Das LG Köln hat entschieden, dass die Kündigungsmöglichkeit durch eine Schaltfläche auf einer Website nach § 312k Abs. 2 BGB auch ohne Eingabe von Kundennummer und Kundenkennwort möglich sein muss.
Aus dem Tenor: [...]
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern der Geschäftsführung, es im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern künftig zu unterlassen, auf der Webseite www.o.de die den Abschluss von entgeltlichen Telekommunikationsverträgen in Form von Dauerschuldverhältnissen auf elektronischem Wege ermöglicht, keine unmittelbar und leicht zugängliche, insbesondere nicht erst nach Einloggen mit Kundennummer und Kundenkennwort erreichbare, Bestätigungsseite, sowie Schaltfläche für die Bestätigung einer Kündigung vorzuhalten, wenn dies geschieht, wie nachfolgend abgebildet [...]
Aus den Günden: Der Anspruch auf Unterlassung ergibt sich aus § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. b) UKlaG i.V.m. § 312k Abs. 2 BGB.
Die Antragsgegnerin, die über ihre Website den Abschluss von Dauerschuldverhältnissen ermöglicht, verletzt ihre Pflicht aus § 312k Abs. 2 Satz 2 BGB, den Verbraucher nach Betätigung der Kündigungsschaltfläche unmittelbar zu einer Bestätigungsseite zu führen, die den Verbraucher auffordert und ihm ermöglicht, die in § 312k Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Angaben zu machen.
Die nach dem Gesetz abzufragenden Angaben sind ausweislich der Gesetzesbegründung zugleich als Minimalvorgabe und als Maximalvorgabe zu verstehen. Die Beschränkung der zu verlangenden Angaben soll Ausgestaltungen verhindern, bei denen der Unternehmer weitere, für den Verbraucher nicht ohne Weiteres verfügbare Daten abfragt und so eine einfache und unkomplizierte Kündigung erschwert. Zugleich soll die Abfrage dem Grundsatz der Datensparsamkeit nach der DS-GVO Rechnung tragen (BT-Drs. 19/30840, S. 15, 18; MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312k Rn. 16).
Durch die Abfrage des Kundenkennworts baut die Antragsgegnerin eine Hürde auf, die in der genannten Vorschrift nicht vorgesehen und geeignet ist, ihn von der Kündigung abzuhalten, weil ihm das Kennwort möglicherweise nicht zugänglich ist. Wenn derartige Identifizierungsmöglichkeiten angeboten werden, muss zugleich eine Möglichkeit bestehen, durch Angabe von Namen und weiteren gängigen Identifizierungsmerkmalen (Wohnanschrift, E-Mail-Adresse und dergleichen) eine Kündigung zu erklären (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312k Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall.
Der EuGH hat entschieden, dass die Überprüfung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen nicht durch nationale Verfahrensgrundsätze behindert werden darf.
Die Pressemitteilung des EuGH:
Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen: Nationale Verfahrensgrundsätze dürfen unionsrechtliche Rechte Einzelner nicht behindern
Der Effektivitätsgrundsatz verlangt eine wirksame Überprüfung der potenziellen Missbräuchlichkeit der Klauseln.
Mit seinen heutigen Urteilen entscheidet die Große Kammer des Gerichtshofs über mehrere Vorabentscheidungsersuchen spanischer, italienischer und rumänischer Gerichte, die die Auslegung der Richtlinie 91/13/EWG1 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen betreffen.
Der Gerichtshof wird dazu befragt, ob nationale Verfahrensgrundsätze wie die Rechtskraft Befugnisse insbesondere der nationalen Vollstreckungsgerichte zur Prüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln einschränken können. Es geht um die Frage, ob Grundsätze des innerstaatlichen Verfahrensrechts mit der Richtlinie 93/13 vereinbar sind, die eine solche Prüfung, einschließlich einer Prüfung von Amts wegen durch das Vollstreckungsgericht, auf der Vollstreckungsebene in Anbetracht dessen nicht gestatten, dass bereits zuvor erlassene Entscheidungen nationaler Gerichte vorliegen.
Der Gerichtshof verweist insoweit auf die Bedeutung, die dem Grundsatz der Rechtskraft sowohl im Unionsrecht als auch in den nationalen Rechtsordnungen zukommt. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollten die nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordenen Gerichtsentscheidungen nämlich nicht mehr in Frage gestellt werden können.
Allerdings erinnert der Gerichtshof auch daran, dass das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt. In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht die Richtlinie 93/13 vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen.
Anschließend verweist der Gerichtshof darauf, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, prüfen muss und dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt wird.
Die Verfahren zur Prüfung, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, sind im Prinzip nicht unionsrechtlich harmonisiert und damit Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten. Nationale Verfahrensbestimmungen müssen dem Effektivitätsgrundsatz genügen und mithin das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes erfüllen. Insoweit kann nach der Auffassung des Gerichtshofs ohne eine wirksame Überprüfung der potenziellen Missbräuchlichkeit der in dem betreffenden Vertrag enthaltenen Klauseln die Einhaltung der durch die Richtlinie 93/13 verliehenen Rechte nicht garantiert werden.
Auf der Grundlage dieser Erwägungen erlässt der Gerichtshof die heutigen vier Urteile.
Rechtssache C-869/19 Unicaja Banco
Dieses Ersuchen erging im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau L und der Banco de Caja España de Inversiones, Salamanca y Soria SAU, in deren Rechte die Unicaja Banco SA eingetreten ist. Dieser Rechtsstreit betrifft eine unterbliebene amtswegige Prüfung seitens des Berufungsgerichts im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht. Die Bank hat Frau L ein Hypothekendarlehen gewährt. Der Vertrag enthielt eine Mindestzinsklausel, wonach der variable Zinssatz niemals unter 3 % fallen durfte. Frau L erhob Klage gegen die Bank mit dem Ziel der Nichtigerklärung der Klausel und der Erstattung der unrechtmäßig erhobenen Beträge. Sie machte geltend, die Klausel müsse wegen fehlender Transparenz für missbräuchlich erklärt werden. Das erstinstanzliche Gericht gab der Klage statt, setzte der Restitutionswirkung in Anwendung einer nationalen Rechtsprechung jedoch zeitliche Grenzen. Das von der Bank angerufene Berufungsgericht erkannte auch nicht auf die vollständige Erstattung der gemäß der Mindestzinssatzklausel gezahlten Beträge, da Frau L das erstinstanzliche Urteil nicht mit der Berufung angefochten habe. Nach spanischem Recht könne das Berufungsgericht, wenn ein Teil eines Urteilstenors von keiner der Parteien in Frage gestellt werde, ihm nicht seine Wirkung absprechen oder ihn abändern. Diese Regel weise Ähnlichkeit mit der Regelung der Rechtskraft auf. Der spanische Oberste Gerichtshof möchte daher vom Gerichtshof wissen, ob das nationale Recht mit dem Unionsrecht insbesondere insoweit vereinbar ist, als ein nationales Gericht, das mit einer Berufung gegen ein Urteil befasst ist, mit dem der Erstattung der vom Verbraucher aufgrund einer für missbräuchlich erklärten Klausel rechtsgrundlos gezahlten Beträge zeitliche Grenzen gesetzt werden, einen Verstoß gegen die Richtlinie 93/13 nicht von Amts wegen aufgreifen und keine vollständige Erstattung dieser Beträge anordnen darf.
Unter Verweis auf seine Rechtsprechung bestätigt der Gerichtshof, dass das Unionsrecht einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die Restitutionswirkungen in zeitlicher Hinsicht auf diejenigen Beträge beschränkt, die auf Grundlage einer missbräuchlichen Klausel rechtsgrundlos gezahlt wurden, nachdem die Gerichtsentscheidung verkündet worden war, mit der die Missbräuchlichkeit festgestellt wurde. Ferner vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass die Anwendung der betreffenden nationalen gerichtlichen Verfahrensgrundsätze den Schutz dieser Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren kann und folglich den Effektivitätsgrundsatz beeinträchtigt. Das Unionsrecht steht nämlich der Anwendung von Grundsätzen des nationalen Gerichtsverfahrens entgegen, nach denen das nationale Gericht, das mit einer Berufung gegen ein Urteil befasst ist, mit dem die Erstattung der vom Verbraucher aufgrund einer für missbräuchlich erklärten Klausel rechtsgrundlos gezahlten Beträge einer zeitlichen Begrenzung unterworfen wird, nicht von Amts wegen diesen Verstoß aufgreifen und keine vollständige Erstattung dieser Beträge anordnen darf, sofern das Nichtvorgehen des betreffenden Verbrauchers gegen diese zeitliche Begrenzung nicht auf eine völlige Untätigkeit des Verbrauchers zurückgeführt werden kann.
Dieses Ersuchen erging im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MA und der Ibercaja Banco SA über einen Antrag auf Zinszahlungen an das Kreditinstitut, nachdem MA und PO den zwischen diesen Parteien geschlossenen Hypothekendarlehensvertrag nicht erfüllt haben. Das zuständige Gericht ordnete die Vollstreckung aus dem Hypothekentitel der Ibercaja Banco an und gestattete die Pfändung zu Lasten der Verbraucher. Erst im Vollstreckungsverfahren, genauer gesagt nach der Versteigerung der mit der Hypothek belasteten Immobilie, machte MA die Missbräuchlichkeit der Verzugszinsklausel und der Mindestzinssatzklausel geltend, also zu einem Zeitpunkt, als die Rechtskrafts- und die Ausschlusswirkung es weder dem Gericht erlaubten, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit von Klauseln zu prüfen, noch es dem Verbraucher erlaubten,
die Missbräuchlichkeit der Klauseln geltend zu machen. Der Vertrag war bei der Einleitung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens von Amts wegen geprüft worden, doch wurde die Prüfung der streitigen Klauseln weder ausdrücklich erwähnt noch begründet.
Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass das Unionsrecht nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die in Anbetracht von Rechtskraft und Ausschlusswirkung weder dem Gericht erlauben, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens zu prüfen, noch dem Verbraucher erlauben, nach dem Ablauf der Einspruchsfrist die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln in diesem Verfahren oder einem späteren Erkenntnisverfahren geltend zu machen, wenn diese Klauseln bereits bei der Einleitung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens von Amts wegen von dem Gericht auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit hin geprüft wurden, die gerichtliche Entscheidung, mit der die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek gestattet wird, aber keine – selbst summarische – Begründung enthält, die diese Prüfung belegt, und in dieser Entscheidung nicht darauf hingewiesen wird, dass die Beurteilung, zu der das Gericht am Ende dieser Prüfung gelangt ist, nicht mehr in Frage gestellt werden kann, wenn nicht fristgemäß Einspruch eingelegt wird.
Wenn das Hypothekenvollstreckungsverfahren beendet ist und die Eigentumsrechte an der Immobilie an einen Dritten übertragen worden sind, kann allerdings das Gericht nicht mehr eine Prüfung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln vornehmen, die zur Aufhebung der Eigentumsübertragungsakte führen würde, und es kann die Rechtssicherheit der bereits an einen Dritten erfolgten Eigentumsübertragung nicht mehr in Frage stellen. Der Verbraucher muss jedoch in einer solchen Situation, um seine Rechte aus der Richtlinie wirksam und vollständig ausüben zu können, in der Lage sein, in einem nachfolgenden gesonderten Verfahren die Missbräuchlichkeit der Klauseln des Hypothekendarlehensvertrags geltend zu machen, um Ersatz des finanziellen Schadens zu erlangen, der durch die Anwendung dieser Klauseln verursacht wurde.
Verbundene Rechtssachen C-693/19 SPV Project 1503 und C-831/19 Banco di Desio e della Brianza u. a.
Diese Ersuchen ergingen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, in denen sich SPV Project 1503 Srl und Dobank SpA als Bevollmächtigte der Unicredit SpA auf der einen sowie YB auf der anderen Seite bzw. die Banco di Desio e della Brianza SpA und weitere Kreditinstituten auf der einen sowie YX und ZW auf der anderen Seite gegenüberstehen. Die Rechtsstreitigkeiten betreffen Zwangsvollstreckungsverfahren auf der Grundlage rechtskräftig gewordener Vollstreckungstitel. Die italienischen Vollstreckungsgerichte werfen die Frage nach der Missbräulichkeit der Vertragsstrafeklausel und der Verzugszinsklausel der Darlehensverträge sowie bestimmter Klauseln der Bürgschaftsverträge auf. Auf der Grundlage dieser Verträge haben die Gläubiger den Erlass von Mahnbescheiden erwirkt, die unanfechtbar geworden sind. Die Gerichte weisen allerdings darauf hin, dass sich nach den Grundsätzen des innerstaatlichen Verfahrensrechts in dem Fall, dass der Verbraucher keinen Widerspruch einlege, die Rechtskraft eines Mahnbescheids darauf erstrecke, dass die Klauseln des Bürgschaftsvertrags nicht missbräuchlich seien, und zwar selbst dann, wenn der Richter, der den Mahnbescheid erlassen habe, die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln in keiner Weise ausdrücklich geprüft habe.
Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass eine solche nationale Regelung die dem nationalen Gericht obliegende Pflicht aushöhlen kann, von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln zu prüfen. Die an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu stellende Anforderung verlangt, dass das Vollstreckungsgericht – auch erstmals – beurteilen darf, ob Vertragsklauseln womöglich missbräuchlich sind, die als Grundlage für einen von einem Gericht auf Antrag eines Gläubigers erlassenen Mahnbescheid gedient haben, gegen den der Schuldner keinen Widerspruch eingelegt hat.
Dieses Ersuchen erging im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen IO und der Impuls Leasing România IFN SA über eine Beschwerde gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Bezug auf einen Leasingvertrag. Das rumänische Gericht weist darauf hin, dass der Leasingvertrag, auf dessen Grundlage das Vollstreckungsverfahren eingeleitet worden sei, bestimmte Klauseln
enthalte, die als missbräuchlich angesehen werden könnten.
Die rumänische Regelung gestattet es indessen dem Gericht, das mit einer Beschwerde gegen die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung befasst ist, nicht, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers zu prüfen, ob die Vertragsklauseln eines Leasingvertrags missbräulich sind, der zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossen wurde und der einen vollstreckbaren Titel darstellt, weil es einen ordentlichen Rechtsbehelf gibt, mit dem die Missbräuchlichkeit der Klauseln eines solchen Vertrags von dem Gericht, das mit diesem Rechtsbehelf befasst wird, überprüft werden kann. Zwar steht dem Gericht des Erkenntnisverfahrens, das mit einem Rechtsbehelf befasst ist, der sich vom demjenigen unterscheidet, der das Vollstreckungsverfahren betrifft, die Möglichkeit zu Gebote, das Vollstreckungsverfahren auszusetzen. Der Verbraucher, der die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens beantragt, ist jedoch verpflichtet, eine Sicherheitsleistung zu stellen, die auf der Grundlage des Gegenstandswerts des Rechtsbehelfs berechnet wird.
Der Gerichtshof hält es allerdings für wahrscheinlich, dass ein in Zahlungsverzug geratener Schuldner nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, um die erforderliche Sicherheitsleistung zu stellen. Zudem dürfen derartige Kosten den Verbraucher nicht davon abhalten, das Gericht anzurufen, um die etwaige Missbräuchlichkeit der Klauseln prüfen zu lassen.
Dies scheint indessen umso mehr dann der Fall zu sein, wenn der Gegenstandswert der eingelegten Rechtsbehelfe den Gesamtwert des Vertrags bei weitem übersteigt. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass das Unionsrecht einer solchen nationalen Regelung entgegensteht.
A. Problem und Ziel
Die Nutzung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen ist aus dem Verbraucheralltag nicht mehr wegzudenken. Diese digitalen Produkte sind ein zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor und eignen sich insbesondere für einen grenzüberschreitenden Handel. Das deutsche Vertragsrecht enthält bislang keine speziellen Vorschriften für Verbraucherverträge über digitale Produkte. Nach dem Erlass erster Vorschriften in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erschien es jedoch angezeigt, eine Harmonisierung der wesentlichen vertragsrechtlichen Vorschriften betreffend Verbraucherverträge über digitale Produkte herbeizuführen, um zur Erreichung eines einheitlich hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen und eine Rechtszersplitterung in der Europäischen Union zu vermeiden. Zu diesem Zweck wurde die Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (ABl. L 136 vom 22.5.2019, S. 1; L 305 vom 26.11.2019, S. 62, nachfolgend: Richtlinie) erlassen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten in ihrem Artikel 24 Absatz 1 Unterabsatz 1, bis zum 1. Juli 2021 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen und zu veröffentlichen, um der Richtlinie nachzukommen.
Die mitgliedstaatlichen Umsetzungsvorschriften sind nach Artikel 24 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden.
Ziel der Richtlinie ist die Harmonisierung von Teilbereichen des mitgliedstaatlichen Vertragsrechts betreffend Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen. Artikel 4 der Richtlinie sieht dafür eine Vollharmonisierung vor. Die Mitgliedstaaten dürfen demnach weder strengere noch weniger strenge Vorschriften aufrechterhalten oder einführen, sofern dies nicht ausdrücklich durch die betreffenden Richtlinienbestimmungen gestattet wird.
B. Lösung
Die Umsetzung der Richtlinie erfordert insbesondere Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Hierzu wird unter anderem ein neuer Titel 2a in Abschnitt 3 des Buches 2 des BGB eingefügt. Andere Teile des BGB sind anzupassen
"Die Nutzung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen ist aus dem Verbraucheralltag nicht mehr wegzudenken. Diese digitalen Produkte sind ein zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor und eignen sich insbesondere für einen grenzüberschreitenden Handel. Das deutsche Vertragsrecht enthält bislang keine speziellen Vorschriften für Verbraucherverträge über digitale Produkte. Nach dem Erlass erster Vorschriften in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erschien es jedoch angezeigt, eine Harmonisierung der wesentlichen vertragsrechtlichen Vorschriften betreffend Verbraucherverträge über digitale Produkte herbeizuführen, um zur Erreichung eines einheitlich hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen und eine Rechtszersplitterung in der Europäischen Union zu vermeiden.
Zu diesem Zweck wurde die Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (ABl. L 136 vom 22.5.2019, S. 1; L 305 vom 26.11.2019, S. 62, nachfolgend: Richtlinie) erlassen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten in ihrem Artikel 24 Absatz 1 Unterabsatz 1, bis zum 1. Juli 2021 die erforderlichen Rechtsund Verwaltungsvorschriften zu erlassen und zu veröffentlichen, um der Richtlinie nachzukommen. Die mitgliedstaatlichen Umsetzungsvorschriften sind nach Artikel 24 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden.
Ziel der Richtlinie ist die Harmonisierung von Teilbereichen des mitgliedstaatlichen Vertragsrechts betreffend Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen. Artikel 4 der Richtlinie sieht dafür eine Vollharmonisierung vor. Die Mitgliedstaaten dürfen demnach weder strengere noch weniger strenge Vorschriften aufrechterhalten oder einführen, sofern dies nicht ausdrücklich durch die betreffenden Richtlinienbestimmungen gestattet wird."
EuGH
Urteil vom 17.05.2018 C-147/16
Karel de Grote – Hogeschool VZW ./. Susan Romy Jozef Kuijpers
Der EuGH hat entschieden, dass die Unionsrichtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen auch auf eine Bildungseinrichtung anwendbar sein kann.
Die Pressemitteilung des EuGH:
Die Unionsrichtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen kann auf eine Bildungseinrichtung anwendbar sein
Das nationale Gericht muss von Amts wegen die Missbräuchlichkeit von Klauseln in von der Richtlinie erfassten Verträgen zwischen Bildungseinrichtungen und Studierenden prüfen.
Frau Susan Kuijpers war während der akademischen Jahre 2012/2013 und 2013/2014 Studierende an einer Bildungseinrichtung in Belgien (Karel de Grote – Hogeschool). Sie konnte den Gesamtbetrag von 1 546 Euro, den sie als Studiengebühren und als Beitrag für eine Studienreise schuldete, nicht auf einmal begleichen. Sie schloss daher mit der Bildungseinrichtung einen schriftlichen Vertrag über ein zinsloses Teilzahlungsdarlehen ab. Gemäß diesem Vertrag erhielt sie vom Dienst „Studierendenförderung“ der Bildungseinrichtung den zur Schuldbegleichung benötigten Betrag. Sie hatte für die Dauer von sieben Monaten jeweils 200 Euro monatlich an den Dienst zu entrichten. Der Restbetrag (146 Euro) war bis zum 25. September 2014 zu zahlen. Zudem sah der Vertrag bei Nichtzahlung Zinsen in Höhe von 10 % jährlich (ohne dass es einer Mahnung bedurfte) und eine Entschädigung zur Deckung der Beitreibungskosten (in Höhe von 10 % der Restschuld, mindestens aber 100 Euro) vor. Auch nachdem Frau Kuijpers ein förmliches Aufforderungsschreiben erhalten hatte, leistete sie keine Zahlung.
Im Jahr 2015 erhob die Bildungseinrichtung beim Vredegerecht te Antwerpen (Friedensgericht Antwerpen, Belgien) Klage gegen Frau Kuijpers auf Zahlung der Hauptforderung in Höhe von 1 546 Euro nebst Verzugszinsen von 10 % ab dem 25. Februar 2014 (entspricht 269,81 Euro) und Kostenersatz in Höhe von 154,60 Euro. Vor diesem Gericht erschien Frau Kuijpers weder persönlich, noch ließ sie sich vertreten.
In diesem Zusammenhang hat das belgische Gericht beschlossen, den Gerichtshof zu befragen. Es möchte zunächst wissen, ob es im Rahmen eines Versäumnisverfahrens von Amts wegen prüfen darf, ob auf den Vertrag die Unionsrichtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen anwendbar ist. Sodann möchte es wissen, ob eine Bildungseinrichtung, die im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, als ein „Gewerbetreibender“ im Sinne der Richtlinie anzusehen ist, wenn sie Studierenden ein Teilzahlungsdarlehen gewährt.
In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst auf seine Rechtsprechung hin, nach der ein nationales Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel prüfen muss. Diese Pflicht bedeutet auch, dass das nationale Gericht prüfen muss, ob der Vertrag, der die Klausel enthält, in den Anwendungsbereich der Unionsrichtlinie fällt.
Was sodann den Begriff „Gewerbetreibender“ anbelangt, weist der Gerichtshof auf die Absicht des Unionsgesetzgebers hin, diesen Begriff weit zu fassen. Es handelt sich nämlich um einen funktionalen Begriff, d. h. es ist zu beurteilen, ob die Vertragsbeziehung innerhalb der Tätigkeiten liegt, die eine Person im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt.
Außerdem scheint es, dass die Rechtssache nicht unmittelbar den Lehrauftrag der fraglichen bildungseinrichtung betrifft. Es geht vielmehr um eine Leistung, die diese Einrichtung neben und in Ergänzung zu ihrer Lehrtätigkeit erbringt und die darin besteht, einer Studierenden vertraglich die zinslose Teilzahlung geschuldeter Beträge anzubieten. Eine solche Leistung läuft jedoch naturgemäß darauf hinaus, die Zahlung einer bestehenden Schuld zu erleichtern, und stellt grundsätzlich einen Darlehensvertrag dar. Vorbehaltlich der Überprüfung dieses Anhaltspunkts durch das nationale Gericht geht der Gerichtshof daher davon aus, dass die Bildungseinrichtung als „Gewerbetreibender“ im Sinne der Richtlinie handelt, wenn sie eine solche ihre Lehrtätigkeit ergänzende Nebenleistung erbringt.
Gestützt wird diese Auslegung durch den Schutzzweck der Richtlinie. Im Rahmen eines Vertrags herrscht nämlich grundsätzlich eine Ungleichheit zwischen der Bildungseinrichtung und der Studierenden, die sich aus der Asymmetrie ergibt, die zwischen diesen Parteien im Bereich der Information und der technischen Fähigkeiten besteht.