Skip to content

BGH: Rechtsmissbrauch liegt nicht allein dann schon vor wenn Vielfachabmahner trotz ausgebliebener Unterlassungserklärungen viele Fälle nicht gerichtlich weiterverfolgt

BGH
Urteil vom 07.03.2024 - I ZR 83/23
Vielfachabmahner II
BGB § 242


Der BGH hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch nicht allein deshalb angenommen werden kann, wenn ein Vielfachabmahner trotz ausgebliebener Unterlassungserklärungen viele Fälle nicht gerichtlich weiterverfolgt.

Leitsätze des BGH:
a) Der Geltendmachung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht aus einem aufgrund einer missbräuchlichen Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertag kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2019 - I ZR 6/17, GRUR 2019, 638 [juris Rn. 33 f.] = WRP 2019, 727 - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung).

b) Die Frage, ob die Geltendmachung der auf einer Unterlassungsvereinbarung beruhenden Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wobei die Umstände, die im Rahmen des § 8c Abs. 1 UWG nF (§ 8 Abs. 4 UWG aF) einen Rechtsmissbrauch begründen, auch im Rahmen der Prüfung des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB herangezogen werden können (vgl. BGH, GRUR 2019, 638 [juris Rn. 17 f. und 33 f.] - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung).

c) Von einem rechtsmissbräuchlichen Abmahnverhalten ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs überwiegend von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 [juris Rn. 40] = WRP 2023, 576 - Mitgliederstruktur, mwN). Ohne Hinzutreten weiterer Indizien kann dies regelmäßig nicht allein deshalb angenommen werden, weil der Gläubiger die geltend gemachten Unterlassungsansprüche in einer Vielzahl von Fällen trotz ausgebliebener Unterwerfungserklärungen der Schuldner nicht gerichtlich weiterverfolgt hat.

BGH, Urteil vom 7. März 2024 - I ZR 83/23 - OLG Hamm - LG Essen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Nürnberg: Einmaliges Fordern einer überhöhten Vertragsstrafe führt nicht zum Rechtsmissbrauch nach § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG

OLG Nürnberg
Urteil vom 18.07.2023
3 U 1092/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass das einmalige Fordern einer überhöhten Vertragsstrafe nicht zum Rechtsmissbrauch nach § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG führt.

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Es liegt auch keine Vereinbarung oder Forderung überhöhter Vertragsstrafen i.S.v. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG vor.

aa) Nach der bisherigen Rechtsprechung lag ein starkes Indiz für einen Missbrauch im Sinne einer im Vordergrund stehenden Einnahmeerzielungsabsicht vor, wenn der Abmahnende systematisch überhöhte Vertragsstrafen verlangt (BGH, GRUR 2012, 286 Rn. 13 – Falsche Suchrubrik; BGH, GRUR 2016, 961 Rn. 15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon). Das Regelbeispiel übernimmt die Forderung nach „systematisch“ überhöhten Vertragsstrafen zwar nicht. Nach dem Wortlaut müssen aber (mehrere) „offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen“ vereinbart oder gefordert werden. Es bleibt also unter Geltung des neuen § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG dabei, dass eine einzige offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe einen Missbrauch nicht indiziert (Goldmann, in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 8c Rn. 192).

Durch den in § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG verwendeten Begriff „offensichtlich“ soll verdeutlicht werden, dass nur eindeutige und ohne Weiteres erkennbare Fälle erfasst werden sollen und nicht Konstellationen, in denen dem Abmahnenden bloße Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind oder seine Forderung sich aus der Sicht e. noch im üblichen Rahmen hielt (Beschlussempfehlung, BT-Drs. 19/22238, S. 17).

bb) Im vorliegenden Fall fügte die Verfügungsklägerin der Abmahnung zum einen eine vorformulierte Unterlassungserklärung bei, durch welche sich die Verfügungsbeklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung zum einen unter Ausschluss der Einrede der natürlichen Handlungseinheit verpflichtete. Bei Vorliegen von natürlicher Handlungseinheit werden mehrere Verhaltensweisen zusammengefasst, die auf Grund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (BGH, GRUR 2009, 427 Rn. 13 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel).

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre eine Vertragsklausel, nach der eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelverstößen von vornherein ausgeschlossen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich unwirksam, falls nicht besondere Umstände vorliegen, die die Unangemessenheit der Benachteiligung ausschließen (Bornkamm/Feddersen a.a.O. § 13a Rn. 27). Dagegen können die Parteien in einer Individualabrede vereinbaren, dass eine Zusammenfassung mehrerer oder aller Verstöße zu einer einzigen Zuwiderhandlung nach den Grundsätzen der natürlichen Handlungseinheit oder einer Handlung im Rechtssinne nicht erfolgen soll (BGH, GRUR 2009, 181 Rn. 39 – Kinderwärmekissen).

Vor diesem Hintergrund kann das Begehren der Verfügungsklägerin in der Abmahnung, dass die Verfügungsbeklagte auf die Einrede der natürlichen Handlungseinheit verzichten solle, nicht ein Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit darstellen. Zwar mag dieses Ansinnen dazu führen, dass die Verfügungsbeklagte eine derartige Vertragsstrafe gemäß § 13a Abs. 4 UWG nicht schulden würde. Die Schwelle zur Offensichtlichkeit einer überhöhten Vertragsstrafe ist hingegen nicht überschritten, da eine Individualvereinbarung, wonach mehrere Verstöße nicht zu einer Einheit zusammengefasst werden sollen, nicht per se unzulässig ist, zumal es nach der neueren Rechtsprechung für sich allein nicht ausreicht, wenn der Abmahnende einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs fordert (BGH, GRUR 2012, 286 Rn. 15 – Falsche Suchrubrik; a.A. BGH, NJW 1993, 721 – Fortsetzungszusammenhang).

cc) Darüber hinaus hat die Verfügungsklägerin im Streitfall gefordert, dass im Fall von Dauerhandlungen, etwa durch eine Zuwiderhandlung im Internet, jede angefangene Woche der Zuwiderhandlung als einzelner Verstoß gilt.

(1) Für Rechtsmissbräuchlichkeit spricht, dass diese Forderung über den Verzicht auf die Einrede der natürlichen Handlungseinheit deutlich hinaus geht und einen erheblichen Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken des Vertragsstrafenrechts darstellt. Denn in der Regel ist eine einheitliche Handlung anzunehmen, wenn dem Schuldner eine Handlung vorgeworfen wird, wie etwa das Einstellen einer Werbung in das Internet (OLG Köln, GRUR-RR 2020, 224 Rn. 78 – Arzneimittelfamilie). Durch die ausdrückliche Vereinbarung, dass Dauerhandlungen als ein Verstoß pro Woche anzusehen sein sollen, kann ein potenziell mit leichter Fahrlässigkeit begangener Verstoß – z B. wegen einer versehentlich nicht gelöschten Werbeaussage – als eine Vielzahl von Verstößen mit einer Aufsummierung zu erheblichen Vertragsstrafen geahndet werden.

(2) Gegen Rechtsmissbrauch spricht hingegen, dass nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UWG bei der Festlegung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe die Art und das Ausmaß der Zuwiderhandlung maßgeblich sein sollen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch die Dauer der Verletzungshandlung, weshalb bei einer längeren Zuwiderhandlung im Internet die Vertragsstrafe höher angesetzt werden kann als bei nur kurzen Verstößen von lediglich einer Woche.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei der vorliegenden Vertragsstrafenvereinbarung gemäß § 315 Abs. 1 BGB der Verfügungsklägerin für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht die Bestimmung der Strafhöhe nach ihrem billigen Ermessen überlassen bleiben sollte („Hamburger Brauch”) und nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB eine gerichtliche Überprüfung der von der Verfügungsklägerin vorgenommenen Bestimmung der Vertragsstrafenhöhe in der Vereinbarung vorgesehen war (vgl. BGH, GRUR 2010, 355 Rn. 30 – Testfundstelle). Ihre Festsetzung muss daher insgesamt billigem Ermessen entsprechen (§ 315, § 316 BGB). Ist das nicht der Fall, ist die Festsetzung nicht verbindlich und unterliegt dann der gerichtlichen Bestimmung (§ 315 Abs. 3, § 319 BGB). Diese Art der Vertragsstrafenbestimmung kompensiert in einem gewissen Umfang die willkürliche Aufspaltung von Dauerverstößen pro Woche.

(3) Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob die Aufspaltung einer Dauerhandlung in einzelne Zuwiderhandlungen pro Wocheneinheit den Rechtsmissbrauch indizieren kann. Denn der Verfügungsklägerin kann vorliegend allenfalls ein Fall der Forderung einer überhöhten Vertragsstrafe vorgeworfen werden kann. Und eine einzige (offensichtlich) überhöhte Vertragsstrafe ist kein Indiz für einen Missbrauch i.S.v. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Novembermann-Rechtsprechung des BGH gilt auch im Lauterkeitsrecht - Mehrere Abmahnungen als eine Angelegenheit nach § 15 Abs. 2 RVG

OLG Frankfurt
Beschluss vom 13.07.2021
6 W 43/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Novembermann-Rechtsprechung des BGH (siehe dazu (BGH: Novembermann - Im Wesentlichen gleichlautende Abmahnungen wegen rechtswidrigen Vertriebs von Vervielfältigungsstücken derselben Werke aus derselben Quelle als eine Angelegenheit gemäß § 15 Abs 2 RVG) auch im Lauterkeitsrecht anzuwenden ist, so dass mehrere Abmahnungen eine Angelegenheit nach § 15 Abs. 2 RVG sein können.

Aus den Entscheidungsgründen:

c) Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Antragstellerin steht nicht deren Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 8c UWG entgegen.

(1) Soweit die Antragstellerin die mit dem Verfügungsantrag geltend gemachten beiden Verletzungsfälle in verschiedenen Abmahnungen geltend gemacht hat, liegt hier kein Fall des § 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG vor.

Ist es dem Anspruchsberechtigten möglich und zumutbar, mehrere Wettbewerbsverstöße mit einem Klageantrag (oder einem Verfügungsantrag oder einer Abmahnung) geltend zu machen, so kann es zwar einen Missbrauch darstellen, wenn er ohne sachlichen Grund eine Aufspaltung vornimmt und mehrere Abmahnungen ausspricht oder Klagen neben- oder nacheinander erhebt (BGH GRUR 2009, 1180 Rn 20 - 0,00 Grundgebühr; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c Rn 28; OLG Frankfurt am Main WRP 2018, 736 - zum Fall einer „versehentlichen“ Verfahrensspaltung).

Ein sachlicher Grund ist indes anzunehmen, wenn eine inhaltlich übereinstimmende Werbung in unterschiedlichen Medien oder mittels unterschiedlicher Maßnahmen erfolgt und der Kläger jeweils die konkrete Verletzungsform angreift (und somit unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen), sofern die rechtliche Beurteilung oder die Beweisbarkeit des jeweiligen Wettbewerbsverstoßes unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2019, 631 Rn 62 - Das beste Netz; OLG Frankfurt am Main WRP 2010, 158, 160). Dies gilt insbesondere bei Wettbewerbsverstößen wie im vorliegenden Fall, die zwar Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede aufweisen, etwa im Hinblick auf Art, Zeit, Ort und Gegenstand der Werbung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c Rn. 29). Zwar sind die gelten gemachten Verstöße auf der Website und dem Flyer weitgehend identisch und ist es angesichts der Kenntnisnahme am 10.3.21 auch nicht erkennbar, warum aus Dringlichkeitsgründen die Abmahnungen am 30.3. und 31.3. nicht hätten zusammengefasst werden können. In der Gesamtschau ist dies jedoch für den Senat nicht ausreichend, um dem ungewöhnlichen Vorgehen der Antragstellerin das Verdikt der Rechtsmissbräuchlichkeit zu verleihen. Hierbei ist nämlich zu betrachten, dass der Antragstellerin die Verstöße beim Verfügungsantrag wieder zusammengeführt hat und keine kostentreibende Aufspaltung vorgenommen hat.

(2) Soweit die Antragstellerin mit den Abmahnungen Abmahnkostenersatz auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 375.000 € (30.3.21) sowie 350.000 € (31.3.21) fordert, bietet dies schon deshalb keinen Anlass zur Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG, weil die Antragsgegnerin selbst bei vergleichbaren Abmahnungen Streitwerte in ähnlicher Größenordnung angesetzt hat. Im Übrigen rechtfertigt das vorgetragenen Marktvolumen von Grippeimpfstoffen für über 60-Jährige diese Gegenstandswerte ohne Weiteres.

Die Gebührenforderung erweist sich allerdings in anderer Hinsicht als übersetzt. Nach der „Novembermann“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2019, 1044) - deren Grundsätze auch auf lauterkeitsrechtliche Konstellationen Anwendung finden sollen (Büscher GRUR 2021, 162) - können mehrere Abmahnungen eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG darstellen, wenn diese im wesentlichen gleiche Verletzungshandlungen betreffen. Nach Auffassung des Senats spricht einiges dafür, jedenfalls die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen erstellten Abmahnungen als eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG anzusehen, mit der Folge, dass die Gegenstandswerte jeweils zu addieren sind und die jeweils Abgemahnten nur einen Anteil der so berechneten Kosten zu tragen hätten, der deutlich niedriger wäre als die jeweils auf Grundlage eines Wertes von 375.000 € bzw. 300.000 € errechnete 1,3-fache Gebühr.

Die Indizwirkung des § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG tritt jedoch erst dann ein, wenn diese Werte „offensichtlich“ überhöht sind. Die ursprüngliche Entwurfsfassung des neuen UWG sah vor, dass ein Missbrauch bereits dann indiziert wird, wenn „erheblich“ überhöhte Vertragsstrafen gefordert werden oder eine „erheblich“ über die Rechtsverletzung hinausgehende Unterlassungsverpflichtung vorgeschlagen wird. Da sich kaum objektivieren lässt, welche Zuvielforderung „erheblich“ ist, wäre eine gravierende Rechtsunsicherheit entstanden. Deshalb wurde der Begriff „erheblich“ durch den Begriff „offensichtlich“ ersetzt. Damit soll nach der Gesetzesbegründung verdeutlicht werden, dass es nur um eindeutige und ohne Weiteres erkennbare Fehler geht (Kochendörfer WRP 2020, 1513). An einer solchen Offensichtlichkeit fehlt es hier. Die Indizwirkung der überhöhten Abmahnkostenersatzforderung beruht nämlich darauf, dass der Abmahnende wider besseres Wissen zu hohe Gebühren fordert. Angesichts der Tatsache, dass die BGH-Entscheidung erst vom 6.6.2019 datiert, der Tatsache, dass noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu vergleichbaren UWG-Fällen bekannt geworden ist, sowie der problematischen Abgrenzung bei der Frage, ob eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG vorliegt, kann die Indizwirkung hier nicht eintreten.

d) Die durch die Verstöße begründete Wiederholungsgefahr ist nicht durch die strafbewehrten Unterlassungserklärungen der Antragsgegnerin vom 9.4.2021 (Anlage AS 14, Bl. 112 ff.) sowie 12.4.2021 (Anlage AS 16 Bl. 121 ff.) in Wegfall geraten. Die Unterlassungserklärungen erfassen schon nicht den Verstoß gegen § 6 HWG.

(1) Beanstandet - wie hier - der Gläubiger das konkrete Verhalten des Schuldners unter zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig, muss bei der Unterwerfung zur Erreichung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr sichergestellt sein, dass sie auch beide Varianten alternativ als kerngleiche Verletzungen erfasst. Das kann einmal dadurch zum Ausdruck kommen, dass sich der Schuldner hinsichtlich der konkreten Verletzungsform unterwirft und zum Ausdruck bringt, dass sich die Unterwerfung alternativ auf beide Varianten bezieht. Der Schuldner kann sich aber auch in einer abstrakten Form gesondert hinsichtlich beider Varianten unterwerfen (Köhler/Bornkamm-Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 13 Rn 142).

(2) Die Unterlassungserklärungen der Antragsgegnerin erfassen den Verstoß gegen § 6 HWG nicht.

Die Antragsgegnerin hat in ihren Unterlassungserklärungen die konkrete Verletzungsform aufgenommen, ohne näher zu erläutern, ob die Unterlassungserklärung sich auf § 6 HWG oder auf § 5 UWG bezieht, was beides Teil der Abmahnung durch die Antragstellerin gewesen ist. Aus dem Schreiben (S. 8) ergibt sich, dass die Antragsgegnerin sich mit beiden Angriffen auseinandergesetzt hat und diese beide zurückgewiesen hat. Weitere Auslegungshinweise lassen sich dem Schreiben nicht entnehmen. Diese Unsicherheit geht zu Lasten der Antragsgegnerin, die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr darlegungs- und beweisbelastet ist.

Auf diese Problematik hatte die Antragstellerin bereits mit Schriftsatz vom 4.5.2021 hingewiesen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Hamm: Sprechen zahlreiche Indizien für Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG trifft Abmahner sekundäre Darlegungslast zur Entkräftung der Indizien

OLG Hamm
Beschluss vom 09.03.2021
4 W 118/20


Das OLG Hamm hat entschieden, dass für den Fall, dass zahlreiche Indizien für Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG sprechen, den Abmahner eine sekundäre Darlegungslast zur Entkräftung der Indizien trifft.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO auferlegt, nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes war der Antrag der Antragstellerin als unzulässig im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG a.F. (bzw. § 8c UWG n.F.) zu beurteilen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses vom 25.11.2020 Bezug genommen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zahlreiche Indizien für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Verfügungsklägerin sprechen. Damit traf die Verfügungsbeklagte eine sekundäre Darlegungslast zur Entkräftung dieser Indizien, der sie auch mit der der sofortigen Beschwerde nicht nachgekommen ist. Lediglich ergänzend merkt der Senat insoweit an, dass weder der Verfügungsbeklagte noch etwa das Landgericht selbst gehalten war, weitere Ermittlungen anstellen oder Ausführungen zu den Einzelheiten der von der Verfügungsbeklagten geführten Verfahren zu machen. Dies hätte vielmehr der Verfügungsklägerin oblegen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Celle: Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG liegt nicht automatisch vor wenn Abmahnung entgegen § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG einen überhöhten Streitwert annimmt

OLG Celle
Beschluss vom 31.05.2021
13 U 23/21


Das OLG Celle hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG nicht automatisch vorliegt, wenn der Abmahner in der Abmahnung entgegen § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG einen überhöhten Streitwert zur Berechnung der Abmahnkosten ansetzt. Vielmehr ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist nicht gemäß § 8c UWG wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig.

In dem neuen § 8c Absatz 2 UWG sollten die Fallgruppen der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen weiter konkretisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht werden (BT-Drucksache 19/22238, S. 17). Mit der Formulierung des Einleitungssatzes „ist im Zweifel anzunehmen“ wird klargestellt, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich ist. Die Erfüllung einer der genannten Konstellationen kommt lediglich eine Indizwirkung für einen Missbrauch zu. Der Abmahnende kann diese Indizien erschüttern (aaO).

Danach ist im Streitfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht von einem Rechtsmissbrauch auszugehen. Zwar hält auch der Senat den bei der Abmahnung in Ansatz gebrachten Gegenstandswert von 82.500 € (11 Verstöße à 7.500 €) für übersetzt. Der Verfügungskläger hat jedoch nachvollziehbar dargetan, welche Überlegungen sein Prozessbevollmächtigter bei der Bemessung des Streitwerts angestellt hat (Bl. 7 f. d.A). Dabei ist der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers zutreffend davon ausgegangen, dass die einzelnen Werbeangaben jeweils gesonderte Unterlassungsansprüche begründen können und daher grundsätzlich eine Wertaddition vorgenommen werden kann. Zwar könnte es sich teilweise um kerngleiche Verstöße handeln, was bei der Bemessung des Gesamtwerts zu berücksichtigen wäre. Diese Frage ist jedoch nicht einfach zu beantworten, weil sich die Aussagen - soweit sie gleichgerichtet sind - auf unterschiedliche Bestandteile („Komponenten“) des Eiweiß-Produkts beziehen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für die Bemessung der Gegenstandswerte von lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüchen keine feststehenden Kriterien existieren und auch in der Rechtsprechung im Einzelfall ganz erhebliche Unterschiede zu verzeichnen sind, genügen die vorliegenden Umstände jedenfalls nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - unstreitig - der Verfügungsbeklagte in einer Abmahnung des Verfügungsklägers für einen einzigen Health Claim bereits einen Wert von 20.000 € zugrunde gelegt hat (Bl. 7, 43 d.A).

Es ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, dass der Verfügungskläger ein weiteres Verfügungsverfahren gegen ein mit dem Verfügungsbeklagten wirtschaftlich verbundenes Unternehmen, die … Service GmbH, - ebenfalls wegen Werbeangaben für das Produkt „…“ - betreibt (vgl. Abmahnung vom 3. Februar 2021, Bl. 15 ff. d.A). Es handelt sich um einen anderen Internetauftritt eines anderen Unternehmens. Der Verfügungskläger hat zudem dargetan, dass er diesen Verstoß erst am 3. Februar 2021 - nach der Antwort des Verfügungsbeklagten auf dessen Abmahnung - festgestellt hat. Der Verfügungskläger war nicht gehalten, die Unterlassungsansprüche gegen ein anderes Unternehmen - im Wege einer subjektiven Antragserweiterung - noch in dem vorliegenden Verfahren geltend zu machen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein solches Vorgehen unter Berücksichtigung der Ladungsfristen die Gefahr von Verzögerungen mit sich gebracht hätte und sich in dem vorliegenden Verfahren der Streitwert entsprechend erhöht hätte (lediglich abgemildert durch die Gebührendegression).

2. Die Parteien sind auch Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in Bezug auf die mit der streitgegenständlichen Werbung angebotenen Produkte.

Die Eigenschaft als Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Das ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH GRUR 2019, 970 Rn. 23, mwN).

Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Die Verfügungsbeklagte hat nicht in Abrede genommen, dass die Verfügungsklägerin gleichartige Nahrungsergänzungsmittel- Eiweißpulver bzw. L-Carnitin - anbietet. Die Angebote richten sich auch jeweils an die gleichen Endverbraucherkreise, nämlich Personen, die - insbesondere bei sportlicher Betätigung - den Muskelaufbau fördern und Trainingseffekte verstärken wollen. Dem steht es nicht entgegen, dass der Verfügungsbeklagte eine Internet-apotheke betreibt. Die angesprochenen Verbraucher wissen, dass Apotheken in großem Umfang nicht nur Arzneimittel, sondern auch eine Vielzahl anderer Produkte, insbesondere aus dem Bereich der Nahrungsergänzungsmittel anbieten. Verbraucher, die im Zusammenhang mit einer sportlichen Betätigung Nahrungsergänzungsmittel einnehmen wollen, werden daher auch das Angebot einer Internetapotheke in Betracht ziehen. Hierauf zielt die Werbung des Verfügungsbeklagten auch ersichtlich ab. Er spricht mit der Werbung gezielt Sportler an, die ihre Trainingsleistung fördern bzw. mit „eiweiß power“ ihre Muskeln regenerieren und aufbauen und Muskelkater reduzieren wollen. Die in dem Urteil des Senats vom9. Juli 2019 – 13 U 31/19 – an dem Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses geäußerten Zweifel stehen dieser Beurteilung nicht entgegen; dieses Verfahren betraf einen anderen Sachverhalt, bei dem das Produkt vom Beklagten nicht für den Sportbereich, sondern als „idealer Begleiter im Alltag und Unterstützer bei zu einseitiger, eiweißarmer Ernährung“ beworben wurde. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Verfügungskläger die Nahrungsergänzungsmittel ausschließlich an bestimmte „Kraftsportler“ verkauft, die einen Einkauf dieser Produkte in einer Internetapotheke nicht in Betracht ziehen würden.

3. Das Landgericht hat auch zu Recht sämtliche Werbeaussagen - auch die Angabe „zur Förderung der Trainingsleistung“ - als gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 10 HCVO (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) angesehen.

Gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmitteloder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Dies ist auch in Bezug auf die Angabe „zur Förderung der Trainingsleistung“ der Fall; diese suggeriert im maßgeblichen Kontext der konkreten Verletzungsform, dass das Mittel die positive gesundheitliche Wirkung von Sport-Training verstärkt. Zwar handelt es sich lediglich um eine nicht-spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO. Diese ist jedoch gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO unzulässig, weil ihr keine nach Art. 10 Abs. 1 HCVO zulässige spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Dortmund: Rechtsmissbrauch durch überhöhte Abmahnkosten aufgrund zu hohen Streitwerts nach § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG führt auch zum Verlust des Unterlassungsanspruchs

LG Dortmund
Beschluss vom 16.02.2021
10 O 10/21


Das LG Dortmund hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch durch überhöhte Abmahnkosten aufgrund zu hohen Streitwerts nach § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG auch zum Verlust des Unterlassungsanspruchs führt.

Die Entscheidungsgründe:

"Der Antragsteller begehrt eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt, aus der Antragsschrift vom 08.02.2021. Er nimmt den Antragsgegner, welcher als Privatperson auf der Internetplattform W3 neue Haushaltsartikel anbietet und verkauft, wegen fehlender Pflichtangaben gemäß § 5 TMG, fehlender Widerrufsbelehrung und fehlender Information/Verlinkung zur OS-Plattform im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.01.2021 mahnte der Kläger den Beklagten ab. Die Kosten der Inanspruchnahme wurden in diesem Schreiben unter Zugrundelegung eines Streitwertes von 30.000,00 € mit 1.501,19 € beziffert. Zugleich wurde der Antragsgegner zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, da der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches § 8c UWG n.F. entgegensteht.

1. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 und damit auch § 8c UWG n.F. ist bereits am 02.12.2020 und damit sowohl vor Eingang des Verfügungsantrages als auch vor der Kenntnis des Antragstellers von den geltend gemachten Verstößen in Kraft getreten.

2. Nach § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG n.F. ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel schon dann anzunehmen, wenn ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt. Dies muss erst recht dann gelten, wenn nicht durch die überhöhte Ansetzung eines Gegenstandswertes überhöhte Gebühren in Ansatz gebracht, sondern sogar Gebühren gefordert werden, die schon dem Grunde nach nicht geschuldet werden. So liegt es hier, denn mit dem Abmahnschreiben vom 27.01.2021 werden Gebühren geltend gemacht, obwohl dies vorliegend gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG n.F. (in Kraft getreten vor Fertigung des Abmahnschreibens, s. o.) ausgeschlossen ist. Nach dieser Norm konnte der Antragsteller keinen Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, weil es um Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten ging.

Im Übrigen dürfte auch schon dieses missbräuchliche Vorgehen bei der Abmahnung auf den nachfolgenden Verfügungsantrag durchschlagen (Köhler/Bornkamm, UWG, 39. Aufl., § 8c, Rn. 7)

3. Eine andere Bewertung ergibt sich auch dann nicht, wenn man eine weitergehende Gesamtbetrachtung (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 12) anstellt. So handelt es sich bei den verfolgten Rechtsverstößen um solche, die sich mit technischen Mitteln recht einfach ermitteln lassen (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 15). Hinzu kommt hier noch, dass der Antragsteller eine strafbewehrte Vertragsstrafe forderte, obwohl ihm auch dies nach der neuen Gesetzeslage, § 13a Abs. 2 UWG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG n.F., verwehrt war. Dass der Antragsgegner etwa in der Regel 100 oder mehr Mitarbeiter beschäftigte, war nach Lage der Dinge ersichtlich ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.