilligten Mechanismus der Obergrenze für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens von LuxOpCo ist die Kommission, soweit insoweit Fehler vorliegen sollten, ihrer Verpflichtung zum Nachweis nicht nachgekommen.

Das Gericht kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die Kommission mit ihren im angefochtenen Beschluss enthaltenen Feststellungen nicht dargetan hat, dass ein Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorläge, so dass der angefochtene Beschluss in vollem Umfang für nichtig zu erklären ist.


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