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KG Berlin: Irreführende Werbung für osteopathische Behandlungen sofern keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse für Wirksamkeit vorliegen

KG Berlin
Urteil vom 03.12.2024
5 U 9/24

Das KG Berlin hat entschieden, dass die Werbung für osteopathische Behandlungen nach § 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 HWG irrefühend ist, sofern keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Wirksamkeit der beworbenen Behandlungen vorliegen.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. In der Sache hat der Verfügungskläger glaubhaft gemacht, dass die beanstandete Werbung der Verfügungsbeklagten nach § 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 HWG unzulässig war. Der Verfügungsanspruch besteht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 HWG.

a) Nach § 3 Satz 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig. Die Vorschrift stellt eine Ausprägung des allgemeinen Irrführungsverbots der §§ 5, 5a UWG für den Bereich des Heilmittelrechts dar (vgl. Spickhoff/Fritzsche, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 3 HWG Rn. 1); es handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, da diese Bestimmung den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezweckt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 29/14, NJW-RR 2016, 417 [juris Rn. 13] - Äquipotenzangabe in Fachinformation). Die Regelung des § 3a UWG wird auch nicht durch den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG verdrängt. Ist der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG definierte Anwendungsbereich eröffnet, ist allerdings für die lauterkeitsrechtliche Anwendung von Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG nur Raum, sofern die Richtlinie den von der Marktverhaltensregelung betroffenen Bereich nach den übrigen Absätzen des Art. 3 unberührt lässt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23, NJW-RR 2024, 1164 [juris Rn. 51] - Hydra Energy, mwN). Letzteres ist hier der Fall. Denn die Richtlinie lässt nach Art. 3 Abs. 3 die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - I ZR 146/20, NJW-RR 2022, 549 [juris Rn. 20] - Werbung für Fernbehandlung zu § 9 HWG); Produkt ist nach Art. 2 Buchst. c) der Richtlinie 2005/29/EG jede Ware oder Dienstleistung.

b) Eine Irreführung im Sinne von § 3 Satz 1 HWG liegt insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben (§ 3 Satz 2 Nr. 1 HWG).

aa) Mit dem im Heilmittelwerbegesetz nicht definierten Begriff der „therapeutischen Wirksamkeit“ wird der therapeutische Erfolg der Wirkung eines Heilmittels auf bestimmten Anwendungsgebieten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch beschrieben, während der Begriff der „Wirkungen“ generell Aussagen über die tatsächlichen oder gewünschten Folgen der Anwendung von Heilmitteln im Sinne des § 1 Abs. 1 HWG, ausgenommen Neben- oder Wechselwirkungen, betrifft; eine exakte Unterscheidung zwischen den sich in ihrer Bedeutung überschneidenden Begriffen ist im Rahmen des Irreführungstatbestands des § 3 HWG jedoch nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2020 - I ZR 204/19, NJW 2021, 1676 [ juris Rn. 9] - Sinupret, mwN).

bb) Für die Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist - auch im Heilmittelrecht - auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2020 - I ZR 204/19, NJW 2021, 1676 [juris Rn. 11] - Sinupret, mwN). Dies kann durch die Mitglieder des Senats aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung festgestellt werden und zwar unabhängig davon, ob sie - wie hier - zu den Verkehrskreisen zählen, an die sich die beanstandete Werbung richtet (hier: alle Verbraucher). Denn die Mitglieder des Senats sind ständig mit Verfahren aus dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und insbesondere der Wettbewerbssachen befasst und haben aufgrund ihrer besonderen Erfahrung die erforderliche Sachkunde erworben, um eigenständig zu beurteilen, wie der angesprochene Verkehr die angegriffenen Angaben versteht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. September 2021 - I ZR 192/20, GRUR 2022, 160 [juris Rn. 18] - Flying V, mwN).

cc) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze riefen die Verfügungsbeklagte mit der beanstandeten Werbung bei einem verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervor, dass durch die beworbenen osteopathischen Behandlungen in den angebotenen Anwendungsbereichen für Babys, Kinder und erwachsene Frauen jeweils bestimmte therapeutische Erfolge erzielt und bestehende Beschwerden beseitigt würden. Ein durchschnittlicher Verbraucher versteht die von der Verfügungsbeklagten getätigten Angaben so, dass eine osteopathische Behandlung etwa von Babys medizinisch notwendig sein könne, um - neben der therapeutischen Behandlung anderer Störungsbilder - beispielsweise ein übermäßig langes Schreien sowie Verdauungs- und Schlafstörungen als Folge von Schwangerschaft und Geburt zu beseitigen; zudem seien therapeutische Erfolge bei Kindern beispielsweise zur Entwicklungsförderung sowie bei bestimmten Erkrankungen, Störungsbildern oder bloßen Auffälligkeiten und bei einer kieferorthopädischen Behandlung, und bei Frauen insbesondere prä- und postnatal oder - auch ohne Bezug zu einer Schwangerschaft - allgemein sowie für bestimmte Beschwerden und bei einem Kinderwunsch zu erzielen.

c) Die so zu verstehende Werbung der Verfügungsbeklagten ist als irreführend im Sinne von § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG anzusehen.

aa) Dabei gilt im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (sogenanntes „Strengeprinzip“). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können. Unzulässig ist es außerdem, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Darüber hinaus kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (vgl. zum Ganzen nur BGH, Urteil vom 5. November 2020 - I ZR 204/19, NJW 2021, 1676 [ juris Rn. 17] - Sinupret, mwN).

Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Beklagte mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er im Streitfall auch beweisen muss. Ob die beanstandete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, muss wiederum vom Kläger dargelegt und bewiesen werden. Eine entsprechende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 [juris Rn. 32] - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; Urteil vom 5. November 2020 - I ZR 204/19, NJW 2021, 1676 [ juris Rn. 18] - Sinupret; Senat, Urteil vom 19. Juni 2015 - 5 U 120/13, WRP 2016, 389 [juris Rn. 66]).

Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 [juris Rn. 19] - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; Urteil vom 5. November 2020 - I ZR 204/19, NJW 2021, 1676 [juris Rn. 20] - Sinupret). Die wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsversprechens muss bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein; ein etwa erst nachträglich eingeholtes Sachverständigengutachten könnte nämlich den Vorwurf nicht entkräften, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2020 - I ZR 204/19, NJW 2021, 1676 [juris Rn. 34] - Sinupret, mwN).

bb) Diese Grundsätze legt das Landgericht seiner Entscheidung zwar zugrunde. Es nimmt aber zu Unrecht an, der Verfügungskläger habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die beanstandeten Angaben zu den von der Verfügungsbeklagten angebotenen osteopathischen Behandlungen aktuell wissenschaftlich umstritten sind. Auf diesen Aspekt der Irreführung stützt sich der Verfügungskläger ausdrücklich (Schriftsatz vom 15. Januar 2024, Seite 3), auch wenn er mit der fehlenden wissenschaftlichen Absicherung der Osteopathie einen anderen Irreführungsaspekt in den Vordergrund stellt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 16] - Tiegelgröße).

(1) Richtig ist allerdings im Ausgangspunkt, dass die von dem Verfügungskläger eingereichten Unterlagen nicht belegen, dass osteopathische Verfahren im Allgemeinen - wie von dem Verfügungskläger behauptet - nach dem im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltenden Maßstab mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Ob der Verfügungskläger dabei - wie das Landgericht meint - selbst in der Antragsschrift mit der Angabe, dass es Anzeichen einer gewissen Besserung etwa für das Beschwerdebild Kreuzschmerzen gebe, zum Ausdruck gebracht habe, dass nicht jegliche wissenschaftliche Erkenntnis für die Werbeaussagen fehle, oder dies - wie die Berufung rügt - nicht der Fall sei, ist insoweit nicht von entscheidender Bedeutung.

(a) Der Verfügungskläger stützt sich unter anderem auf die als Anlage A 13 eingereichte Bekanntmachung der Bundesärztekammer vom 28. August 2009 („Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren“, Deutsches Ärzteblatt 2009, Seite A 2325 ff.), der zwei Gutachten - auf der Grundlage von systematischen Literaturrecherchen, auch unter Einbeziehung randomisierter kontrollierter Studien (vgl. Anlage A 13, Seite A 2328 f.) - und eine wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren durch einen Arbeitskreis des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer zugrunde lagen. Danach wird zwar den philosophischen Grundlagen der Osteopathie eine Evidenz im naturwissenschaftlichen Sinne insgesamt abgesprochen. Die Wirksamkeit osteopathischer Behandlungsformen, deren wissenschaftliche Beurteilung von dem philosophischen Gedankengebäude zu trennen sei (vgl. Anlage A 13, Seite A 2328), werde aber für unterschiedliche Gesundheitsstörungen in verschiedenen Studien und Metaanalysen belegt; dies betreffe den Bereich der „parietalen Osteopathie“ (das Bindegewebe und die Muskulatur betreffend; vgl. zu den unterschiedlichen Teilbereichen: Anlage A 13, Seite A 2331) und in geringem Maß den Bereich der „viszeralen Osteopathie“ (die inneren Organe und ihre bindegewebigen Aufhängungen betreffend), für den Bereich der „kraniosakralen Osteopathie“ (basierend auf der Annahme spezifischer Rythmen des menschlichen Organismus) sei dies allerdings nur sehr eingeschränkt der Fall (vgl. Anlage A 13, Seite A 2332).

(b) Danach käme - gestützt auf die Bekanntmachung der Bundesärztekammer vom 28. August 2009 (Anlage A 13) - die Annahme, dass der beanstandeten Werbung für die von der Beklagten angebotenen osteopathischen Behandlungen jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen, allenfalls für den Teilbereich der „kraniosakralen Osteopathie“ in Betracht (vgl. dazu OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Juni 2018 - 6 U 74/17, GRUR-RR 2018, 483 [juris Rn. 79 und 86]), auch wenn nach der Einschätzung der Bundesärztekammer bei der Beurteilung der wissenschaftlichen Evidenz grundsätzlich nicht zwischen den einzelnen Bereichen der Osteopathie zu differenzieren ist (vgl. Anlage A 13, Seite A 2328). Der angesprochene Verkehr kann dem Inhalt der beanstandeten Werbung allerdings nicht entnehmen, dass die Verfügungsbeklagte insgesamt lediglich eine „kraniosakrale osteopathische“ Behandlung bewirbt, was der Verfügungskläger in der Antragsschrift (vgl. Seite 17) nahelegt und wofür wissenschaftliche Grundlagen fehlen (vgl. Anlage A 13, Seite A 2329, 2332), oder aber den Anspruch erhebt, die Wirksamkeit der angebotenen osteopathischen Behandlungen ergebe sich gerade aus der Beherrschung aller drei Teilbereiche der Osteopathie einschließlich der „kraniosakralen Osteopathie“ (vgl. dazu Anlage A 13, Seite A 2332).

Der Verfügungskläger hat auch durch die weiter eingereichten Unterlagen nicht den Nachweis erbracht, dass den beworbenen osteopathischen Behandlungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen. Die Anlagen A 9 bis A 12 betreffen Veröffentlichungen aus der Zeit vor der Einschätzung der Bundesärztekammer (Anlage A 13); soweit sich aus diesen überhaupt ergibt, dass wissenschaftliche Erkenntnisse für die Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen gänzlich fehlen, ist diese Beurteilung jedenfalls durch die Anlage A 13 wiederlegt. Die Anlagen A 14 und 15 nehmen dagegen lediglich auf die Beurteilung der Bundesärztekammer Bezug bzw. bestätigen diese. Die als Anlagen A 7 und A 8 eingereichten Auszüge der Internetseite von Wikipedia sowie der als Anlage A 17 eingereichte Artikel in einer deutschen Wochenzeitung sind - wie auch die von dem Verfügungskläger im Berufungsverfahren eingereichten Artikel, die zudem keinen ausreichenden Bezug zur Osteopathie aufweisen - zur fachlichen Beurteilung der hier in Streit stehenden Frage schon nicht geeignet (vgl. dazu auch OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Juni 2018 - 6 U 74/17, GRUR-RR 2018, 483 [juris Rn. 74 und 83]); die Anlage A 16 belegt dagegen allein die wissenschaftliche Umstrittenheit (dazu sogleich).

(2) Entgegen der Beurteilung des Landgerichts hat der Verfügungskläger allerdings dargelegt und mit der Anlage A 13 ausreichend belegt, dass die therapeutische Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen - auch weiterhin - fachlich umstritten ist; diesem Vortrag ist die Verfügungsbeklagte nicht ausreichend entgegengetreten. Dies hat eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast (bzw. Glaubhaftmachungslast) zur Folge, da die Verfügungsbeklagte die mit der beanstandeten Werbung getroffenen Aussagen nicht durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis auf die Gegenmeinung abgeschwächt hatte (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013 - I ZR 94/09, GRUR-RR 2013, 496 [juris Rn. 3] - Elektromagnetisches Wechselfeld; Senat, Urteil vom 19. Juni 2015 - 5 U 120/13, WRP 2016, 389 [juris Rn. 82]). Eine therapeutische Wirksamkeit der beworbenen Behandlungen hat die Verfügungsbeklagten jedoch nicht glaubhaft gemacht.

(a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist mit der Bekanntmachung der Bundesärztekammer vom 28. August 2009 (Anlage A 13) jedenfalls nachgewiesen, dass die therapeutische Wirksamkeit einer osteopathischen Behandlung allgemein fachlich umstritten ist (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juni 2015 - 5 U 120/13, WRP 2016, 389 [juris Rn. 67]; vgl. auch Urteil vom 22. Februar 2017 - 5 U 139/16, MD 2017, 488 [juris Rn. 11]). Dieser Rechtsprechung liegt zugrunde, dass auch die Bundesärztekammer bei der im Jahr 2009 vorgenommenen Beurteilung nicht von einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis der therapeutischen Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen im Allgemeinen ausgegangen ist. Lediglich für bestimmte Gesundheitsstörungen sei in verschiedenen Studien und Metaanalysen eine Wirksamkeit überhaupt belegt worden. Dies bedeutet zugleich, dass in anderen Studien und Metaanalysen weder allgemein noch für bestimmte Gesundheitsstörungen ein solcher Nachweis erbracht werden konnte. Die Bundesärztekammer stellt daher grundsätzlich fest, dass einigermaßen zuverlässige Aussagen zur Wirksamkeit/Effektivität osteopathischer Behandlungen nur zu wenigen Erkrankungsbildern vorlägen. Daraus sei insgesamt zu folgern, dass für die Anwendung bestimmter osteopathischer Techniken - hauptsächlich im Bereich der „parietalen Osteopathie“ und in geringem Maß im Bereich der „viszeralen Osteopathie“ - allenfalls Hinweise für die Wirksamkeit nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin vorlägen (vgl. Deutsches Ärzteblatt 2009, A 2332; Anlage A 13); eine Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen ist damit weder sicher wissenschaftlich belegt noch widerlegt. Unter Berücksichtigung dieser fachlichen Einschätzung der Bundesärztekammer nimmt auch das OLG Celle an, dass - auf der Grundlage der im dortigen Verfahren vorgelegten Unterlagen - in der wissenschaftlichen Diskussion eine therapeutische Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen bestritten ist und auch durch die Bekanntmachung der Bundesärztekammer - trotz der aufgeführten Hinweise - nicht belegt wird (vgl. OLG Celle, Urteil vom 31. Juli 2018 - 13 U 26/18, GRUR-RR 2019, 87 [juris Rn. 27]; vgl. auch LG Hildesheim, Urteil vom 22. Mai 2020 - 11 O 1/20, MD 2021, 384 [juris Rn. 45]).

Die Bewertung der Bundesärztekammer wird zudem für den Bereich der Kinder- und Jugendmedizin durch die als Anlage A 15 eingereichte gemeinsame Stellungnahme verschiedener pädiatrischer Gesellschaften und Verbände aus dem Jahr 2014 und die als Anlage A 16 eingereichten Veröffentlichung von Posadzki, Lee und Ernst aus dem Jahr 2013 bestätigt; in der Anlage A 16 werden verschiedene randomisiert kontrollierte Studien beschrieben mit dem Ergebnis, dass - wie in den der Bewertung der Bundesärztekammer zugrundeliegenden Gutachten - teilweise eine therapeutische Wirksamkeit belegt worden ist und teilweise keinerlei Effekt einer osteopathischen Behandlung nachgewiesen werden konnte.

(b) Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des von der Verfügungsbeklagten gehaltenen Vortrags und der dazu eingereichten Unterlagen angezeigt. Richtig ist allerdings, dass seit der Bewertung durch die Bundesärztekammer nahezu 15 Jahre vergangen sind und die damals bestehende Datenlage zur Effektivität des Einsatzes der Osteopathie gerade bei Kindern als unzureichend angesehen worden ist (vgl. etwa Anlage A 15, Seite 3). Insoweit hat die Verfügungsbeklagte zwar glaubhaft gemacht, dass sich die Datenlage verbessert habe und seither eine Vielzahl (auch) randomisierter kontrollierter Studien (RCT) hinzugekommen ist (Anlage Wf4, INIOST Studienreport 2021: weltweit 24 RCT und deutlich mehr in den fünf Jahren davor). Hieraus kann aber nicht allgemein geschlossen werden, dass die Bewertung durch die Bundesärztekammer aus dem Jahr 2009 jedenfalls im Ergebnis nicht mehr den aktuellen Stand der Wissenschaft widerspiegelt. Zutreffend verweist die Berufung insoweit darauf, dass es für die Gültigkeit der fachlichen Beurteilung nicht allein auf zeitliche Umstände oder etwa die Anzahl der seither ergangenen wissenschaftlichen Arbeiten ankommt, sondern entscheidend darauf abzustellen ist, ob aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse - nachgewiesen insbesondere durch randomisiert kontrollierte Studien oder Metaanalysen von mehreren solcher Studien - eine andere fachliche Bewertung geboten ist. Dass dies der Fall ist, hat die Verfügungsbeklagte gestützt auf den INIOST Studienreport 2021 (Anlage Wf4) schon erstinstanzlich nicht dargelegt; sie ist dem qualifizierten Vortrag des Verfügungsklägers, der bei der gebotenen Würdigung des gesamten Vorbringens auch dahingehend zu verstehen ist, dass die therapeutische Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen im Allgemeinen auch weiterhin jedenfalls umstritten ist, nicht ausreichend entgegengetreten. Ob insgesamt oder in einzelnen hier beworbenen Bereichen eine andere fachliche Beurteilung der Wirksamkeit osteopathischer Verfahren angezeigt ist, kann weder auf der Grundlage der Anlage Wf4 noch des im Berufungsverfahren gehaltenen weiteren Vortrags beurteilt werden. Nichts anderes ergibt sich aus dem als Anlage Wf3 eingereichten Curriculum der Bundesärztekammer zu der Weiterbildung „Osteopathische Verfahren“ vom 10. März 2022. Dort wird zwar ausgeführt, dass die eigenständige manualmedizinisch-osteopathische Diagnostik und Therapie von zumindest teilweise reversiblen Funktionsstörungen am menschlichen Organismus als eine frühzeitig anzuwendende Option ärztlichen Handelns auf wissenschaftlicher Grundlage vermittelt werden soll (vgl. Anlage Wf3, Seite 4 unten). Dass die therapeutische Wirksamkeit osteopathischer Verfahren nunmehr ohne erhebliche Gegenmeinung dem Stand der Wissenschaft entspräche, kann daraus aber gerade nicht abgeleitet werden.

d) Der festgestellte Verstoß gegen § 3 HWG ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, ist nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Marktverhaltensregelung unter Berücksichtigung der Zwecke für die Einordnung der Vorschrift als Marktverhaltensregelung zu beurteilen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Februar 2024 - I ZR 91/23, A&R 2024, 94 [juris Rn. 50] - Großhandelszuschläge II, mwN), und im Streitfall mit Blick auf den durch § 3 HWG bezweckten Gesundheitsschutz (s.o.) ohne weiteres zu bejahen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für ein im Raum versprühtes Desinfektionsmittel mit 99,99 Prozent Entfernung von Viren aus der Raumluft

LG München
Urteil vom 07.09.2020
4 HK O 9484/20


Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn für ein im Raum versprühtes Desinfektionsmittel mit "99,99 Prozent Entfernung von Viren aus der Raumluft" geworben wird, ohne dass ein wissenschaftlicher Nachweis für die Richtigkeit dieser Aussage vorliegt.

Die Pressemitteilung des G München:

Werbung mit „99,99% Entfernung von Viren aus der Raumluft“ durch ein im Raum versprühtes Desinfektionsmittel irreführend

Die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat mit Urteil vom 07.09.2020 einer einstweiligen Verfügung eines Mitbewerbers gegen eine Herstellerin von Desinfektionsmitteln (Antragsgegnerin zu 1) und deren Geschäftsführer (Antragsgegner zu 2) vollumfänglich stattgegeben, mit der sich dieser gegen bestimmte werbliche Aussagen der Antragsgegnerin zu 1) wendet (Az. 4 HK O 9484/20). Kern der Auseinandersetzung war die Bewerbung des von der Antragsgegnerin zu 1) hergestellten und vertriebenen, über die Luft ausgebrachten Desinfektionsmittels mit der Behauptung, dieses entferne 99,99% der schädlichen Bakterien und Viren aus der gesamten Raumluft und von sämtlichen Oberflächen.

Die im Wesentlichen beanstandete Werbeaussage auf der Website der Antragsgegnerin zu 1) im Zusammenhang mit den unter der Bezeichnung „AMOAIR“ angeboten Desinfektionsmitteln lautet:

„Damit sind 99,99% der schädlichen Bakterien & Viren aus der gesamten Raumluft und von sämtlichen Oberflächen entfernt.“

Nach Auffassung der 4. Kammer für Handelssachen stellt sich die Werbeaussage als unzulässige irreführende geschäftliche Handlungen gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG dar. Denn durch die beanstandete Werbeaussage erwecke die Antragsgegnerin zu 1) beim Verbraucher den Eindruck, es sei wissenschaftlich abgesichert, dass das von ihr beworbene Produkt die Wirkung habe, es entferne 99,99% der schädlichen Bakterien und Viren aus der gesamten Raumluft und von sämtlichen Oberflächen.

Nach Ansicht des Gerichts handele es sich bei dieser Werbeaussage um eine gesundheitsbezogene Wirkungsaussage, denn in Zeiten der Corona-Pandemie sei die Frage, ob und wie Corona-Viren aus der Raumluft und von Oberflächen entfernt werden können, eine der brennendsten und für die ganze Welt wichtigsten gesundheitlichen Fragen überhaupt. Bei gesundheitsbezogenen Wirkungsaussagen, wie der Werbeaussage der Antragsgegnerin zu 1), seien besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen. Daher obliege den Antragsgegnern die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Werbeaussage ihr Produkt „AMOAIR“ entferne 99,99 % der schädlichen Bakterien und Viren aus der gesamten Raumluft und von sämtlichen Oberflächen, wissenschaftlich abgesichert ist. Dieser Darlegungs- und Beweislast seien die Antragsgegner im vorliegenden Verfahren jedoch nicht nachgekommen. Durch die vorgelegten Unterlagen der Antragsgegner sei nicht glaubhaft gemacht, dass nach der Verwendung ihres Desinfektionsmittels 99,99% der Viren aus der Raumluft oder den Oberflächen entfernt worden seien.

Die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat daher den Antragsgegnern unter anderem untersagt das Produkt „AMOAIR“ mit der beanstandeten Aussage zu bewerben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



BGH: Zu Darstellung spezieller und allgemeiner gesundheitsbezogener Angaben auf der Verpackung - B-Vitamine II

BGH
Urteil vom 25.06.2020
I ZR 162/16
B-Vitamine II
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Abs. 3; UWG § 3a


(Siehe auch zum Thema EuGH: Zur Auslegung von Art. 10 Abs. 3 HCVO und zum Umfang des wissenschaftlichen Nachweises auf allgemeine Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels)

Leitsätze des BGH:

a) Der Begriff "beifügen" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 hat eine materielle und eine visuelle Dimension.

b) In seiner materiellen Dimension erfordert er eine inhaltliche Entsprechung zwischen der allgemeinen gesundheitsbezogenen Angabe und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe. Dies setzt im Wesentlichen voraus, dass die spezielle Angabe die allgemeine Angabe umfassend untermauert.

c) Die visuelle Dimension des Erfordernisses des "Beifügens" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bezieht sich auf die sofortige Wahrnehmung eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs zwischen dem Verweis auf die allgemeinen, nicht spezifischen Vorteile für die Gesundheit und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe durch einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbraucher und erfordert grundsätzlich eine räumliche Nähe oder unmittelbare Nachbarschaft zwischen dem Verweis und der Angabe.

d) Können die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben wegen ihrer großen Zahl oder Länge nicht vollständig auf der Seite der Verpackung erscheinen, auf der sich der Verweis befindet, den sie untermauern sollen, kann das Erfordernis eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs ausnahmsweise durch einen ausdrücklichen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis erfüllt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass damit klar und für den Verbraucher vollkommen verständlich die inhaltliche Entsprechung zwischen den gesundheitsbezogenen Angaben und dem Verweis in räumlicher Hinsicht sichergestellt wird.

e) Für allgemeine gesundheitsbezogene Angaben müssen - anders als für spezielle gesundheitsbezogene Angaben - keine unmittelbaren wissenschaftlichen Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erbracht werden. Vielmehr genügt es, dass für allgemeine gesundheitsbezogene Angaben dadurch mittelbare wissenschaftliche Nachweise erbracht werden, dass ihnen spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sein müssen, die durch wissenschaftliche Nachweise belegt sind.

BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - I ZR 162/16 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Zur Auslegung von Art. 10 Abs. 3 HCVO und zum Umfang des wissenschaftlichen Nachweises auf allgemeine Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels

EuGH
Urteil vom 30.01.2020
C‑524/18
Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG gegen Queisser Pharma GmbH & Co. KG


Tenor der Entscheidung:

1. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel in der durch die Verordnung (EG) Nr. 107/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Anforderung, wonach jedem Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels eine in einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 dieser Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt sein muss, nicht erfüllt ist, wenn die Vorderseite der Umverpackung eines Nahrungsergänzungsmittels einen Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit enthält, während sich die spezielle gesundheitsbezogene Angabe, die diesem Verweis beigefügt sein soll, nur auf der Rückseite der Umverpackung befindet und es keinen ausdrücklichen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis auf den Bezug zwischen den beiden Angaben gibt.

2. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 in der durch die Verordnung Nr. 107/2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden durch wissenschaftliche Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung abgesichert sein müssen. Dafür reicht es aus, dass diesen Verweisen spezielle gesundheitsbezogene Angaben aus einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 der Verordnung beigefügt sind.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Köln: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen HCVO durch Produktbezeichnung "Kinderwunsch-Tee" wenn kein allgemein anerkannter wissenschaftliche Nachweis für Wirkung vorliegt

OLG Köln
Urteil vom 21.06.2019
6 U 181/18


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die HCVO vorliegt, wenn ein Kräutertee mit der Produktbezeichnung "Kinderwunsch-Tee" beworben wird und kein allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweis für die tatsächliche Wirkung existiert.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

"Kinderwunsch-Tee" - Förderung der Empfängnis muss wissenschaftlich nachweisbar sein

Der Vertreiber eines "Kinderwunsch-Tees", darf diesen nicht als solchen bezeichnen, wenn er keinen allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweis erbringen kann, dass sich der Genuss des Tees förderlich auf die Empfängnis auswirkt. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 21.06.2019 entschieden und damit die klagestattgebende Entscheidung des Landgerichts Köln vom 12.09.2018 bestätigt.

Das beklagte Lebensmittelunternehmen vertreibt den als "KinderwunschTee" bezeichneten Kräutertee mit den Werbeaussagen, wonach der Tee Pflanzenstoffe enthalte, die in der Erfahrungsheilkunde angewendet werden, um den Zyklus zu harmonisieren und so den Eisprung zu fördern. Weiter heißt es in der Bewerbung des Produkts: "Lemongras wirkt entspannend auf den Körper und baut Stress ab, so dass man sich ganz auf die Schwangerschaft einlassen kann. Zitronenverbene und Basilikum werden eine luststeigernde Wirkung nachgesagt."

Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, das Produkt als "Kinderwunsch-Tee" zu bezeichnen und wie beschrieben zu bewerben. Das Landgericht Köln hatte der Unterlassungsklage des Klägers mit Urteil vom 12.09.2018 stattgegeben. Diese Entscheidung hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln nun mit Urteil vom 21.06.2019 bestätigt.

Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte gesundheitsbezogene Angaben bezüglich eines Lebensmittels gemacht habe, die sie nicht auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen könne. Die Werbung sei so zu verstehen, dass der Tee Probleme, die einer Empfängnis im Wege stünden, lindere und so die Empfängnis ermögliche. Nach der einschlägigen „Health Claims Verordnung“ (Art. 5, 6, 10 HCVO) seien solche gesundheitsbezogenen Angaben jedoch nur zulässig, wenn sie auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise gestützt und dadurch abgesichert seien.
Einen solchen Nachweis hätten die Beklagten aber nicht vorgelegt. Mindestvoraussetzung für einen Nachweis sei, dass die behaupteten Ergebnisse aufgrund von Forschungen und Forschungsergebnissen begründet werden. Die Behauptung von Indikationen oder Wirkweisen ohne Nachweise oder weitere Erörterung, wie diese Ergebnisse zustande gekommen sind, genügten insoweit nicht. Auch die Bezugnahme auf eine „volksmedizinische Verwendung“ stelle keinen wissenschaftlichen
Nachweis dar.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.