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Volltext BGH-Vorlagebeschluss an EuGH liegt vor: Fragen zum urheberrechtlichen Begriff des Pastiches - Kraftwerk gegen Moses Pelham - Metall auf Metall V

BGH
Beschluss vom 14.09.2023
I ZR 74/22
Metall auf Metall V
Richtlinie 2001/29/EG Art. 5 Abs. 3 Buchst. k


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham Fragen zum urheberrechtlichen Begriff des Pastiches vor - Metall auf Metall V über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Schrankenregelung der Nutzung zum Zwecke von Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ein Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand einschließlich des Sampling ? Gelten für den Begriff des Pastiche einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage ?

2. Erfordert die Nutzung "zum Zwecke" eines Pastiche im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG die Feststellung einer Absicht des Nutzers, einen urheberrechtlichen Schutzgegenstand zum Zwecke eines Pastiche zu nutzen oder genügt die Erkennbarkeit des Charakters als Pastiche für denjenigen, dem der in Bezug genommene urheberrechtliche Schutzgegenstand bekannt ist und der das für die Wahrnehmung des Pastiche erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt?

BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH legt EuGH im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham Fragen zum urheberrechtlichen Begriff des Pastiches vor - Metall auf Metall V

BGH
Beschluss vom 14.09.2023
I ZR 74/22
Metall auf Metall V


Der BGH hat dem EuGH in dem Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham Fragen zum urheberrechtlichen Begriff des Pastiches vorgelegt. Der Rechtsstreit ist auch nach 20 Jahren nicht abgeschlossen.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Bundesgerichtshof legt Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum urheberrechtlichen Begriff des Pastiches vor

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Klärung des urheberrechtlichen Begriffs des Pastiches vorzulegen.

Sachverhalt:

Der Kläger zu 1 und der am 21. April 2020 verstorbene frühere Kläger zu 2, dessen Rechtsnachfolgerin die jetzige Klägerin zu 2 ist, waren Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffentlichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahr 1997 erschienenen Tonträgern einspielte. Zur Herstellung des Titels hatten die Beklagten zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt.

Die Kläger sehen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller und das Urheberrecht des Klägers zu 1 verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, Tonträger mit der Aufnahme "Nur mir" herzustellen und in Verkehr zu bringen. Außerdem haben sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung verlangt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 20. November 2008). Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten wiederum zurückgewiesen. Die erneute Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Revisionsurteile und das zweite Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Dieser hat daraufhin dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt, die der Gerichtshof mit Urteil vom 29. Juli 2019 beantwortet hat. Mit dem dritten Revisionsurteil hat der Senat auf die Revision der Beklagten die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts daraufhin dahingehend abgeändert, dass die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Auskunft über die Anzahl der zwischen dem 22. Dezember 2002 und dem 7. Juni 2021 hergestellten und/oder ausgelieferten Tonträger mit Schallaufnahmen des Titels "Nur mir" sowie zur Herausgabe von Vervielfältigungsstücken dieser Tonträger zum Zwecke der Vernichtung verurteilt werden und insoweit ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt wird. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit es hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche ab dem 7. Juni 2021 zum Nachteil der Kläger erkannt hat. Die Kläger verfolgen mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, ihre mit der Klage ab dem 7. Juni 2021 geltend gemachten Ansprüche weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren nunmehr erneut ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgelegt.

Die Revision hat Erfolg, wenn das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen hat, dass die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche ab dem 7. Juni 2021 ausgeschlossen sind, weil die Übernahme der Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" im Wege des Sampling eine nach § 51a Satz 1 UrhG in der ab dem 7. Juni 2021 geltenden Fassung zulässige Nutzung zum Zwecke des Pastiches ist, so dass keine Verletzung der von den Klägern geltend gemachten Leistungsschutzrechte als Tonträgerhersteller oder ausübende Künstler sowie des Urheberrechts des Klägers zu 1 vorliegt. Hierauf kommt es im Streitfall an, weil das Musikstück "Nur mir" die Voraussetzungen einer Karikatur oder Parodie des Musikstücks "Metall auf Metall" mangels Ausdrucks von Humor oder einer Verspottung nicht erfüllt (dazu BGHZ 225, 222 [juris Rn. 63] - Metall auf Metall IV).

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt sich zunächst die Frage, ob die Schrankenregelung der Nutzung zum Zwecke von Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ein Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand einschließlich des Sampling ist und ob für den Begriff des Pastiches einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten. Die Pastiche-Schranke könnte als allgemeine Schranke für die Kunstfreiheit zu verstehen sein, die deshalb notwendig ist, weil der Kunstfreiheit allein durch die immanente Begrenzung des Schutzbereichs der Verwertungsrechte auf eine Nutzung der Werke und Leistungen in wiedererkennbarer Form (vgl. EuGH, GRUR 2019, 929 [juris Rn. 31] - Pelham u.a.) und die übrigen Schrankenregelungen wie insbesondere Parodie, Karikatur und Zitat nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben werden kann. Die hier in Rede stehende Technik des "Elektronischen Kopierens von Audiofragmenten" (Sampling), bei der ein Nutzer einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt und dieses zur Schaffung eines neuen Werks nutzt, ist eine künstlerische Ausdrucksform, die unter die durch Art. 13 EU-Grundrechtecharta geschützte Freiheit der Kunst fällt (EuGH, GRUR 2019, 929 [juris Rn. 35] - Pelham u.a.; zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vgl. BVerfGE 142, 74 [juris Rn. 89]). Die Rechte der Urheber, Tonträgerhersteller und ausübenden Künstler gemäß Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG genießen den Schutz des geistigen Eigentums gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta. Dem Ziel des angemessenen Ausgleichs von Rechten und Interessen trägt der in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene "Drei-Stufen-Test" Rechnung, dessen Voraussetzungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt sind.

Sodann stellt sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die weitere Frage, ob die Nutzung "zum Zwecke" eines Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG die Feststellung einer Absicht des Nutzers erfordert, einen urheberrechtlichen Schutzgegenstand zum Zwecke eines Pastiches zu nutzen oder ob die Erkennbarkeit des Charakters als Pastiche für denjenigen genügt, dem der in Bezug genommene urheberrechtliche Schutzgegenstand bekannt ist und der das für die Wahrnehmung des Pastiches erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 8. Oktober 2004 - 308 O 90/99, juris

OLG Hamburg - Urteil vom 7. Juni 2006 - 5 U 48/05, GRUR-RR 2007, 3

BGH - Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 - Metall auf Metall I

OLG Hamburg - Urteil vom 17. August 2011 - 5 U 48/05, GRUR 2011, 396

BGH - Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11, GRUR 2013, 614 = WRP 2013, 804 - Metall auf Metall II

BVerfG - Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13, BVerfGE 142, 74

BGH - Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 115/16, GRUR 2017, 895 = WRP 2017, 1114 - Metall auf Metall III

EuGH - Urteil vom 29. Juli 2019 - C-476/17, GRUR 2019, 929 = WRP 2019, 1156 - Pelham u.a.

BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16, BGHZ 225, 222 - Metall auf Metall IV

OLG Hamburg - Urteil vom 22. April 2022 - 5 U 48/05, GRUR 2022, 1217

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 51a UrhG (Karikatur, Parodie und Pastiche):

Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. Die Befugnis nach Satz 1 umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Art. 2 Buchst. c Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten sehen für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 5 Abs. 3 Buchst. k und Abs. 5 Richtlinie 2001/29/EG:

(3) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte vorsehen: (…)

k) für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches; (…)

(5) Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.

Art. 13 EU-Grundrechtecharta (Freiheit von Kunst und Wissenschaft):

Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.

Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta (Eigentumsrecht)

Geistiges Eigentum wird geschützt.

AG Rheine: Weicht DJ auf Hochzeit von Musikvorgaben des Auftraggebers ab rechtfertigt dies Minderung des Entgelts wegen Mängel in der Erfüllung

AG Rheine
Urteil vom 13.09.2022
10 C 191/21

Das AG Rheine hat entschieden, dass, wenn ein DJ auf einer Hochzeitsfeier von den Musikvorgaben des Auftraggebers abweicht, dies eine Minderung des Entgelts (hier: 30 %) wegen Mängel in der Erfüllung rechtfertigt.

Der Kläger wurde von dem Beklagten beauftragt, für dessen Hochzeitsfeier am 27.08.2021 im XXX in XXX, insbesondere als DJ mit verschiedenen Aufgaben zu fungieren.

Der Kläger hat bezüglich seiner Leistung ein Angebot gemacht, welches unstreitig von dem Beklagten angenommen worden war.

Vorliegend ist von einem Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB auszugehen. Dieser kann vorliegen, wenn der Beauftragte eine ihm zurechenbare Leistung erbringt und sich dabei in einem von den Vertragsparteien vorgegebenen Rahmen bewegt. Dies erfordert, dass der Beauftragte gewisse gestalterische Freiheiten haben muss, mit denen er sich in dem vorgegebenen Rahmen frei bewegen kann. Als DJ und Moderator war der Kläger insbesondere mit dem Abspielen der Musik beauftragt. Dabei hatte er - eingeschränkt bzw. ergänzt durch Wünsche der Gäste (Wunschkarten) und Musikwunsch list des Brautpaars - einen freien Gestaltungsspielraum. Auch die Moderation (z:B. Brautstraußwerfen, Eröffnung des Buffets etc. ) war zwar im Groben besprochen, letztlich aber verblieb ein erheblicher freier Rahmen, in dem der Kläger sich frei bewegen konnte.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger teilweise hinsichtlich seiner Aufgabe als „erfahrener Hochzeits-DJs und Moderator“ nicht vereinbarungsgemäß und damit mangelhaft nachgekommen ist.

Hierzu wie folgt im Einzelnen: Ausweislich der Rechnung des Klägers hat er eine Musikanlage für bis zu 150 Personen auf- und abgebaut und während der Hochzeitsfeier betrieben. Dafür hat er einen Betrag von 300,00 € in Rechnung gestellt. Das DJ-Honorar für 8 Stunden Engagement als „erfahrener Hochzeits-DJ und Moderator von 18:00 Uhr bis 4:00 Uhr“ hat er mit 530,00 €, zudem 65,00 € als „DJ-Honorarfolgestunden“ plus Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Er macht weiter einen Transportkostenanteil i.H.v. 45,00 € geltend und für das Aufstellen der Fotoboxen 250,00 € und für den Betrieb einer Musikanlage für den Außenbereich weitere 150,00 € jeweils plus Mehrwertsteuer geltend.

Unstreitig gehörte es auch zur Aufgabe des Klägers, von ihm entworfene Musikwunschkarten zu verteilen. Die Hochzeitsgäste sollten darin ihre Musikwünsche vermerken und der Kläger sollte sie dementsprechend bei der Musikauswahl berücksichtigen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger Musikwunschkarten ausgeteilt hat. Der Zeuge XXX gab diesbezüglich an, er habe die Musikwunschkarten auf den Esstischen der Hochzeitsgäste verteilt. Nach Aufforderung der Braut, der Zeugin XXX, habe er diese wieder eingesammelt. Die Zeugin XXX gab diesbezüglich an, die Musikwunschkarten seien erst nach Aufforderung verteilt worden, jedoch lediglich auf der Theke und nicht wie vorher abgesprochen auf den Tischen der Hochzeitsgesellschaft. Unabhängig von dem Ablageplatz der Musikwunschkarten ist jedenfalls festzustellen, dass Musikwunschkarten ausgeteilt und damit von den Hochzeitsgästen zwecks schriftlicher Niederlegung ihrer Musikwünsche auch genutzt werden konnten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zudem fest, dass die Auswahl der Musik durch den Kläger zu einem Gewissen Unmut zumindest bei Teilen der Hochzeitsgesellschaft geführt hat. So berichtete der Zeuge XXX, er sei von mehreren Gästen angesprochen worden, die sich über die Musikauswahl insbesondere die einseitige wenig abwechslungsreiche Musik beschwert hätten. Des Weiteren gab der Zeuge XXX an, er sei mehrfach zu dem Kläger gegangen, um als Gast für sich und auch für andere weitere Gäste Musikwünsche zu äußern. Dabei habe es sich um durchaus gängige Schlager etc. gehandelt. Dies habe jedoch bei der Auswahl des Klägers keine Berücksichtigung gefunden. Er habe angegeben, diese Musikwünsche nicht vorrätig zu haben.

Unstreitig ist, dass der Kläger die Eröffnung des Buffets anmoderieren sollte. Dabei ist er auch unstreitig von der ursprünglich vereinbarten Reihenfolge abgewichen. Nicht der Brauttisch, insbesondere das Brautpaar, hat das Buffet eröffnet, sondern ein anderer Tisch. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich nicht aufklären, ob das bewusste Verlassen der ursprünglich vereinbarten Reihenfolge durch den Kläger auf einem Missverständnis informatorischer Art beruhte. So gab der Zeuge XXX an, er sei zur Braut begangen, welche nicht am Hochzeitstisch gesessen habe und habe geäußert, nunmehr solle das Buffet eröffnet werden. Diese habe ihm gegenüber sinngemäß mitgeteilt, es solle ein anderer Tisch das Buffet eröffnen. Dem widerspricht die Braut, die Zeugin XXX vehement.

Wichtige und durchaus vordergründige Aufgabe des Klägers, der sich selbst als „erfahrender Hochzeits-DJ und Moderator“ bezeichnet, war es, für einen reibungslosen und harmonischen Ablauf und soweit ihm möglich für eine gute Stimmung unter allen Hochzeitsgästen Sorge zu tragen. Nach dem im Rahmen der Beweisaufnahme gehörten Zeugen ist ihm dies offensichtlich nur teilweise gelungen. Allerdings ist es erfahrungsgemäß häufig schwierig und auch von den vor Ort gegebenen Umständen bzw. Teilnehmern abhängig, ob dies gelingen kann oder nicht. Präzisierbar und vorwerfbar war jedoch das Vorgehen des Klägers hinsichtlich der Auswahl der Musik. Insoweit hat insbesondere der Zeuge XXX nachvollziehbar und plausibel geschildert, dass Musikwünsche der Gäste keine Berücksichtigung gefunden haben. Dabei ist sicherlich grundsätzlich von einem erfahrenen DJ zu erwarten, dass er ein umfangreiches Repertoire an Musikdateien bei sich führt. Sollte der ein oder andere gewünschte Titel nicht vorrätig sein, wäre es sicherlich dem DJs zuzumuten, vergleichbare ähnliche aus demselben Genre stammende Musikwünsche zu realisieren.

Der Unmut mehrerer Hochzeitsgäste konnte dem Kläger auch nicht verborgen bleiben. Gerade als der von ihm selbst beschriebene „erfahrene Hochzeits-DJ und Moderator“ wäre er gegebenenfalls gehalten gewesen, Rücksprache mit dem Brautpaar zu nehmen, um diesbezüglich eine Optimierung zu erreichen.

Dieser Maßstab muss auch gelten hinsichtlich der Veränderung der ursprünglich vereinbarten Reihenfolge der Eröffnung des Buffets. Die Eröffnung des Buffets auf einer Hochzeit ist – wie es dem Kläger sicherlich überaus geläufig sein dürfte – grundsätzlich dem Brautpaar vorbehalten. Eine Abweichung davon stellt eine erhebliche Abkehr dieser Tradition dar. Lediglich auf Zuruf seines als Assistenten eingesetzten Mitarbeiters des Zeugen XXX, diese doch recht weit reichende Maßnahme durchzuführen, erfüllt nicht den Maßstab, den man an einen erfahrenen Hochzeits-Moderator stellen darf. Der Kläger hätte in der Situation persönlich Rücksprache mit der Braut nehmen müssen (oder dem Bräutigam) um sich nochmals zu vergewissern, dass diese tatsächlich eine Abänderung der Reihenfolge wünschten.

Weitergehende Mängel in der Erfüllung des dem Kläger obliegenden Vertrages sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festzustellen. So hat sich herausgestellt, dass der Zeugen XXX nicht, wie ursprünglich behauptet, durch den Beklagten von seiner Rede abgehalten worden war. Der weitergehende Vortrag, dem Zeugen sei aber das Halten der Rede durch den Kläger erschwert worden, ist mangels Substanz unbeachtlich.

Letztendlich konnte es dahinstehen, ob es auch Aufgabe des Klägers war, dass Brautstraußwerfen zu moderieren. Unstreitig ist erst im Nachhinein auch dem Brautpaar aufgefallen, dass ein Brautstraußwerfen nicht stattgefunden hat. Hätten sie darauf (gesteigerten) Wert gelegt, wäre es an ihnen gewesen, den Kläger diesbezüglich im Laufe der Hochzeitsfeier (schon aufgrund der ihnen obliegenden Schadensminderungspflicht) anzuhalten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zudem fest, dass der Kläger, wie vertragsmäßig geschuldet, eine Außenmusikanlage installiert und betrieben hat. Es kann als wahr unterstellt werden, dass diese zeitweise – insbesondere nach den Maßgaben des Wirtes, des Zeugen XXX – zu laut eingestellt war. Dies bestätigte auch der Zeuge XXX. Im Übrigen gab er aber an, dass er persönlich mit dem Kläger gesprochen und darauf hingewiesen habe, dass er bei erneuter Überschreitung der zulässigen Lautstärke für ein Abschalten der Anlage sorgen werde. Danach sei die Anlage im eingeschalteten Betrieb mit akzeptabler Lautstärke weiter betrieben worden. Das vorübergehende gegebenenfalls auch mehrfach erfolgte Überschreiten der zulässigen Lautstärke stellt keine relevante Schlechtleistung dar.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger entgegen vorheriger Vereinbarung Familienmitglieder und Trauzeugen auf die Tanzfläche gerufen hat. Die Zeugin XXX hat diesbezüglich nachvollziehbar und glaubhaft die Hintergründe für eine derartige Vereinbarung geschildert. Ein Verstoß dagegen wäre sicherlich ärgerlich, gegebenenfalls auch unangenehm, stellt jedoch keinen gravierenden Verstoß gegen die dem Kläger obliegenden Verpflichtungen dar und ist somit im Rahmen der Anspruchsbemessung nicht zu berücksichtigen.

Ausgehend von der oben näher dargelegten, teilweise mangelhaften Leistung des Klägers, erschien es angemessen, insoweit sein Honorar zu kürzen. Ausweislich der Rechnung beinhaltete dieser Teil der Leistung einen Betrag von 530,00 € „DJ-Honorar, Grundpauschale, 8 Stunden Engagement“ sowie für die Folgestunden weitere 65 € plus Mehrwertsteuer, mithin ein Gesamtbetrag von 708,05 €. Insgesamt erschien es angemessen, eine Reduzierung des insoweit in Rechnung gestellten Lohns von 30 % zu berücksichtigen.

Dies führte nach Abzug der bereits gezahlten 785,40 € zu einem noch zu zahlenden Betrag von 596,79 € (plus Zinsen).

Die Hilfsaufrechnung bzw. Hilfswiderklage sind nicht begründet. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger Veränderungen an der von dem Zeugen XXX eingestellten und von ihm zur Verfügung gestellten Lichtanlage vorgenommen hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen. Selbst wenn der Beklagte für die zur Verfügung stehende Ambiente Beleuchtung einen Betrag von 180,00 € bezahlt hat und auch in Abstimmung mit der weiter für 170,00 € gestellten weißen Deko-Rosen den Farbton Violett bzw. Magenta gewählt hat, wäre eine (vorübergehende) Veränderung dieser Ambiente Beleuchtung durch den Kläger kein Ersatzansprüche auslösendes Schadensereignis. Auch in diesem Punkt wäre zudem der Beklagte (oder die Zeugin XXX) gehalten gewesen, vor Ort den Kläger aufzufordern, die Veränderung der Ambientebeleuchtung zu unterlassen.

Unstreitig hat der Kläger den Wurfstrauß mitgenommen. Der von dem Beklagten insoweit bezifferte Schaden von 7,50 € ist mangels Substantiiertheit nicht zu berücksichtigen. Es blieb vollkommen offen, worauf sich eine derartige Schadensbemessung ergibt. Anhaltspunkte, die eine Schadensbeurteilung ermöglichen würden, wurden ebenfalls nicht mitgeteilt.

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers war auch nicht um die von dem Beklagten gezahlte Pauschale für seinen Gehilfen zu reduzieren. Die Behauptung des Beklagten, die Anwesenheit des Mitarbeiters des Klägers sei objektiv nicht erforderlich gewesen, er habe keinerlei Tätigkeiten verübt, wurde nicht unter Beweis gestellt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung des Zeugen XXX entsteht jedoch der Eindruck, dass dieser durchaus Aufgaben - wie auch von den Kläger behauptet – zu erfüllen hatte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Stuttgart: Zum Urheberrechtsschutz von Liedtexten - banale Textzeilen aus allgemeinen sprachlichen Begriffen ohne besondere Originalität und ohne Schöpfungshöhe nicht geschützt

OLG Stuttgart
Urteil vom 28.10.2020 und Berichtigungsbeschluss vom 17.03.2021
4 U 656/19
Geburtstagslied

Das OLG Stuttgart hat zum Urheberrechtsschutz von Liedtexten befasst und entschieden, dass banale Textzeilen aus allgemeinen sprachlichen Begriffen ohne besondere Originalität und ohne Schöpfungshöhe nicht urheberrechtlich geschützt sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die - wenn auch mehrfache (dreifache) - Übernahme der Worte „zum Geburtstag“ aus dem vom Vater der Beklagten erstellten Liedtext-Version „Zum Geburtstag viel Glück“ kann danach ein etwaiges diesem erwachsenes Bearbeiter-Urheberrecht an dem Liedtext von „Zum Geburtstag viel Glück ...“ nicht verletzen, weil die allein übernommenen Worte „zum Geburtstag“ kein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG schutzfähiges Sprachwerk darstellen und auch keinen Schutz als Übersetzung (§ 3 Satz 1 UrhG) genießen:

(1) Als Liedtext sind die allein übernommenen Worte „Zum Geburtstag“ nicht schutzfähig:

(a) Zwar sind an die Schutzfähigkeit von Liedtexten nur geringe Anforderungen zu stellen, so dass bspw. auch der dreizeilige banale Text eines Schlager-Refrains als sog. „kleine Münze“ noch Urheberrechtsschutz genießen kann (BGH GRUR 1991, 531 - Brown Girl I; Dreier/Schulze, a.a.O., § 2 Rn. 87). Banale Textzeilen, solche, bei denen es sich um allgemein sprachliche Begriffe ohne besondere Originalität oder Schöpfungshöhe handelt oder ganz kurze Textteile einzelner Lieder bleiben jedoch schutzlos. So hat die Rechtsprechung die Schutzfähigkeit verneint für die Liedtextteile „No where to wash my clothes. Remember one Saturday night, fried Fish and Johnny cake.“ (BGH, a.a.O., 532); „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn“ (OLG Düsseldorf GRUR 1978, 640, 641), „Alles ist gut so lange Du wild bist“ (OLG Hamburg ZUM-RD 2010, 467 juris Rn. 5), „Tausend mal berührt, tausend Mal ist nix passiert“ (LG Frankfurt a. M. GRUR 1996, 125); „Samba – hai que – Samba de Janeiro“ (OLG Hamburg ZUM 1998, 1041).

Die Regel, dass sehr kleine Teile eines Sprachwerkes wie einzelne Wörter oder knappe Wortfolgen für sich genommen nicht hinreichend individuell und damit nicht schutzfähig sein werden (BGH GRUR 2011, 134 Rn. 54 - Perlentaucher), gilt auch für Liedtextteile (BGH, Beschl. v. 18.10.2012, I ZA 2/12, ZUM-RD 2013, 241 Rn. 8; OLG Hamburg ZUM-RD 2010, 467 juris Rn. 5).

(b) Nach diesen Maßstäben sind die von der Klägerin allein dem Lied „Zum Geburtstag viel Glück“ entnommenen Worte „Zum Geburtstag“ als knappe Wortfolge aus lediglich zwei Worten nicht geschützt. Es handelt sich um allgemein sprachliche Begriffe ohne besondere Originalität oder Schöpfungshöhe. In den Worten „Zum Geburtstag“ allein kommt auch kein mit Mitteln der Sprache ausgedrückter Gedanken- und / oder Gefühlsinhalt zum Ausdruck (zu diesem Kriterium etwa OLG Hamburg ZUM-RD 2010, 467 Rn. 5). An der fehlenden Schutzfähigkeit der von der Klägerin dem Liedtext „Zum Geburtstag viel Glück“ entlehnten Teile ändert sich auch nichts dadurch, dass die Worte „Zum Geburtstag“ mehrfach wiederholt werden, denn ein wiederholter Textteil ist nicht allein aufgrund der Wiederholung schutzfähig (OLG Hamburg ZUM 1998, 1041 juris Rn. 12, 20).

(2) An der fehlenden Schutzfähigkeit der aus dem vom Vater der Beklagten geschaffenen Text allein in den Werbespot übernommenen Worte „Zum Geburtstag“ ändert sich auch nichts dadurch, dass der vom Vater der Beklagten geschaffene Text des Liedes „Zum Geburtstag viel Glück“ (also: „Zum Geburtstag viel Glück! Zum Geburtstag viel Glück! Zum Geburtstag, liebe(r) N. N., zum Geburtstag viel Glück!“) eine Übersetzung des englischen Originaltextes „Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday, dear …, happy birthday to you“ darstellt.

(a) Auch die Übersetzung ist nur dann als selbständiges Werk geschützt, wenn sie die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk erfüllt, also für sich genommen eine persönliche geistige Schöpfung darstellt (BGH GRUR 2000, 144 – Comic-Übersetzungen II Wandtke/Bullinger-Bullinger, a.a.O., § 3 Rn. 6 m.w.N.). Bei Übersetzungen urheberrechtlich geschützter Sprachwerke ist dies i.d.R. der Fall (BGH, ebenda; Bullinger, a.a.O., § 3 Rn. 7). Eine persönliche geistige Schöpfung setzt jedenfalls voraus, dass die Übersetzung Einfühlungsvermögen und stilistische Fähigkeiten erfordert und damit den individuellen Geist des Übersetzers zum Ausdruck bringt, während eine solche auch bei Übersetzungen bei rein handwerklicher Tätigkeit nicht vorliegt (OLG Zweibrücken GRUR 1997, 363 – Jüdische Friedhöfe BeckOK UrhR / Ahlberg, 28. Edition (20.04.2018), § 3 UrhG Rn. 15 m.w.N.; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 3 Rn. 22). Der Bereich der „kleinen Münze“ muss jedenfalls erreicht sein (BGH GRUR 2000, 144, 145 – Comic-Texte II), so dass routinemäßige Übersetzungen oder solche, bei denen der Urheber keinen eigenen Spielraum hat, keine schutzfähige Bearbeitung i. S. v. § 3 Satz 1 UrhG darstellen (Loewenheim, ebenda; OLG München ZUM 2004, 845, 847).

(b) Danach mag die Übersetzung des Liedtextes insgesamt geschützt sein, weil sie sich – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – nicht auf eine exakte wörtliche Übersetzung beschränkt, da der Vater der Beklagten „happy birthday to you“ nicht mit „glücklicher (oder fröhlicher) Geburtstag für Dich“ übersetzt hat, sondern nicht völlig inhaltsgleich mit „Zum Geburtstag viel Glück“. Es mag eine ausreichende schöpferische Leistung zu bejahen sein, weil in der freieren Übersetzung von „happy“ mit „viel Glück“ Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse und Üblichkeiten der deutschen Sprache zum Ausdruck kommt, weil man „happy birthday to you“ auch mit „Alles Gute zum Geburtstag“ (so der Übersetzungsvorschlag bei „google translate“) hätte übersetzen können, so dass zugunsten der Beklagten anzunehmen ist, dass für ihren Vater ein Spielraum bei der Übersetzung bestand, den er auch genutzt hat, und weil die Wendung „viel Glück“ eher in die Zukunft bezogen sein mag, während mit dem englischen „happy birthday“ der Geburtstag selbst gemeint sein mag (vgl. LGU S. 9 Abs. 1). Doch ist eine darin liegende schöpferische Leistung des Vaters der Beklagten als Übersetzer von der Klägerin in ihren Werbespot gerade nicht übernommen worden, weil sie in diesen allein die Worte „Zum Geburtstag“ und nicht auch die Worte „viel Glück“ übernommen hat. Wie oben unter aa) dargestellt, gilt für Übersetzungen wie auch für alle anderen (auch Bearbeitungs-) Werke, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wenn lediglich ein schutzunfähiger Teil übernommen wird. Die Worte „Zum Geburtstag“ sind jedoch – auch als Übersetzung von „birthday (to you)“ – für sich genommen nicht schutzfähig.

cc) Die Frage der Schutzfähigkeit des entlehnten Textteils „Zum Geburtstag“ vermag der Senat auch aus eigener Sachkunde zu beurteilen. Für Sprachwerke und damit auch Liedtexte gilt nicht der für Werke der Musik vom Bundesgerichtshof (siehe BGH GRUR 2015, 1189 Rn. 64 - Goldrapper) entwickelte Grundsatz, dass für eine tatrichterliche Würdigung im Regelfall die Hilfe eines Sachverständigen unerlässlich sei (BGH GRUR 2015, 1189 Rn. 64 - Goldrapper). Insbesondere bei nur aus einzelnen Wörtern oder knappen Wortfolgen und bei alltäglichen Texten bzw. Textteilen kann die Schutzfähigkeit von einer Urheberrechtskammer oder einem Urheberrechtssenat – wie dem erkennenden Senat - aus eigener Sachkunde beurteilt werden (siehe BGH ZUM-RD 2013, 241 Rn. 9; OLG München ZUM 2004, 845, 847; OLG Hamburg ZUM-RD 2016, 576, 603 f.; OLG Frankfurt ZUM 1995, 795).

Daran ändert auch das von der Beklagten vorgelegte private „Kurzgutachten“ (Anl. B 4, Bl. 46) nichts, denn dieses enthält keinerlei Begründung dafür, warum die übernommenen Worte „Zum Geburtstag“ für sich schutzfähig sein sollen. Ein derartiges Gutachten bedarf aber einer überprüfbaren Begründung (BGH GRUR 1988, 812, 814 – Ein bisschen Frieden). Auch das in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Beklagten vorgelegte Schreiben des Herrn Dx vom Musikwissenschaftlichen Dienst der GEMA vom 07.06.2005 besagt lediglich, dass der Titel „Zum Geburtstag viel Glück“ in der GEMA-Datenbank als Bearbeitung der freien Melodie und für den Text als Neutext als geschütztes Werk registriert ist, verhält sich also bereits nicht zur Frage der Schutzfähigkeit der Worte „Zum Geburtstag“.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Europäische Verwertungsgesellschaften müssen Künstlern außerhalb des EWR die gleiche Vergütung wie Künstlern aus Mitgliedstaaten zahlen

EuGH
Urteil vom 18.09.2020
C-265/19
Recorded Artists Performers Limited / Attorney General u. a.


Der EuGH hat entschieden, dass die europäische Verwertungsgesellschaften Künstlern außerhalb des EWR die gleiche Vergütung wie Künstlern aus Mitgliedstaaten zahlen müssen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Das Unionsrecht steht dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat Künstler, die die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzen, der nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehört, vom Anspruch auf eine einzige angemessene
Vergütung für die Wiedergabe aufgenommener Musik ausschließt

Die Recorded Artists Actors Performers Ltd (RAAP) und die Phonographic Performance (Ireland) Ltd (PPI) sind Verwertungsgesellschaften. RAAP nimmt die Rechte von ausübenden Künstlern wahr, PPI die Rechte von Tonträgerherstellern. Die beiden Verwertungsgesellschaften haben einen Vertrag geschlossen, in dem geregelt ist, wie die Vergütung, die in Irland für die öffentliche Wiedergabe in Kneipen und an anderen öffentlich zugänglichen Orten oder für die Funksendung aufgenommener Musik zu zahlen ist, nachdem sie von den Nutzern an PPI gezahlt worden ist, auf den Tonträgerhersteller und die ausübenden Künstler aufzuteilen und hierzu teilweise von PPI an RAAP weiterzuleiten ist. Streitig ist, inwieweit der Vertrag auf an PPI gezahlte Vergütungen Anwendung findet, wenn der betreffende ausübende Künstler weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats des Europäischen irtschaftsraums (EWR) besitzt noch sich in einem solchen Staat aufhält.

RAAP meint, die Vergütung müsse immer aufgeteilt werden, unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsort des ausübenden Künstlers. Folgte man dem Standpunkt von RAAP, würden ausübende Künstler aus Drittstaaten in Irland stets eine Vergütung erhalten. PPI meint, dies gehe nicht an, da irische ausübende Künstler in Drittstaaten keine angemessene Vergütung erhielten. PPI beruft sich insoweit auf das irische Recht.

In seinem Urteil vom 8. September 2020 entscheidet der Gerichtshof, dass die Richtlinie 2006/1151 bei der Nutzung von Tonträgern in der Union dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat von den Künstlern, die Anspruch auf die einzige angemessene Vergütung haben, die Künstler ausschließt, die die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzen, der
nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehört. Er entscheidet außerdem, dass von Drittstaaten gemäß dem Vertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über Darbietungen und Tonträger (WPPT) notifizierte Vorbehalte als solche den Anspruch der Künstler der betreffenden Drittstaaten auf eine einzige angemessene Vergütung in der Union nicht einschränken.

Zwar können solche Einschränkungen unter der Voraussetzung, dass sie im Einklang mit dem durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) geschützten Recht des geistigen Eigentums stehen, vom Unionsgesetzgeber eingeführt werden. Die Richtlinie 2006/115 enthält aber keine solche Einschränkung und steht daher dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat den Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung bei ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzen, einschränkt. Der Gerichtshof entscheidet schließlich, dass die Richtlinie 2006/115 auch dem entgegensteht, dass nur der Tonträgerhersteller eine Vergütung erhält, ohne sie mit dem ausübenden Künstler, der einen Beitrag zu dem Tonträger erbracht hat, teilen zu müssen.

Zur Begründung seiner Entscheidung stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass der Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung im Unionsrecht die Anwendung des WPPT sicherstellt und vom nationalen Gesetzgeber nicht den Personen vorbehalten werden darf, die die Staatsangehörigkeit eines EWR-Mitgliedstaats besitzen.

Der Gerichtshof führt hierzu weiter aus, dass die Richtlinie 2006/115, die bei dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten ein Recht mit Entschädigungscharakter verleiht, die Verpflichtung vorsieht, eine Vergütung zu gewährleisten, die angemessen ist und auf den Tonträgerhersteller und den ausübenden Künstler aufgeteilt wird. Diese Verpflichtung kommt zum Tragen, wenn die Nutzung des Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks in der Union erfolgt. Die Richtlinie 2006/115 verlangt aber nicht, dass der ausübende Künstler oder der Tonträgerhersteller die
Staatsangehörigkeit eines EWR-Staats besitzt oder dass er auf eine andere Weise einen Bezug zum EWR hat, etwa, weil er dort seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat oder die schöpferische oder künstlerische Arbeit dort ausgeführt worden ist.

Vielmehr gebieten der systematische Zusammenhang und die Ziele der Richtlinie 2006/115 sowie der Vorrang der von der Union geschlossenen internationalen Übereinkünfte, die Richtlinie 2006/115 nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit dem WPPT auszulegen. Diese internationale Übereinkunft, die einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung bildet, verpflichtet die Union und ihre Mitgliedstaaten grundsätzlich dazu, den Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung auch den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern zuzuerkennen, die die
Staatsangehörigkeit anderer Vertragsparteien des WPPT besitzen.

Als Zweites stellt der Gerichtshof fest, dass von Drittstaaten gemäß dem WPPT notifizierte Vorbehalte als solche in der Union bei den Personen, die die Staatsangehörigkeit der betreffenden Drittstaaten besitzen, nicht zu Einschränkungen des Anspruchs auf eine einzige angemessene Vergütung führen. Nach dem im Wiener Übereinkommen verbürgten Grundsatz der Gegenseitigkeit sind die Union und ihre Mitgliedstaaten zwar nicht verpflichtet, den Anspruch auf
eine einzige angemessene Vergütung unbeschränkt zuzuerkennen. Die Notwendigkeit, angemessene Bedingungen für die Teilnahme am Handel mit aufgezeichneten Tonträgern zu erhalten, kann durchaus eine Einschränkung des Anspruchs auf eine einzige angemessene Vergütung rechtfertigen.

Dieses dem Urheberrecht verwandte Schutzrecht stellt aber ein Recht des geistigen Eigentums dar, das durch die Charta geschützt ist. Folglich muss nach den Bestimmungen der Charta jede Einschränkung der Ausübung dieses Rechts gesetzlich klar und genau vorgesehen sein. Das bloße Bestehen eines Vorbehalts gemäß dem WPPT genügt insoweit nicht. Deshalb ist es allein Sache des Unionsgesetzgebers, der in diesem Bereich über die ausschließliche Außenkompetenz verfügt, über eine solche Einschränkung zu entscheiden.

Als Drittes stellt der Gerichtshof fest, dass sich bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie 2006/115 ergibt, dass sowohl die ausübenden Künstler als auch die Tonträgerhersteller Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung haben, da diese auf sie „aufzuteilen“ ist. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 steht daher dem entgegen, dass das Recht eines Mitgliedstaats den ausübenden Künstler von einer einzigen angemessenen Vergütung ausschließt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Volltext BGH liegt vor: Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham an OLG Hamburg zurückverwiesen - Entnahme von zwei Takten einer Rhythmussequenz - Metall auf Metall IV

BGH
Urteil vom 30.04.2020
I ZR 115/16
Metall auf Metall IV
Richtlinie 2001/29/EG Art. 2 Buchst. c, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Buchst. d, i und k, Art. 8 Abs. 1; Richtlinie 2006/115/EG Art. 9 Abs. 1 Buchst. b; UrhG § 16, § 17, § 24, § 51, § 57, § 63, § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 und 2, § 96 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham an OLG Hamburg zurückverwiesen - Metall auf Metall - Entnahme von zwei Takten einer Rhythmussequenz aus dem Tonträger" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Die Übernahme eines im Wege des elektronischen Kopierens (Sampling) entnommenen Audiofragments in ein neues Werk stellt eine Vervielfältigung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG und des nach dieser Vorschrift richtlinienkonform auszulegenden § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG dar, wenn das Audiofragment nach dem Hörverständnis eines durchschnittlichen Musikhörers in wiedererkennbarer Form übernommen wird.

b) Das Vervielfältigungsrecht des Tonträgerherstellers gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG kann durch das Recht zur freien Benutzung nach dem mit Blick auf die Richtlinie 2001/29/EG richtlinienkonform auszulegenden § 24 Abs. 1 UrhG nureingeschränkt werden, sofern die Voraussetzungen einer der in Art. 5 dieser Richtlinie in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers aus Art. 2 Buchst. c dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen erfüllt sind.

c) Der deutsche Gesetzgeber hat von der in Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Möglichkeit, eine eigenständige Schrankenregelung für die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zum Zwecke von Pastiches vorzusehen, keinen Gebrauch gemacht.

d) Der in den Richtlinien 2001/29/EG und 2006/115/EG vorgesehene Inhalt der Verwertungsrechte determiniert auch die im Falle ihrer Verletzung zu untersagenden Handlungsmodalitäten. Ist allein das in Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG und § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG vorgesehene Vervielfältigungsrecht verletzt, das dem Inhaber die Handlungsmodalitäten der unmittelbaren oder mittelbaren, vorübergehenden oder dauerhaften, auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise erfolgenden Vervielfältigung vorbehält, so darf dieser Schutz nicht über eine Anwendung des § 96 Abs. 1 UrhG in den Bereich von Handlungsmodalitäten ausgedehnt werden, die anderen Verwertungsrechten (im Streitfall: dem Verbreitungsrecht gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) vorbehalten sind.

e) Hebt das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung über eine Urteilsverfassungsbeschwerde neben Revisionsurteilen auch ein vorangegangenes Berufungsurteil auf, ohne die aufhebende Wirkung dieses Ausspruchs zu beschränken, erstreckt sich die Aufhebung auch auf die in diesem Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, auf die deshalb im wiedereröffneten Revisionsverfahren nicht zurückgegriffen werden kann.

BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham an OLG Hamburg zurückverwiesen - Metall auf Metall - Entnahme von zwei Takten einer Rhythmussequenz aus dem Tonträger

BGH
Urteil vom 30.04.2020
I ZR 115/16
Metall auf Metall IV


Der BGH hat in dem Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham erneut keine abschließende Entscheidung getroffen und die Sache an das OLG Hamburg zurückverwiesen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über Rechtswidrigkeit des Tonträger-Samplings

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen Rechte des Tonträgerherstellers durch Sampling verletzt werden.

Sachverhalt:

Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffentlichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahr 1997 erschienenen Tonträgern einspielte. Zur Herstellung des Titels hatten die Beklagten zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt.

Die Kläger sehen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, Tonträger mit der Aufnahme "Nur mir" herzustellen und in Verkehr zu bringen. Außerdem haben sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung verlangt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 20. November 2008). Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten wiederum zurückgewiesen. Die erneute Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Revisionsurteile und das zweite Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Dieser hat daraufhin dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt, die der Gerichtshof mit Urteil vom 29. Juli 2019 beantwortet hat.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Nunmehr hat der Bundesgerichtshof das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung können die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche weder in Bezug auf ein Herstellen noch in Bezug auf ein Inverkehrbringen von Tonträgern zugesprochen werden.

1. Hinsichtlich des Herstellens ist eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts der Kläger als Tonträgerhersteller gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG zu prüfen. Insoweit ist im Blick darauf, dass die Richtlinie 2001/29/EG, die in Art. 2 Buchst. c das Vervielfältigungsrecht für Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger sowie in Art. 5 Abs. 2 und 3 Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf dieses Recht regelt, nach ihrem Art. 10 auf Nutzungshandlungen ab dem 22. Dezember 2002 anwendbar ist, zwischen dem Herstellen von Tonträgern mit der Aufnahme "Nur mir" vor dem 22. Dezember 2002 und ab dem vorgenannten Datum zu unterscheiden.

a) Für Vervielfältigungshandlungen vor dem 22. Dezember 2002 lässt sich eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts der Kläger als Tonträgerhersteller gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG auf der Grundlage der im ersten Berufungsurteil getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Infolge der Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht kommt eine Berücksichtigung der Feststellungen im zweiten Berufungsurteil nicht in Betracht. Der Senat hat allerdings in seinen Hinweisen für das neue Berufungsverfahren erkennen lassen, dass das Vervielfältigungsrecht der Kläger nicht verletzt sein dürfte, weil naheliegt, dass sich die Beklagten auf eine freie Benutzung im Sinne des hier entsprechend anwendbaren § 24 UrhG berufen können. Sie dürften mit dem Musikstück "Nur mir" ein selbständiges Werk im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG geschaffen haben. Da es sich bei der von den Beklagten entnommenen Rhythmussequenz nicht um eine Melodie im Sinne des § 24 Abs. 2 UrhG handeln dürfte und eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt, dürften die Voraussetzungen einer freien Benutzung gegeben sein. Im Hinblick darauf, dass es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dem künstlerischen Schaffensprozess nicht hinreichend Rechnung tragen würde, wenn die Zulässigkeit der Verwendung von gleichwertig nachspielbaren Samples eines Tonträgers generell von der Erlaubnis des Tonträgerherstellers abhängig gemacht würde, hält der Senat nicht an seiner Auffassung fest, dass eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ausscheidet, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen.

b) Für Vervielfältigungshandlungen ab dem 22. Dezember 2002 kommt hingegen eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts der Kläger in Betracht.

aa) Seit diesem Zeitpunkt ist das in § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG geregelte Recht des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung des Tonträgers mit Blick auf Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG richtlinienkonform auszulegen. Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG stellt eine Maßnahme zur vollständigen Harmonisierung des materiellen Gehalts des in ihr geregelten Rechts dar, die den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum überlässt, sondern zwingende Vorgaben macht, so dass die diese Vorschrift umsetzende Bestimmung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein am Unionsrecht und damit auch an den durch das Unionsrecht gewährleisteten Grundrechten zu messen ist. Nach der auf Vorlage des Senats ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Vervielfältigung eines - auch nur sehr kurzen - Audiofragments eines Tonträgers durch einen Nutzer grundsätzlich als eine teilweise Vervielfältigung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG anzusehen. Diese Auslegung entspricht dem Ziel der Richtlinie, ein hohes Schutzniveau für das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte zu erreichen und die beträchtlichen Investitionen zu schützen, die Tonträgerhersteller tätigen müssen, um Produkte wie Tonträger anbieten zu können. Eine Vervielfältigung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch nicht vor, wenn ein Nutzer in Ausübung der Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in einem neuen Werk zu nutzen. Aus einer Abwägung der Freiheit der Kunst (Art. 13 EU-Grundrechtecharta) und der Gewährleistung des geistigen Eigentums (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) folgt, dass es in einer solchen Konstellation an einer hinreichenden Beeinträchtigung der Interessen des Tonträgerherstellers fehlt.

bb) Nach diesen Maßstäben stellt die Entnahme von zwei Takten einer Rhythmussequenz aus dem Tonträger der Kläger und ihre Übertragung auf den Tonträger der Beklagten eine Vervielfältigung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG und damit auch des § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG dar. Bei der Prüfung der Frage, ob ein von einem Tonträger entnommenes Audiofragment in einem neuen Werk in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form genutzt wird, ist auf das Hörverständnis eines durchschnittlichen Musikhörers abzustellen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Beklagten die Rhythmussequenz zwar in leicht geänderter, aber beim Hören wiedererkennbarer Form in ihren neuen Tonträger übernommen.

cc) Die Beklagten können sich insoweit nicht auf eine freie Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG berufen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Senats entschieden, dass ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht keine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers aus Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG vorsehen darf, die nicht in Art. 5 dieser Richtlinie vorgesehen ist. Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG sieht keine (allgemeine) Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf die Verwertungsrechte der Rechtsinhaber aus Art. 2 bis 4 der Richtlinie 2001/29/EG für den Fall vor, dass ein selbständiges Werk in freier Benutzung des Werkes oder der Leistung eines Rechtsinhabers geschaffen worden ist. Danach ist es nicht mehr zulässig, in einem solchen Fall unabhängig davon, ob die Voraussetzungen einer der in Art. 5 der Richtlinie in Bezug auf die Verwertungsrechte der Rechtsinhaber aus Art. 2 bis 4 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen vorliegen, anzunehmen, der Schutzbereich eines Verwertungsrechts werde durch § 24 Abs. 1 UrhG in der Weise (immanent) beschränkt, dass ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes oder der Leistung eines Rechtsinhabers geschaffen worden ist, ohne seine Zustimmung verwertet werden darf.

dd) Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg auf eine Schrankenregelung berufen. Die Voraussetzungen eines Zitats im Sinne des § 51 Satz 1 und 2 Nr. 3 UrhG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG liegen nicht vor, weil kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Hörer - wie für ein Zitat erforderlich - annehmen könnten, die dem Musikstück "Nur mir" unterlegte Rhythmussequenz sei einem fremden Werk oder Tonträger entnommen worden. Das übernommene Audiofragment ist auch kein unwesentliches Beiwerk im Sinne des § 57 UrhG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 Buchst. i der Richtlinie 2001/29/EG. Die Voraussetzungen einer Karikatur oder Parodie im Sinne von § 24 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG liegen ebenfalls nicht vor, weil kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Musikstück "Nur mir" einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darstellt. Die Schranke für Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ist nicht einschlägig, weil der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit, eine eigenständige Schrankenregelung für die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zum Zwecke von Pastiches vorzusehen, keinen Gebrauch gemacht hat.

ee) Eine abschließende Beurteilung ist dem Bundesgerichtshof allerdings verwehrt, weil das Oberlandesgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Beklagten ab dem 22. Dezember 2002 Handlungen der Vervielfältigung oder Verbreitung vorgenommen haben oder ob solche Handlungen ernsthaft und konkret zu erwarten waren. Der Umstand, dass die Beklagten vor dem 22. Dezember 2002 die von den Klägern beanstandeten Tonträger vervielfältigt und verbreitet haben, lässt nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass ein solches Verhalten auch nach diesem Zeitpunkt im Sinne einer Erstbegehungsgefahr ernsthaft drohte. Dies gilt insbesondere, wenn - wovon im Revisionsverfahren mangels berücksichtigungsfähiger Feststellungen des Oberlandesgerichts auszugehen war - die Vervielfältigung und Verbreitung vor dem 22. Dezember 2002 rechtmäßig war. Die Begründung von Erstbegehungsgefahr durch ein in der Vergangenheit zulässiges Verhalten des Anspruchsgegners, das erst durch eine spätere Rechtsänderung unzulässig geworden ist, kommt nur dann in Betracht, wenn weitere Umstände hinzutreten, die eine Zuwiderhandlung in der Zukunft konkret erwarten lassen. Hierzu wird das Oberlandesgericht im neu eröffneten Berufungsverfahren Feststellungen zu treffen haben.

2. Hinsichtlich des Inverkehrbringens ist eine Verletzung des Verbreitungsrechts der Kläger als Tonträgerhersteller gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 UrhG sowie ein Verbot nach § 96 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG zu prüfen.

a) Eine Verletzung des Verbreitungsrechts der Kläger gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 UrhG, der der Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG dient, ist nicht gegeben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Senats entschieden, dass ein Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene Musikfragmente enthält, keine Kopie dieses anderen Tonträgers im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG darstellt.

b) Sofern mit Blick auf ab dem 22. Dezember 2002 begangene Handlungen das Vervielfältigungsrecht der Kläger als Tonträgerhersteller gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG verletzt wurde, kann hierauf ein Verbot des Inverkehrbringens gemäß § 96 Abs. 1 UrhG nicht gestützt werden. Diese Vorschrift ist im Streitfall unanwendbar, weil sie zu einer Ausweitung unionsrechtlich vollharmonisierter Verwertungsrechte führt und insoweit richtlinienwidrig ist. Kommt allein eine Verletzung des in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG und § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG vorgesehenen Vervielfältigungsrechts in Betracht, so darf der durch diese Vorschriften gewährte Schutz nicht über eine Anwendung des § 96 Abs. 1 UrhG in den Bereich des durch Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG und § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall UrhG geregelten Verbreitungsrechts ausgedehnt werden. Im Streitfall liegt allenfalls eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts der Kläger als Tonträgerhersteller, nicht jedoch eine Verletzung ihres Verbreitungsrechts vor.

3. Eine abschließende Entscheidung ist dem Bundesgerichtshof auch deshalb verwehrt, weil die Kläger ihre Ansprüche hilfsweise auf ihr Leistungsschutzrecht als ausübende Künstler (§ 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG, Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG; Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115/EG), weiter hilfsweise auf die Verletzung des Urheberrechts des Klägers zu 1 am Musikwerk (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2, §§ 16, 17 Abs. 1 UrhG; Art. 2 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) und äußerst hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz (§ 4 Nr. 9 UWG aF, § 4 Nr. 3 UWG) gestützt haben. Insoweit fehlt es bisher ebenfalls an Feststellungen des Oberlandesgerichts, die nun von diesem zu treffen sind. Der Senat gibt auch insoweit einige Hinweise: Für auf das Leistungsschutzrecht als ausübende Künstler gestützte Ansprüche dürfte wohl nichts Anderes gelten als für auf das Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller gestützte Ansprüche. Bezüglich der Ansprüche aus dem Urheberrecht ist schon fraglich, ob die entnommene Rhythmussequenz die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk erfüllt. Jedenfalls dürfte anzunehmen sein, dass sich die Beklagten für sämtliche Nutzungshandlungen vor dem 22. Dezember 2002 auch insoweit auf das Recht zur freien Benutzung aus § 24 Abs. 1 UrhG berufen können. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz dürften eher fernliegen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UrhG (Allgemeines)

Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfasst insbesondere

1. das Vervielfältigungsrecht (§ 16),

2. das Verbreitungsrecht (§ 17),

§ 16 Abs. 1 UrhG (Vervielfältigungsrecht)

Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl.

§ 17 Abs. 1 UrhG (Verbreitungsrecht)

Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

§ 24 UrhG (Freie Benutzung)

(1) Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

(2) Absatz 1 gilt nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird.

§ 51 Satz 1 und 2 Nr. 3 UrhG (Zitate)

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.

§ 57 UrhG (Unwesentliches Beiwerk)

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.

§ 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG (Vervielfältigung und Verbreitung)

Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten.

§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG (Verwertungsrechte)

Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.

§ 96 Abs. 1 UrhG (Verwertungsverbot)

Rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden.

§ 4 Nr. 3 UWG (Mitbewerberschutz)

Unlauter handelt, wer

3. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,

b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder

c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;

Art. 2 Buchst. c Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 5 Abs. 3 Buchst. d, i und k Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte vorsehen:

d) für Zitate wie Kritik oder Rezensionen, sofern sie ein Werk oder einen sonstigen Schutzgegenstand betreffen, das bzw. der der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern - außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist - die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist;

i) für die beiläufige Einbeziehung eines Werks oder sonstigen Schutzgegenstands in anderes Material;

k) für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches;

Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/115/EG

Die Mitgliedstaaten sehen für Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vor, die Tonträger und Kopien davon der Öffentlichkeit im Wege der Veräußerung oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen.

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

Art. 13 Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.

Art. 17 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Geistiges Eigentum wird geschützt.

Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 8. Oktober 2004 - 308 O 90/99

OLG Hamburg - Urteil vom 7. Juni 2006 - 5 U 48/05

BGH - Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 - Metall auf Metall I

OLG Hamburg - Urteil vom 17. August 2011 - 5 U 48/05

BGH - Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11, GRUR 2013, 614 = WRP 2013, 804 - Metall auf Metall II

BVerfG - Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13, BVerfGE 142, 74

BGH - Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 115/16, GRUR 2017, 895 = WRP 2017, 1114 - Metall auf Metall III

EuGH - Urteil vom 29. Juli 2019 - C-476/17, GRUR 2019, 929 = WRP 2019, 1156 - Pelham u.a.




EuGH: Sampling - Keine Urheberrechtsverletzung wenn Audiofragment in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form verwendet wird - Kraftwerk gegen Moses Pelham - Metall auf Metall

EuGH
C-476/17
Urteil vom 29.07.2019
Pelham GmbH, Moses Pelham, Martin Haas
gegen
Ralf Hütter,
Florian Schneider-Esleben


Der EuGH hat entschieden, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wenn ein gesampletes Audiofragment in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form verwendet wird.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers aus dieser Bestimmung, die Vervielfältigung seines Tonträgers zu erlauben oder zu verbieten, ihm gestattet, sich dagegen zu wehren, dass ein Dritter ein – auch nur sehr kurzes – Audiofragment seines Tonträgers nutzt, um es in einen anderen Tonträger einzufügen, es sei denn, dass dieses Fragment in den anderen Tonträger in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form eingefügt wird.

2. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass es sich bei einem Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene Musikfragmente enthält, nicht um eine „Kopie“ dieses anderen Tonträgers im Sinne dieser Vorschrift handelt, da er nicht den gesamten Tonträger oder einen wesentlichen Teil davon übernimmt.

3. Ein Mitgliedstaat darf in seinem nationalen Recht keine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers aus Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 vorsehen, die nicht in Art. 5 dieser Richtlinie vorgesehen ist.

4. Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Zitate“ in dieser Bestimmung keine Situation erfasst, in der das zitierte Werk nicht zu erkennen ist.

5. Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er eine Maßnahme zur vollständigen Harmonisierung des materiellen Gehalts des in ihm geregelten Rechts darstellt.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Das Sampling kann einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers darstellen, wenn es ohne dessen Zustimmung erfolgt

Die Nutzung eines Audiofragments, das einem Tonträger entnommen wurde, in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form stellt jedoch auch ohne Zustimmung keinen Eingriff in diese Rechte dar

Die Musikgruppe Kraftwerk veröffentlichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück Metall auf Metall befindet. Herr Moses Pelham und Herr Martin Haas sind die Komponisten des Musikstücks Nur mir, das im Jahr 1997 auf Tonträgern der Pelham GmbH erschienen ist. Zwei Mitglieder der Gruppe Kraftwerk, Herr Ralf Hütter und Herr Florian SchneiderEsleben, machen geltend, Pelham habe etwa zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel Metall auf Metall mit Hilfe der Sampling-Technik kopiert und dem Titel Nur mir in fortlaufender Wiederholung unterlegt. Da Herr Hütter und Herr Schneider-Esleben der Auffassung sind, dass das ihnen als Hersteller des betroffenen Tonträgers zustehende verwandte Schutzrecht verletzt worden sei, beantragten sie u. a. Unterlassung, Schadensersatz und Herausgabe der Tonträger mit dem Titel Nur mir zum Zweck ihrer Vernichtung.

Der mit der Sache befasste Bundesgerichtshof möchte vom Gerichtshof u. a. wissen, ob es nach dem Urheberrecht und dem Recht verwandter Schutzrechte der Union sowie nach den durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechten einen Eingriff in die Rechte des Herstellers eines Tonträgers, dem ein Audiofragment (Sample) entnommen wurde, darstellt, wenn dieses Audiofragment ohne dessen Zustimmung mittels Sampling in einen anderen Tonträger eingefügt wird. Der Bundesgerichtshof wirft auch Fragen zu den im Unionsrecht vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen für die Rechte der Rechtsinhaber auf. Er möchte
insoweit wissen, ob die deutschen Rechtsvorschriften, wonach ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung eines geschützten Werks geschaffen worden ist, grundsätzlich ohne die Zustimmung der Rechtsinhaber veröffentlicht und verwertet werden darf, mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Er möchte außerdem wissen, ob das Sampling unter die Ausnahme für Zitate fallen kann, die den Nutzer von der Pflicht befreit, für die Nutzung des geschützten Tonträgers die Zustimmung des Tonträgerherstellers einzuholen.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Tonträgerhersteller das ausschließliche Recht haben, die Vervielfältigung ihrer Tonträger ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten. Folglich ist die Vervielfältigung eines – auch nur sehr kurzen – Audiofragments, das einem Tonträger entnommen wurde, durch einen Nutzer grundsätzlich eine teilweise Vervielfältigung dieses Tonträgers, so dass eine solche Vervielfältigung unter das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers fällt.

Keine „Vervielfältigung“ liegt jedoch vor, wenn ein Nutzer in Ausübung seiner Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in ein neues Werk einzufügen. Die Annahme, dass eine solche Nutzung eines Audiofragments eine Vervielfältigung darstellt, die der Zustimmung des Tonträgerherstellers bedarf, widerspräche u. a. dem Erfordernis, einen angemessenen Ausgleich
zu sichern zwischen auf der einen Seite den Interessen der Inhaber von Urheber- und verwandten Schutzrechten am Schutz ihres in der Charta verankerten Rechts am geistigen Eigentum und auf der anderen Seite dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen, darunter der ebenfalls durch die Charta gewährleisteten Kunstfreiheit, sowie dem Allgemeininteresse.

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass ein Gegenstand, der alle oder einen wesentlichen Teil der in einem Tonträger festgelegten Töne übernimmt, eine Kopie dieses Tonträgers ist, für die der Tonträgerhersteller über ein ausschließliches Verbreitungsrecht verfügt. Keine solche Kopie ist jedoch ein Gegenstand, der – wie der im Ausgangsverfahren fragliche –, nur Musikfragmente, gegebenenfalls in geänderter Form, übernimmt, die von diesem Tonträger übertragen werden, um ein neues und davon unabhängiges Werk zu schaffen.

Außerdem spiegeln die im Unionsrecht vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen für die Rechte der Rechtsinhaber bereits wider, dass der Unionsgesetzgeber die Interessen der Hersteller und der Nutzer von geschützten Gegenständen sowie das Allgemeininteresse berücksichtigt hat. Diese Ausnahmen und Beschränkungen sind auch erschöpfend geregelt, um das Funktionieren des Binnenmarkts im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte zu sichern. Daher sind die deutschen Rechtsvorschriften, die trotz des abschließenden Charakters der Ausnahmen und Beschränkungen eine nicht im Unionsrecht geregelte Ausnahme oder Beschränkung vorsehen, nach der ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werks
eines anderen geschaffen wurde, grundsätzlich ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Hinsichtlich der Ausnahmen und Beschränkungen für die ausschließlichen Rechte zur Vervielfältigung und Wiedergabe, die von den Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht für Zitate aus einem geschützten Werk vorgesehen werden können, stellt der Gerichtshof fest, dass die
Nutzung eines Audiofragments, das einem Tonträger entnommen wurde und das Werk, dem es entnommen ist, erkennen lässt, unter bestimmten Voraussetzungen ein Zitat sein kann, insbesondere dann, wenn die Nutzung zum Ziel hat, mit diesem Werk zu interagieren. Ist das Werk nicht zu erkennen, stellt die Nutzung des Fragments hingegen kein Zitat dar.

Schließlich führt der Gerichtshof aus, dass die Mitgliedstaaten, wenn ihr Handeln nicht vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird, bei der Durchführung des Unionsrechts nationale Schutzstandards für die Grundrechte anwenden dürfen, sofern dadurch u. a. nicht das Schutzniveau der Charta beeinträchtigt wird. Der materielle Gehalt des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Tonträgerherstellers ist jedoch Gegenstand einer Maßnahme zur vollständigen Harmonisierung, so dass eine solche Nutzung insofern auszuschließen ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:





LG Düsseldorf: Schauspielhaus Düsseldorf darf nicht von einem Tonkünstler für ein anderes Theater komponierte und arrangierte Musik zum Stück "Der Idiot" verwenden

LG Düsseldorf
Urteil vom 12.06.2019
12 O 263/18


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass das Schauspielhaus Düsseldorf die von einem Tonkünstler für ein anderes Theater komponierte und arrangierte Musik zum Stück "Der Idiot" nicht verwenden darf. Auch nach dem GEMA-Berechtigungsvertrag werden keine Rechte an der bühnenmäßigen Aufführung eingeräumt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht Düsseldorf: Schauspielhaus Düsseldorf ist nicht befugt, die von einem Tonkünstler für ein anderes Theaterhaus komponierte und arrangierte Musik zu „Der Idiot“ im eigenen Haus zu verwenden

Mit Urteil vom 12. Juni 2019 hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (12 O 263/18) entschieden, dass das Schauspielhaus Düsseldorf es zu unterlassen hat, die von dem Tonkünstler Parviz Mir-Ali für das Schauspielhaus Dresden komponierte und arrangierte Musik zu "Der Idiot" aufzuführen.

Der bekannte Tonkünstler hatte im Jahre 2015 die Musik zu dem Bühnenstück "Der Idiot" von Fjodor Dostojewski in der Inszenierung von Matthias Hartmann für das Staatsschauspiel Dresden komponiert. Im Jahre 2016 übernahm das Düsseldorfer Schauspielhaus die Inszenierung aus Dresden zusammen mit der von Mir-Ali komponierten Musik. Für die Spielzeit 2016/2017 zahlte das Schauspielhaus Düsseldorf dem Tonkünstler eine pauschale Vergütung. Zahlungen für die weiteren Spielzeiten 2017/2018 und 2018/2019 verweigerte das Schauspielhaus unter Hinweis auf seine Zahlungen an die GEMA. Der klagende Tonkünstler sieht mit den Aufführungen seine Urheberrechte verletzt.

Die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat dem klagenden Tonkünstler Recht gegeben. Die von ihm komponierte Musik sei ein Werk der Tonkunst, das im Rahmen der Inszenierung von "Der Idiot" des Schauspielhauses Dresden bühnenmäßig dargestellt werde. Nach ständiger Rechtsprechung werde Musik, die ein bewegtes Spiel begleitet, im Sinne von § 19 Abs. 2 UrhG bühnenmäßig dargestellt, wenn sie integrierender Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht nur zur bloßen Untermalung dient. Das Gericht stellte nach Inaugenscheinnahme eines Mitschnitts der Inszenierung fest, dass bei der Dresdener Inszenierung von "Der Idiot" die Dramaturgie des gesprochenen Wortes und die Musik sich zu einer Einheit verbinden. Das gelte auch, wenn die Musik nur 30 Minuten der Gesamtspieldauer von 2:50 Stunden umfasse. Da es sich bei dem Musikwerk des Klägers um eine bühnenmäßige Darstellung handele, habe das Schauspielhaus Düsseldorf von der GEMA keine Nutzungsrechte erwerben können. Denn nach § 1 lit a GEMA-Berechtigungsvertrag können zwar Musikrechte, aber keine Rechte an der bühnenmäßigen Aufführung erworben werden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es besteht das Rechtsmittel der Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf.



BGH: Zum Werktitelschutz eines Musikstücks- Zuordnung der Inhaberschaft am Werktitel folgt der Werkzuordnung - Das Omen

BGH
Urteil vom 31.01.2019 - I ZR 97/17
Das Omen
MarkenG § 5 Abs. 3, § 15 Abs. 2 bis 4, § 27 Abs. 1 und 2; BGB § 744 Abs. 2


Leitsätze des BGH:

a) Aus der engen Verbindung von Titel und Werk ergibt sich, dass die Zuordnung der Inhaberschaft am
Werktitel der Werkzuordnung folgt. Es ist deshalb darauf abzustellen, wessen immaterielles Arbeitsergebnis mit dem Titel gekennzeichnet wird.

b) Steht die titelmäßige Kennzeichnung von immateriellen Arbeitsergebnissen in Rede, die von mehreren
gemeinschaftlich mit einer im wesentlichen gleichen Bestimmungsmacht über den Werkinhalt geschaffen wurden, kann das Werktitelrecht mehreren berechtigten Personen zustehen. Diese können entsprechend § 744 Abs. 2 BGB unabhängig voneinander Unterlassungsansprüche geltend machen.

c) Der Titel eines Musikstücks wird im Regelfall ein sich durch eine bestimmte Komposition - gegebenenfalls im Zusammenwirken mit einem Text - von anderen Musikstücken unterscheidbares Tonwerk bezeichnen, so dass das Werktitelrecht dem Komponisten und gegebenenfalls dem Textdichter zusteht. Denkbar ist bei Tonwerken jedoch auch, dass der Verkehr ein dem Werktitelschutz zugängliches Arbeitsergebnis in einer in besonderem Maße von der konkreten unterscheidungskräftigen Interpretation einer Komposition durch einen bestimmten Musiker, eine bestimmte Musikgruppe oder in einer durch einen charakteristischen Klang ("Unplugged") oder eine besondere Aufführungsart ("Live")
geprägten Darbietung oder Aufnahme sieht. In einem solchen Fall kann das Werktitelrecht für diese konkrete Interpretation den beteiligten Musikern zustehen.

d) Das Werktitelrecht kann nur zusammen mit dem Werk, das es kennzeichnet, veräußert und übertragen werden.

e) Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr gemäß § 15 Abs. 2 MarkenG sind stets die Besonderheiten des in Rede stehenden Werks zu beachten. Bei Musikstücken wird der Verkehr, dem der Titel eine nähere Identifikation des Werks ermöglichen soll, erfahrungsgemäß solchen Zusätzen und Hinweisen sein Augenmerk schenken, die - wie eine Bezifferung oder inhaltsbezogene Hinweise - ersichtlich der Unterscheidung verschiedener Folgen einer Werkreihe oder unterschiedlicher Interpretationen einer Komposition und damit verschiedener immaterieller Arbeitsergebnisse dienen, die jeweils für sich genommen als Gegenstand des Rechts- und Geschäftsverkehrs bezeichnungsfähig sind (hier die Zusätze "Teil 1", "Extended Mix", "Herve's End of the World Remix", "Reprise", "Noisia Remix" und "Live from Rock am Ring" bei Titeln von Popmusikstücken).

BGH, Urteil vom 31. Januar 2019 - I ZR 97/17 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG München: Zur fehlenden Schöpfungshöhe einer Jahrmarketanpreisung - "Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste ..."

LG München I
Urteil vom 12.12.2017
33 O 15792/16


Das LG München hat entschieden, dass die als Jahrmarktanpreisung verwendete Wortfolge "Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ab geht die Post, let's go, let's fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!“ mangels Schöpfungshöhe kein geschütztes Werk im Sinne von § 2 UrhG ist. Die Verwendung dieser Textpassage in dem Lied " Schwung in die Kiste" der HipHop-Band "Die Orsons" stellt keine Urheberrechtsverletzung dar.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Vorbehaltlich der grundsätzlichen Bedenken der Beklagten zur Aktivlegitimation der Klägerin und zur Rechteinhaberschaft der Beklagten bezüglich der fraglichen Sprachaufnahme ergäben sich auch im Übrigen auf materiell-rechtlicher Ebene erhebliche Bedenken im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche: Voraussetzung für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung gemäß § 97 UrhG sei das Vorliegen einer Verletzung von Urheberrechten und/oder verwandten Schutzrechten (Leistungsschutzrechte). Die Klägerin müsste demnach als Urheber eines nach den §§ 2 ff. UrhG geschützten Werkes in ihren Rechten verletzt worden sein. Vorliegend behaupte die Klägerin allerdings nicht einmal, Urheberin der fraglichen Textpassage zu sein, sondern alleine - und dies in unsubstantiierter Art und Weise - diese gesprochen zu haben. Selbst wenn die Klägerin die Textpassage jedoch selbst verfasst hätte, was vorsorglich ausdrücklich bestritten werde, ergäben sich schwerwiegende Bedenken im Hinblick auf das Vorliegen eines in urheberrechtlicher Hinsicht geschützten Werkes, wobei die Klägerin wohl davon ausgehe, dass die streitgegenständliche Textpassage ein Werk im Sinne des Urheberrechts darstelle. Der von der Klägerin vorgelegte Text sei kein urheberrechtlich geschütztes Werk, insbesondere kein allein in Betracht kommendes Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Die hier von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche scheiterten daher bereits am Vorliegen eines schutzfähigen Werkes im Sinne des UrhG. Bei dem von der Klägerin vorgelegten Text handele es sich um die Niederschrift einfacher, wohl spontan und situativ vorgetragener Anfeuerungs- und Stimmungsparolen. Sie habe insofern bereits keine eigene individuelle Leistung erbracht. Inwiefern die Klägerin schöpferisch tätig geworden sein solle, sei nicht ersichtlich. Bezeichnenderweise lasse die Klägerin zu diesem Punkt auch nahezu nichts vortragen, sondern beziehe sich im Wesentlichen auf ihre „einzigartige Stimme“ als „erotischste Stimme der Wies'n“. Die Stimme stelle jedoch keinerlei Schöpfung im urheberrechtlichen Sinne und somit kein Werk dar. Bei der Bewertung des Sachverhalts in urheberrechtlicher Hinsicht komme es allein darauf an, ob die vom Urheberrecht geforderte Schöpfungshöhe erreicht worden sei. Auch hierzu trage die Klägerin nichts vor, außer dem pauschalen Verweis, dass „Wortkreation“ und „Betonung“ der streitgegenständlichen Textpassage unverwechselbar seien. Aus welchem Grund bei der lösen Wortfolge „Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ah geht die Post, let's go, let's fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!" eine „Unverwechselbarkeit“ gegeben sein solle, erschließe sich nicht. Vielmehr könnte diese Wortfolge in jeder beliebigen anderen Reihenfolge, auch unter Austausch einzelner Worte zusammengesetzt werden, ohne dass irgendein inhaltlicher Unterschied entstünde. Die Wortfolge sei deswegen gerade nicht unverwechselbar. Selbst die geringen Anforderungen der „kleinen Münze“ seien vorliegend nicht erfüllt. Der erforderliche geistige Gehalt könne der hier in Rede stehenden Textpassage nicht unterstellt werden. Insofern unterschieden sich die „Darbietungen“ der Klägerin, so sie denn von ihr stammten, nicht von denen anderer Betreiber von Fahrgeschäften, die ihre Fahrgäste beim Benutzen ihres Karussells mit aufmunternden Phrasen anfeuerten. Die Äußerungen der Klägerin beschränkten sich sowohl in Inhalt als auch in der Formgestaltung vielmehr auf die Wiedergabe des Banalen und Alltäglichen. Zudem mangele es auch an jeglicher, für die Annahme eines Werkes erforderlichen Individualität, denn der Textpassage mangele es an einer für den Urheberrechtsschutz erforderlichen Ausgestaltung, einer erkennbaren Struktur oder anderen schöpferischen Eigenheiten oder Besonderheiten, die vom Banalen abwichen und insofern das Alltägliche zu überragen imstande seien. Die reine „Betonung“, auf die die Klägerin weiterhin abstelle, sei urheberrechtlich wiederum denkbar irrelevant, da es sich bei einer Betonung nicht um ein Werk handele.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Unterlassung aus § 97 UrhG i.V.m. §§ 73, 77 Abs. 2 UrhG, denn sie sei bereits keine ausübende Künstlerin und außerdem bestehe kein Werkschutz.

Die Klägerin habe,auch keinen Anspruch auf Unterlassung aus § 97 UrhG i.V.m. § 85 UrhG. Dass sie sich hier auf das Recht des Tonträgerherstellers gemäß § 85 UrhG berufe, sei vollkommen abwegig, da die streitgegenständliche Aufnahme der Textpassage nicht - noch nicht einmal von.ihr behauptet - von der Klägerin hergestellt worden sei.

Selbst wenn ein Werkschutz einmal unterstellt werden sollte, schieden die von der Klägerin beanstandeten Rechtsverletzungen - sowohl in urheberrechtlicher als auch in leistungsschutzrechtlicher Hinsicht - jedenfalls aufgrund des Eingreifens urheberrechtlicher Privilegierungstatbestände aus. Eine Rechtsverletzung komme hier bereits nicht in Betracht, da sich die Beklagten wegen der Verwendung der Textausschnitte auf das Recht zur freien Benutzung gemäß § 24 Abs. 1 UrhG berufen könnten und insofern eine Verwendung der streitgegenständlichen Textstellen innerhalb eines musikalischen Werkes auch ohne Zustimmung der Klägerin habe erfolgen dürfen. Denn die genutzte Vorlage verblasse gegenüber der Eigenart des neu geschaffenen Musikwerkes in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht. Auch nach den insoweit verallgemeinerbaren Erwägungen des BVerfG in der Entscheidung „Metall auf Metall“ sei hier eine freie Benutzung im Sinne von. § 24 Abs. 1 UrhG anzunehmen. Da die Klägerin durch die Nutzung der von ihr vermeintlich gesprochenen Textpassage mangels deren anderweitiger Verwertungsmöglichkeit keinerlei wirtschaftlichen Nachteil erleide, habe ihr Interesse daran zugunsten der künstlerischen Auseinandersetzung der Beklagten zu 1) bis 4) zurückzutreten. Zudem sei die Verwendung der fraglichen Textpassage auch durch das Zitatrecht des § 51 Nr. 2 UrhG privilegiert.

Aufgrund fehlenden Urheber- und Leistungsschutzrechts bliebe allenfalls ein Unterlassungsanspruch analog §§ 1004, 823 BGB aus dem Gesichtspunkt des „Rechts am gesprochenen Wort“ als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hierauf könne sich die Klägerin jedoch nicht berufen, da sie sich mit dem gesprochenen Text - unterstellt, sie habe die streitgegenständlichen Textpassagen überhaupt gesprochen - selbst an einen nicht näher eingrenzbaren Kreis interessierter gewandt habe. Jedenfalls ergebe die hier zwingend vorzunehmende Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Sprechenden auf der einen und der Kunstfreiheit (der Beklagten) auf der anderen Seite keine Widerrechtlichkeit. Der potentielle Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Sprechenden sei bei der hier gegenständlichen Veröffentlichung von nur einem Satz, der zudem keinerlei Rückschlüsse auf die bürgerliche Identität des Sprechenden zulasse, sehr gering, zumal die Sprechende selbst die Öffentlichkeit suche (siehe dazu im Einzelnen S. 29/31 der Klageerwiderung, Bl. 51/53 d. A.). Zudem verweise die Klägerin selbst auf die Einbindung ihrer Sprechpassagen in andere Musikstücke, die jeweils ihr Einverständnis gefunden hätten und in Bezug auf die Auswertbarkeit auch immer noch finden, da diese nach wie vor abrufbar/käuflich erhältlich seien. Allein dieser Umstand für sich genommen belege, dass die Klägerin keinerlei Vorbehalte gegen die Darbietung ihrer Stimme und Sprech-Textfragmenten sowie der hier gegenständlichen konkreten Aufnahme in der Öffentlichkeit hege, insofern könne sie auch hier nicht die angebliche Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts reklamieren. Die Klägerin habe nach ihrem eigenen Vortrag durch die zielgerichtete und bewusste Verbreitung ihrer Stimme und Textfragmente sowie der Aufnahme selbst auf nach ihrer Behauptung verschiedenen Jahrmärkten sowie Musikstücken freiwillig den Schutz ihrer Intim-, Privat- und Individualsphären aufgegeben und damit ihre Persönlichkeit, einschließlich ihrer Stimme, der Öffentlichkeit unwiderruflich und eigenverantwortlich preisgegeben. Insofern habe es die Klägerin auch hinzunehmen, dass sich Dritte in künstlerischer Form hiermit auseinandersetzten."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH Vorlagebeschluss zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham liegt vor - Metall auf Metall III

BGH
Beschluss vom 01.06.2017
I ZR 115/16
Metall auf Metall III
Richtlinie 2001/29/EG Art. 2 Buchst. c, Art. 5 Abs. 3 Buchst. d; Richtlinie 2006/115/EG Art. 9 Abs. 1 Buchst. b


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH Frage zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham zur Entscheidung vor - Metall auf Metall III über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Buchst. c und Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) sowie Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 376 vom 27. Dezember 2006, S. 28) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Liegt ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung seines Tonträgers aus Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn seinem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen und auf einen anderen
Tonträger übertragen werden?

2. Handelt es sich bei einem Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene kleinste Tonfetzen enthält, im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG um eine Kopie des anderen Tonträgers?

3. Können die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen, die - wie die Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG - klarstellt, dass der Schutzbereich des ausschließlichen Rechts des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG) und Verbreitung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) seines Tonträgers in der Weise immanent beschränkt ist, dass ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung seines Tonträgers geschaffen worden ist, ohne seine Zustimmung verwertet werden darf?

4. Wird ein Werk oder ein sonstiger Schutzgegenstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG für Zitatzwecke genutzt, wenn nicht erkennbar ist, dass ein fremdes Werk oder ein fremder sonstiger Schutzgegenstand
genutzt wird?

5. Lassen die Vorschriften des Unionsrechts zum Vervielfältigungsrecht und Verbreitungsrecht des Tonträgerherstellers (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) und den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG) Umsetzungsspielräume im nationalen Recht?

6. In welcher Weise sind bei der Bestimmung des Schutzumfangs des ausschließ lichen Rechts des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG) und Verbreitung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie
2006/115/EG) seines Tonträgers und der Reichweite der Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG) die Grundrechte der EUGrundrechtecharta
zu berücksichtigen?

BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 115/16 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH legt EuGH Frage zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham zur Entscheidung vor - Metall auf Metall III

BGH
Beschluss vom 01.06.2017
I ZR 115/16
Metall auf Metall III


Der BGH hat dem EuGH die Frage zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Sabrina Setlur zur Entscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Vorlage des Bundesgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshofs zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zu einer Verletzung der Rechte des Tonträgerherstellers durch Sampling vorgelegt.

Sachverhalt:

Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffentlichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahr 1997 erschienenen Tonträgern eingespielt hat. Dabei haben die Beklagten zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt.

Die Kläger sehen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 20. November 2008). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten wiederum zurückgewiesen. Die erneute Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Er hat angenommen, die Beklagten hätten durch das Sampling in das Recht der Kläger als Tonträgerhersteller eingegriffen. Sie könnten sich nicht auf das Recht zur freien Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG*) berufen, weil es ihnen möglich gewesen sei, die aus dem Musikstück "Metall auf Metall" entnommene Sequenz selbst einzuspielen. Aus der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstfreiheit lasse sich kein Recht ableiten, die Tonaufnahme ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen (vgl. Pressemitteilung vom 13. Dezember 2012).

Das Bundesverfassungsgericht hat das Revisionsurteil und das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Es hat angenommen, die Entscheidungen verletzten die Beklagten in ihrer durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Freiheit der künstlerischen Betätigung. Die Annahme, die Übernahme selbst kleinster Tonsequenzen stelle einen unzulässigen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger dar, soweit der übernommene Ausschnitt gleichwertig nachspielbar sei, trage der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung.

Vorlage des Bundesgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof:

Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren nunmehr ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt.

Nach Ansicht des BGH stellt sich zunächst die Frage, ob ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung seines Tonträgers aus Art. 2 Buchst. c Richtlinie 2001/29/EG** vorliegt, wenn seinem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen und auf einen anderen Tonträger übertragen werden, und ob es sich bei einem Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene kleinste Tonfetzen enthält, im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/115/EG*** um eine Kopie des anderen Tonträgers handelt.

Für den Fall, dass diese Frage zu bejahen ist, stellt sich die Frage, ob die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen können, die - wie die Vorschrift des § 24 Abs. 1 UrhG - klarstellt, dass der Schutzbereich des ausschließlichen Rechts des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. c Richtlinie 2001/29/EG) und Verbreitung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/115/EG) seines Tonträgers in der Weise immanent beschränkt ist, dass ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung seines Tonträgers geschaffen worden ist, ohne seine Zustimmung verwertet werden darf. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Beklagten mit dem Musikstück "Nur mir" ein selbständiges Werk im Sinne von § 24 Abs. 1 UrhG geschaffen.

Sollten die Beklagten in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger eingegriffen haben und sich nicht auf das Recht zur freien Benutzung berufen können, stellt sich die Frage, ob ein Werk oder ein sonstiger Schutzgegenstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG**** für Zitatzwecke genutzt wird, wenn nicht erkennbar ist, dass ein fremdes Werk oder ein fremder sonstiger Schutzgegenstand genutzt wird. Die Beklagten haben sich zur Rechtfertigung des Sampling auch auf das Zitatrecht berufen. Es gibt allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Hörer annehmen könnten, die dem Musikstück "Nur mir" unterlegte Rhythmussequenz sei einem fremden Werk oder Tonträger entnommen worden.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Vorschriften des Unionsrechts zum Vervielfältigungsrecht und Verbreitungsrecht des Tonträgerherstellers (Art. 2 Buchst. c Richtlinie 2001/29/EG und Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/115/EG) und den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2001/29/EG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 2006/115/EG) Umsetzungsspielräume im nationalen Recht zulassen. Diese Frage ist entscheidungserheblich, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein am Unionsrecht und damit auch den durch dieses gewährleisteten Grundrechten zu messen sind, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum überlässt, sondern zwingende Vorgaben macht.

Schließlich hat der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, in welcher Weise bei der Bestimmung des Schutzumfangs des ausschließlichen Rechts des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. c Richtlinie 2001/29/EG) und Verbreitung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/115/EG) seines Tonträgers und der Reichweite der Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2001/29/EG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 2006/115/EG) die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta zu berücksichtigen sind. Im Streitfall stehen das gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta geschützte geistige Eigentum der Kläger als Tonträgerhersteller und die in Art. 13 Satz 1 EU-Grundrechtecharta gewährleistete Kunstfreiheit der Beklagten als Nutzer des Tonträgers einander gegenüber.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 8. Oktober 2004 - 308 O 90/99

OLG Hamburg - Urteil vom 7. Juni 2006 - 5 U 48/05

BGH - Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 - Metall auf Metall I

OLG Hamburg - Urteil vom 17. August 2011 - 5 U 48/05

BGH - Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11- Metall auf Metall II

BVerfG - Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13

Karlsruhe, den 1. Juni 2017

§ 24 Abs. 1 UrhG:

Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

Art. 2 Buchst. c Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten sehen für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/115/EG:

Die Mitgliedstaaten sehen für Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vor, die Tonträger und Kopien davon der Öffentlichkeit im Wege der Veräußerung oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen.

Art. 5 Abs. 3 Buchst. d Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten können für Zitate wie Kritik oder Rezensionen in Bezug auf das in Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Vervielfältigungsrecht Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, sofern sie ein Werk oder einen sonstigen Schutzgegenstand betreffen, das bzw. der der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern - außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist - die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

BVerfG: Kunstfreiheit kann Verwendung fremder Samples in Musikstücken rechtfertigen - Kraftwerk vs Moses Pelham - Metall auf Metall

Bundesverfassungsgericht
Urteil vom 31.05.2016
1 BvR 1585/13


Das Bundesverfassungsgericht hat im Rechtsstreit zwischen der Band Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham entschieden, dass die Kunstfreiheit die Verwendung fremder Samples in Musikstücken und somit einen Eingriff in Urheber- und Leistungsschutzrechte rechtfertigen kann.

Der BGH hatte noch darauf abgestellt, ob die Sequenzen nachgespielt werden können (siehe BGH-Entscheidung zur Unzulässigkeit der Verwendung fremder Samples in einem Musikstück liegt im Volltext vor - Metall auf Metall II ). Dies ist nach Ansicht des BVerfG kein taugliches Kriterium.

Die Pressemitteilung des BVerfG:

Die Verwendung von Samples zur künstlerischen Gestaltung kann einen Eingriff in Urheber- und Leistungsschutzrechte rechtfertigen

Steht der künstlerischen Entfaltungsfreiheit ein Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht gegenüber, der die Verwertungsmöglichkeiten nur geringfügig beschränkt, können die Verwertungsinteressen des Tonträgerherstellers zugunsten der Freiheit der künstlerischen Auseinandersetzung zurückzutreten haben. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden. Er hat damit einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen die fachgerichtliche Feststellung wendete, dass die Übernahme einer zweisekündigen Rhythmussequenz aus der Tonspur des Musikstücks „Metall auf Metall“ der Band „Kraftwerk“ in den Titel „Nur mir“ im Wege des sogenannten Sampling einen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht darstelle, der nicht durch das Recht auf freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) gerechtfertigt sei. Das vom Bundesgerichtshof für die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 UrhG auf Eingriffe in das Tonträgerherstellerrecht eingeführte zusätzliche Kriterium der fehlenden gleichwertigen Nachspielbarkeit der übernommenen Sequenz ist nicht geeignet, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen dem Interesse an einer ungehinderten künstlerischen Fortentwicklung und den Eigentumsinteressen der Tonträgerproduzenten herzustellen.

Sachverhalt:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, inwieweit sich Musikschaffende bei der Übernahme von Ausschnitten aus fremden Tonträgern im Wege des sogenannten Sampling gegenüber leistungsschutzrechtlichen Ansprüchen der Tonträgerhersteller auf die Kunstfreiheit berufen können.

Auf die Pressemitteilung Nr. 77/2015 vom 28. Oktober 2015 wird ergänzend verwiesen.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen drei der insgesamt zwölf Beschwerdeführer in ihrer Freiheit der künstlerischen Betätigung (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG).

1. Die den angegriffenen Urteilen zugrunde gelegten gesetzlichen Vorschriften über das Tonträgerherstellerrecht (§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG) und das Recht auf freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) sind mit der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Sie geben den mit ihrer Auslegung und Anwendung betrauten Gerichten hinreichende Spielräume, um zu einer der Verfassung entsprechenden Zuordnung der künstlerischen Betätigungsfreiheit einerseits und des eigentumsrechtlichen Schutzes des Tonträgerherstellers andererseits zu gelangen. Die grundsätzliche Anerkennung eines Leistungsschutzrechts zugunsten des Tonträgerherstellers, das den Schutz seiner wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Leistung zum Gegenstand hat, ist auch mit Blick auf die Beschränkung der künstlerischen Betätigungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich. Umgekehrt führt allein die Möglichkeit von Künstlerinnen und Künstlern, sich unter näher bestimmten Umständen auf ein Recht auf freie Benutzung von Tonträgern zu berufen, nicht schon grundsätzlich zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kerns des Tonträgerherstellerrechts.

Mit den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist auch, dass § 24 Abs. 1 UrhG durch den Verzicht auf eine entsprechende Vergütungsregelung auch das Verwertungsrecht der Urheber oder Tonträgerhersteller beschränkt. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die enge Ausnahmeregelung nicht durch eine Vergütungspflicht zu ergänzen, die den Urheber oder Tonträgerhersteller an den Einnahmen teilhaben ließe, die im Rahmen der freien Benutzung seines Werks oder Tonträgers erst in Verbindung mit der schöpferischen Leistung eines anderen entstehen könnten, hält sich in den Grenzen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums. Dem Gesetzgeber wäre es allerdings zur Stärkung der Verwertungsinteressen nicht von vornherein verwehrt, das Recht auf freie Benutzung mit einer Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Vergütung zu verknüpfen. Hierbei könnte er der Kunstfreiheit beispielsweise durch nachlaufende, an den kommerziellen Erfolg eines neuen Werks anknüpfende Vergütungspflichten Rechnung tragen.

2. Dagegen verletzen die angegriffenen Entscheidungen die beiden Komponisten und die Musikproduktionsgesellschaft des Titels „Nur mir“ in ihrer durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Freiheit der künstlerischen Betätigung.

a) Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung zwischen dem Eigentumsschutz der Tonträgerhersteller und den damit konkurrierenden Grundrechtspositionen nachzuvollziehen und dabei unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen zu vermeiden. Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst dann erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind.

b) Bei der rechtlichen Bewertung der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken steht dem Interesse der Urheberrechtsinhaber, die Ausbeutung ihrer Werke zu fremden kommerziellen Zwecken ohne Genehmigung zu verhindern, das durch die Kunstfreiheit geschützte Interesse anderer Künstler gegenüber, ohne finanzielle Risiken oder inhaltliche Beschränkungen in einen Schaffensprozess im künstlerischen Dialog mit vorhandenen Werken treten zu können. Steht der künstlerischen Entfaltungsfreiheit ein Eingriff in die Urheberrechte gegenüber, der die Verwertungsmöglichkeiten nur geringfügig beschränkt, so können die Verwertungsinteressen der Urheberrechtsinhaber zugunsten der Freiheit der künstlerischen Auseinandersetzung zurückzutreten haben. Diese Grund­sätze gelten auch für die Nutzung von nach § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützten Tonträgern zu künstlerischen Zwecken.

c) Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Übernahme selbst kleinster Tonsequenzen stelle einen unzulässigen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger dar, soweit der übernommene Ausschnitt gleichwertig nachspielbar sei, trägt der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung. Wenn der Musikschaffende, der unter Einsatz von Samples ein neues Werk schaffen will, nicht völlig auf die Einbeziehung des Sample in das neue Musikstück verzichten will, stellt ihn die enge Auslegung der freien Benutzung durch den Bundesgerichtshof vor die Alternative, sich entweder um eine Samplelizenzierung durch den Tonträgerhersteller zu bemühen oder das Sample selbst nachzuspielen. In beiden Fällen würden jedoch die künstlerische Betätigungsfreiheit und damit auch die kulturelle Fortentwicklung eingeschränkt.

Der Verweis auf die Lizenzierungsmöglichkeit bietet keinen gleichwertigen Schutz der künstlerischen Betätigungsfreiheit: Auf die Einräumung einer Lizenz zur Übernahme des Sample besteht kein Anspruch; sie kann von dem Tonträgerhersteller aufgrund seines Verfügungsrechts ohne Angabe von Gründen und ungeachtet der Bereitschaft zur Zahlung eines Entgelts für die Lizenzierung verweigert werden. Für die Übernahme kann der Tonträgerhersteller die Zahlung einer Lizenzgebühr verlangen, deren Höhe er frei festsetzen kann. Besonders schwierig gestaltet sich der Prozess der Rechteeinräumung bei Werken, die viele verschiedene Samples benutzen und diese collagenartig zusammenstellen. Die Existenz von Sampledatenbanken sowie von Dienstleistern, die Musikschaffende beim Sampleclearing unterstützen, beseitigen diese Schwierigkeiten nur teilweise und unzureichend.

Das eigene Nachspielen von Klängen stellt ebenfalls keinen gleichwertigen Ersatz dar. Der Einsatz von Samples ist eines der stilprägenden Elemente des Hip-Hop. Die erforderliche kunstspezifische Betrachtung verlangt, diese genrespezifischen Aspekte nicht unberücksichtigt zu lassen. Hinzu kommt, dass sich das eigene Nachspielen eines Sample als sehr aufwendig gestalten kann und die Beurteilung der gleichwertigen Nachspielbarkeit für die Kunstschaffenden zu erheblicher Unsicherheit führt.

d) Diesen Beschränkungen der künstlerischen Betätigungsfreiheit steht hier bei einer erlaubnisfreien Zulässigkeit des Sampling nur ein geringfügiger Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger ohne erhebliche wirtschaftliche Nachteile gegenüber. Eine Gefahr von Absatzrückgängen für die Kläger des Ausgangsverfahrens durch die Übernahme der Sequenz in die beiden streitgegenständlichen Versionen des Titels „Nur mir“ ist nicht ersichtlich. Eine solche Gefahr könnte im Einzelfall allenfalls dann entstehen, wenn das neu geschaffene Werk eine so große Nähe zu dem Tonträger mit der Originalsequenz aufwiese, dass realistischerweise davon auszugehen wäre, dass das neue Werk mit dem ursprünglichen Tonträger in Konkurrenz treten werde. Dabei sind der künstlerische und zeitliche Abstand zum Ursprungswerk, die Signifikanz der entlehnten Sequenz, die wirtschaftliche Bedeutung des Schadens für den Urheber des Ausgangswerks sowie dessen Bekanntheit einzubeziehen. Allein der Umstand, dass § 24 Abs. 1 UrhG dem Tonträgerhersteller die Möglichkeit einer Lizenzeinnahme nimmt, bewirkt ebenfalls nicht ohne weiteres - und insbesondere nicht im vorliegenden Fall - einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil des Tonträgerherstellers. Der Schutz kleiner und kleinster Teile durch ein Leistungsschutzrecht, das im Zeitablauf die Nutzung des kulturellen Bestandes weiter erschweren oder unmöglich machen könnte, ist jedenfalls von Verfassungs wegen nicht geboten.

e) Insoweit haben die Verwertungsinteressen der Tonträgerhersteller in der Abwägung mit den Nutzungsinteressen für eine künstlerische Betätigung zurückzutreten. Das vom Bundesgerichtshof für die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 UrhG auf Eingriffe in das Tonträgerherstellerrecht eingeführte zusätzliche Kriterium der fehlenden gleichwertigen Nachspielbarkeit der übernommenen Sequenz ist nicht geeignet, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen dem Interesse an einer ungehinderten künstlerischen Fortentwicklung und den Eigentumsinteressen der Tonträgerproduzenten herzustellen.

3. Der Bundesgerichtshof kann bei der erneuten Entscheidung die hinreichende Berücksichtigung der Kunstfreiheit im Rahmen einer entsprechenden Anwendung von § 24 Abs. 1 UrhG sicherstellen. Hierauf ist er aber nicht beschränkt. Eine verfassungskonforme Rechtsanwendung, die hier und in vergleichbaren Konstellationen eine Nutzung von Tonaufnahmen zu Zwecken des Sampling ohne vorherige Lizenzierung erlaubt, könnte beispielsweise auch durch eine einschränkende Auslegung von § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG erreicht werden. Soweit Nutzungshandlungen ab dem 22. Dezember 2002, auf welche die Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen Union anwendbar ist, betroffen sind, hat der Bundesgerichtshof als zuständiges Fachgericht zunächst zu prüfen, inwieweit durch vorrangiges Unionsrecht noch Spielraum für die Anwendung des deutschen Rechts bleibt. Erweist sich das europäische Richtlinienrecht als abschließend, ist der Bundesgerichtshof verpflichtet, effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten, indem er die Richtlinienbestimmungen mit den europäischen Grundrechten konform auslegt und bei Zweifeln über die Auslegung oder Gültigkeit der Urheberrechtsrichtlinie das Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV vorlegt. Das Bundesverfassungsgericht überprüft, ob das Fachgericht drohende Grundrechtsverletzungen auf diese Weise abgewehrt hat und ob der unabdingbare grundrechtliche Mindeststandard des Grundgesetzes gewahrt ist."

Volltext der BGH-Entscheidung in Sachen Bushido vs Dark Sanctuary zur urheberrechtlichen Zulässigkeit der Übernahme von kurzen Musiksequenzen als Hintergrund-Loops für Rap-Stücke liegt vor

BGH
Urteil vom 16.04.2015
I ZR 225/12
Goldrapper
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 8 Abs. 1, §§ 9, 23 Satz 1, § 24 Abs. 1, § 97
Abs. 1 und 2; ZPO § 286 Abs. 1; RVG § 14 Abs. 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Bushido vs Dark Sanctuary - Zur urheberrechtlichen Zulässigkeit der Übernahme von kurzen Musiksequenzen als Hintergrund-Loops für Rap-Stücke" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Bei Musikstücken liegt die für die Annahme eines urheberrechtlich geschützten Werks erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit in ihrer individuellen ästhetischen Ausdruckskraft. Eine individuelle schutzfähige Leistung kann sich nicht nur aus der Melodie und dem Einsatz der musikalischen Ausdrucksmittel der Rhythmik, des Tempos, der Harmonik und des Arrangements ergeben, sondern auch aus der Art und Weise des Einsatzes der einzelnen Instrumente, also der Durchführung der Instrumentierung und Orchestrierung. Nicht dem Urheberrechtsschutz zugänglich ist demgegenüber
das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente, die auf den Lehren von Harmonik, Rhythmik und Melodik beruhen oder die - wie Tonfolgen einfachster Art oder bekannte rhythmische Strukturen - sonst zum musikalischen Allgemeingut gehören.

b) Die für die Prüfung der Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen und ihre Würdigung liegen auf tatrichterlichem Gebiet. Sie sind in der Revisionsinstanz jedoch darauf hin zu überprüfen, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts von den von ihm getroffenen Feststellungen getragen wird. Hierzu muss das Berufungsurteil eine revisionsrechtlich nachprüfbare
Begründung enthalten. Erforderlich ist vor allem, dass der für die Feststellung der Schutzfähigkeit entscheidende Gesamteindruck und die ihn tragenden einzelnen Elemente nachvollziehbar dargelegt werden.

c) Für die Beurteilung der schöpferischen Eigentümlichkeit eines Musikstücks und die insoweit maßgebliche Abgrenzung von nicht dem Urheberrechtsschutz zugänglichem rein handwerklichem Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente, die auf den Lehren von Harmonik, Rhythmik und Melodik beruhen oder die sonst zum musikalischen Allgemeingut gehören, reicht das bloße Anhören eines Tonträgers durch die Tatrichter grundsätzlich nicht aus; es wird vielmehr im Regelfall die Hilfe eines Sachverständigen unerlässlich sein.

BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 225/12 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: