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OLG Schleswig-Holstein: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 19 Abs. 3 EMVG - deutsche Gebrauchsanweisung nur per Download ohne deutlichen Hinweis

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 15.07.2021
6 U 17/21


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Marktverhaltensregel § 19 Abs. 3 EMVG vorliegt, wenn eine deutsche Gebrauchsanweisung nur per Download vorgehalten wird, ohne dass deutlich darauf hingewiesen wird und nicht mitgeteilt wird, wo diese eingesehen werden kann. Ein Hinweis in der Artikelbeschreibung genügt dabei nicht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Mit dem Antrag zu 1 erstrebt die Klägerin eine Kennzeichnung der Flugregler und der Steckverbindungen mit Angaben zu Handelsname oder -marke und Postanschrift des Herstellers oder Einführers. Anspruchsgrundlage kann nur § 9 Abs. 2 Satz 1 EMVG sein. Aus einem Verstoß gegen diese Vorschrift kann die Klägerin jedoch keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte herleiten.

a) Der Anwendungsbereich des EMVG ist eröffnet. Das EMVG gilt für alle Betriebsmittel, die elektromagnetische Störungen verursachen oder deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinflusst werden kann (§ 1 Abs. 1 EMVG). Darunter fallen Geräte, bei denen diese Wirkungen auftreten können (§ 3 Nr. 2 lit. a EMVG), und Bauteile, die zum Einbau in Geräte bestimmt sind und für die dies ebenfalls gilt (ebd. lit. c). Sowohl Flugregler als auch Steckverbinder sind jedenfalls Geräte in letzterem Sinn.

b) In einem etwaigen Verstoß der Beklagten gegen die Kennzeichnungspflicht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EMVG liegt jedoch kein Rechtsbruch i. S. d. § 3a UWG. Die Vorschrift ist keine Marktverhaltensregelung.

aa) Nach § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Eine Vorschrift regelt das Marktverhalten der Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt. Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilnehmern dient, ist eine Marktverhaltensregelung, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird. Das ist der Fall, wenn sie - zumindest auch - den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecken; lediglich reflexartige Auswirkungen zu deren Gunsten genügen daher nicht (GRUR 2017, 819, 821 Rn. 20 - Aufzeichnungspflicht; BGH GRUR 2016, 513, 514 f Rn. 21 - Eizellspende; OLG Düsseldorf wrp 2021, 928 Rn. 5 - Eigenbeteiligung bei Schutzmasken; Schaffert in MüKoUWG, 3. Aufl. 2020, § 3a Rn. 65).

bb) Die Zielsetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EMVG erschließt sich aus dem Ziel des EMVG insgesamt und der in dem Gesetz getroffenen Regelungen zur effektiven Durchsetzung dieses Ziels. Das EMVG dient in Umsetzung der Richtlinie RL 2014/30/EU der elektromagnetischen Verträglichkeit der Vielzahl alltäglich genutzter Geräte, die gegen elektromagnetische Störungen geschützt werden müssen (s. nur Überschrift und Erwägungsgründe 4 und 15 und Art. 1 der Richtlinie sowie § 1 Abs. 1 EMVG). Zur Gewährleistung elektromagnetischer Verträglichkeit der Geräte müssen diese entsprechend konstruiert werden (Erwägungsgrund 14). Es muss überwacht werden, dass die Geräte die gebotenen Vorgaben zum Schutz vor Störungen auch einhalten. Vollständige Angaben zu denjenigen, die ein Gerät in Verkehr bringen, sollen die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit eines Gerätes über die gesamte Lieferkette hinweg erleichtern. Dadurch können die Aufgaben der Marktüberwachung einfacher und wirksamer erfüllt werden (Erwägungsgründe 21 und 25). National ist geregelt, dass die Bundesnetzagentur als Überwachungsbehörde im Verdachtsfall die elektromagnetische Verträglichkeit eines Geräts nachzuprüfen hat. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt sind, hat sie die für den Vertrieb des Geräts Verantwortlichen zu geeigneten Maßnahmen aufzufordern (§ 23 EMVG). Der Umsetzung dieser Überwachungspflicht dienen die in § 9 Abs. 1 und 2 EMVG geregelten Kennzeichnungspflichten. Mit der Kennzeichnung nach Abs. 1 soll sichergestellt werden, dass Geräte zweifelsfrei identifiziert und ggf. unverzüglich zielgerichtete Maßnahmen ergriffen werden können (BT-Drucks. 240/16 S. 39). Durch die Angabe der Herstellerinformation nach Abs. 2 soll gewährleistet werden, dass eine leichte Identifikation des Herstellers und eine schnelle Kontaktaufnahme mit ihm erfolgen kann (ebd. S. 39).

cc) Angesichts dieser Zielsetzung der Kennzeichnungspflicht stellt § 9 Abs. 2 EMVG keine Marktverhaltensregelung dar. Die Kennzeichnung dient nicht dem Interesse der Marktteilnehmer, sondern dem der Marktüberwachungsbehörde, indem sie ihr die Erfüllung ihrer Überwachungsaufgabe erleichtert. Zwar dient eine effektive Marktüberwachung auch dem Schutz der Marktteilnehmer, weil auch sie Interesse daran haben, dass nur ordnungsgemäß funktionierende Geräte auf dem Markt sind. Der Schutz dieses Interesses ist aber nur eine reflexartige Auswirkung des unmittelbaren gesetzgeberischen Ziels einer effizienten Marktüberwachung.

dd) Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zur Auslegung des § 9 Abs. 1 ElektroG, wonach es sich bei der Pflicht zur Herstellerkennzeichnung um eine Marktverhaltensregelung handelt. Die Zielrichtung beider Kennzeichnungspflichten ist eine jeweils andere. Mit der Kennzeichnungspflicht nach § 9 Abs. 1 ElektroG sollen die Hersteller vor einer Belastung mit Entsorgungskosten geschützt werden, die sie für Elektrogeräte anderer Wettbewerber übernehmen müssten, die ihre Ware nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet haben (BGH GRUR 2015, 1021, 1022 f., Rn. 15 f. zur Vorgängervorschrift § 7 Satz 1 ElektroG a. F.). Eine solche individualschützende Zielrichtung hat § 9 Abs. 2 EMVG hingegen nicht. Der Senat merkt an, dass in der Kommentierung zu § 3a UWG zwar stets die Kennzeichnungsvorschrift für Elektrogeräte aus § 9 ElektroG abgehandelt, diejenige aus § 9 EMVG jedoch, soweit ersichtlich, nie auch nur erwähnt wird (vgl. - jew. zu § 3a - Hohlweck in Büscher, UWG, 2019, § 3a Rnrn. 292 - 298 (ausführlich); Ebert-Weidenfeller in Götting-Nordemann, UWG, 3. Aufl. 2016, Rn. 79; v. Jagow in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, Rn. 77; Diekmann in Seichter, jurisPK. UWG, Stand 15.1.2021, Rn. 232; Köhler in ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, Rn. 1.199; MüKoUWG/Schaffert Rn. 430; Ohly in ders./Sosnitza, 7. Aufl. 2016, Rn. 64; ebenso bei Grunert, Die Entwicklung des Rechtsbruchtatbestands, GRUR Int. 2015, 687, 691 f).

ee) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat der Wertung des Senats in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten, dass sie zu einer nicht nachvollziehbaren Schwächung des Verbraucherschutzes führe. Der Umstand, dass die Kennzeichnungspflichten nach § 9 Abs. 2 EMVG die Aufgaben der Marktüberwachungsbehörde erleichterten, dürfe der Anerkennung der Vorschrift als Marktverhaltensregelung nicht entgegenstehen. Nur dann nämlich hätten Mitbewerber und Wettbewerbsverbände die Möglichkeit, Verstößen mit Unterlassungsklagen zu begegnen.

Der Senat hält diesen Einwand nicht für durchgreifend. Der Gesetzgeber hat Wettbewerbern und Wettbewerbsverbänden gerade nicht die uneingeschränkte Möglichkeit zur Überwachung des Wettbewerbs eingeräumt. Gegen einen Gesetzesverstoß kann individualrechtlich nur vorgegangen werden, wenn das verletzte Gesetz unmittelbar dem Schutz der Rechte und Interessen der Marktteilnehmer dient. Hat ein Gesetz diese Zielrichtung hingegen nicht, kann ein Verstoß keine Grundlage für einen individualrechtlichen Unterlassungsanspruch sein. Ist in solchen Fällen der Rechtsbruchtatbestand nicht erfüllt, so verwirklicht sich nur eine dem Gesetz von vornherein innewohnende Einschränkung des Tatbestands. Es führt jedoch nicht zur Schwächung eines „an sich“ in höherem Umfang gewährten Verbraucherschutzes. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass für eine Ahndung des Gesetzesverstoßes durch Mitbewerber oder Wettbewerbsverbände auch deshalb kein Bedürfnis besteht, weil dies der Marktüberwachungsbehörde übertragen ist. Im Grundsatz hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften nicht behördlich, sondern von den Marktteilnehmern selbst überwachen zu lassen, denen er dafür zivilrechtliche und prozessuale Möglichkeiten zur Durchsetzung des Lauterkeitsrechts an die Hand gegeben hat (BT-Drucks. 15/1487 S. 22; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, Vorb. zu § 8 Rnrn. 1 - 3). In dieses System fügt sich der Rechtsbruchtatbestand ein, der es Marktteilnehmern ermöglicht, gegen Gesetzesverstöße vorzugehen. Kein Bedürfnis hierfür besteht aber, soweit ausnahmsweise doch eine behördliche Marktüberwachung erfolgt. Dies ist, wie dargelegt, im Hinblick auf die Überwachung der elektromagnetischen Verträglichkeit der auf dem Markt vertriebenen Geräte der Fall. All dem dient, wie ebenfalls dargelegt, die von § 9 Abs. 2 EMVG geforderte Kennzeichnung.

2. Mit dem Hilfsantrag möchte die Klägerin der Beklagten untersagen lassen, Steckverbinder ohne die nach § 9 Abs. 1 ElektroG erforderlichen Angaben in Verkehr zu bringen. Auch damit hat sie keinen Erfolg.

a) Selbst wenn - was der Senat nicht zu entscheiden braucht - ein Verfügungsanspruch bestünde, scheiterte der Antrag doch am Fehlen eines Verfügungsgrunds. Der Klägerin ist der angebliche Gesetzesverstoß seit dem 28.10.2020 bekannt. Erstmals in das Verfahren eingeführt hat sie das Unterlassungsbegehren insoweit in der mündlichen Verhandlung am 03.06.2021. Sieben Monate nach Kenntniserlangung kann aber nicht von einer Gefährdung des zu sichernden Anspruchs oder einer besonderen Dringlichkeit für eine „sofortige“ Regelung ausgegangen werden.

b) Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, dass die Kennzeichnungspflicht nach § 9 Abs. 1 ElektroG bereits Gegenstand der Antragstellung in der Antragsschrift gewesen sei. Zwar hat das Landgericht die Beklagte wegen unzureichender Kennzeichnung der Flugregler nach § 9 Abs. 1 ElektroG zur Unterlassung verurteilt. Mit dieser Verurteilung ist das Landgericht jedoch unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über den Antrag zu 1. hinausgegangen. Die Klägerin hat nur die Kennzeichnungspflicht aus § 9 Abs. 2 EMVG zum Streitgegenstand gemacht.

Nach § 9 Abs. 1 ElektroG sind Elektro- und Elektronikgeräte, die nach bestimmten, im Gesetz genannten Zeitpunkten in Verkehr gebracht werden, dauerhaft so zu kennzeichnen, dass - so wörtlich - „der Hersteller eindeutig zu identifizieren ist“ und der Zeitpunkt des Inverkehrbringens festgestellt werden kann. Nach § 9 Abs. 2 EMVG hat der Hersteller von Elektrogeräten i. S. d. EMVG seinen Namen, seinen eingetragenen Handelsnamen oder seine eingetragene Handelsmarke sowie seine Postanschrift auf dem Gerät anzubringen. Mit ihrem Antrag zu 1 macht die Klägerin geltend, dass die Beklagte ihre Produkte ohne eben diese Angaben nicht vertreiben dürfe. Der Wortlaut des Antrags ist eindeutig und ausschließlich auf die Kennzeichnungspflicht aus § 9 Abs 2. EMVG bezogen. Die Klägerin hat mehrfach zwar § 9 Abs. 1 ElektroG zitiert, jedoch nie behauptet, dass es an einer Angabe fehle, mit der die Beklagte als Herstellerin identifiziert werden könne. Sie hat in der Sache stets nur zur Nichterfüllung der Kennzeichnungspflicht aus § 9 Abs. 2 EMVG vorgetragen.

Die Kennzeichnungspflicht aus § 9 Abs. 1 ElektroG ist nicht etwa als Minus in derjenigen aus § 9 Abs. 2 EMVG enthalten. Es handelt sich um ein Aliud, denn es steht der Beklagten frei, mit welcher Angabe sie ihre Identifizierung nach § 9 Abs. 1 ElektroG sicherstellt. Dies mag üblicherweise durch die Angabe des Markennamens oder Markenzeichens des Herstellers geschehen. Der Hersteller kann aber auch die Registrierungsnummer wählen, mit deren Hilfe sich alle notwendigen Daten ermitteln lassen (vgl. die §§ 6 Abs. 1, 37 Abs. 1 ElektroG). Er muss allerdings bei der Registrierung der Geräte bereits angeben, welche Kennzeichen er verwenden möchte. Die Klägerin hätte deshalb allenfalls dann den im Antrag wiedergegebenen Anspruch gegen die Beklagte aus § 9 Abs. 2 Satz 1 ElektroG auf Angabe des Namens, der Marke oder der Anschrift, wenn die Beklagte bei der Registrierung angegeben hätte, ihre Geräte eben hiermit zu kennzeichnen. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen.

3. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, die Flugregler nur mit beigefügter deutschsprachiger Gebrauchsanweisung zu vertreiben. Insofern hat die Berufung Erfolg.

a) Die Beklagte hat gegen § 19 Abs. 3 EMVG verstoßen, indem sie die Gebrauchsanweisung nur zum Download bereithielt, ohne den Erwerber des Geräts auf diese Möglichkeit der Einsichtnahme deutlich hinzuweisen.

aa) § 19 Abs. 3 EMVG ist eine Marktverhaltensregelung. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist die bestimmungsgemäße Nutzung eines Gerätes wesentlich von einer geeigneten Gebrauchsanleitung sowie konkreten Informationen zur Montage, Installation, Wartung oder dem Betrieb des Geräts abhängig. § 9 Abs. 3 EMVG in Verbindung mit § 19 verpflichtet daher den Hersteller, diese Information dem Gerät beizufügen (BT-Drucks. 240/16 S. 39). Es liegt auf der Hand, dass das Gesetz mit dieser Zweckbestimmung unmittelbar dem Interesse der Verbraucher dient.

bb) Nach § 19 Abs. 3 EMVG, mit dem der nationale Gesetzgeber Art. 18 der RL 2014/30/EU (BT-Drucks. 240/16 S. 47) und Art. 7 Abs. 7 ebd. umgesetzt hat, ist jedem Gerät eine Betriebsanleitung mit allen zur bestimmungsgemäßen Nutzung erforderlichen Informationen beizufügen. Die Anleitung muss bei nichtgewerblichen Nutzern deutschsprachig sein. Dem genügte jedenfalls die Handhabung der Beklagten zur Zeit des Testkaufs nicht. Die Beklagte hatte nur eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung auf ihrer Internetseite zum Download bereitgehalten und hierauf am Ende der Artikelbeschreibung mit dem Hinweis „Download Gebrauchsanweisung“ aufmerksam gemacht. Ein Hinweis fand sich hingegen weder in der Bestellbestätigung oder Rechnung noch in sonstigen der Bestellung oder dem Produkt beigelegten Unterlagen.

Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, welche Voraussetzungen für ein „Beifügen“ der Gebrauchsanweisung erforderlich sind. Ein „Beifügen“ von Unterlagen zu einer Ware verlangt dem Wortsinn nach jedenfalls, dass Unterlagen und Ware in irgend einer Form so miteinander verbunden werden, dass der Verbraucher sie als zusammengehörig wahrnimmt. Diese Verbindung muss, wenn - wie hier - eine Gebrauchsanweisung beizufügen ist, zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Nutzer das Gerät zur Nutzung ausgehändigt erhält. Das folgt sowohl aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 3 EMVG, der ein Beifügen der Gebrauchsanleitung „zu dem Gerät“ verlangt, als auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die sicherstellen soll, dass der Nutzer das Gerät sachgerecht in Betrieb nimmt. Ein Hinweis auf die Gebrauchsanweisung, die sich nur in der Artikelbeschreibung findet, genügt dem nicht. Die Artikelbeschreibung liest der Verbraucher, bevor er sich für den Erwerb des Geräts entscheidet. Wird ihm das Gerät ausgehändigt, was je nach Lieferzeit erst Wochen später der Fall sein kann, ist ungewiss, inwieweit er die Artikelbeschreibung noch in Erinnerung hat. Keinesfalls kann damit gerechnet werden, dass ihm noch gegenwärtig ist, dass sich am Ende der Artikelbeschreibung ein Download für die Gebrauchsanweisung fand.

c) Die einmal erfolgte Wettbewerbsverletzung begründet eine Vermutung der Wiederholungsgefahr, die durch die bloße Änderung des Verhaltens - selbst dann, wenn es nunmehr lauter wäre - nicht widerlegt wird.

d) Da der Anspruch damit schon wegen Verstoßes gegen § 19 Abs. 3 EMVG begründet ist, kommt es auf einen durch Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung (Harte-Bavendamm u. a./v. Jagow § 3a Rnrn. 75 - 77) des Art. 3 Abs. 4 ProdSG begangenen Rechtsbruch nicht an.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Düsseldorf: Facebook können gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden - Facebook kann Deutsch

OLG Düsseldorf
Beschluss von 18.12.2019
I-7 W 66/19


Nunmehr hat auch das OLG Düsseldorf zutreffend entschieden, dass Facebook gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden können.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Facebook kann Deutsch: Zustellungen in deutscher Sprache auch in Irland möglich

Facebook kann in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit einem deutschen Nutzer nicht auf einer Übersetzung deutschsprachiger Schriftstücke in das Englische bestehen. Das hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter dem Vorsitz von Dr. Thomas Fleischer am 18. Dezember 2019 entschieden (Aktenzeichen I-7 W 66/19).

Ein Mann aus Düsseldorf hatte im September 2018 bei dem Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung erwirkt, die dem Unternehmen Facebook mit Sitz in Irland untersagte, den Mann für das Einstellen eines bestimmten Textes auf www.facebook.com zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Diese einstweilige Verfügung ließ er Facebook ohne englische Übersetzung zustellen. Facebook machte darauf geltend, das Unternehmen verstehe den Inhalt nicht und benötige eine englische Übersetzung.

Dies lässt der 7. Zivilsenat in seinem Beschluss nicht gelten. Für das Sprachverständnis komme es auf die Organisation des Unternehmens insgesamt an. Facebook verfüge in Deutschland über eine Vielzahl von Nutzern, denen die Plattform vollständig in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werde. Auch die dabei verwendeten vertraglichen Dokumente seien in deutscher Sprache gehalten. Konkreten Formulierungen in den Nutzungsbedingungen ließen sich gründliche Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechts entnehmen.

Befassen musste sich der Senat mit dieser Frage, weil der Mann aus Düsseldorf die ihm entstandenen Kosten in Höhe von rund 730 EUR geltend macht. Dafür ist eine Zustellung der einstweiligen Verfügung erforderlich. Die Wirksamkeit dieser Zustellung hatte der Senat zu klären.

Der Inhalt des Beitrags, der nicht gelöscht werden sollte, war für die Entscheidung ohne Belang.


Siehe auch zum Thema

OLG München: Facebook können gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden - Facebook beherrscht die deutsche Sprache im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZustVO

Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Man spricht deutsch - Urteil des OLG München zu einstweiligen Verfügungen gegen Facebook & Co.

Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Man spricht deutsch - Urteil des OLG München zu einstweiligen Verfügungen gegen Facebook & Co.

In Ausgabe 24/2019, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel " Man spricht deutsch - Urteil des OLG München zu einstweiligen Verfügungen gegen Facebook & Co.".

Siehe auch zum Thema: OLG München: Facebook können gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden - Facebook beherrscht die deutsche Sprache im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZustVO

OLG München: Facebook können gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden - Facebook beherrscht die deutsche Sprache im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZustVO

OLG München
Beschluss vom 14.10.2019
14 W 1170/19


Das OLG München hat zutreffend entschieden, dass Facebook gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden können. Facebook beherrscht die deutsche Sprache im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZustVO. Facebook darf daher die Annahme nicht nach Art. 8 Abs. 1 EuZustVO verweigern.


Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet und hat damit Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und wahrt die Form des § 569 Abs. 2 ZPO sowie die Frist des § 569 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die einstweilige Verfügung vom 26.04.2019 ist der Antragsgegnerin wirksam zugestellt worden. Die Voraussetzungen einer berechtigten Annahmeverweigerung nach Art. 8 Abs. 1 EuZustVO sind nicht erfüllt, da die Antragsgegnerin nach der Überzeugung des Beschwerdegerichts die deutsche Sprache i.S.d. Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZustVO versteht.

a) Die Prüfung inhaltlicher Fragen wie der Fragen, welche Sprache bzw. welche Sprachen der Empfänger eines Schriftstückes versteht, ob dem Schriftstück eine Übersetzung in eine der in Art. 8 Abs. 1 EuZustVO genannten Sprachen beizufügen ist und ob die Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks nach dieser Vorschrift gerechtfertigt ist, fällt in die Zuständigkeit des im Übermittlungsstaat angerufenen, mit der Sache befassten Gerichts (EuGH, BeckRS 2016, 80963 [Alta Realitat SL], Rdnr. 55 f.; Müko ZPO/Rauscher, Art. 8 EuZustVO, Rdnr. 17).

b) Im Hinblick auf den anzuwendenden Prüfungsmaßstab ist zu berücksichtigen, dass der Erlass der EuZustVO u.a. auf der Erwägung beruhte, dass für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem anderen Mitgliedsstaat zugestellt werden sollten, zwischen den Mitgliedsstaaten verbessert und beschleunigt werden müsste (Erwägungsgrund 2). Um die Wirksamkeit der Verordnung zu gewährleisten, sollte die Möglichkeit, die Zustellung von Schriftstücken zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränkt werden (Erwägungsgrund Nr. 10).

Mit dem Ziel, die Wirksamkeit und die Schnelligkeit der gerichtlichen Verfahren zu verbessern und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, stellt die EuZustVO daher den Grundsatz einer direkten Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zwischen den Mitgliedstaaten auf, was eine Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren bewirkt. Auf diese Ziele wird auch in den Erwägungsgründen Nrn. 6 bis 8 der Verordnung hingewiesen (EuGH, BeckRS 2015, 81151 [Alpha Bank Cyprus Ltd], Rdnr. 30; BeckRS 2016, 80963 [Alta Realitat SL], Rdnr. 48).

Diese Ziele dürfen allerdings nicht dadurch erreicht werden, dass in irgendeiner Weise die Verteidigungsrechte beeinträchtigt werden, die den Empfängern der Schriftstücke aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 47 Abs. 2 EU-Grundrechte-Charta, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) erwachsen (EuGH, BeckRS 2015, 81151 [Alpha Bank Cyprus Ltd], Rdnr. 31; BeckRS 2016, 80963 [Alta Realitat SL], Rdnr. 49; BGH, NJW 2007, 775, Rdnr. 16, 27).

Insoweit ist nicht nur dafür Sorge zu tragen, dass der Empfänger eines Schriftstücks das betreffende Schriftstück tatsächlich erhält, sondern auch dafür, dass er in die Lage versetzt wird, die Bedeutung und den Umfang der im Ausland gegen ihn erhobenen Klage tatsächlich und vollständig in einer Weise zu erfahren und zu verstehen, die es ihm ermöglicht, seine Rechte vor dem Gericht des Übermittlungsmitgliedsstaats wirksam geltend zu machen (EuGH, BeckRS 2015, 81151 [Alpha Bank Cyprus Ltd], Rdnr. 32; BeckRS 2016, 80963 [Alta Realitat SL], Rdnr. 50).

Unter diesem Blickwinkel ist die EuZustVO daher in der Weise auszulegen, dass in jedem Einzelfall ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien gewährleistet ist, indem die Ziele der Wirksamkeit und der Schnelligkeit der Übermittlung von Verfahrensschriftstücken mit dem Erfordernis der Gewährleistung eines angemessenen Schutzes der Verteidigungsrechte des Empfängers der Schriftstücke in Einklang gebracht werden (EuGH, BeckRS 2015, 81151 [Alpha Bank Cyprus Ltd], Rdnr. 33 m.w.N.; BeckRS 2016, 80963 [Alta Realitat SL], Rdnr. 51).

Um zu ermitteln, ob der Empfänger eines zugestellten Schriftstücks die Sprache des Übermittlungsmitgliedsstaats, in der das Schriftstück abgefasst ist, versteht, hat das Gericht sämtliche Anhaltspunkte zu prüfen, die ihm der Antragsteller hierzu unterbreitet (EuGH, NJW 2008, 1721 [Ingenieurbüro …], Rdnr. 80 bzgl. der Vorgängerregelung des Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 (EuZVO)).

c) Bei juristischen Personen ist nicht formaljuristisch auf die Sprachkenntnisse ihrer Organe abzustellen. Maßgeblich sind insoweit die tatsächlich im Unternehmen vorhandenen und verfügbaren Fähigkeiten, auf die der Empfänger in zumutbarer Weise zugreifen kann (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2015, 183, 184; OLG Köln, EuZW 2019, 750, Rdnr. 6; LG Heidelberg, BeckRS 2018, 41758, Rdnr. 6; LG Offenburg, BeckRS 2018, 23801, Rdnr. 25; AG Erding, BeckRS 2014, 16268, unter Ziffer I. der Entscheidungsgründe; Musielak/Voit/Stadler, Art. 8 EuZustVO, Rdnr. 4; MüKo ZPO/Rauscher, Art. 8 EuZustVO, Rdnr. 12). Betreibt ein Unternehmen in einem bestimmten Staat Geschäfte in größerem Umfang, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es Mitarbeiter hat, die sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den in diesem Staat ansässigen Kunden kümmern und jedenfalls über ausreichende Kenntnisse der Sprache verfügen, in der die Geschäfte mit den betreffenden Kunden abgewickelt werden (vgl. OLG Köln, a.a.O.; LG Heidelberg, a.a.O.; LG Offenburg, a.a.O.; AG Berlin-Mitte, MMR 2017, 497, Rdnr. 6). Ferner begründet die Tatsache, dass ein Unternehmen sich zur Vertragsabwicklung in einer bestimmten Sprache verpflichtet hat, die widerlegliche Vermutung, dass auch in einem Rechtsstreit mit dem Vertragspartner Zustellungen in dieser Sprache vorgenommen werden dürfen und verstanden werden (vgl. Musielak/Voit/Stadler, Art. 8 EuZustVO, Rdnr. 4).

Daraus ergibt sich nicht, dass bezüglich juristischer Personen, die Geschäfte im Ausland betreiben, das Übersetzungserfordernis stets entfiele - was im Hinblick auf die Regelung des Art. 8 EuZustVO zweifelhaft erschiene (vgl. LG Essen, Beschluss vom 31.05.2019, Az.: 16 O 48/19, unter Ziffer II. der Gründe; LG München I, Beschluss vom 18.04.2019, Az.: 29 O 12576/18, unter Ziffer I. der Gründe). Vielmehr ermöglicht eine auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung die Findung eines für den jeweiligen Einzelfall sachgerechten Ergebnisses.

d) Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung ist im konkreten Fall Folgendes zu berücksichtigen:

Nach dem Vortrag des Antragstellers verfügt die Antragsgegnerin in Deutschland über 31 Mio. Kunden. Sie unterhält ihr Angebot vollständig in deutscher Sprache und stellt alle Vertragsunterlagen (Gemeinschaftsstandards und Nutzungsbedingungen) in deutscher Sprache zur Verfügung. In Ziffer 4. ihrer Nutzungsbedingungen hat sie die Geltung deutschen Rechts und die Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Verbrauchersachen vereinbart. Die Antragsgegnerin betreibt ferner eine deutschsprachige Homepage, auf der u.a. der vom Antragsteller zitierte NetzDG-Transparenzbericht vom 27.08.2018 eingestellt ist.

Diesen substantiierten Vortrag des Antragstellers hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend bestritten.

Soweit sie vorträgt, die Dienstleistung von Facebook sei in vielen Ländern weltweit erhältlich und werde in 89 Sprachen angeboten, sie verfüge jedoch nicht über Angestellte, die sämtliche 89 Sprachen sprächen, ist dies unerheblich. Entscheidungsrelevant ist allein, ob die Antragsgegnerin die Möglichkeit hat, auf sachkundiges Personal zurückzugreifen, das in hinreichendem Umfang der deutschen Sprache mächtig ist.

Aufgrund des oben unter Punkt c) dargelegten Prüfungsmaßstabs kann die Antragsgegnerin sich auch nicht darauf berufen, dass kein Mitglied ihrer Rechtsabteilung die Sprachkenntnisse besitze, die erforderlich seien, um ohne Unterstützung eines externen Beraters eine Beschwerde, Gerichtsbeschlüsse oder Mitteilungen auf Deutsch vollumfänglich zu verstehen oder die Antragsgegnerin aktiv auf Deutsch zu verteidigen. Dies kann vor dem Hintergrund des o.g. Vortrags des Antragstellers - der hinsichtlich der Zahl der in Deutschland vorhandenen Facebook-Kunden, der Ausgestaltung ihrer Verträge und der sprachlichen Gestaltung der o.g. Homepage nicht bestritten worden ist - nur dahingehend verstanden werden, dass entsprechende Sprachkenntnisse (lediglich) nicht bei den in Irland beschäftigten Mitarbeitern der (dort ansässigen) Antragsgegnerin vorhanden sind. Aufgrund des o.g. Gesamtbildes ist das Beschwerdegericht jedenfalls davon überzeugt, dass für die Betreuung deutscher Kunden - ggf. durch eine weitere zum Facebook-Konzern gehörende Gesellschaft - Mitarbeiter mit entsprechenden Sprachkenntnissen vorhanden sind. Dass derartige personelle Ressourcen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten mit deutschen Kunden nicht auch durch die Antragsgegnerin als formale Vertragspartnerin dieser Kunden genutzt werden könnten, ist für das Beschwerdegericht nicht vorstellbar, zumal davon auszugehen ist, dass bei einer Zahl von 31 Mio. in Deutschland ansässigen Facebook-Kunden Rechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten in einer Größenordnung anfallen, die es schon aus wirtschaftlichen Gründen naheliegend erscheinen lässt, entsprechend qualifizierte deutschsprachige Mitarbeiter zu beschäftigen.

Dass deutschsprachige Juristen zur Bearbeitung der rechtlichen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit den mit in Deutschland ansässigen Facebook-Nutzern geschlossenen Verträgen ergeben, zur Verfügung stehen, ergibt sich im Übrigen auch aus dem vom Antragsteller zitierten NetzDG-Transparenzbericht vom 27.08.2018. Nachdem dessen Inhalt von der Antragsgegnerin nicht bestritten worden ist und die Antragsgegnerin wiederum unstreitig Vertragspartnerin (auch) der in Deutschland ansässigen Facebook-Nutzer ist, lässt dies aus Sicht des Beschwerdegerichts nur den Schluss zu, dass die bezeichneten Juristen (jedenfalls auch) für die Antragsgegnerin tätig sind.

e) Die Folgen einer unberechtigten Annahmeverweigerung bestimmen sich unter Berücksichtigung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität nach der lex fori (vgl. EuGH, BeckRS 2016, 80963 [Alta Realitat SL], Rdnr. 83 ff. Nach § 179 Satz 3 ZPO gilt die einstweilige Verfügung damit als zugestellt (vgl. LG Heidelberg, BeckRS 2018, 41758, Rdnr. 8; a.a.O., Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 8 EuZustVO, Rdnr. 94; MüKo ZPO/Rauscher, Art. 8 EuZustVO, Rdnr. 18).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

4. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG. Da das Beschwerdeverfahren nicht den Erlass der streitgegenständlichen einstweiligen Verfügung, sondern nur die Frage ihrer wirksamen Zustellung zum Gegenstand hat, kann nur ein Bruchteil des für das Verfügungsverfahren insgesamt angesetzten Streitwerts i.H.v. 10.000,-- € zugrunde gelegt werden. Aus Sicht des Beschwerdegerichts erscheint ein Bruchteil von 1/4 des o.g. Wertes angemessen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



AG Berlin-Mitte: Zustellung einer Klage in deutscher Sprache an Facebook am Sitz Irland zulässig

AG Berlin-Mitte
Versäumnisurteil vom 08.03.2017
15 C 364/16


Das AG Berlin-Mitte hat entschieden, dass die Zustellung einer Klage in deutscher Sprache an Facebook am Sitz in Irland zulässig ist. Eine englische Übersetzung ist nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich, da angesichts der Größe und Millionen von Kunden in Deutschland davon auszugehen sei, dass deutsche Sprachkenntnisse im Unternehmen vorhanden sind.


Die vom Kammergericht herausgegebene Pressemitteilung:

Amtsgericht Mitte: Zustellung einer Klage in deutscher Sprache an Facebook/Irland wirksam

Das Amtsgericht Mitte hat in einem am 8. März 2017 verkündeten Versäumnisurteil entschieden, dass die Zustellung einer Klageschrift in deutscher Sprache an die in Irland ansässige Facebook Ireland Ltd. wirksam ist, da eine Übersetzung in die dortige Amtssprache Englisch nicht erforderlich sei.

Ein Nutzer von Facebook hat Klage gegen dieses Unternehmen erhoben mit dem Ziel, es zu verpflichten, ihm wieder uneingeschränkten Zugang zu seinem Account und insbesondere zu allen seinen Kommunikationsinhalten und zu den Funktionen der Internetplattform “facebook.com” zu gewähren. Zugleich fordert der Kläger die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 382,59 EUR.

Der Kläger hatte im Jahr 2008 einen Account eingerichtet, dessen Zugang ihm das beklagte Unternehmen am 3. Juli 2016 entzogen haben soll. Vergeblich versuchte der Kläger per E-Mail zu erreichen, dass die Sperrung rückgängig gemacht werde. Dies lehnte die Beklagte mit E-Mail vom 06.07.2016 ab, da sie zu dem Schluss gekommen sei, dass er „zur Nutzung von Facebook nicht berechtigt“ sei. Sie verwies auf ihre im Internet veröffentlichte „Erklärung der Rechte und Pflichten“ und fügte hinzu, dass sie leider „aus Sicherheitsgründen keine zusätzlichen Informationen zur Sperrung“ geben könne.

Da auch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes erfolglos blieb, hat der Nutzer Klage erhoben und die Klageschrift nebst Anlagen in deutscher Sprache eingereicht. Die Zustellung dieser Dokumente ist am Sitz der Beklagten in Irland erfolgt, ohne dass die Klageschrift nebst Anlagen zuvor in die englische Sprache übersetzt worden waren.

Nach der europäischen Zustellungs-Verordnung darf der Empfänger die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern, wenn es nicht in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates oder in einer Sprache, die der Empfänger versteht, verfasst bzw. keine entsprechende Übersetzung beigefügt ist.

Das beklagte Unternehmen hat sich darauf berufen, dass die zuständige Rechtsabteilung die Sprache nicht verstehe, und sich bisher nicht gegen die Klage verteidigt, da die Klage nach ihrer – der Beklagten – Auffassung nicht wirksam zugestellt worden sei.

Das Amtsgericht Mitte hat auf entsprechenden Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen und die Beklagte nach dem Klageantrag verurteilt. In der Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Zustellung wirksam gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte hinreichend Deutsch verstehe. Dabei sei nicht auf die Mitglieder der Geschäftsführung abzustellen. Vielmehr seien die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Organisationsstruktur maßgeblich. Nicht zuletzt angesichts von 20 Millionen Kunden der Beklagten in Deutschland könne davon ausgegangen werden, dass Mitarbeitende beschäftigt seien, die in der Lage seien, sich in deutscher Sprache um rechtliche Auseinandersetzungen mit Kunden zu kümmern. Dementsprechend sei auch die Beschwerde des Klägers in deutscher Sprache beantwortet worden.

Nach dem Vorbringen des Klägers sei die Beklagte auch verpflichtet, ihm wieder Zugang zu dem von ihr betriebenen Kommunikationsportal zu gewähren.

Gegen das Versäumnisurteil ist binnen drei Wochen ab Zustellung ein Einspruch der Beklagten möglich. Die Einspruchsfrist läuft voraussichtlich gegen Ende April 2017 ab. Bei einem zulässigen Einspruch wird der Rechtsstreit fortgesetzt.

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Mitte zum Aktenzeichen 15 C 364/16 liegt vor und ist nachstehend verfügbar.

Amtsgericht Mitte, Aktenzeichen 15 C 364/16, Versäumnisurteil vom 8. März 2017


KG Berlin: Messaging-Dienst WhatsApp muss seine Nutzungsbedingungen / AGB den deutschen Nutzern in deutscher Sprache zur Verfügung stellen

KG Berlin
Urteil vom 08.04.2016
5 U 156/14


Das Kammergericht Berlin hat wenig überraschend entschieden, dass der Messaging-Dienst WhatsApp seine Nutzungsbedingungen / AGB den deutschen Nutzern in deutscher Sprache zur Verfügung stellen muss. Andernfalls sind die Vertragsbedingungen unwirksam.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Berlin: WhatsApp muss deutschen Nutzern deutschsprachige AGB zur Verfügung stellen und Impressum nachbessern - vzbv erfolgreich gegen Messengerdienst

LG Berlin
Versäumnisurteil vom 09.05.2014
15 O 44/13
WhatsApp


Das LG Berlin hat im Wege eines Versäumnisurteil entschieden, dass der Messengerdienst WhatsApp seinen deutschen Nutzern auch deutschsprachige AGB zur Verfügung stellen muss. Zudem muss WhatsApp das Impressum nachbessern, da dieses lediglich aus einer Email-Adresse bestand.

Da sich der Messengerdienst gezielt auch an deutsche Nutzer wendet, ist das Urteil wenig überraschend. Es bleibt abzuwarten, ob WhatsApp Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegt.


Der Volltext der Entscheidung:

In dem Rechtsstreit

des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.,

gegen

die WhatsApp Inc., vertreten durch den Chief Executive Off. Jan Boris Koum. 3561 Homestead Road, Santa Clara, CA 95051, Vereinigte Staaten,

hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 12-17,10179 Berlin, im schriftlichen Vorverfahren am 9. Mai 2014 durch [...] und für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem Chief Executive Offiver, zu unterlassen,

a) im Rahmen geschäftlicher Handlungen auf der Webseite www.whatsapp.com
- den Vertretungsberechtigten der Beklagten,
- die geographische Anschrift, unter der die Beklagte niedergelassen ist,
- einen zweiten Kommunikationsweg neben der E-Mail-Adresse,
- das öffentliche Register, in das die Beklagte eingetragen ist sowie die in diesem Register verwendete Kennung
nicht leicht, unmittelbar und ständig verfügbar zu machen
und / oder

b) im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern in Deutschland Produkte und Dienstleistungen unter http://www.whatsapp.com anzubieten und hierbei Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu verwenden, die nicht in deutscher Sprache verfügbar sind.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2013 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Dachverband unter anderem der deutschen Verbraucherzentralen und in die Liste nach § 4 Unterlassungsklagegesetz (UKIaG) eingetragen. Die Beklagte betreibt die Webseite www.whatsapp.com und bietet dort auch für Verbraucher in Deutschland ein Kommunikationsprogramm an. Die Webseite ist, wenn sie von Deutschland aus aufgerufen wird, fast ausschließlich in deutscher Sprache abgefasst Die Beklagte hält die in dem Urteilstenor zu 1. genannten Informationen auf ihrer Webseite nicht bereit. Allgemeine Geschäftsbedingungen bietet sie dort nur in englischer Sprache an. Auf entsprechende Abmahnungen des Klägers vom 19. Juli 2012 und 9 Oktober 2012 hat die Beklagte nicht reagiert.

Das Gericht hat die Klage nebst Übersetzung förmlich am Sitz der Beklagten zustellen lassen mit dem Ergebnis, dass dort am 23. Juli 2013 die Entgegennahme amtlicher Dokumente verweigert wurde.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.
Die Beklagte hat keine Verteidigungsabsicht angezeigt.
-
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Es war durch Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren zu entscheiden, § 331 Abs. 3 ZPO. Die Klage gilt als am 23. Juli 2013 wirksam zugestellt. Die Beklagte konnte dies nicht dadurch vereiteln, dass sie sich geweigert hat, die ihr damals angebotene förmliche Zustellung entgegenzunehmen.

Der Kläger kann nach §§ 8 Abs.1 und Abs. 3 Nr. 3, 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verfangen, dass die Beklagte die hier nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 Telemediengesetz (TMG) vorgeschriebenen Informationspflichten erfüllt und ihre unzureichende Anbieterkennzeichnung ergänzt.

Nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1, 2 UKlaG hat der Kläger fernen einen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, deutschen Verbrauchern ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nur in englischer Sprache anzubieten. Nach § 305 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müssen AGB von den Verbrauchern in zumutbarer Weise zur Kenntnis genommen werden können. Das ist nicht gewährleistet, wenn Verbraucher in Deutschland, die von dem Anbieter im Übrigen in deutscher Sprache angesprochen werden und von denen - wie hier - nicht überwiegend erwartet werden kann, dass sie AGB in englischer (Rechts-) Sprache ohne Werteres verstehen, die AGB nur in englischer Sprache aufrufen können (vergleiche AG Köln -114 C 22/12 -, Urteil vom 24.- September 2012).

Die Verstöße begründen eine Wiederholungsgefahr. Deren Beseitigung ist nicht erkennbar. Die Beklagte war daher antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen.

Der Kläger hat ferner Anspruch auf Erstattung seiner berechtigten Abmahnkosten in Höhe einer angemessenen Pauschale nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit, § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 2 ZPO.

Die Pressemitteilung des vzbv finden Sie hier:


BGH: Vertrieb von Teststreifen zur Blutzuckerbestimmung nur mit Gebrauchsanweisung und Etikettierung in deutscher Sprache

BGH
Urteil vom 12.05.2010
I ZR 185/07
UWG § 4 Nr. 11; MPG § 6 Abs. 1 Satz 1


Leitsatz des BGH:

In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung dürfen im Inland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in deutscher Sprache enthalten, die vorab in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind.


BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 185/07

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: