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Generalanwalt beim EuGH: Providerprivileg für offenes WLAN gilt auch für Personen die als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein lokales Funknetz mit Internetzugang betreiben

Generalanwalt beim EuGH
Schlussantrag vom 16.03.2016
C‑484/14
Tobias Mc Fadden ./. Sony Music Entertainment Germany GmbH


Der Generalanwalt beim EuGH hat sich heute in diesem Verfahren in seinen Schlussantrag zur Störerhaftung bei Betrieb eines offenen WLANs geäußert. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dahingehend auszulegen ist, dass das Providerprivileg für offenes WLAN auch für Personen gilt, die lediglich als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein lokales Funknetz mit Internetzugang betreiben.

Der EuGH ist an die Vorschläge des Generalanwalts nicht gebunden, folgt diesem aber meistens.

Der Vorschlag des Generalanwalt:

1. Art. 2 Buchst. a und b sowie Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) sind dahin auszulegen, dass sie für eine Person gelten, die als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein lokales Funknetz mit Internetzugang betreibt, das der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung steht.

2. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 steht der Verurteilung eines Anbieters von Diensten der reinen Durchleitung auf einen Antrag hin entgegen, der die Feststellung der zivilrechtlichen Haftung dieses Diensteanbieters einschließt. Dieser Artikel steht daher nicht nur der Verurteilung des Anbieters solcher Dienste zur Leistung von Schadensersatz, sondern auch seiner Verurteilung zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten durch die Übermittlung von Informationen begangenen Verletzung des Urheberrechts entgegen.

3. Art. 12 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2000/31 steht dem Erlass einer mit einem Ordnungsgeld bewehrten gerichtlichen Anordnung nicht entgegen.

Ein nationales Gericht muss sich, wenn es eine solche Anordnung erlässt, vergewissern,

– dass die fraglichen Maßnahmen mit Art. 3 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vereinbar und insbesondere wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind;

– dass sie gemäß den Art. 12 Abs. 3 und 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darauf gerichtet sind, eine bestimmte Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, und keine allgemeine Überwachungspflicht implizieren und

– dass diese Bestimmungen und andere vom nationalen Recht vorgesehene Modalitäten ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den betroffenen Grundrechten wahren, insbesondere denjenigen, die in den Art. 11 und 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf der einen und in Art. 17 Abs. 2 dieser Charta auf der anderen Seite verankert sind.

4. Die Art. 12 Abs. 3 und 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31, ausgelegt nach Maßgabe der Anforderungen, die sich aus dem Schutz der einschlägigen Grundrechte ergeben, stehen grundsätzlich dem Erlass einer gerichtlichen Anordnung nicht entgegen, die es dem Adressaten freistellt, welche konkreten Maßnahmen er ergreift. Es ist jedoch Sache des mit einem Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung befassten nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass es geeignete Maßnahmen gibt, die mit den unionsrechtlichen Beschränkungen im Einklang stehen.

Die genannten Bestimmungen stehen der gerichtlichen Anordnung, die an eine Person gerichtet ist, die als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein der Öffentlichkeit zugängliches lokales Funknetz mit Internetzugang betreibt, entgegen, wenn der Adressat der Anordnung nur dadurch nachkommen kann, dass

– er den Internetanschluss stilllegt oder

– mit einem Passwortschutz versieht oder

– sämtliche über diesen Anschluss laufende Kommunikation daraufhin untersucht, ob das bestimmte urheberrechtlich geschützte Werk erneut rechtswidrig übermittelt wird.


Den Volltext des Schlussantrags finden Sie hier:

LG Wuppertal: Schwarzsurfen unter Verwendung eines fremden offenen WLAN-Netzes ist nicht strafbar

LG Wuppertal
Beschluss vom 19.10.2010
25 Qs 10 Js 1977/08-177/10
Schwarzsurfen
offenes Wlan


Das LG Wupperal hat entschieden, dass das Schwarzsurfen bei Verwendung eines offenen WLAN-Netzes nicht strafbar ist. Dies gilt nicht für verschlüsselte WLAN-Netze. Die Entscheidung bezieht sich nur auf die Strafbarkeit der unbefugten Nutzung eines offenen WLAN-Netzes. So kann das Schwarzsurfen in einem offenen WLAN-Netz zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auslösen.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

"Das vorgeworfene Einwählen in das unverschlüsselt betriebene Funknetzwerk des Zeugen J erfüllt nicht den Tatbestand des unbefugten Abhörens von Nachrichten nach §§ 89 S. 1, 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG. Jeder Computer, der sich in ein unverschlüsselt betriebenes WLAN einwählt, erhält von dem im WLAN-Router befindlichen DHCP (dynamic host configuration protocol) Server automatisch eine freie, interne (private) IP-Adresse zugeteilt. Dieser von dem Angeschuldigten ausgelöste Vorgang erfüllt nicht die Voraussetzungen eines strafbaren Abhörens von Nachrichten nach §§ 89 S. 1, 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG.

[...]

Das vorgeworfene Einwählen in das unverschlüsselt betriebene WLAN-Netz mit dem Zweck der Mitbenutzung des Internetzuganges des Zeugen J erfüllt auch nicht den Tatbestand des unbefugten Abrufens oder Verschaffens personenbezogener Daten, §§ 43 Abs. 2 Nr. 3, 44 BDSG. Demnach macht sich strafbar, wer unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemeinzugänglich sind, in der Absicht sich zu bereichern abruft. Bei dem Einwählen in ein unverschlüsselt betriebenes WLAN und der anschließend hierüber erfolgten Nutzung des Internetzuganges werden, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine personenbezogenen Daten abgerufen.

[...]

Nicht in Betracht kommt weiterhin eine Strafbarkeit wegen eines Ausspähens von Daten gemäß § 202a StGB, da die Daten, zu denen der Angeschuldigte durch das bloße Einwählen in das unverschlüsselt betriebene Netzwerk Zugang hatte, gerade nicht gegen einen unberechtigten Zugang gesondert gesichert waren.

Das vorgeworfene Einwählen in das fremde, unverschlüsselt betriebene Netzwerk begründet auch keine Strafbarkeit wegen eines Abfangens von Daten nach § 202b StGB. Hierfür fehlt es schon an dem Merkmal einer nichtöffentlichen Datenübermittlung.

[...]

Aus dem vorgeworfenen Einwählen in das Netzwerk in der Absicht, einen fremden Internetanschluss zu nutzen, ergibt sich auch keine Strafbarkeit wegen eines versuchten Computerbetruges gemäß §§ 263a, Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 2, 22 StGB. Der Angeschuldigte hat nach seiner Vorstellung von der Tat nicht unbefugt Daten verwandt. [...] Bei einem unverschlüsselt betriebenen WLAN wird dem Clienten durch den Router automatisch eine interne IP-Adresse zugewiesen. Da hierbei eine wie auch immer geartete Prüfung einer Zugangsberechtigung – anders als bei dem Betrieb eines verschlüsselten WLANs – durch den Router nicht vorgenommen wird, kommt dem mit dem Einwählen verbundenen Verwenden der erhaltenen IP-Adresse kein Täuschungswert zu (vgl. Bär MMR 2005, 434, 437). [...]

OLG Frankfurt: Inhaber eines Internetanschlusses haftet nicht bei unberechtigter Nutzung des WLAN-Netzes durch Dritte

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 1.7.2008, Aktenzeichen 11 U 52/07 entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses im Regelfall nicht als Störer für Rechtsverletzungen verantwortlich ist, die ein unberechtigter Dritter über eine WLAN-Verbindung (hier: Urheberrechtsverletzung durch Nutzung eines Filesharingprogramms) begeht (so schon OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2007 - 11 W 58/07). Vielmehr setzt eine Haftung die Verletzung von Überprüfungs- bzw. Überwachungspflichten voraus, die durch den Betrieb eines WLAN-Netzes allein nicht begründet werden. Leider wird diese Ansicht nicht von allen Gerichten geteilt. So ist etwa das LG Hamburg der Ansicht, dass der Betreiber eines offenen WLAN-Netzes oder eines Internetanschlusses eine besondere Gefahrenquelle schafft, die eine Störerhaftung bei Urheberrechtsverletzungen auslöst (LG Hamburg, Beschluss vom 25.01.2006 - 308 O 58/06). Das OLG Frankfurt hat die Revision zugelassen, so dass der BGH hoffentlich die Gelegenheit erhält, die umstrittenen Rechtsfragen zu klären.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: "OLG Frankfurt: Inhaber eines Internetanschlusses haftet nicht bei unberechtigter Nutzung des WLAN-Netzes durch Dritte" vollständig lesen