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LG Köln: Fahrrad kann als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG urheberrechtlich geschützt sein

LG Köln
Urteil vom 01.09.2023
14 O 49/22


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Fahrrad nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Ein Unterlassungsanspruch nach §§ 97 Abs. 1, 15, 16, 17, 23, 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG besteht nicht.

aa) Bei dem klägerischen Fahrradmodell in Form der Designanmeldung im Jahr 2008 ohne elektrische Unterstützung handelt es sich um ein Werk der angewandten Kunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG.

(1) Die Kammer hat hierzu kürzlich (Urteil der Kammer vom 23.02.2023, Az. 14 O 39/22) wie folgt ausgeführt:

„a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (BGHZ 199, 52 = GRUR 2014, 175 Rn. 15 – Geburtstagszug; BGH GRUR 2021, 1290 Rn. 57 = WRP 2021, 1461 – Zugangsrecht des Architekten, mwN). Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (BGH GRUR 2012, 58 Rn. 36 – Seilzirkus; BGHZ 199, 52 = GRUR 2014, 175 Rn. 41 – Geburtstagszug; BGH GRUR 2021, 1290 Rn. 57 – Zugangsrecht des Architekten; BGH, GRUR 2022, 899, 902 Rn. 28 – Porsche 911).

b) In der Sache sollen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks (…). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH GRUR 2019, 73 Rn. 36 – Levola Hengelo; EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 29 – Cofemel; EuGH GRUR 2020, 736 Rn. 22 = WRP 2020, 1006 – Brompton Bicycle). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 30 f. – Cofemel; EuGH GRUR 2020, 736 Rn. 23 f. – Brompton Bicycle). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH GRUR 2019, 73 Rn. 37 – Levola Hengelo; EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 29 – Cofemel; EuGH GRUR 2020, 736 Rn. 22 – Brompton Bicycle). Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung (EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 32 – Cofemel; EuGH GRUR 2020, 736 Rn. 25 – Brompton Bicycle), auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte (EuGH GRUR 2019, 73 Rn. 40 – Levola Hengelo).

c) Hiermit steht im Einklang, dass bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 143/12, BGHZ 199, 52 [juris Rn. 26] - Geburtstagszug).

aa) Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen, ist lediglich der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maße die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt (BGH, Urt. v. 15.12.2022 – I ZR 173/21 –, Rn. 15 – Vitrinenleuchte). Eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe führt zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes (BGH, GRUR 2014, 175 [179, Rn. 41] – Geburtstagszug, mwN).

bb) Die Kammer geht dabei davon aus, dass mit der Geburtstagszug-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, GRUR 2014, 175 [177, Rn. 26] – Geburtstagszug) jedenfalls eine Absenkung der Schutzuntergrenze bei Werken der angewandten Kunst dergestalt einhergeht, dass keine überdurchschnittliche Gestaltungshöhe mehr verlangt wird (…)

f) Ob den Anforderungen, die an schutzfähige Werke zu stellen sind, im Einzelfall genügt ist, bleibt weitgehend eine Frage tatrichterlicher Würdigung (BGH, Urteil vom 27. Januar 1983 - I ZR 177/80, GRUR 1983, 377 [juris Rn. 15] = WRP 1983, 484 - Brombeer-Muster; Urteil vom 10. Dezember 1986 - I ZR 15/85, GRUR 1987, 903 [juris Rn. 27] - Le Corbusier-Möbel; Urteil vom 22. Juni 1995 - I ZR 119/93, GRUR 1995, 581 [juris Rn. 13] = WRP 1995, 908 - Silberdistel).

Dabei sind sämtliche Einzelfallumstände zu berücksichtigen, wobei die Klägerseite die Darlegungslast dafür trägt, dass [die Fahrradmodelle, nur hier angepasst auf den Einzelfall] über individuelle Gestaltungsmerkmale verfügen, die über die Verwirklichung einer technischen Lösung hinausgehen und dadurch den Schutz des Urheberrechts begründen können. Die Klägerseite trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung. Sie hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll (BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012, 58 [juris Rn. 23 f.] – Seilzirkus; BGH, Urt. v. 15.12.2022 – I ZR 173/21 –, Rn. 21 – Vitrinenleuchte).

g) Das Vorhandensein einer Schöpfung, von Individualität und Originalität lässt sich nicht allein aus den objektiven Eigenschaften des jeweiligen Werkes herleiten. Vielmehr sind diese Merkmale anhand ihrer Relation zum konkreten Schaffensprozess zu betrachten. Die Werk-Schöpfer-Beziehung kann weder aus einer einseitigen Betrachtung der Person des Urhebers heraus noch durch Analyse seines Werkes allein adäquat erfasst werden (grundlegend Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1251; Barudi, Autor und Werk – eine prägende Beziehung?, 2013, 32 f.). Maßgeblich ist vielmehr, nach welchen Regeln der Urheber eines bestimmten Werkes gearbeitet hat, wohingegen keine Rolle spielt, ob er sich dessen bewusst war. Erst dann, wenn die bestehenden Regeln vorgeben, wie der Erschaffer eines Produkts auf einem bestimmten Gebiet dieses zu fertigen hat – etwa anhand von erlernten Verarbeitungstechniken und Formgestaltungsregeln – bestehen keine Gestaltungsspielräume mehr, mit der Folge, dass die Entfaltung von Individualität dann nicht mehr möglich ist, selbst wenn ein handwerklich in Perfektion gefertigtes Produkt neu und eigenartig ist, also durchaus Designschutz beanspruchen könnte. Die rein handwerkliche oder routinemäßige Leistung trägt nicht den Stempel der Individualität, mag sie auch noch so solide und fachmännisch erbracht sein (Leistner, in: Schricker/Loewenheim, 6. Aufl. 2020, § 2, Rn. 53). Der Hersteller muss den bestehenden Gestaltungsspielraum indes auch durch eigene kreative Entscheidungen ausfüllen, um zum Urheber zu werden (BGH, GRUR 2014, 175, Rn. 41 – Geburtstagszug). Dies bedeutet, dass das schöpferische Individuum kein Produkt aus Regeln ist, sondern selbst eine Regel für das Urteil über andere Produkte, also exemplarisch sein muss.

Die technische Bedingtheit eines Produkts durch die Anwendung technischer Regeln und Gesetzmäßigkeiten kann den Spielraum des Gestalters beschränken, wenn eine technische Idee mit einer bestimmten Ausdrucksform zusammenfällt, diese Ausdrucksform technisch notwendig ist und damit schöpferisches Gestalten unmöglich macht (vgl. Zech, ZUM 2020, 801, 803). Technische Lehren können Spielräume des Gestalters aber auch erweitern, etwa, wenn dieser sich die kausalen Eigenschaften bestimmter Materialien oder vorhandener Gegenstände gerade zunutze macht, um mit diesen zu experimentieren, sie zu kombinieren und auszuloten, welche Gestaltungsmöglichkeiten sie bieten (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1253). So kann beispielsweise die Licht- und Farbwirkung von geschliffenem Kristallglas dazu beitragen, Tierfiguren als schutzfähig anzusehen (BGH, GRUR, 1988, 690, 692 f.).

h) Technische Regeln und Gesetzmäßigkeiten stehen einer schöpferischen Gestaltung also nur dann entgegen, wenn sie zwingende Wirkung entfalten, indem der Gestalter sich an bestehende Konventionen hält und diese befolgt, ohne von ihnen abzuweichen, sie zu modifizieren oder sich über sie hinwegzusetzen. Der Gestalter eines Produkts nutzt die ihm eröffneten Gestaltungsspielräume nicht, wenn er sich an vorgegebenen Techniken und Regeln orientiert. Zu einem schöpferischen Werk wird sein Produkt erst dann, wenn er von vorhandenen und praktizierten Gestaltungsgepflogenheiten abweichende Regeln in das jeweils in Anspruch genommene Kommunikationssystem explizit oder implizit einführt und danach handelt, indem er ein materielles Erzeugnis produziert, das als Beispiel oder Muster für seine selbstgesetzten Regeln dienen kann (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1256). Abzustellen ist nicht in erster Linie auf einzelne Gestaltungselemente, sondern auf den Gesamteindruck, den das Werk dem Betrachter vermittelt (OLG Hamburg, GRUR 2002, 419, 420).

Soweit postuliert wird, über technische Erwägungen (im engeren Sinne) hinaus seien auch jegliche funktional oder sachzweckbezogen determinierten Gestaltungsentscheidungen vom Urheberrechtsschutz auszuklammern ([Privatgutachten im Verfahren…]; Grünberger, ZUM 2020, 175, 180 f.), kann dem nicht gefolgt werden. Diese Interpretation lässt sich der Rechtsprechung des EuGH gerade nicht entnehmen. Vielmehr ist der Ausschluss vom Urheberrechtsschutz auf ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingte Formen beschränkt (EuGH, GRUR2020, 736, 738, Rn. 33 -- Brompton Bicycle):

„Ist die Form des Erzeugnisses ausschließlich durch seine technische Funktion bedingt, wäre dieses Erzeugnis nicht nach dem Urheberrecht schutzfähig.“

Gestützt wird dieses enge Verständnis, wonach Urheberrechtsschutz lediglich dann ausgeschlossen ist, wenn ausschließlich technische Funktionen für die Gestaltung maßgeblich waren, durch den Vergleich mit der englischen und französischen Sprachfassung:

„Where the shape of the product is solely dictated by its technical function, that product cannot be covered by copyright protection.“

„Dans le cas où la forme du produit est uniquement dictée par sa fonction technique, ledit produit ne pourrait relever de la protection au titre du droit d’auteur.“

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein Gebrauchszweck nicht vollkommen ausgeschlossen sein, der ästhetische Gehalt noch nicht einmal überwiegen muss (vgl. Kreile, ZUM 2023, 1, 4). Die Urheberrechtsschutzfähigkeit besteht vielmehr auch bei einem überwiegenden Gebrauchszweck und kann auch etwa dann gegeben sein, wenn der ästhetische Gehalt in die ihrem Zwecke gemäß – in klarer Linienführung ohne schmückendes Beiwerk – gestaltete Gebrauchsform eingegangen ist (BGH, GRUR 2012, 58, 60, Rn. 22 – Seilzirkus). So hat auch bereits das Reichsgericht dafürgehalten, dass Schöpfungen zu praktischen Zwecken nicht vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen sind (RG, Urteil vom 30. Juni 1928 – I 29/28 –, RGZ 121, 357, 358). Zu den Werken der bildenden Kunst zählt jede Gestaltung, in der eine eigenpersönliche geistige Schöpfung sichtbar wird, ohne Rücksicht darauf, ob das Werk neben dem ästhetischen Zweck noch einem praktischen Gebrauchszweck dient (RGZ 124, 68, 72 – Besteckmuster). Sachzweckbezogene Erwägungen im Gestaltungsprozess stehen dem Erreichen der relevanten Schutzschwelle daher nicht entgegen. Funktionale Sachzweckbezogenheit kann technischer Bedingtheit von Gestaltungsmerkmalen nicht gleichgesetzt werden. Vom Schöpfer ausgewählten Gestaltungselementen ist in der Konsequenz auch dann der urheberrechtliche Schutz nicht zu versagen, wenn deren Auswahl von der rationellen Umsetzung einer funktionalen Zielsetzung geprägt ist. Die Entscheidung für eine bestimmte Gestaltungsmöglichkeit und der damit verbundene Ausschluss anderer Gestaltungsmöglichkeiten kann bereits eine schöpferische Leistung darstellen. Der Schöpfer besitzt nämlich die prinzipielle Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit, auch eine abweichende Gestaltung und Ausführung zu wählen. In einem solchen Fall besteht kein Zwang zu einer bestimmten Gestaltung und damit auch keine Einschränkung des Gestaltungsspielraums (vgl. [Privatgutachten im Verfahren…]). Dies gilt selbst dann, wenn mit einer abweichenden Ausführung eine Modifizierung eines selbstgewählten Gestaltungsziels verbunden wäre.

Die Aussage des EuGH, „[…] dass der Umstand, dass Modelle […] über ihren Gebrauchszweck hinaus einen eigenen, ästhetisch markanten visuellen Effekt hervorrufen, es nicht rechtfertigen [könne], solche Modelle als ,Werke` [...] einzustufen" (EuGH, GRUR 2019, 1185, Rn. 54 f. - Cofemel), kann deshalb nur so verstanden werden, dass allein das Vorhandensein besonders markanter, visueller Effekte für sich genommen die Feststellung von Originalität nicht erlaubt (vgl. [Privatgutachten im Verfahren…]). Das Konzept der Gebrauchskunst beruht vielmehr gerade darauf, dass Dinge geschaffen werden, die gleichermaßen zweckgerichtet gebrauchstauglich und künstlerisch sind. Der künstlerische Aspekt schränkt die Zweckdienlichkeit dabei nicht ein. Eine Antithese zwischen der Nützlichkeit für einen bestimmten Gebrauchszweck und ästhetischer Schönheit ist daher nicht zielführend. Denn ein Werk der Gebrauchskunst verliert diesen Charakter nicht durch seine funktionellen Eigenschaften.

i) Der Schöpfungsprozess ist daraufhin zu analysieren, ob der Urheber sich ausschließlich an Vorgegebenem orientiert und die Spielräume nicht durch eigene Entscheidungen ausgefüllt hat. Lässt sich ausschließen, dass ein Gestalter vollständig nach vorgegebenen Regeln gearbeitet hat, ist zu folgern, dass er jedenfalls in gewissem Umfang eigene schöpferische Entscheidungen getroffen hat. Dann spricht eine Vermutung dafür, dass er den gegebenen Gestaltungsspielraum tatsächlich genutzt hat, um sein geistiges Produkt hervorzubringen. Der Urheber als Anspruchsteller genügt danach seiner Obliegenheit, die Schutzfähigkeit seines Werkes darzulegen, regelmäßig dadurch, dass er ein Werkexemplar vorlegt und seine Besonderheiten – konkreten Gestaltungselemente – präsentiert (vgl. BGH, GRUR 1981, 820, 822 – Stahlrohrstuhl III; abweichend wohl Hartwig, GRUR 2022, 1023, 1025). Verteidigt sich der wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch Genommene mit dem Einwand, das streitgegenständliche Werk sei nicht schutzfähig oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekannte Gestaltungen zurückgegriffen habe, muss dieser die Existenz und das Aussehen solcher Gestaltungen darlegen und beweisen. Der Urheber trägt im vorliegenden Zusammenhang also die Darlegungs- und Beweislast nur für die grundsätzliche Behauptung, dass die Schöpfung neuartig war. Für Entgegenhaltungen aus dem allgemeinen Formenschatz trägt dann im Folgenden derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der behauptet, dass die Schöpfung keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen kann.

j) Eine subjektive Absicht des Urhebers, künstlerisch tätig zu werden, ist darüber hinaus nicht notwendig. (…)

Demnach ist auch der Gestaltungsspielraum des Schöpfers objektiv zu bestimmen und richtet sich nicht nach einer jederzeit abänderlichen Zielvorstellung oder Zwecksetzung. Die Entscheidung für eine bestimmte Gestaltungsform engt die schöpferische Leistung nicht ein, sondern kann jederzeit modifiziert werden. (…)“

(2) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin hinreichend vorgetragen. Sie hat ihr Fahrradmodell (bzw. die Entwicklung des Herrn N.) dargestellt, vorgelegt und die Besonderheit (das sog. „Treppendesign“) herausgearbeitet. Sie hat zur Substantiierung ihres Vortrags ein Parteigutachten vorgelegt. Dies genügt zunächst für einen schlüssigen Vortrag zur Schutzfähigkeit.

[...]

4) Allerdings ist der Schutzbereich des klägerischen Werks als nur sehr eng anzusehen (vgl. BGH, GRUR 2023, 571, 574, Rn. 25 – Vitrinenleuchte). Da sowohl die oben geschilderten Schutzanforderungen relativ gering, als auch die gestalterischen Freiräume sehr eng sind und insoweit auch ein gewisses Freihaltebedürfnis für weitere Gestaltungen besteht, kann das Werk der Klägerin nur identische und sehr ähnliche Gestaltungen erfassen. Dies wird nachfolgend bei der Frage der Übernahme noch von Bedeutung sein.

114
bb) Die Kammer geht nach dem Sach- und Streitstand von der Aktivlegitimation der Klägerin aus. Dass Herr N. die klägerische Gestaltung erschaffen hat, wird zwar seitens der Beklagten bestritten. Angesichts der Vorgeschichte der Parteien, bzw. konkret der Beklagten und Herrn N. persönlich, sowie der einhelligen Entwicklernennung des Herrn N. in der Öffentlichkeit hält die Kammer das Bestreiten der Beklagten insoweit für unerheblich. So ist unstreitig, dass die Beklagte von Herrn N. persönlich die Rechte für den Vertrieb einlizensiert hat. In dieser Zeit hat sie die Aktivlegitimation des Herrn N. offenbar nie gerügt. Auch wurde die Entwicklereigenschaft des Herrn N. in der Öffentlichkeit nie in Zweifel gezogen bzw. hat sich jemand anderes der Entwicklung berühmt, was bei dem selbst vom Beklagten vorgetragenen Erfolg der Fahrradmarke „T.“ jedoch zu erwarten wäre.

Auch der Rechteübergang auf die Klägerin kann nicht unqualifiziert bestritten werden. Auch insoweit ist unstreitig, dass die Klägerin in die Rechtsposition des Herrn N. eingetreten ist und sodann auch Kündigungen gegenüber der Beklagten erfolgt sind. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte ihre lizenzvertraglichen Verpflichtungen auch gegenüber der Beklagten erfüllt hat.

cc) Es mangelt jedoch an der Übernahme individueller Gestaltungsmerkmale durch die Beklagte bzw. an einem Eingriff in den Schutzbereich des klägerischen Werks.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG München: Flaschengestaltung des Lidl "Premium Spritz" ist unlautere Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG zu (b) der Flaschengestaltung des "Chandon Garden Spritz"

OLG München
Beschluss vom 12.07.2022
29 W 739/22


Das OLG München hat entschieden, dass die Flaschengestaltung des Lidl "Premium Spritz" eine unlautere Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG zu (b) der Flaschengestaltung des "Chandon Garden Spritz" darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen hat Erfolg.

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 4 Abs. 1 EuGVVO, weil der Sitz der Antragsgegnerinnen in Deutschland liegt.

2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit begehrt wird, es „zu unterlassen, schaumweinhaltige Getränke anzubieten, zu bewerben und zu vertreiben und/oder die vorgenannten Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn diese wie (…) abgebildet aufgemacht sind“ [Unterstreichung nur hier zur Verdeutlichung], versteht der Senat den Antrag dahin, dass die Handlungsformen „anbieten“, „bewerben“ und „vertreiben“ in einem Alternativverhältnis zueinander stehen, wie dies üblicherweise durch die Wahl der Formulierung „und/oder“ zum Ausdruck gebracht wird. Auch mit Blick auf die Antragsbegründung kann der Antrag nur so verstanden werden, dass er sich auch gegen das isolierte Anbieten, das isolierte Bewerben und das isolierte Vertreiben des so aufgemachten Produktes richtet.

3. Wettbewerbsstatut ist nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO deutsches Recht, weil nach dem Vortrag der Antragstellerinnen die Wettbewerbsbeziehungen in Deutschland beeinträchtigt werden.

4. Die Antragstellerin zu 1 ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerinnen antragsbefugt und aktivlegitimiert gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF (a)). Ihr steht als Herstellerin des Verfügungsprodukts der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gem. § 4 Nr. 3 UWG zu (b)).

a) Die Antragstellerin zu 1 erfüllt die Voraussetzungen eines Mitbewerbers, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF. Sie steht mit den Antragsgegnerinnen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis iSv § 2 I Nr. 3 UWG iVm § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.

aa) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis iSv § 2 I Nr. 3 UWG ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, dh im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH, GRUR 2014, 1114 Rn. 24 mzN - nickelfrei). Dafür ist nicht Voraussetzung, dass die Parteien auf der gleichen Vertriebsstufe tätig sind, solange sie letztlich gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen (vgl. BGH, GRUR 2016, 828 Rn. 19 f. mzN - Kundenbewertung im Internet). Deshalb besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Hersteller einer Ware nicht nur gegenüber anderen Herstellern gleichartiger Waren wie hier der Antragsgegnerin zu 2, sondern auch gegenüber anderen Händlern gleichartiger Waren wie der Antragsgegnerin zu 1, selbst wenn der Hersteller - wie hier in Bezug auf den deutschen Markt - nur über konzernangehörige Gesellschaften vertreibt. Durch eine etwaige unlautere Nachahmung würde auch die Möglichkeit der Antragstellerin zu 1 beeinträchtigt, die von ihr hergestellten Erzeugnisse über ihre Schwestergesellschaften an Endverbraucher zu verkaufen (vgl. BGH GRUR 2016, 828 Rn. 21 - Kundenbewertung im Internet). Entscheidend ist allein, ob die fraglichen Waren mittelbar oder unmittelbar letztlich für Endverbraucher bestimmt sind (vgl. BGH GRUR 2016, 828 Rn. 23 - Kundenbewertung im Internet).

bb) Nach diesen Grundsätzen muss auch für die Erheblichkeit der Markttätigkeit in Deutschland iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF für einen Hersteller mit Sitz im Ausland wie die Antragstellerin zu 1 ein diesen Anforderungen entsprechender Vertrieb in Deutschland über eine Tochter- bzw. Schwestergesellschaft genügen.

cc) Es ist mit der eidesstattlichen Versicherung gemäß Anlage vom 29.04.2022 (AST 12) über den Verkauf von über 175.000 Flaschen des „Chandon Garden Spritz“ an Endkunden in Deutschland und hiermit erzielten Umsätzen im siebenstelligen Euro-Bereich auch glaubhaft gemacht, dass die nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF erforderliche Schwelle eines Vertriebs in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich überschritten ist.

b) Der Antragstellerin zu 1) steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen unlauterer Nachahmung nach § 4 Nr. 3 lit a) iVm § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im weiteren Sinne zu. Das Verfügungsprodukt „Chandon Garden Spritz“ verfügt in seiner gestalterischen Aufmachung über durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart. Das angegriffene Produkt „Premium Spritz“ stellt eine nachschaffende Nachahmung dar. Es führt insofern zu einer Herkunftstäuschung, als die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, es handele sich um eine rustikale Variante des Originalprodukts, die von demselben Hersteller oder von einem mit ihm wirtschaftlich bzw. organisatorisch verbundenen Unternehmen stammt, weil ein Teil von Gestaltungsmerkmalen, die die wettbewerbliche Eigenart des Originalprodukts prägen, übernommen werden und jegliche abgrenzende Kennzeichnung mit Herkunftsfunktion auf dem Nachahmungsprodukt fehlt.

aa) Als Herstellerin ist die Antragstellerin aktivlegitimiert für Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz.

bb) Der Vertrieb einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände - wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (Buchst. a) oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (Buchst. b) - hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (stRspr. BGH; vgl. BGH GRUR 2021, 1544 Rn. 15 mzN - Kaffeebereiter; BGH GRUR 2015, 909 Rn. 9 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 31- Herrnhuter Stern). Abzustellen ist auf die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, das sind hier die Durchschnittsverbraucher. Der Senat kann aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Vergleichsprodukte wahrnehmen, da die Mitglieder des erkennenden Senats zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und ständig mit Wettbewerbssachen befasst sind (vgl. BGH GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft; GRUR 2014, 682 Rn. 29 - Nordjob-Messe).

cc) Das Produkt „Chandon Garden Spritz“ weist in seiner Produktgestaltung eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart auf.

(1) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn nach der Verkehrsanschauung die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Ein Erzeugnis hat keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet. Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es zwar nicht darauf an, dass der Verkehr den Hersteller der Ware namentlich kennt; erforderlich ist aber, dass der Verkehr annimmt, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (vgl. BGH GRUR 2006, 79 Rn. 36 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 23 u. 32 - Gartenliege; BGH GRUR 2015, 909 Rn. 11 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2018, 311 Rn. 14 - Handfugenpistole). Wettbewerbliche Eigenart setzt nicht Neuheit oder Bekanntheit des Produkts voraus (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.24). Die eine wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale bestimmen nicht nur den wettbewerbsrechtlichen Schutzgegenstand und seinen Schutzumfang, sondern sind auch für die Feststellung einer Verletzungshandlung maßgeblich (BGH GRUR 2022, 160 Rn. 21 - Flying V).

(2) Hieran gemessen verfügt das Produkt „Chandon Garden Spritz“ in seiner Produktgestaltung über durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart.

(a) Nach Darlegung der Antragstellerinnen zeichne sich die Produktaufmachung insbesondere aus durch
- eine dunkle, für Schaumweine typische Schaumweinflasche mit einem Korken;
- eine beigefarbene Banderole am Flaschenhals mit orangefarbener Umrandung;
- ein vorne mittig auf der Flasche angebrachtes, unregelmäßig ovales Etikett mit beiger Hintergrundfarbe;
- das eine orangefarbene Umrandung mit weißen Textelementen aufweist;
- zentral die naturgetreue Abbildung von Orangen mit Blatt enthält;
- das mittig durch einen vertikal verlaufenden gelben Streifen durchzogen wird;
- bei dem der gelbe Streifen in Teilen transparent wirkt und die Motive im Hintergrund durchscheinen lässt;
- auf dem im gelben Streifen in vertikaler Richtung von unten nach oben verlaufend ein dreidimensional anmutender und haptisch hervorgehobener goldener Schriftzug mit der Produktkennzeichnung aufgebracht ist.

Im maßgeblichen Gesamteindruck kombiniere der „Chandon Garden Spritz“ in einzigartiger Weise die klassische Produktaufmachung hochwertiger Schaumweine mit in Farbe und Form markanten Gestaltungselementen (insbesondere vertikaler, teilweise transparent anmutender Streifen über das Etikett, orange Farbtöne, als Relief aufgebrachte, spürbare und dreidimensional wirkende Schrift in vertikaler Anordnung) sowie der zentralen Abbildung von Orangen auf dem Etikett, und hebe sich dadurch auch im Gesamteindruck deutlich von anderen Schaumweinen ab, ebenso hebe sich das Produkt dadurch von dem bisher auf dem Markt existierenden „Spritz“- Produkten deutlich ab.

(b) Nach Ansicht des Senats wird der Gesamteindruck des Verfügungsprodukts geprägt durch das Erscheinungsbild einer luxuriös gestalteten Schaumweinflasche mit Korken mit goldfolienumwickeltem Flaschenhals und einer optisch dominierenden vertikal vom Flaschenhals ab über den Flaschenkörper bis kurz über dem Flaschenboden gelegten gelbfarbigen Banderole, auf der markant die Aufschrift „CHANDON“ in großen goldfarbenen und reliefartig gestalteten Lettern hervorsticht. Die Banderole läuft auch über ein ovales in weißbeige und orangefarbenen Tönen gehaltenes Etikett mit orangefarbener Umrandung und auf weißbeigem Hintergrund in kräftigem Orange gemalten durch den Schriftzug durchscheinenden Orangen. Besonders dominant und ins Auge fallend ist die gelbe Banderole mit der großen Goldaufschrift CHANDON. Mitprägend ist auch das orangeumrandete ovalförmige Etikett mit dem Motiv der in kräftigem Orange gemalten Orangen auf weißbeigem Hintergrund. Mitbestimmend für den Gesamteindruck ist schließlich auch die farbliche Dominanz von Orange-, Gelb- und Goldtönen auf einer Schaumweinflasche.

(c) Vom Marktumfeld anderer Flaschen mit Spritz- bzw. (Schaum-)Weinmischgetränken, zu dem beide Seiten vorgetragen und Abbildungen vorgelegt haben (Anlage AST 8, A2. AG 5, Anlage SPB 1), hebt es sich durch das Zusammenspiel dieser Gestaltungsmerkmale derart ab, dass eine originär durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart anzunehmen ist. Dies gilt auch im Verhältnis zum Marktumfeld von Schaumweinflaschen (vgl. A2. AG 6 und Abbildungen Rn. 21 im Schriftsatz der Antragsgegnerin zu 1 vom 01.07.2022). Es kann daher offenbleiben, ob das relevante Marktumfeld aus Spritzgetränken und diese wiederum inklusive oder exklusive der Spritzgetränke auf Weinbasis und/oder anderen Schaumweinmischgetränken besteht und ob auch Schaumweine an sich dazu zählen. Unerheblich für die wettbewerbliche Eigenart der Produktaufmachung ist die Frage., ob es bereits vor dem „Chandon Garden Spritz“ ein Schaumweinmischgetränk mit Orange gab (vgl. Anlage SPB 1).

(d) Der Grad der dem Produkt von Haus aus zukommenden wettbewerblichen Eigenart und die Angaben der Antragstellerin zur Marktpräsenz, zu den Verkaufszahlen, zum Marketingaufwand und zur Medienpräsenz genügen hingegen nicht, um bereits gut ein Jahr nach Markteinführung eine erhöhte wettbewerbliche Eigenart anzunehmen.

dd) Die Produktgestaltung des angegriffenen Produkts „Premium Spritz“ der Antragsgegnerinnen stellt eine nachschaffende Nachahmung des „Chandon Garden Spritz“ dar.

(1) Eine Nachahmung setzt voraus, dass das Produkt oder ein Teil davon mit dem Originalprodukt übereinstimmt oder ihm zumindest so ähnlich ist, dass es sich nach dem jeweiligen Gesamteindruck in ihm wiedererkennen lässt. Dabei müssen die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sein, die die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH GRUR 2022, 160 Rn. 38 - Flying V). Aufgrund der Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart ausmachen, muss der Grad der Nachahmung festgestellt werden. Bei einer (nahezu) unmittelbaren Übernahme sind geringere Anforderungen an die Unlauterkeitskriterien zu stellen als bei einer lediglich nachschaffenden Übernahme (stRspr; vgl. nur BGH GRUR 2017, 79 Rn. 64 - Segmentstruktur mwN). Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist; eine nachschaffende Übernahme ist demgegenüber gegeben, wenn die fremde Leistung lediglich als Vorbild genutzt wird und eine bloße Annäherung an das Originalprodukt festzustellen ist (BGH GRUR 2018, 832 Rn. 50 - Ballerinaschuh mwN; BGH GRUR 2022, 160 Rn. 38 - Flying V). Die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse ist aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen, wobei es weniger auf die Unterschiede und mehr auf die Übereinstimmungen der Produkte ankommt, weil der Verkehr diese erfahrungsgemäß nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sofern sie nicht unmittelbar nebeneinander vertrieben werden, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt, in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden (BGH GRUR 2017, 1135 Rn. 29 - Leuchtballon mwN; BGH GRUR 2022, 160 Rn. 40 - Flying V).

(2) Angesprochene Verkehrskreise sind die Durchschnittsverbraucher. Es ist davon auszugehen, dass es auf das Erinnerungsbild ankommt, da die Vergleichsprodukte üblicherweise nicht nebeneinander in denselben Geschäften vertrieben werden. Das angegriffene Produkt wird in Lidl-Discount-Filialen vertrieben. Das Verfügungsprodukt wird nach den glaubhaft gemachten Antragstellerangaben (Anlage AST 12) im „gehobenen Lebensmitteleinzelhandel“, ua bei Feinkost Käfer, Dallmayr, Edeka Simmel, der Kadewe Group, Galeria und Metro sowie im spezialisierten Online-Handel (vgl. Screenshots Anlage AST 13 und Anlage AST 9) vertrieben.
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(3) Eine identische oder nahezu identische Nachahmung scheidet vorliegend aus, weil sich der Gesamteindruck der Vergleichsprodukte - auch nach dem unvollkommenen Erinnerungsbild - über geringfügige Abweichungen hinaus unterscheidet. Insbesondere ist der Flaschenhals gänzlich abweichend gestaltet: Anstelle der den kompletten Flaschenhals bedeckenden luxuriös wirkenden Goldfolienumwicklung des Verfügungsprodukts finden sich beim angegriffenen Produkt nur zwei helle Papieretiketten und vom Glas des Flaschenhalses bleibt ein erheblicher Teil sichtbar, sodass der Flaschenhals des angegriffenen Produkts gänzlich anders, nämlich schlicht und rustikal wirkt. Auch die besonders charakteristische über den gesamten Flaschenkörper vertikal gelegte gelbfarbene Banderole mit dem Aufdruck in Goldlettern findet sich auf dem angegriffenen Produkt lediglich über das Etikett in der Mitte des Flaschenkörpers gelegt. Diese Unterschiede verhindern auch bei dem unvollkommenen Erinnerungsbild des Betrachters, dass eine Identität oder Fast-Identität angenommen werden könnte.

(4) Es liegt allerdings eine nachschaffende Nachahmung vor, weil das angegriffene Produkt einige, die wettbewerbliche Eigenart der Gestaltung des „Chandon Garden Spritz“ prägende Gestaltungselemente, wenn auch mit nicht zu verkennenden Abweichungen, übernimmt. Dies ist vor allem die gelbfarbene vertikal verlaufende Banderole mit einem Aufdruck in reliefartig gestalteten Goldlettern. Zwar liegt diese auf dem angegriffenen Produkt nur über dem Etikett und nicht wie beim Original sowohl über dem Etikett als auch über dem gesamten Flaschenkörper. Sie fällt aber gleichwohl an der prominenten Stelle über dem Etikett markant ins Auge, weist einen ebenfalls kräftigen Gelbton und ebenso eine markante in reliefartig gestalteten großen Goldlettern gehaltene Aufschrift auf und lässt die auf dem Etikett abgebildeten Orangen durchscheinen. Übernommen ist auch die den Gesamteindruck und die wettbewerbliche Eigenart mitprägende Farbgebung in Bezug auf die Farben Orange und Gelb, die auch im Farbton jeweils sehr nahekommen, nur der Goldton fehlt. Übernommen sind auch Gestaltungsmerkmale des Etiketts: die orangefarbene Umrandung, die Abbildung von Orangen auf hellem weißbeige gehaltenem Hintergrund, auch wenn die Etikettenform (rautenförmig) und die Abbildung der Orangen (nur die Struktur skizzierend) abweichen. Alles in allem ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass auf das unvollkommene Erinnerungsbild des Verkehrs abzustellen ist, der die Produkte nicht unmittelbar nebeneinander vergleicht, so dass den Übereinstimmungen ein stärkeres Gewicht zukommt als den Unterschieden, eine Übernahme einiger prägender Gestaltungsmerkmale und eine Annäherung an das als Vorbild dienende Originalprodukt zu erkennen.

ee) Unter Gesamtwürdigung der durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart des Originalprodukts und des Grads der Nachahmung sowie der glaubhaft gemachten hinreichenden Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen des angesprochenen Verkehrs liegt angesichts einer fehlenden abweichenden Kennzeichnung mit Herkunftsfunktion eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft im weiteren Sinne nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG vor.

(1) Nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dabei ist zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne) zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen - wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen - Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. BGH GRUR 2019, 196 Rn. 15 - Industrienähmaschinen mwN; BGH GRUR 2022, 160 Rn. 46 - Flying V). Voraussetzung hierfür ist auch, dass das Erzeugnis bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben muss, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 166, 167 - Puppenausstattungen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 - Gartenliege; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.41a).

(2) Vorliegend scheidet zwar eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher nimmt angesichts der dargestellten Unterschiede nicht an, dass es sich bei dem angegriffenen Produkt um das Originalprodukt handelt.

(3) Das angegriffene Produkt ruft aber eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne hervor.

(a) Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen - wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen - Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. BGH GRUR 2019, 196 Rn. 15 - Industrienähmaschinen mwN).

(b) Es für eine Herkunftstäuschung erforderliche hinreichende Bekanntheit des Originalprodukts ist glaubhaft gemacht.

(aa) Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide Produkte unmittelbar miteinander vergleichen kann, voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Es genügt bereits eine Bekanntheit, bei der sich die Gefahr der Herkunftstäuschung in noch relevantem Umfang ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 mwN - Gartenliege). Maßgebend ist eine Bekanntheit auf dem inländischen Markt zum Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 mwN - Gebäckpresse). Die Bekanntheit kann sich aus entsprechenden Werbeanstrengungen, der Dauer der Marktpräsenz, den hohen Absatzzahlen des Originals oder einem hohen Marktanteil ergeben (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.41a mzN; BGH GRUR 2007, 339 Rn. 32 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 32 - Gartenliege; BGH WRP 2013, 1189 Rn. 27 - Regalsystem). Ein sehr niedriger Marktanteil muss allerdings nicht gegen die Bekanntheit sprechen, zumal bei Luxusprodukten (OLG Hamm WRP 2015, 1374 Rn. 109; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.41a).

(bb) Die erforderliche gewisse Bekanntheit bei einem nicht unerheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise, welche hier die Durchschnittsverbraucher darstellen, kann angesichts der glaubhaft gemachten Angaben zu den Werbe- und Marketingmaßnahmen mit Kosten von über 2,0 Millionen EUR, den Verkaufszahlen von über 175.000 in Deutschland an Endkunden verkauften Flaschen und hiermit erzielten Umsätzen im siebenstelligen Euro-Bereich (eidesstattliche Versicherung Anlage AST 12) sowie des durch die Anlagen (Anlage AST 9, Anlage AST 10; Anlage AST 11; Anlage AST 14 und AST 15) hinreichend glaubhaft gemachten Umfangs der Medien- und Marktpräsenz trotz einer nur gut einjährigen Marktpräsenz nicht verneint werden.

(c) Es liegt eine vermeidbare Herkunftstäuschung im weiteren Sinne vor. Es handelt sich zwar angesichts der dargestellten Unterschiede nur um eine nachschaffende Nachahmung, die nur einzelne die wettbewerbliche Eigenart prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalprodukts übernimmt. Das Original wird hierdurch aber - insbesondere durch die über die Etikette gelegte gelbe Banderole mit der Aufschrift in reliefartigen Goldlettern und die Farbgestaltung in Orange- und Gelbtönen sowie das orangefarben umrandete Etikett, das auf weißbeigefarbenem Hintergrund Orangen abbildet - deutlich erkennbar in Bezug genommen, ohne dass das im Discount vertriebene Nachahmungsprodukt irgendein deutliches abweichendes Herkunftszeichen tragen würde. Der Verkehr wird unter diesen Umständen annehmen, es handele sich - wie im Lebensmitteldiscount und auch in Bezug auf alkoholische Getränke durchaus üblich und dem Verkehr geläufig - um eine von demselben Hersteller oder von einem mit ihm wirtschaftlich bzw. organisatorisch - zB lizenz- oder gesellschaftsvertraglich - verbundenen Unternehmen stammende günstigere und schlichtere, möglicherweise auch inhaltlich minderwertige, Variante des Originalprodukts, nämlich eine rustikal aufgemachte Variante des Spritz-Mischgetränks für den Discountbetrieb, die an eine rustikale Prosecco-Gestaltung anklingt, gegenüber der luxuriös aufgemachten Gestaltung des Originalprodukts, die eher an eine Sekt- oder Champagner-Gestaltung erinnert. Der Verkehr weiß auch, dass es unmittelbare oder mittelbare Belieferungen von Herstellern und Händlern, die sich dem Luxussegment zuordnen, an Discounter gibt. Unwidersprochen haben die Antragstellerinnen vorgetragen, dass die Antragsgegnerinnen Produkte der Moët Hennessy Gruppe vertreiben.

Diese Herkunftstäuschung im weiteren Sinne wäre leicht und zumutbar vermeidbar, indem das Nachahmungsprodukt mit einer deutlichen abweichenden Herkunftskennzeichnung versehen werden würde. Der generische Begriff „SPRITZ“ genügt hierfür ebenso wenig wie der anpreisende Begriff „Premium“. Beiden Zeichen fehlt sowohl einzeln als auch in der Kombination die Herkunftsfunktion. Nur auf dem Etikett auf der Flaschenrückseite ist im unteren Bereich des Etiketts ein Unternehmen mit Anschrift benannt („AVG V. GmbH, (…)“; vgl. Einlichtung unten Seite 17 dA; Abbildungen Anlage AST 16, Seiten 6/7), bei welchem es sich schon wegen des Firmenbestandteils „Vertriebs“ keinesfalls um den Hersteller handeln muss. Auch wenn der Verkehr diese Aufschrift im maßgeblichen Zeitpunkt der Kaufentscheidung wahrnimmt, nimmt ihm dies nicht die Fehlvorstellung über die Herkunft.

5. Die Antragstellerin zu 2 ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerinnen antragsbefugt und aktivlegitimiert iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF. Ihr steht als Mitbewerberin und Händlerin der geltend gemachte Anspruch jedenfalls aus § 5 Abs. 2 UWG wegen lauterkeitsrechtlicher Herkunftstäuschung zu.

a) Die Antragstellerin zu 2 erfüllt mit dem Vertrieb des „Chandon Garden Spritz“ die Voraussetzungen eines Mitbewerbers, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF. Sie steht mit den Antragsgegnerinnen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis iSv § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG iVm § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, da sie gleichartige Waren an denselben Endkundenkreis vertreibt. Auf die Frage, auf welcher Stufe der Produktions- bzw. Handelskette sie steht, kommt es, wie oben 4. A) aa) ausgeführt, nicht an. Auch die Schwellen des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF sind überschritten. Insofern kann auf die Ausführungen unter 4. a) cc) verwiesen werden.

b) Ob die Antragstellerin zu 2 als Händlerin berechtigt ist, einen Anspruch wegen wettbewerbsrechtlichem Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG geltend zu machen, obwohl sie weder eine eigene (ergänzende) Leistung noch eine Allein- bzw. Exklusivvertriebsberechtigung darlegt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.85, 3.86 mwN auch zur früheren Rspr.), kann dahinstehen.

c) Der Antragstellerin steht als Mitbewerberin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zumindest aus § 5 Abs. 2 UWG wegen lauterkeitsrechtlicher Herkunftstäuschung zu, auf den sie sich auch als Mitbewerberin, die nicht zugleich Herstellerin ist, berufen kann (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 5 Rn. 9.23; Bornkamm, GRUR 2011, 1, 7). Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 UWG wegen des Vertriebs oder des Anbietens einer unlauteren herkunftstäuschenden Nachahmung einer Produktgestaltung sind - trotz des begrifflich abweichenden Gesetzestextes - dann erfüllt, wenn die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im Sinne des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG vorliegen (vgl. Bornkamm/Feddersen a.a.O.; Bornkamm, a.a.O.), so dass für die Einzelheiten auf die Ausführungen unter 4. b) bb) - ee) Bezug genommen werden kann.

Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Die Antragstellerinnen haben glaubhaft gemacht, am 31.03.2022 Kenntnis davon erlangt zu haben, dass die Lidl-Gruppe, zu der die Antragsgegnerin zu 1 gehört, ein als „Premium Spritz“ bezeichnetes Produkt mit Verkaufsstart vom 04.04.2022 anbiete (Eidesstattliche Versicherung vom 29.04.2022 Anlage AST 4; Bl. 16 dA). Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist beim Landgericht am 29.04.2022 und damit innerhalb der für den Bezirk des Oberlandesgerichts München geltenden Monatsfrist eingegangen, bei deren Überschreitung die gem. § 12 Abs. 1 UWG vermutete Dringlichkeit wegen dringlichkeitsschädlichen Verhaltens als widerlegt angenommen wird. III.


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LG Köln: Schuhe bzw. Sandalen können als Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sein

LG Köln
Urteil vom 03.03.2022
14 O 366/21


Das LG Köln hat entschieden, dass Schuhe bzw. Sandalen als Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sein können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Verfügungsklägerin hat das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 UrhG folgenden Unterlassungsanspruchs gegen die Verfügungsbeklagte dargelegt und glaubhaft gemacht.

1. Die streitgegenständlichen Schuhmodelle „B “ und „H “ stellen persönliche geistige Schöpfungen im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG dar.

a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer »künstlerischen« Leistung gesprochen werden kann (BGH, Urteil vom 29.4.2021 – I ZR 193/20, ZUM 2021, 1040, 1047 – Zugangsrecht des Architekten; st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 1983, 377, 378, juris Rn. 14 – Brombeer-Muster; GRUR 1987, 903, 904, juris Rn. 28 – Le-Corbusier-Möbel; ZUM-RD 2011, 457, Rn. 31 – Lernspiele; ZUM 2012, 36 Rn. 17 – Seilzirkus; BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 15 – Geburtstagszug). Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (BGH ZUM 2012, 36 Rn. 36 – Seilzirkus; BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 41 – Geburtstagszug). Mit Blick auf die Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12.03.2004 und auf die europäische Urheberrechtsentwicklung hat der BGH seine zuvor bestehende Rechtsprechung aufgegeben, wonach bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werks zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 17 bis 41 – Geburtstagszug). Für einen urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst und der bildenden Kunst ebenso wie für alle anderen Werkarten ist allerdings gleichwohl eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern (vgl. BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 40 – Geburtstagszug; BGH ZUM 2015, 996 Rn. 44 – Goldrapper).

b) In der Sache sollen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werkes im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft entsprechen (vgl. Koch GRUR 2021, 273 [274 f.]).

Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des EuGH um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen und anzuwenden sein soll (EuGH, ZUM 2019, 56 Rn. 33 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen danach zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH, ZUM 2019, 56 Rn. 36 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (EuGH ZUM 2019, 834 Rn. 30 f. – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 23 f. – Brompton). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH ZUM 2019, 56 Rn. 37 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton). Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung (EuGH, ZUM 2019, 834 Rn. 32 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 25 – Brompton), auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte (EuGH ZUM 2019, 56 Rn. 40 – Levola Hengelo).

c) Gegen die Annahme eines unionsrechtlich vereinheitlichten Werkbegriffs bestehen jedoch – jedenfalls für den Bereich der angewandten Kunst – grundsätzliche Bedenken. Die Richtlinie 2001/29/EG regelt in ihren Art. 2 bis 4, dass die Mitgliedstaaten ausschließliche Rechte für die Urheber in Bezug auf ihre „Werke“ vorsehen. Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG nennt eine Reihe von Ausnahmen und Beschränkungen dieser Rechte. Soweit der EuGH davon ausgeht, aus dem Umstand, dass die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft für die Ermittlung des Sinnes und der Tragweite des Begriffs „Werk“ nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweise, müsse im Hinblick auf die Erfordernisse sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes gefolgert werden, dass dieser Begriff in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müsse, überschreitet er seine Kompetenzen (Schack, GRUR 2019, 75). Denn die Mitgliedsstaaten wollten den Werkbegriff in der Richtlinie 2001/29/EG gerade nicht vereinheitlichen. Generell einen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten zu fordern, ist mit den in Art. 5 EU-Vertrag niedergelegten Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität nicht vereinbar (vgl. Röthel, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 11 Rn. 7). Andernfalls ließe sich aus jeder Teilregelung in einer Richtlinie oder Verordnung praktisch stets eine vollständige Rechtsvereinheitlichung folgern, was offensichtlich nicht gewollt sein kann. Die Erwägungsgründe 21 ff. Richtlinie 2001/29/EG führen nur einzelne Verwertungsrechte auf und erwähnen mit keinem Wort eine Vereinheitlichung des Werkbegriffs über die in Erwägungsgrund 20 genannten Richtlinien hinaus.

Für den vorliegend relevanten Schutz von Werken der angewandten Kunst ist zudem Art. 17 Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen zu berücksichtigen, der das Verhältnis zum Urheberrecht regelt:

„Das nach Maßgabe dieser Richtlinie durch ein in einem oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat eingetragenes Recht an einem Muster geschützte Muster ist auch nach dem Urheberrecht dieses Staates von dem Zeitpunkt an schutzfähig, an dem das Muster geschaffen oder in irgendeiner Form festgelegt wurde. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein solcher Schutz gewährt wird, wird einschließlich der erforderlichen Gestaltungshöhe von dem einzelnen Mitgliedstaat festgelegt.“

Folglich sind die nationalen Gerichte zur Beurteilung der für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst maßgeblichen Gestaltungshöhe und der Werkqualität kompetent. Jedenfalls steht den nationalen Gerichten – auch wenn man einen einheitlichen, unionsweiten Werkbegriff grundsätzlich anerkennt – bei der Anwendung des Werkbegriffs bei den einzelnen Werkarten ein umfassender Beurteilungsspielraum zu. Denn mit der autonomen Auslegung des unionsrechtlichen Werkbegriffs steht es im Einklang, wenn ein Beurteilungsspielraum der nationalen Gerichte bei der Anwendung des Werkbegriffs bei den einzelnen Werkarten anerkannt wird (vgl. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2010, 273). Wann Spielräume im Einzelfall in individueller Weise genutzt werden, überlässt der EuGH den nationalen Gerichten (EuGH, GRUR 2020, 736, Rn. 38 – Brompton).

d) Das Vorhandensein einer Schöpfung, von Individualität und Originalität lässt sich nicht allein aus den objektiven Eigenschaften des jeweiligen Werkes herleiten. Vielmehr sind diese Merkmale anhand ihrer Relation zum konkreten Schaffensprozess zu betrachten. Die Werk-Schöpfer-Beziehung kann weder aus einer einseitigen Betrachtung der Person des Urhebers heraus noch durch Analyse seines Werkes allein adäquat erfasst werden (grundlegend Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1251; Barudi, Autor und Werk – eine prägende Beziehung?, 2013, 32 f.). Maßgeblich ist vielmehr, nach welchen Regeln der Urheber eines bestimmten Werkes gearbeitet hat, wohingegen keine Rolle spielt, ob er sich dessen bewusst war. Erst dann, wenn keine bestehenden Regeln vorgeben, wie der Erschaffer eines Produkts auf einem bestimmten Gebiet dieses zu fertigen hat – etwa anhand von erlernten Verarbeitungstechniken und Formgestaltungsregeln – bestehen keine Gestaltungsspielräume mehr, mit der Folge, dass die Entfaltung von Individualität dann nicht mehr möglich ist, selbst wenn ein handwerklich in Perfektion gefertigtes Produkt neu und eigenartig ist, also durchaus Designschutz beanspruchen könnte. Die rein handwerkliche oder routinemäßige Leistung trägt nicht den Stempel der Individualität, mag sie auch noch so solide und fachmännisch erbracht sein (Leistner, in: Schricker/Loewenheim, 6. Aufl. 2020, § 2, Rn. 53). Der Hersteller muss den bestehenden Gestaltungsspielraum indes auch durch eigene kreative Entscheidungen ausfüllen, um zum Urheber zu werden (BGH, GRUR 2014, 175, Rn. 41 – Geburtstagszug). Dies bedeutet, dass das schöpferische Individuum kein Produkt aus Regeln ist, sondern selbst eine Regel für das Urteil über andere Produkte, also exemplarisch sein muss.

Die technische Bedingtheit eines Produkts durch die Anwendung technischer Regeln und Gesetzmäßigkeiten kann den Spielraum des Gestalters beschränken, wenn eine technische Idee mit einer bestimmten Ausdrucksform zusammenfällt, diese Ausdrucksform technisch notwendig ist und damit schöpferisches Gestalten unmöglich macht (vgl. Zech, ZUM 2020, 801, 803). Technische Lehren können Spielräume des Gestalters aber auch erweitern, etwa, wenn dieser sich die kausalen Eigenschaften bestimmter Materialien oder vorhandener Gegenstände gerade zunutze macht, um mit diesen zu experimentieren, sie zu kombinieren und auszuloten, welche Gestaltungsmöglichkeiten sie bieten (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1253). So kann beispielsweise die Licht- und Farbwirkung von geschliffenem Kristallglas dazu beitragen, Tierfiguren als schutzfähig anzusehen (BGH, GRUR, 1988, 690, 692 f.).

Technische Regeln und Gesetzmäßigkeiten stehen einer schöpferischen Gestaltung also nur dann entgegen, wenn sie zwingende Wirkung entfalten, indem der Gestalter sich an bestehende Konventionen hält und diese befolgt, ohne von ihnen abzuweichen, sie zu modifizieren oder sich über sie hinwegzusetzen. Der Gestalter eines Produkts nutzt die ihm eröffneten Gestaltungsspielräume nicht, wenn er sich an vorgegebenen Techniken und Regeln orientiert. Zu einem schöpferischen Werk wird sein Produkt erst dann, wenn er von vorhandenen und praktizierten Gestaltungsgepflogenheiten abweichende Regeln in das jeweils in Anspruch genommene Kommunikationssystem explizit oder implizit einführt und danach handelt, indem er ein materielles Erzeugnis produziert, das als Beispiel oder Muster für seine selbstgesetzten Regeln dienen kann (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1256). Abzustellen ist nicht in erster Linie auf einzelne Gestaltungselemente, sondern auf den Gesamteindruck, den das Werk dem Betrachter vermittelt (OLG Hamburg, GRUR 2002, 419, 420).

Der Schöpfungsprozess ist daraufhin zu analysieren, ob der Urheber sich ausschließlich an Vorgegebenem orientiert und die Spielräume nicht durch eigene Entscheidungen ausgefüllt hat. Lässt sich ausschließen, dass ein Gestalter vollständig nach vorgegebenen Regeln gearbeitet hat, ist zu folgern, dass er jedenfalls in gewissem Umfang eigene schöpferische Entscheidungen getroffen hat. Dann spricht eine Vermutung dafür, dass er den gegebenen Gestaltungsspielraum tatsächlich genutzt hat, um sein geistiges Produkt hervorzubringen. Der anspruchstellende Urheber genügt danach seiner Obliegenheit, die Schutzfähigkeit seines Werkes darzulegen, und glaubhaft zu machen, regelmäßig dadurch, dass er ein Werkexemplar vorlegt und seine Besonderheiten präsentiert (vgl. BGH, GRUR 1981, 820, 822 – Stahlrohrstuhl III). Verteidigt sich der wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch Genommene mit dem Einwand, das streitgegenständliche Werk sei nicht schutzfähig oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekannte Gestaltungen zurückgegriffen habe, muss dieser die Existenz und das Aussehen solcher Gestaltungen darlegen und beweisen.

e) Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind streitgegenständlichen Sandalenmodelle „B “ und „H “ urheberrechtlich geschützt. Die Einwände der Verfügungsbeklagten aus der Widerspruchsbegründung und dem Schriftsatz vom 10.01.2022 sowie dem vorgelegten Gutachten von Frau Dr. O vermögen dies im Ergebnis nicht in Zweifel zu ziehen. L C hat mit bestimmten Materialien und Gestaltungselementen derart experimentiert und diese miteinander kombiniert, dass sein jeweiliges Ergebnis schöpferischen Charakter besitzt. Die gilt unabhängig davon, dass einzelne dieser Gestaltungselemente bereits vorbekannt waren und sich in Sandalenmodellen anderer Hersteller wiederfanden. Denn in ihrer einheitlichen Zusammenführung liegt die Originalität der von L C ersonnenen Gestaltung. Er hat sich dabei individuell hinreichend von den auf seinem Schaffensgebiet bestehenden, üblichen und bekannten Darstellungsformen für Sandalenmodelle entfernt und über die von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerische Gestaltungen vorgenommen. Die von der Verfügungsbeklagten eingewandten anderweitigen Sandalenmodelle, die der Schutzfähigkeit der Modelle „B “ und „H “ entgegenstehen sollen, illustrieren vielmehr, dass es im Bereich der Sandalen vielfältige Gestaltungsspielräume und zahlreiche Möglichkeiten zu deren Ausfüllung gibt. L C hat insoweit eigenständige Regeln der Sandalengestaltung gefunden und sie u.a. in seinen Sandalenmodellen „B “ und „H “ umgesetzt.

Folgende Gestaltungsmerkmale sind prägend für das Sandalen-Konzept der Verfügungsklägerin und damit auch für die hier streitgegenständlichen Modelle „B “ und „H “ (Gutachten C2, S. 6; Gutachten O, S. 11).

1.) Das Fußbett

a. Eine gerade innere Sohlenkante

b. Eine Laufsohle aus Kunststoff mit C -Linienprofil

c. Veloursleder-bezogene Sohlenbahn

d. Zehengreifer / Bestandteil der Sohlenplastik

e. Fersenmulde / Bestandteil der Sohlenplastik

f. Tieffußbett aus Korkschrotmischung / unverkleideter Sohlenschnitt

2.) Das Befestigungssystem

a. Offenkantige, ungefütterte Schaft-Verarbeitung

b. Schaft im Cutout-Schnitt / aus einem Stück Leder geschnitten

c. Zwischen Tieffußbett und Laufsohle gefasster Zwickeinschlag des Oberleders

d. Eckige Schnalle mit geprägtem C -Schriftzug sowie

e. Oberteil mit zwei breiten Riemen in Cut-out-Schnittführung für das Modell „B “

f. Asymmetrisch geformter Y-Schaft für das Modell H

g. Gegossener Zehensteg mit Niete für das Modell H

Dass gerade diese hervorgehobenen Gestaltungsmerkmale ausschließlich technisch bedingt oder sonst durch handwerkliche Regeln und Konventionen erzwungen sein sollten, ist nicht erkennbar. Die Schöpfung trägt eine persönliche Handschrift, die sich auch bei weiteren – hier nicht streitgegenständlichen – von L C geschaffenen Sandalenmodellen wiederfindet.

Keines der von der Verfügungsbeklagten als vorbekannt angeführten Sandalenmodelle Dritter entspricht in der konkreten Kombination der Gestaltungsmerkmale den Modellen „B “ und „H “ der Verfügungsklägerin. Die Modelle „B “ und „H “ heben sich demgegenüber von der Formensprache vorbekannter Sandalen – auch bereits zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung – ab.

Die als Beleg für eine vorbekannte gerade Sohleninnenkantenlinie angeführten antiken und traditionellen Sandalen:

[...]

verfügen jedenfalls nicht über ein Tieffußbett und zeichnen sich durch teils überbordende Ornamentik und Zierelemente aus, die schon dem schlichten, schnörkellosen Eindruck der Modelle der Verfügungsklägerin diametral entgegenstehen.

Die „C3 des Friedens-Sandale:

[...]

verfügt zwar über eine mit Velourleder ummantelte Sohlenbahn, die aber bereits optisch deutlich breiter und markanter ausfällt als bei „B “ und „H “, wo der bezogene Sohlenteil deutlich schmaler ausfällt als der unverkleidete Sohlenschnitt aus der Korkschrotmischung.

Bei den von der Verfügungsbeklagten eingewandten Fußgymnastik und Fussformsandalen:

[...]

lässt sich deren tatsächliches Aussehen und Gestaltung anhand der vorgelegten Katalogzeichnungen nicht eindeutig bestimmen. Die einschnallige Befestigungsvorrichtung weicht jedenfalls deutlich von den hier streitgegenständlichen Modellen „B “ und „H “ ab.

Gleiches gilt für die ornamentalistisch verzierten und an der Ferse geschlossenen WeekendSneaker:

[...]

und die kreuzriemengeschnürten Plastikfußbettsandalen:

[...]

Auch wenn diese über ein Naturkork-Fußbett oder eine Plastiksohle aus Korkschrot verfügen, haben die jeweiligen Gestalter völlig unterschiedliche Befestigungs- und Riemenkonstruktionen im Vergleich zu den Modellen der Verfügungsklägerin gewählt.

Der Umstand, dass sowohl die Sohlenschnitte den Sohlen antiker Sandalen entsprächen als auch der Velourlederbezug von Fußbrandsohlen sowie die Merkmale der Tieffußbettsohle aus Korkschrot mit Zehengreifer jeweils als Einzelelemente vorbekannt gewesen sein sollen, belegt nicht, dass die Kombination dieser Elemente, für deren Vorbekanntheit die Verfügungsbeklagte keine Anhaltspunkte liefert, bereits vorgegebenen Konventionen oder Regeln technischer respektive ästhetischer Art entsprochen hätte.

Gleichermaßen ist der von der Verfügungsbeklagten hervorgehobene Umstand, dass das Material Kork bereits für Schuhsohlen:

[...]

Verwendung fand und auch bei Sandalen eingesetzt wurde:

[...]

per se unbehelflich, da die angeführten Schuhmodelle sich in ihrem durch die Verwendung von Block- und Keilabsätzen geprägten Gesamteindruck deutlich von den streitgegenständlichen Sandalenmodellen unterscheiden.

Die technischen Darstellungen aus der eingewandten Patentschrift Nr. 0000 vom 07.04.1942 (Anlage SSM21):

[...]

illustrieren ein von den streitgegenständlichen Sandalenmodellen deutlich abweichendes Fußbett. Ausweislich der Patentansprüche (Bl. 769 d.A.) handelt es sich um eine Sandale zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Fußes mit nach den Rändern zu abfallender Sohlenoberfläche und einem von dem Fersenende aus bis etwa zur Fußmitte parallel zur Sohlenunterseite verlaufenden Einschnitt oder entsprechenden Abstufungen, dadurch gekennzeichnet, dass für die Zehen ein vertieftes Bett in der Oberfläche der Sohle vorgesehen ist, welches, an der Zehenwurzel beginnend, eine steil nach unten abfallende Fläche aufweist. Die Sandale der Patentschrift sollte dadurch gekennzeichnet sein, dass für die Großzehe, den Ballen und die Ferse ein besonderes Bett vorgesehen ist. Weiterhin sollte die Sandale dadurch gekennzeichnet sein, dass die Sohlenoberfläche mit quer zur Fußrichtung verlaufenden Aufrauhungen versehen ist. Diese Betten sollten zwar in einem besonderen weichen Stoff, beispielsweise Kork, angebracht sein, welcher in die Sohle eingelassen ist. Die vorangegangene Beschreibung und die Zeichnung zeigen aber, dass es sich um eine gänzlich andere Ausformung der Sohle handelt als das typische C -Tieffußbett, dass bei den streitgegenständlichen Sandalen der Verfügungsklägerin Verwendung findet. Die innere Sohlenkannte ist zudem nicht gerade gehalten, sondern weist eine deutlich Krümmung auf. Eine Fersenmulde scheint nicht vorgesehen.

Für die Gebrauchsmusteranmeldung Anlage SSM22 (Bl. 771 ff. d.A.):

[...]

gelten vergleichbare Erwägungen. Die Neuerung sollte hier einen Zehengreifwulst für das Fußbett von Gymnastik-Sandalen betreffen, die aus einem einstückigen Schuhboden aus Holz, Kunststoff oder ähnlichem Material und einem einzigen Halteriemen etwa in der Gegend der Zehengrundgelenke des Fußes bestehen. Das Halten der Sandale am Fuß sollte hierbei nicht allein durch den einzigen, in der Gegend der Grundgelenke vorgesehenen Riemen gewährleistet werden, sondern vielmehr sollte es dazu einer zusätzlichen Greifbewegung und Greifkraft der Zehen gegen den vorderen Teil des Schuhbodens bedürfen. Durch das Greifen und Entspannen beim Aufsetzen des Fußes sollte eine ständige gymnastische Übung und daher eine günstige therapeutische Wirkung erzielt werden. Einen vergleichbaren Zehengreifwulst weisen die streitgegenständlichen Sandalen schon nicht auf und unterscheiden sich optisch deutlich von der Skizze der Gebrauchsmusteranmeldung.

Auch hinsichtlich des Befestigungssystems zeigt die Verfügungsbeklagte nicht auf, dass vorbekannte Gestaltungsmuster der Schutzfähigkeit der Sandalenmodelle „B “ und „H “ entgegenstehen würden.

Die von der Verfügungsbeklagten angeführten Drei- und Mehrbandsandalen weichen von den hier streitgegenständlichen Modellen deutlich ab:

[...]

Soweit C selbst Dreibandmodelle hergestellt hat, sind diese hier nicht streitgegenständlich.

Die von der Verfügungsbeklagten bemühten Zweibandmodelle sind weitestgehend gänzlich abweichend von den C -Modellen gestaltet:

[...]

Einzig ein Zweiriemen-Model der „sandali per l’uomo sportiva“:

[...]

kommt der Riemengestaltung des streitgegenständlichen Modells „B “ nahe, weist aber wiederum ein deutlich abweichendes Fußbett und eine stark unterschiedliche Sohle auf.

Schließlich vermag auch die vermeintliche Vorbekanntheit der T- respektive Y-Gestaltung des Sandalenmodells „H “ nicht zu belegen, dass hier kein Gestaltungsspielraum bestanden und von L C individuell-schöpferisch ausgefüllt worden wäre.

Die entgegengehaltenen altägyptischen Sandalentypen:

[...]

weisen zwar bereits die Typik auf, dass die Sandale hoch auf dem Rist durch eine Querbandage fest am Fuß gehalten wird. Keines der Beispiele vereint aber die Charakteristika der streitgegenständlichen Sandale „H “, da zumeist bereits das Fußbett, aber auch die Schnallenbindung abweichend gestaltet ist.

Nicht anders verhält es sich mit den moderneren Varianten, die zwar durchaus im Grundsatz vergleichbare Bindungsriemen, aber im Übrigen stark unterschiedliche Sohlenplastiken und Fußbettgestaltungen aufweisen:

[...]

oder aber eine abweichende Gestaltung mit Fersenriemen:

[...]

f) Subjektive Verlautbarungen der Verfügungsklägerin oder ihrer Rechtsvorgänger sind für die Beurteilung der eigenschöpferischen Qualität – wie aufgezeigt – unbeachtlich, wenn gleichwohl ein künstlerischer Gestaltungsspielraum bestand und im Rahmen des Schaffensprozesses genutzt wurde, auch wenn dies möglicherweise zunächst als rein handwerklich wahrgenommen wurde. Ein zusätzlicher Nachweis einer bestimmten Motivation des Schöpfers würde die Anforderungen an den Schutz eines Werkes der angewandten Kunst gegenüber einem solchen der bildenden Kunst erhöhen. Dies erscheint mit einem gleichrangigen Beurteilungsmaßstab kaum vereinbar. Die Aussage des Schöpfers L C , Mode habe ihn überhaupt nicht interessiert, gibt vor diesem Hintergrund keinen Anlass für eine abweichende Bewertung.

2. Die Verfügungsklägerin ist zur Geltendmachung der hier streitgegenständlichen urheberrechtlichen Ansprüche aktivlegitimiert.

a) Dazu hat sie durch Vorlage der Anlage ASt 8 (Bl. 161 f. d.A.) glaubhaft gemacht, dass der ehemalige Geschäftsführer und Gesellschafter der Rechtsvorgängerin der Verfügungsklägerin, Herr L C , allein verantwortlicher Gestalter und damit alleiniger Schöpfer der hier gegenständlichen Schuhmodelle war und alle damit zusammenhängenden Immaterialgüterrechte an die C Sales GmbH übertragen hat. Die weitere Übertragung von der C Sales GmbH auf die Verfügungsklägerin ist ebenfalls durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Legal Counsel IP der C Gruppe in Anlage ASt 6 (Bl. 157 d.A.) glaubhaft gemacht.

Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, weder aus dem Vortrag der Verfügungsklägerin noch aus den Feststellungen in der angegriffenen Beschlussverfügung sei erkennbar, ob Herr L C der weiteren Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte auf die Verfügungsklägerin gemäß § 34 Abs. 1 UrhG zugestimmt habe, dringt sie damit nicht durch.

In der Erklärung vom 05.11.2020 heißt es:

„Wir bestätigen uns wechselseitig dass alle etwaigen uns allen (zusammen oder einzelnen von uns) zustehenden Marken-, Design-, Patent-, Urheber- und sonstige Rechte des geistigen Eigentums an allen C -Produkten von jeher exklusiv der C Sales GmbH bzw. den jeweiligen Vorgängergesellschaften (wie etwa der C.B. Orthopädie GmbH und der C Orthopädie GmbH) übertragen wurden und die C -Gruppe daher ausschließlich legitimiert ist, Rechte hieran auszuüben und zu verwerten. Dies umfasst die, soweit noch nicht geschehen hiermit exklusiv der C GmbH & Co. KG eingeräumten, auf Dritte (weiter)übertragbaren, ausschließlichen sowie zeitlich, inhaltlich und räumlich unbeschränkten Rechte, insbesondere entsprechende Produkte herzustellen, zu vervielfältigen, auf der gesamten Welt zu vertreiben, zu vermarkten sowie weiter zu entwickeln und zu bearbeiten. Selbstverständlich sind hiervon auch damals noch unbekannte Vertriebsformen und Nutzungsarten, wie bspw. der Online-Vertrieb, erfasst. Anderen Personen oder Unternehmen wurden keine Rechte an C -Produkten eingeräumt.“

Daraus geht hervor, dass die Weiterübertragung auf Dritte bereits von der ursprünglichen Rechteeinräumung an die C Sales GmbH umfasst war, so dass es jedenfalls keiner Zustimmung zur weiteren Übertragung an die Verfügungsklägerin durch L C bedurfte.

b) Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, es sei fraglich, ob es sich bei den streitgegenständlichen Modellen um die Sandalen handele, die von Herrn L C ursprünglich entworfen worden seien; es fehle an einer Darstellung der „Ur-Werke“, vermag dies keine erheblichen Zweifel an der Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin zu begründen. Nach dem von der Verfügungsbeklagten selbst vorgelegten und zum Gegenstand ihres Sachvortrags gemachten Gutachten Dr. O s wurde das streitgegenständliche Sandalenmodell „B “ im Jahr 0000 von der Fa. C in den Markt eingeführt, sowie das Modell „H “ im Jahr 0000. Grundlage für beide Modelle bilde die kurz nach 0000 durch D C entwickelte und seit 0000 – mit der Einbandsandale „N“ auf den Markt gebrachte – in Schuhen fest verbaute Korkinnensohle (vgl. Bl. 717 d.A.). Danach ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die ursprünglich hergestellten Sandalenmodelle in streiterheblichem Umfang von den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Modellen abwichen, und solche Anhaltspunkte werden von der Verfügungsbeklagten auch im Übrigen nicht aufgezeigt. Der Vortrag der Verfügungsklägerin deckt sich insoweit mit den Aussagen in den beiderseits vorgelegten Gutachten. Jedenfalls für den Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens besteht daher ein überwiegendes Maß an Wahrscheinlichkeit dafür, dass die aktuell vorgelegten Modelle den ursprünglich hergestellten und vertriebenen Modellen entsprechen.

3. Der Vertrieb der angegriffenen, streitgegenständlichen Sandalenmodelle:
[...]

durch die Verfügungsbeklagte verletzt die ausschließlichen Verbreitungsrechte der Verfügungsklägerin aus § 17 Abs. 1 UrhG an den urheberrechtlich geschützten Sandalenmodellen „B “ und „H “. Die angegriffenen, von der Verfügungsbeklagten angebotenen Sandalen übernehmen sämtliche relevanten Gestaltungsmerkmale der Sandalenmodelle „B “ und „H “.

Die Abweichung zwischen den Sandalenmodellen der Verfügungsklägerin „B “ und „H “ und den angegriffenen Sandalenmodellen der Verfügungsbeklagten im Laufsohlenprofil führt nicht schon aus deren Schutzbereich heraus. Der neuartige Gesamteindruck der streitgegenständlichen Schuhmodelle „B “ und „H “ wird nach dem Vorgesagten nicht in einem Maße durch die Sohlengestaltung mitgeprägt, dass die Abweichung hiervon bei den angegriffenen Sandalenmodellen allein die im Wesentlichen fast identische Übereinstimmung in den übrigen, den Gesamteindruck maßgeblich prägenden Gestaltungsmerkmalen ausgleichen könnte.

4. Die für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die vorangegangene Rechtsverletzung indiziert. Diese Gefahr kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer geeigneten, strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt werden. Eine solche hat die Verfügungsbeklagte nicht abgegeben.

II. Es besteht auch ein Verfügungsgrund.

1. Die Dringlichkeit wird im Urheberrecht – anders als im Lauterkeitsrecht nach § 12 Abs. 1 UWG – zwar nicht vermutet. Der Antragsteller hat vielmehr darzutun und gegebenenfalls glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO vorliegen und der Weg ins Hauptsacheverfahren unzumutbar ist (vgl. OLG Köln, ZUM-RD 2021, 431 f.; OLG Nürnberg GRUR-RR 2019, 64; OLG München BeckRS 2008, 42109). Bei einer fortbestehenden Rechtsverletzung wird sich die Dringlichkeit aber auch ohne Vermutung des § 12 Abs. 1 UWG in der Regel aus der Lage des Falles selbst ergeben (vgl. OLG Köln, ZUM-RD 2021, 431 f.; OLG Köln, BeckRS 2016, 09601; OLG München BeckRS 2008, 42109; GRUR 2007, 184; OLG Köln, WRP 2014, 1085). So liegt der Fall hier. Die Rechtsverletzung dauert noch an.

2. Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, die Verfügungsklägerin versuche erst in jüngerer Zeit, auf Grundlage urheberrechtlicher Vorschriften gegen Konkurrenzprodukte vorzugehen, so steht dies der Dringlichkeit nicht entgegen. Der Anspruchsteller ist zunächst frei darin, auf welche Rechtsgrundlagen er sich beruft und mögen hier auch taktische Erwägungen – etwa aufgrund von Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung – eine Rolle spielen. Der Umstand, dass die Verfügungsklägerin zunächst gegen ein an den Endverbraucher gerichtetes Angebot im Onlineshop der P C1G GmbH & Co. KG vorgegangen ist, und nicht unmittelbar gegen den Hersteller, ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Dafür, dass die Verfügungsklägerin sicher wusste, dass die streitgegenständlichen Sandalen von der Verfügungsbeklagten für P produziert wurden, bestehen keine aktenkundigen Anhaltspunkte. Es war der Verfügungsklägerin also nicht verwehrt, zunächst einen Testkauf zu lancieren und Auskunft über den Lieferanten zu begehren. Für ihre Vermutung, dass die Verfügungsklägerin weit länger als einen Monat vor der Abmahnung vom 12.10.2021 bereits Kenntnis von der Verfügungsbeklagten als Hersteller der angegriffenen Sandalen hatte respektive hätte haben müssen, bestehen keine handfesten Anhaltspunkte. Eine generelle Marktbeobachtungspflicht des Antragstellers besteht auch im Urheberrecht nicht (Rojahn/Rektorschek, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrecht, 3. Aufl. 2021, § 98, Rn. 20).

Die Verfügungsklägerin hat durch eidesstattliche Versicherung ihres Legal Counsel IP vom 22.10.2021 (Anlage ASt 6) glaubhaft gemacht, Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung erstmals am 24.09.2021 erlangt zu haben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 22.10.2021 bei Gericht eingegangen. Die Verfügungsbeklagte zeigt keine konkreten Anhaltspunkte dafür auf, dass tatsächlich bereits zuvor Kenntnis vorlag, ebenso wenig ist dargetan, dass und weshalb die Verfügungsklägerin bereits zuvor Kenntnis von dem Herstellerhinweis auf den Kartons der angegriffenen Sandalen genommen haben sollte. Dafür, dass die Verfügungsklägerin im vorliegenden Fall zugewartet hätte, während sie gegen Dritte unmittelbar vorging, fehlen ebenso konkrete Anhaltspunkte.

3. Schließlich fällt auch eine Interessenabwägung nicht dergestalt zu Gunsten der Verfügungsbeklagten aus, dass ein Verfügungsgrund hier zu verneinen wäre.

a) Die einstweilige Verfügung muss notwendig sein, um wesentliche Nachteile in Bezug auf das Rechtsverhältnis abzuwenden oder um die Vereitelung bzw. wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung zu verhindern. Hierauf kann auch bei (vermeintlich) einfach festzustellenden Rechtsverletzungen nicht verzichtet werden. Dies setzt nicht nur eine Dringlichkeit im zeitlichen Sinne, sondern grundsätzlich auch eine Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des Antragstellers und den schutzwürdigen Interessen des Antragsgegners voraus. Im Rahmen der Interessensabwägung ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Einerseits ist zu fragen, welche Folgen beim Antragsteller eintreten, wenn die einstweilige Verfügung nicht erlassen wird. Hierbei steht im Vordergrund, welche konkreten (wirtschaftlichen) Nachteile dem Antragsteller (nicht einem Dritten) aus der Rechtsverletzung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache erwachsen, ob diese Nachteile bzw. Schäden nachträglich angemessen kompensiert werden können und wann mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu rechnen ist. Andererseits sind die Folgen, die auf den Antragsgegner bei Erlass der einstweiligen Verfügung zukommen, zu berücksichtigen. Bei der Interessensabwägung sind überdies das Verhalten der Parteien und der Umstand in Rechnung zu stellen, dass es sich bei dem einstweiligen Verfügungsverfahren um ein summarisches Verfahren handelt, das nur begrenzte Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stellt. Je stärker der Eingriff in die Rechtspositionen des Antragsgegners ist, desto sicherer muss festgestellt werden und desto schwerer müssen die Gründe wiegen, die für den Erlass der einstweiligen Verfügung sprechen (Voß, in: Cepl/Voß Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 940 ZPO, Rn. 64).

b) Ein Überwiegen der Interessen der Verfügungsbeklagten im vorstehenden Sinne kann die Kammer hier nicht erkennen. Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsbeklagte durch das Verbot im einstweiligen Verfügungsverfahren bereits einen Schaden erlitte, der auch im Falle eines späteren abweichenden Ausgangs des Hauptsacheverfahrens nicht mehr – nach § 945 ZPO – kompensiert werden könnte und etwa existenzgefährdend wäre, ist nichts dargetan. Dass die Verfügungsbeklagte ihrer Geschäftstätigkeit durch das Verbot nicht mehr nachgehen könnte oder darin durch das Verbot ganz erheblich eingeschränkt wäre, ist nichts ersichtlich. Soweit die Verfügungsbeklagte auf eine etwaig zu leistende nachträgliche Kompensation gegenüber der Verfügungsklägerin hinweist, macht sie ebenfalls nicht geltend, dass diese eine existenzbedrohende Größenordnung erreichen könnte.

Ein Vertrauensschutz in eine bestimmte Rechtsprechung besteht für Wettbewerber ebenfalls nicht. So konnten konkurrierende Anbieter von Sandalen nicht darauf vertrauen, dass die Verfügungsklägerin nach dem erfolglosen Versuch, in der Vergangenheit auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage gegen Nachahmungen vorzugehen, sich damit dauerhaft zufrieden geben und auch von der Rechtsdurchsetzung mittels urheberrechtlicher Ansprüche Abstand nehmen würde. Vielmehr steht es jedem Rechteinhaber selbstverständlich offen, Spielräume, die sich durch Entwicklungen in einem Rechtsgebiet – hier namentlich die unionsrechtliche Ausformung des Werkbegriffs durch den EuGH und die dadurch angestoßene Diskussion in Rechtsprechung und Lehre – eröffnen, auch nach einem Unterliegen vor Gericht zukünftig für sich zu nutzen. Dies kann weder die Annahme einer Verwirkung rechtfertigen, noch konnten andere Marktteilnehmer nach einer für die Verfügungsklägerin abschlägigen erstinstanzlichen Entscheidung einen „relevanten Besitzstand“ erwerben, der sie gegenüber einer Inanspruchnahme auf urheberrechtlicher Grundlage „absichern“ würde.

Zur effektiven Rechtsdurchsetzung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums ist die Erlangung von einstweiligem Rechtsschutz auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Werkes – hier im Bereich der angewandten Kunst – und damit der langfristige Rechtsbestand höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Hamburg: Albi-Saftflasche stellt unlautere nachschaffende Nachahmung der Granini-Saftflasche dar und verletzt zudem Marke von Granini

LG Hamburg
Urteil vom 13.01.2022
312 O 294/21


Das LG Hamburg hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass die Saftflasche der Edeka-Tochter Albi eine unlautere nachschaffende Nachahmung der Granini-Saftflasche darstellt und zudem Markenrechte von Granini verletzt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin zu 1) ergibt sich aus §§ 8, 3, 4 Nr. 3 a UWG, derjenige der Antragstellerin zu 2) aus § 14 II Nr. 2, V MarkenG.

1.

Die Antragstellerin zu 1) hat gegen die Antragsgegnerinnen einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 3 a UWG.

Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz besteht, wenn ein Unternehmer das Leistungsergebnis eines Mitbewerbers, das über wettbewerbliche Eigenart verfügt, nachahmt und auf dem Markt anbietet, sofern besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen, und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt (§ 4 Nr. 3 lit. a) UWG). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die die Unlauterkeit begründende Herkunftstäuschung und ihre Vermeidbarkeit zu stellen und umgekehrt (vgl. BGH, Urteil vom 2.12.2015, I ZR 176/14, GRUR 2016, 730, Rz 31 - Herrnhuter Stern, m.w.N.).

a.

Die g.-Flasche ist von ursprünglich durchschnittlicher, durch Benutzung gesteigerter wettbewerblicher Eigenart.

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (ständ. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 14.9.2017, I ZR 2/16, Rz 20, Leuchtballon) und die Art der Gestaltung nicht technisch notwendig ist (vgl. BGH, GRUR 2015, 909, Rz 18 - Exzenterzähne). Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses abzustellen, wobei sich der Verkehr grundsätzlich nur an den äußeren Gestaltungsmerkmalen orientieren kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2015 - I ZR 109/14, Rz 22, Hot Sox). Dabei genügt es, wenn der angesprochene Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Erzeugnisses die Vorstellung hat, das Erzeugnis könne wohl nur von einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH, Urteil vom 14.9.2017, I ZR 2/16, Rz 20, Leuchtballon; BGH, Urteil vom 24.5.2007, I ZR 104/04, Rz. 23 - Gartenliege; BGH, Urteil vom 22.1.2015, I ZR 107/13, Rz 11, Exzenterzähne). Die wettbewerbliche Eigenart muss sich gerade aus den übernommenen Gestaltungsmerkmalen des Erzeugnisses ergeben. Es müssen also gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, im Verkehr auf eine bestimmte betriebliche Herkunft oder auf die Besonderheit des jeweiligen Erzeugnisses hinzuweisen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz. 3.24). Das ist immer dann der Fall, wenn sich das Produkt - unabhängig von der Anzahl der Merkmale - von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH; Urteil vom 24.1.2013, I ZR 136/11, Rz. 24, Regalsystem).

b.

Vorliegend wird die wettbewerbliche Eigenart der g.-Flasche begründet durch die Gestaltung mittels eines zylindrischen Flaschenbauches und eines ebenfalls zylindrischen und lotgerecht angeordneten Flaschenhalses, wobei die Dimensionen von Flaschenbauch und Flaschenhals ungefähr im Verhältnis 3:2 stehen, was den Größenverhältnissen bei einer Ananas entsprechen soll. Der gesamte Flaschenbauch weist regelmäßig verteilte rundliche Einkerbungen, sogenannte Grübchen, auf, ähnlich den an der Außenschale einer Ananas befindlichen Noppen. Flaschenbauch und -hals sind optisch getrennt, der schmalere Flaschenhals sitzt auf einer kurzen und abgerundeten Verjüngungsstufe auf. Die Flasche hat einen breiten Schraubverschluss mit einer geringen Verjüngung vom Flaschenhals, das Etikett ist ausschließlich auf dem Flaschenhals aufgebracht. Das Material der Flasche ist durchsichtig transparent und lässt die Farbe des Inhalts erkennen.

Die Kombination dieser Merkmale ist nicht technisch bedingt und hebt sich deutlich vom Marktumfeld ab. Dies ergibt sich aus der als Anlage AG 17 eingereichten Marktübersicht, die zwar vielfach transparente Saftflaschen mit farbigen Deckeln zeigt, die jedoch in den Proportionen gänzlich unterschiedlich gestaltet sind und überwiegend das Flaschenetikett auf dem unteren Teil der Flasche und nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - auf dem Flaschenhals tragen.

Ein Etikett ausschließlich auf dem oberen Teil der Flasche zeigen lediglich die Produkte "hohes C Naturelle", "hella", "Lambda" und "Tymbark", wobei bei diesen Produkten - mit Ausnahme von "Lambda" - der obere Teil der Flasche jeweils nicht als Flaschenhals ausgestaltet ist, sondern die Flasche die Form eines Zylinders - im Fall von "Tymbark" mit einer "Taille" etwa in der Mitte des Zylinders, hat, der sich hin zum Ausguss und Flaschendeckel verjüngt. Gleiches gilt für die Produkte, die das Etikett - wie "Sinalco" - in mittlerer Höhe tragen, wobei auch hier die Flaschen keinen deutlich ausgebildeten Flaschenhals haben. Ausschließlich auf einem - deutlich ausgebildeten - Flaschenhals trägt nach der Anlage AG 7 nur das - kanarische - Produkt "Lambda" sein Etikett.

Auch die Proportionen der zwei aufeinander stehenden Zylinder finden sich so im angezeigten Markt - mit Ausnahme der Flasche von "Lambda" - nicht wieder. Auch die Flasche "Valensina 100 % direkt gepresst Valencia Orange" ist weder in den Proportionen noch in der Positionierung des Etiketts noch in der Gesamtgestaltung der Flasche der g.-Flasche "nahezu identisch", wie die Antragsgegnerinnen meinen. Der untere Zylinder ist nahezu vollständig durch das Flaschenetikett verdeckt und soweit ersichtlich nicht haptisch gestaltet. Der obere Zylinder, zu dem eine deutlich weichere und längere Verjüngung als bei der g.-Flasche führt, verjüngt sich nach oben in Richtung Flaschendeckel weiter und trägt hier Reliefs mit dem Schriftzug "Valensina". In den Proportionen und der Positionierung des Flaschenetiketts ganz ähnlich muten lediglich die Flasche von Lambda und die streitgegenständliche Flasche von a. an. Die Flasche von Lambda, über deren Präsenz im deutschen Markt im Übrigen nichts bekannt ist, besitzt aber keine den unteren Zylinder vollständig bedeckende haptische Gestaltung, sondern weist, soweit ersichtlich, lediglich eine Verzierung in Form einer Knospe oder eines nach oben zeigenden Pfeils oder Dreiecks auf.

Vor diesem Hintergrund ist der Grad der wettbewerblichen Eigenart der g.-Flasche ursprünglich mindestens als durchschnittlich, aufgrund langjähriger umfangreicher und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachter Benutzung aber jedenfalls als gesteigert und damit jedenfalls leicht überdurchschnittlich einzuordnen.

c.

Die streitgegenständliche Flasche von a. stellt eine nachschaffende Nachahmung der g.-Flasche dar.

aa.

Eine Nachahmung liegt vor, wenn das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Hierfür ist zu prüfen, ob das angegriffene Produkt die prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalprodukts übernimmt, die dessen wettbewerbliche Eigenart ausmachen. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit ist auf die Gesamtwirkung der einander gegenüberstehenden Produkte aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 11.1.2018, I ZR 187/16, Rz 50, Ballerinaschuh m.w.N.). Eine nachschaffende Nachahmung liegt vor, wenn die fremde Leistung nicht identisch oder nahezu identisch nachgeahmt, sondern lediglich als Vorbild benutzt und nachschaffend unter Einsatz eigener Leistung wiederholt wird, somit eine bloße Annäherung an das Originalprodukt vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 38. Flying V; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz 3.37). Entscheidend ist, ob die Nachahmung wiedererkennbare prägende Gestaltungselemente des Originals aufweist oder sich deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz 3.37). Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung des Gesamteindrucks, dass es weniger auf die Unterschiede und mehr auf die Übereinstimmungen der Produkte ankommt, weil der Verkehr diese erfahrungsgemäß nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seiner Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt, in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 40, Flying V).

bb.

Aufgrund der aufgezeigten Unterschiede in Größe, Proportionen und haptischer Gestaltung, handelt es sich vorliegend jedenfalls um eine nachschaffende Nachahmung, da die streitbefangene Flasche "a." wiedererkennbare prägende Gestaltungselemente der g.-Flasche aufweist und die g.-Flasche als Vorbild erkennbar bleibt. Diese Merkmale werden in einer Weise von der angegriffenen Flasche aufgenommen, dass diese im Gesamteindruck die optische Wirkung der g.-Flasche hat:

Auch die neue Flasche von a. besteht aus zwei zylindrischen Elementen, der Flaschenhals steht lotgerecht auf einer kurzen und abgerundeten Verjüngungsstufe auf dem unteren Zylinder, dem Flaschenbauch. Der untere Zylinder ist ebenfalls länger als der Flaschenhals, das Verhältnis beträgt etwa 3:1. Der Flaschenbauch ist ebenfalls insgesamt haptisch gestaltet, allerdings nicht mit gleichmäßig verteilten rundlichen Einkerbungen / Grübchen, sondern reliefartig mit als Pflanzen anmutenden Motiven, dem Schriftzug "100% PET" und auf der gegenüberliegenden Seite "a.". Die Flasche hat einen breiten Schraubverschluss mit einer geringen Verjüngung vom Flaschenhals, das Material der Flasche ist durchsichtig transparent und lässt die Farbe des Inhalts erkennen. Das in der Grundfarbe "Grün" gehaltene Etikett befindet sich ebenfalls ausschließlich auf dem Flaschenhals, es zeigt neben Fotos von Äpfeln und Kirschen die Aufschrift "a." sowie "Apfel Kirsch".

Insoweit stellt die neue Flasche jedenfalls eine nachschaffende Nachahmung der g.-Flasche dar. Im Gesamteindruck erreichen die übernommenen Merkmale der Proportionen der aufeinander stehenden Zylinder, der haptischen Gestaltung des Flaschenbauchs, der Etikettierung (ausschließlich) auf dem Flaschenhals, der Transparenz des Materials und die Gestaltung des (farbigen) Schraubverschlusses die optische Wirkung der nachgeahmten g.-Flasche. Besonders deutlich wird die Ähnlichkeit der Flaschen im Gesamteindruck auf dem im Schriftsatz vom 20.12.2021, Rz 34 (Bl 161 d.A.), eingeblendeten Foto eines Ladenregals, in dem sich beide Produkte befinden.

d.

Die Nachahmung ist unlauter, es besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn. Eine Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen.

Vorliegend besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn. Hierfür genügt es, wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen (vgl. BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 52, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019, 196, Rz 15, Industrienähmaschinen; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 Rz 3.44). Gegen eine solche Annahme spricht zwar in der Regel, wenn die unterschiedliche Herstellerangabe auf den Erzeugnissen deutlich erkennbar und auffällig angebracht ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1069, Rz 16, Knoblauchwürste). Von einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn kann bei Vorliegen weiterer Hinweise aber dennoch ausgegangen werden. Ein solcher Hinweis kann z.B. darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 51, Flying V; BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 62, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019,196, Rz 20, Industrienähmaschinen; BGH, Urteil vom 24.5.2007 - I ZR 104/04, GRUR 2007, 984, Rz 36 - Gartenliege) oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren (BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 52, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019, 196, Rz 20 - Industrienähmaschinen).

Wegen der jedenfalls bis vor kurzem und teilweise möglicherweise noch bestehenden Vertriebssituation, in der die Antragsgegnerinnen die g.-Säfte in den streitgegenständlichen g.-Flaschen und damit die Originalprodukte in ihren Läden in den Saftregalen hatten, geht der Verkehr von einer Verbindung der Parteien trotz der Kennzeichnung der neu aufgenommenen Flaschen mit dem Zeichen "a." aus, es besteht die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft der Ware i.S.d. § 4 Nr. 3a UWG.

2.

Der Antrag der Antragstellerin zu 2) ist aus § 14 II Nr. 2, V MarkenG aus der Verfügungsklagemarke 1) DE... (im Folgenden auch "Marke 930") begründet.

a.

Die Marke 930 wurde überwiegend wahrscheinlich gemäß § 26 I, III MarkenG rechtserhaltend genutzt. Der Unterlassungsanspruch ist nach Erhebung der Nichtbenutzungseinrede durch die Antragsgegnerinnen nicht gemäß § 25 I MarkenG ausgeschlossen.

aa.

Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Sinne von § 26 I MarkenG erfordert, dass die Marke ernsthaft in üblicher und sinnvoller Weise für die Ware verwendet wird, für die sie eingetragen ist.

Die rechtserhaltende Benutzung der Klagmarke 1) ergibt sich zum einen aus einem Prospekt aus dem Jahr 2019. In diesem ist die Flasche abgebildet mit einem in grün gehaltenen Etikett und rotem Deckel, wobei das grüne Etikett, an dessen oberen Rand ein rotes Rechteck zu sehen ist, auf dem in weißer Schrift der Schriftzug "g." steht (im Folgenden auch "g.-Rechteck"), auf dem Flaschenhals angebracht ist (Anlage AG 8 und Anlage AG 10, dort Anlage 1). Die Flasche zeigt nach Auffassung der Kammer ebenso wie diejenige, die in der mündlichen Verhandlung - mit der Abbildung einer anderen Frucht - vorlag, eine Nutzung der Verfügungsmarke 930. Die Nutzung der Klagmarke 1) ergibt sich zum anderen aus der Nutzung gemäß der Antragsschrift, Seite 3 Mitte, mit einem überwiegend orangefarbenen Etikett, bei dem das g.-Rechteck am unteren Rand steht, und einem grünen Flaschendeckel.

Die Nutzung der Marke in diesen abweichenden Formen genügt für eine rechtserhaltende Nutzung, die prägenden Merkmale der eingetragenen Kombinationsmarke sind jeweils erhalten geblieben.

Dass die Klagmarke 1) bei den beiden beschriebenen Benutzungsformen in veränderter Form benutzt wurde - zum einen weil das in der Markeneintragung - mit Ausnahme des rot-weißen "g.-Rechtecks" - einheitlich in Dunkelgrün gestaltete Flaschenhalsetikett in changierenden Grüntönen mit Aufdruck von Früchten (vgl. AG 8, AG 10) bzw. auch mit Aufdruck von Fotos grüner Blätter gestaltet wurde, zum anderen weil die Flasche in der Gestaltung mit dem überwiegend orangefarbenen Etikett mit aufgedruckten Früchten und nach unten versetztem rot-weißen "g.-Rechteck" und grünem Deckel (vgl. Antragsschrift, Seite 3 Rz 1) sowohl farblich als auch graphisch verändert wurde, ist unschädlich. Denn die Benutzung einer Marke ist auch in veränderter Form gemäß § 26 III Satz 1 MarkenG rechtserhaltend, soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d. h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2014, I ZR 114/13, Rz 12, PINAR; vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2012, I ZR 135/11, Rz 31, Duff Beer; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl. 2021, § 26 Rz 197).

Bei der Bestimmung der Verkehrsauffassung kann zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise, zum Maßstab des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und zu den Regeln über die Feststellung der Verkehrsauffassung auf die zur Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2012, I ZR 135/11, Rz 31, Duff Beer). Zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise ist auf die Abnehmer abzustellen, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nachfragen. Dabei sind die Waren oder Dienstleistungen ihrer gattungsmäßigen Art nach und nach ihren objektiven Merkmalen zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2014, I ZR 114/13, Rz 21, PINAR).

bb.

Vorliegend ist die Klagmarke 1 in der Warenklasse 32 für Fruchtgetränke und Fruchtsäfte eingetragen. Sie beansprucht damit Schutz für Getränke, die von einem breiten Publikum von Verbrauchern, Erwachsenen wie Jugendlichen und Kindern, nachgefragt werden.

Der kennzeichnende Charakter der Marke wurde durch die beiden vorliegenden Benutzungsformen nicht verändert. Es handelt sich bei der als "dreidimensionale" Marke eingetragenen Marke 930 um eine Kombinationsmarke aus Form- und Bildelementen sowie- einem Wortelement. Das Formelement beinhaltet dabei die konkrete Gestalt der Flasche, die in den Proportionen der beiden aufeinander stehenden "Zylinder" und der Oberflächengestaltung des unteren, leicht bauchig ausgestalteten Zylinders durch die aufgebrachten "Grübchen" einer Ananas nachempfunden ist, die Bildelemente zum einen das einheitlich grüne Etikett auf dem Flaschenhals und zum anderen das darauf aufgebrachte rote "g.-Rechteck" mit "g." als Wortelement sowie die (rote) Farbgestaltung des Deckels.

Im Gesamteindruck zeigen die beiden beschriebenen veränderten Gestaltungen der Flasche keine Veränderungen des kennzeichnenden Charakters der Flasche. Es ist davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr auch bei Wahrnehmung der Unterschiede zwischen der eingetragenen Kombinationsmarke und den beiden Benutzungsgestaltungen in diesen noch dieselbe Marke sieht. Denn im Gesamteindruck ist die Flasche in der Gestaltung der Proportionen und des unteren Zylinders mit den Grübchen sowie der Position des Etiketts auf dem Flaschenhals(-zylinder) und dem Abstand vom Flaschendeckel zum Etikett unverändert geblieben. Auch das rote "g.-Rechteck" ist weiter auf dem Flaschenhalsetikett angebracht, wenn auch bei der auf Seite 3 der Antragsschrift abgebildeten Flaschengestaltung über dem unteren Rand des Etiketts. Diese abweichende Positionierung des integrierten Wort-Bildzeichens "g.-Rechteck" zeigt keine ersichtliche Veränderung im optischen Gesamteindruck der Kombinationsmarke. Bei der aus dem Prospekt aus dem Jahr 2019 gemäß Anlage AG 8 ersichtlichen Gestaltung ist das rote "g.-Rechteck" zudem entsprechend der Markeneintragung am oberen Rand des Flaschenhalsetiketts verblieben. Bei der aus der Anlage AG 8 ersichtlichen farblichen Gestaltung des Etiketts durch changierende Grüntöne mit aufgedruckten Früchten handelt es sich ebenfalls nicht um wesentliche den Gesamteindruck verändernde Abweichungen. Denn die einheitlich grüne Farbe des Flaschenhalsetiketts ist in dieser Gestaltung im Grünton jedenfalls erhalten und lediglich durch weitere Angaben wie den Aufdruck von Früchten im Zusammenhang mit der Geschmacksrichtung gestaltet. Gleiches gilt für die Flasche mit einem durch Fotos von grünen Blättern in (uneinheitlich) Grün gehaltenen Etikett, aber einer anderen Fruchtabbildung, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat und erörtert wurde. Aber auch in der Gestaltung der Flasche mit einem überwiegend orangefarbenen Etikett und der Abbildung einer Orange und einem von der Eintragung (mit rotem Flaschendeckel) farblich abweichenden grünen Flaschendeckel sieht die Kammer keine wesentliche Veränderung des Gesamteindrucks der Marke. In der Rechtsprechung werden Modernisierungen regelmäßig als unschädlich angesehen, ebenso unschädlich sind Veränderungen in graphischen Bestandteilen, die nur eine Verzierung darstellen oder aus anderen Gründen vom Verkehr als bedeutungslos für den kennzeichnenden Charakter der Marke angesehen werden. Dies wird bejaht bei bloßen Veränderungen der Schriftfarbe oder der bildlichen Ausgestaltung von Anfangsbuchstaben. Entsprechend ist die Änderung der Grundfarbe des Flaschenhalsetiketts in der vorliegenden Konstellation die unwesentliche Änderung einer Verzierung, die im Gesamteindruck der Flasche keine wesentliche Bedeutung erlangt.

Dass die transparente Flasche bei Benutzung durch die Farbe des enthaltenen Safts farbig wirkt, stellt keine abändernde Benutzung dar. Denn ersichtlich ist eine für Fruchtsaftgetränke eingetragene transparente Flasche dazu gedacht, Säfte, die regelmäßig farbig sind, aufzunehmen. Weiter ist ersichtlich ein - bis auf das "g.-Rechteck" - leeres Etikett dazu gedacht, weitere Informationen zum Inhalt der Flasche zu tragen. Wesentliche Änderungen im Gesamteindruck der Marke liegen in der praktischen Nutzung des als Marke eingetragenen realen Gegenstands mitsamt dem Etikett nicht.

cc.

Der Umfang der ernsthaften Nutzung ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt H. P. R. gemäß Anlage Ast 7 und den dort versicherten Umsatz- und Absatzzahlen für die Jahre 2016-2021, die sich jeweils im mittleren oder oberen zweistelligen Millionenbereich bewegen.

Sowohl die mit der eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemachten Umsatzzahlen "betreffend die g.-Säfte in der ikonischen g.-Flasche" von 79.728.060 € im Jahr 2016, von 67.673.353 € im Jahr 2017, von 91.015.470 € im Jahr 2018, von 88.104.624 € im Jahr 2019, von 95.377.739 € im Jahr 2020 und von 54.011.776 € in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 als auch die für dieselbe Ware angegebenen Absatzzahlen in verkauften Litern mit 65.925.000 in 2016, 54.067.000 im Jahr 2017, 71.540.000 im Jahr 2018, 68.506.000 im Jahr 2019, 75.159.000 im Jahr 2020 und 39.772.000 in den ersten drei Quartalen 2021 belegen ohne weiteres die ernsthafte Nutzung der Klagmarke.

b.

Die Nutzung der angegriffenen Flaschen auf Seiten der Antragsgegnerinnen erfolgt markenmäßig.

Zwar wird die Form einer Ware in der Rechtsprechung in erster Linie als funktionell und nicht als Herkunftshinweis gesehen (vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.2011, C-344/10 P u.a., GRUR 2012, 610, 611, Nr. 46, Freixenet; BGH, Urteil vom 28.11.2002, I ZR 204/00, GRUR 2003, 712, 714, Rz 31, Goldbarren). Eine andere Beurteilung kann aber geboten sein, wenn Kennzeichnungsgewohnheiten auf einem spezifischen Warengebiet dazu führen, dass der Verkehr in der Form einen Herkunftshinweis sieht. Dies wird zum Beispiel bejaht für die Formgestaltung von Kühlergrills oder für Parfümflakons (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.11.2016, 6 U 220/15, GRUR-RR 2017, 105, Rz 16, Parfümflakon-Blütenstöpsel). Ein markenmäßiger Gebrauch kann auch vorliegen, wenn die betreffende Verpackungsform sich im Verkehr als Markenzeichen eines Inhabers durchgesetzt hat und über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt. Schließlich wird ein markenmäßiger Gebrauch auch angenommen, wenn eine erhebliche Abweichung vom Branchenüblichen vorliegt (vgl. EuGH, C 344/10, Urteil vom 20.10.2011, Rz 53, 38, 46; BGH, GRUR 2007, 780 Rz 28, Pralinenform; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014, 6 U 55/14, Rz 24 ff. Capri-Sonne).

Davon kann vorliegend ausgegangen werden. Die vorliegende Marktübersicht einschließlich der eingereichten Flaschen zeigt, dass die Saftflaschen im Markt in Proportionen und Etikettierung völlig anders gestaltet sind als die g.-Saftflasche, die einer Ananas nachempfunden wurde. Auf die (oben unter 1. stehenden) Ausführungen zum Marktumfeld im Rahmen der wettbewerblichen Eigenart wird Bezug genommen.

Dass Hersteller anderer Fruchtsaftflaschen sich bemühen mögen, ihre Waren ebenfalls so zu gestalten, dass der Verbraucher sie zumindest auch als Herkunftshinweis empfindet, weil die Säfte selbst nicht hinreichend zur Unterscheidung geeignet sind, wie das Landgericht Köln annimmt (vgl. Urteil vom 7.1.2022, 33 O 218/21, S. 17/18), kommt nur hinzu.

c.

Es besteht - unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wechselwirkung - Verwechslungsgefahr zwischen der Klagmarke 1 und der angegriffenen Flasche im Sinne des § 14 II Nr. 2 MarkenG.

Dabei ist im Bereich von Fruchtsäften und Fruchtnektaren, für die die Klagmarke 1 eingetragen ist und für die die angegriffene Flasche benutzt wird, von Warenidentität sowie von zumindest leicht gesteigerter Kennzeichnungskraft der ursprünglich jedenfalls durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Marke auszugehen. Die gesteigerte Kennzeichnungskraft ergibt sich aus der umfangreichen und mit eidesstattlicher Versicherung der erzielten Umsätze glaubhaft gemachten Nutzung.

Weiterhin liegt auch deutliche Zeichenähnlichkeit vor. Der Gesamteindruck des eingetragenen dreidimensionalen Zeichens in Form einer Flasche ist geprägt durch die aus zwei aufeinander stehenden Zylindern mit unterschiedlichem Durchmesser gebildete Form, wobei der untere Teil leicht bauchig geformt ist und eine gleichmäßige Struktur mit runden Einkerbungen/Grübchen aufweist, während der obere, den Flaschenhals bildende Teil, das farbige Etikett trägt, über dem ein farbiger Deckel in der Signalfarbe rot steht. Dieser Formgestaltung entspricht die angegriffene Flasche, die eine in den Proportionen hochgradig ähnliche Aufteilung in einen Flaschenbauch mit größerem Durchmesser und einen darauf aufstehenden schmaleren Zylinder als Flaschenhals, der das Etikett trägt, aufweist, und deren Flaschenbauch zudem mit gleichmäßigen Reliefstrukturen verziert ist. Im Gesamteindruck sind die beiden Flaschen einander hochgradig ähnlich. Dass beide Flaschen jeweils einen Schriftzug "g." bzw. "a." auf dem Etikett und die "a."-Flasche zusätzlich als Einprägung innerhalb des Reliefs aufweisen, ändert an der hohen Ähnlichkeit nichts. Denn im Gesamteindruck bleiben die Flaschen, deren Etikett- bzw. Reliefaufschrift weder im Warenregal im Laden noch bei späteren Aufbewahrungen unbedingt zu sehen bzw. zu lesen sind, sehr ähnlich. Gleiches gilt für den Schraubverschluss, der bei der angegriffenen Flasche nicht in der Signalfarbe rot, sondern in einem dunklen Grün gehalten ist. Die Farbe des Deckels wird angesichts der im Markt üblichen Deckelfarben, die sich aus der Anlage AG 17 ergeben und die regelmäßig grün und rot, zudem goldfarben, weiß, blau, gelb, silberfarben, violett, orange und schwarz sind, vom Verkehr nicht als wesentliches oder besonderes Merkmal wahrgenommen.

d.

Die Löschungsanträge der Antragsgegnerinnen stehen dem Anspruch nicht entgegen. Die Kammer ist insoweit an die Eintragung der Marken gebunden. Dass eine Löschung der Marken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehe, ist nicht erkennbar. Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerinnen steht eine solche Situation auch nicht der Dringlichkeit entgegen.

Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Widerspruchsverfahren aufgrund der nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 23.12.2021, vom 4.1.2022, vom 5.1.2022 und vom 7.1.2022 besteht nicht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG München: Wettbewerbliche Eigenart von Bekleidungsmodeerzeugnissen nur wenn das nachgeahmte Produkt eine besonders originelle Gestaltung aufweist

OLG München
Urteil vom 04.07.2019
29 U 3490/17

Das OLG München hat entschieden, dass eine wettbewerbliche Eigenart von Bekleidungsmodeerzeugnissen nur dann zu bejahen ist, wenn das nachgeahmte Produkt eine besonders originelle Gestaltung aufweist.

Leitsätze des Gerichts:

1. Bei Bekleidungsmodeerzeugnissen sind an die Bejahung der wettbewerblichen Eigenart keine zu geringen Anforderungen zu stellen; vielmehr wird diese nur zu bejahen sein, wenn das nachgeahmte Produkt eine besonders originelle Gestaltung aufweist. Da Mode letztlich nur durch Nachahmung der sie charakterisierenden Faktoren (Farbe, Kombination bestimmter Merkmale etc.) entsteht und der angesprochene Verkehr dies auch weiß, kann die wettbewerbliche Eigenart eines Kleidungsstücks nur in Ausnahmefällen und allenfalls dann angenommen werden, wenn anzunehmen ist, dass der Verkehr trotz der Vielzahl unterschiedlichster Gestaltungsformen unabhängig von der Marke der besonderen Ausgestaltung des Produkts als solcher oder aber besonders markanten (und aus seiner Sicht einzigartigen) Merkmalen herkunftshinweisende Funktion zumisst.

2. Bei der nachschaffenden Übernahme kann die Anbringung von Herkunftskennzeichen die Gefahr einer Herkunftstäuschung ausschließen.

3. Zum designrechtlichen Schutz von Bekleidungsstücken.

Den Volltext der Entscheidung finden sie hier:

LG Köln: Zur wettbewerblichen Eigenart von Jeans - Wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung

LG Köln
Urteil vom 13.11.2019
84 O 250/18


Das LG Köln hat sich in dieser Entscheidung mit der wettbewerblichen Eigenart von Jeans befasst und eine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung bejaht.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch sowie dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 9 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 3 a) UWG, § 242 BGB zu.

Im Einzelnen:

I. Die H S.p.A. ist Herstellerin der „Q“ Jeans.

Dies hat die Klägerin im Parallelrechtsstreit 84 O 249/18 durch Vorlage von Auszügen aus der Webseite der H S.p.A. (dort Anlagenkonvolut K 28), von Markenunterlagen (dort Anlagenkonvolut K 29), nach denen die H S.p.A. Inhaberin der „Q“ Marken ist, sowie durch Vorlage der Originalprodukte mit den entsprechenden eingenähten Etiketten zur Überzeugung der Kammer ausreichend belegt, zumal die Beklagte die Herstellereigenschaft der H S.p.A. bis zur mündlichen Verhandlung vom 11.09.2019 nicht in Abrede gestellt hatte.

II. Die Klägerin ist als Alleinvertriebsberechtigte aktivlegitimiert.

Die Klägerin hat auf Hinweis der Kammer die Vertriebsverträge zwischen der Klägerin und der H S.p.A. für die Jahre 2012 – 2014, 2014 – 2018 und 2019 – 2024 (Anlagen K 20 – K 22) in Auszügen zu den Akten gereicht, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin die alleinige und exklusive Vertriebspartnerin für Artikel der Marke „Q“ der H S.p.A. im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist. Zwar hat sich die H S.p.A. in den Verträgen vorbehalten, ihre bisherigen Direktkunden weiterhin zu beliefern. Bei diesen handelt es sich jedoch um wenige Einzelhändler (zunächst 14, aktuell nur noch 6), die lediglich an Endkunden und nicht an gewerbliche Wiederverkäufer verkaufen (dürfen). Darüber hinaus hat die Klägerin dargelegt, dass diese Direktkunden lediglich das Privileg haben, sich die Ware direkt in Italien bei der H S.p.A. aussuchen zu dürfen. Die Bestellungen werden dann über die Klägerin abgewickelt und auch von ihr an die Direktkunden fakturiert. Die H S.p.A. liefert die Ware zwar direkt an die Direktkunden, stellt diese aber wie jede andere Lieferung der Klägerin in Rechnung. Das Privileg der Direktkunden erklärt sich daher allein aus der vor Abschluss des ersten Vertriebsvertrages zwischen der Klägerin und der H S.p.A. im Jahre 2012 bestehenden Kundenbeziehung der Direktkunden zu der H S.p.A.. Diese Art der Kundenbeziehung von jetzt nur noch 6 Einzelhändlern – die Klägerin beliefert in Deutschland rund 2200 Abnehmer – zu der H S.p.A., die letztendlich über die Klägerin abgewickelt wird, vermag das Alleinvertriebsrecht der Klägerin damit - nicht zuletzt auch aufgrund der nahezu wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit - nicht in Frage zu stellen.

III. Die Beklagte hat durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Jeanshosen § 3 Abs. 1 UWG zuwidergehandelt. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG handelt gemäß § 4 Nr. 3 a) UWG insbesondere, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Gemäß § 4 Nr. 3 UWG kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 21 - LIKEaBIKE; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 16 - Sandmalkasten; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 14 - Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 15 - Einkaufswagen III; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. - Kinderhochstuhl "Sit up", jeweils mwN).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Angebot und der Vertrieb der angegriffenen Jeans der Beklagten als wettbewerbswidrig:

1) Die von der Klägerin unter der Bezeichnung „P78A“, „P68C“ und „P82D“ unter der Marke „Q“ vertriebenen Jeans-Modelle haben wettbewerbliche Eigenart.

Eine wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, juris). Dabei können einzelne Gestaltungsmerkmale in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, wenn sie den Gesamteindruck des Erzeugnisses bestimmen (BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 34, juris). In der Rechtsprechung ist weiter anerkannt, dass auch bei Modeerzeugnissen in Ausnahmefällen deren besonders originelle Gestaltung als Hinweis auf die betriebliche Herkunft angesehen werden und eine wettbewerbliche Eigenart unter diesem Gesichtspunkt vorliegen kann. Im Bereich der Mode begründet sich die wettbewerbliche Eigenart in der Regel aufgrund ästhetischer Merkmale. Das ist zum einen der Fall, wenn die – nicht technischen, sondern ästhetischen – Merkmale einer Ware, insbesondere die Gestaltung ihrer äußeren Form sowie das sonstige Design, die Ware so individualisieren, dass der Verbraucher annimmt, so gestaltete Produkte müssten aus derselben betrieblichen Herkunftsstätte stammen. Es genügt zum anderen aber auch, dass das Produkt für ihn spezielle Besonderheiten aufweist, die es von allen anderen unterscheidet. Diese können insbesondere im ästhetischen Bereich in einer überdurchschnittlichen individuellen schöpferischen Gestaltung liegen. In der Regel ist es aber auch gerade hier die Kombination bestimmter einzelner Merkmale, die der Verkehr als Hinweis auf die Herkunft oder auf modische Besonderheiten ansieht (vgl. von Hellfeld in Kirchner/Kirchner-Freis, Handbuch Moderecht, Seite 167 f.; OLG Köln, Urteil vom 14.07.2017 – 6 U 197/16 – S. 16). Anders als bei kurzlebigen Modeneuheiten besteht in einem solchen Fall ein einer zeitlichen Beschränkung nicht von vornherein unterworfener Nachahmungsschutz (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15.09.2005, Jeans, I ZR 151/02, Rdnr. 24, juris).

Wenn und soweit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes München vom 04.07.2019 – 29 U 3490/17 – (wohl nicht rechtskräftig) eine abweichende Sicht der Dinge zu entnehmen sein sollte, teilt die Kammer diese nicht.

Obgleich im Produktbereich der Jeanshosen eine sehr große Vielfalt von verschiedenen Gestaltungen bzw. Designs auf dem Markt existiert, verfügen die in Rede stehenden Jeansmodelle der Klägerin über eine besondere Kombination charakteristischer Merkmale, die sie von einer klassischen Jeansform deutlich abheben und die ihre wettbewerbliche Eigenart begründen. Für das Design der Jeansmodelle der Klägerin sind – wie diese zutreffend dargelegt hat – zahlreiche Gestaltungselemente prägend. So zeichnet sich die Jeanshose durch die V-förmigen Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine, die nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz, zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen, Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen und durch zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite aus. Wenngleich verschiedene der Einzelelemente bei einer Vielzahl von Jeans und auch von anderen Herstellern verwendet werden mögen und bei Jeans gerichtsbekannt eine hohe Musterdichte herrscht, führt diese von der Klägerin gewählte konkrete Kombination der Gestaltungselemente in Zusammenschau mit der – unabhängig von der Richtigkeit der von der Klägerin genannten konkreten Verkaufs- und Umsatzzahlen – jedenfalls weiten Verbreitung der Jeans-Modelle zu einer wettbewerblichen Eigenart.

Eine Schwächung oder gar ein Verlust dieser wettbewerblichen Eigenart durch die im Produktumfeld vertriebenen Jeansmodelle ist nicht festzustellen. Die von der Beklagten aufgezeigten Jeans des wettbewerblichen Umfeldes mögen zwar teilweise einzelne der charakteristischen Merkmale der von der Klägerin angeführten Jeansmodelle aufweisen, bei diesen sind aber nicht mehrere oder gar alle charakteristischen Gestaltungsmerkmale in der die wettbewerbliche Eigenart der Modelle der Klägerin begründenden Weise miteinander kombiniert. Insoweit kann die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29.01.2019, dort Seiten 3-5, verweisen.

Soweit die Beklagte – wie auch im Termin zur mündlichen Verhandlung - Jeansmodelle angeführt und präsentiert hat, die u.U. tatsächlich als Nachahmungen der Hosen der Klägerin angesehen werden könnten, sind diese nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart zu schwächen oder insgesamt in Frage zu stellen.

Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann verloren gehen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt, beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen, nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, Urteil vom 24.05.2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 – Gartenliege). Der Anspruch aus § 4 Nr. 3 UWG entfällt aber nicht bereits dadurch, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH, Urteil vom 24.03.2005 – I ZR 131/02, GRUR 2005, 600 – Handtuchklemmen, m.w.N.).

Darüber hinaus kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Vertrieb anderer Nachahmungsprodukte berufen, solange Ansprüche wegen dieser Produkte nicht durch Verwirkung untergegangen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15 – Crocs, juris).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Jeanshosen der Klägerin bereits seit langer Zeit auf dem Markt in einem hohen Maß präsent sind, so dass auch nur ein intensiver Vertrieb von ähnlichen Produkten die wettbewerbliche Eigenart schwächen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.12.2014 – 15 U 94/14, MarkenR 2015, 102).

Die wettbewerbliche Eigenart wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin selbst zahlreiche Jeansmodelle anbietet, bei denen sie die von der Klägerin als charakteristisch bezeichneten Gestaltungsmerkmale, nämlich die V-förmigen Teilungsnähte auf den Oberschenkeln und die sichtbare Knopfleiste am Hosenschlitz, entweder überhaupt nicht oder aber in anderer Kombination verwendet. Insoweit führt dies nicht dazu, dass der Verkehr nicht mehr auf die Herkunft der Produkte schließen könne. Wenn dies der Fall wäre, könnte jeder Modehersteller stets nur ein Modell einer Warenkategorie anbieten, da ja anderenfalls beim Verkehr große Verwirrung und der Verlust der wettbewerblichen Eigenart eintreten würde. Vielmehr wissen die Verbraucher, dass (dieselben) Modehersteller auch völlig anders gestaltete und/oder leicht abgewandelte Modelle vertreiben.

2) Die angegriffenen Jeans-Hosen der Beklagten stellen eine wettbewerbsrechtlich relevante Nachahmung der Q-Jeans-Modelle „P78A“, „P68C“ und „P82D“ der Klägerin dar.

Eine nahezu identische Übernahme ist gegeben, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (BGH, GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst I; BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Eine nachschaffende Übernahme liegt dagegen bereits vor, wenn die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Elemente des Originals aufweist und sich nicht deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 6 U 7/14 – S. 10; OLG Hamburg, MarkenR 2011, 275, 280 = juris Tz. 55; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.37).

Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH, GRUR 2009, 1069 Tz. 20 – Knoblauchwürste). Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 34 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 80 Tz. 41 – LIKEaBIKE; OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 6 U 7/14 – S. 10; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.43). Maßgebend für die Beurteilung von Übereinstimmungen ist der jeweilige Gesamteindruck, den die verschiedenen Erzeugnisse bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2002, 629, 632 – Blendsegel). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (z.B. BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, juris).

Bei der von der Beklagten vertriebenen Jeans wurden nahezu sämtliche charakteristischen gestalterischen Merkmale der Jeans der Klägerin übernommen, was zu einem nahezu identischen Gesamteindruck der angegriffenen Jeans führt. So finden sich auf der Vorderseite sowohl die V-förmigen Nähte als auch die unverdeckte Knopfleiste sowie die doppelte Nahtführung unterhalb der Taschen. Auf der Rückseite wurde die horizontal verlaufende zusätzliche Naht zwischen Gesäßtaschen und Bund übernommen. Soweit die Beklagte auf Unterschiede in der Gestaltung der sich gegenüberstehenden Jeans verweist fallen diese Abweichungen erst bei einem unmittelbaren Vergleich der Hosen auf und verändern den Gesamteindruck nicht. Ebenso führt die – allerdings - abweichende Gestaltung der Gesäßtaschen nicht zu einer anderen Gesamtwirkung. Wie ausgeführt, ist bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten auf den Gesamteindruck abzustellen und zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und dabei regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervortreten.

3) Es liegt auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung vor.

Für die Gefahr einer Herkunftstäuschung reicht es aus, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei dem nachahmenden Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Herstellers des Originals oder es bestünden zumindest lizenz- oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen zu ihm (BGH, NJW-RR 2001, 405, 407 – Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2009, 1073 Tz. 15 – Ausbeinmesser). Das Hervorrufen bloßer Assoziationen an das Originalprodukt reicht nicht aus. Maßgebend ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (oder sonstigen Marktteilnehmers), der sich für das Produkt interessiert (BGH, GRUR 2010, 1125 = WRP 2010, 1465 Tz. 32 – Femur-Teil; OLG Köln, Urteil vom 07.03.2014 – 6 U 160/13).

Die Jeanshosen der Klägerin verfügen, wie dargelegt, zumindest über eine gewisse Bekanntheit. Der Käufer, der ein Angebot der Beklagten wahrnimmt, wird angesichts der Übereinstimmungen in den prägenden Merkmalen der Jeanshosen davon ausgehen, es handele sich um die ihm bekannte Jeanshose der Klägerin oder jedenfalls solche eines Herstellers, der mit der Klägerin organisatorisch oder geschäftlich verbunden ist. Durch die bestehenden Unterschiede wird die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht beseitigt.

Die Gefahr einer Herkunftstäuschung wird schließlich auch nicht dadurch vermieden, dass die angegriffenen Jeanshosen die Bezeichnung „T“ tragen. Zwar kann die hinreichend sichtbare Anbringung einer Herstellerbezeichnung eine an sich bestehende Verwechslungsgefahr beseitigen (BGH, GRUR 2002, 820, 823 – Bremszangen). Bei „T“ handelt es sich jedoch aus Sicht des Verkehrs nicht eindeutig um eine Herstellerkennzeichnung. „T“ erscheint vielmehr eher als Handelsmarke, welche die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auszuräumen vermag (vgl.: BGH, GRUR 2009, 1069 Tz. 16 ff. – Knoblauchwürste; BGH, GRUR 2001, 251, 254 - Messerkennzeichnung).

4) Der Beklagten ist auch zuzumuten, durch Umgestaltung ihrer Jeanshosen die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden.

Es ist einem Unternehmer zwar nicht verwehrt, auf die Verkäuflichkeit seines Erzeugnisses zu achten und dementsprechend die Erwartungen der Abnehmer zu berücksichtigen. Die Angemessenheit ist aber zu verneinen, wenn dem Mitbewerber auch bei gleicher Prioritätensetzung ein hinreichender Spielraum für Abweichungen zur Verfügung steht. Das setzt eine Gesamtabwägung voraus. Ein Indiz dafür ist, wenn abweichende Konkurrenzprodukte mit einem „eigenen Gesicht“ auf dem Markt sind (BGH, GRUR 2002, 86, 90 – Laubhefter; BGH, GRUR 2009, 1073 Tz. 15 – Ausbeinmesser; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 – 6 U 11/13 – S. 32 f.; Köhler/Bornkamm, UWG 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.49). Diese Voraussetzungen sind hier angesichts der in diesem Verfahren vorgetragenen zahlreichen Produkte des wettbewerblichen Umfelds erfüllt.

5) Im Rahmen der bei der Anwendung des § 4 Nr. 3 a) UWG gebotenen Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, dass eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt. Bei einer nahezu identischen Übernahme sind die Anforderungen an die wettbewerbliche Eigenart und an die besonderen wettbewerblichen Umstände geringer als einer nur nachschaffenden Übernahme (BGH, GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 - 6 U 11/13 – S. 33). Im vorliegenden Fall trifft eine fast identische Übernahme mit einer durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart zusammen. Die Anforderungen an die besonderen wettbewerblichen Umstände sind daher niedriger anzusetzen, so dass im Gesamtergebnis von einer unlauteren Nachahmung im Sinne des § 4 N. 3 a) UWG auszugehen ist.

6) Die Beklagte hat auch zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

Bei sorgfältiger Prüfung hätten sie erkennen können und müssen, dass die Klägerin mit nahezu identischen Jeansmodellen seit langem im Markt präsent ist. Sie hätte vor dem Marktzutritt prüfen müssen, ob der Vertrieb der streitgegenständlichen Jeanshosen Rechte Dritter verletzt.

Dass der Klägerin durch die Wettbewerbsverletzung seitens der Beklagten ein Schaden entstanden ist, erscheint nicht ausgeschlossen.

IV. Die Beklagte hat den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht erfüllt.

Zwar hat die Beklagte vorprozessual teilweise Auskünfte erteilt. Auf das Anlagenkonvolut K 17 nimmt die Kammer Bezug. Der Auskunftsanspruch geht jedoch weiter. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung sämtlicher Auskünfte, welche im Tenor zu II. und im Tenor zu III. tituliert sind. Nur so wird die Klägerin in die Lage versetzt, ihren Schadensersatzanspruch nach einer der drei ihr zur Verfügung stehenden Berechnungsmethoden zu beziffern.

V. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.

Der Lauf der Verjährung war jedenfalls so lange durch Verhandlungen der Parteien im Sinne des § 203 BGB gehemmt, dass die Klage noch innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist eingereicht worden ist.

Die Kammer verweist auf das Anlagenkonvolut K 17 und die Anlagen rop 1 – rop 5.

Unstreitig hat die Klägerin am 27.02.2018 Kenntnis davon erlangt, dass die Beklagte Herstellerin der streitgegenständlichen Jeans ist. Anlässlich dieses Telefonates sind Aspekte einer gütlichen Einigung erörtert worden, so dass der Lauf der Verjährung direkt gehemmt worden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten endete die Hemmung nicht mit dem als Anlage rop 1 vorgelegten Schreiben der Klägerin vom 06.03.2018. Mit diesem Schreiben hat die Klägerin das Angebot der Beklagten vom 01.03.2018 nicht abgelehnt, sondern ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einem Gesamtvergleich erklärt, Grundlage sei aber eine vollständige Auskunftserteilung bis zum 13.03.2018. Die Beklagte hat sich sodann Fristverlängerungen bis zum 28.03.2018 erbeten und mit Schreiben vom 28.03.2018 die grundsätzliche Bereitschaft der Klägerin begrüßt, die Sache nicht streitig zu regeln, die Angaben müssten verifiziert werden, man melde sich am 09. oder 10.04.2018 wieder. Nach einer weiteren Fristverlängerung unterbreitete die Beklagte am 13.04.2018 ein erneutes Vergleichsangebot, worauf die Klägerin aber bis zum 26.07.2018 nicht reagierte.

Somit war der Lauf der Verjährung von der Kenntnisnahme am 27.02.2018 bis jedenfalls 13.04.2018 gehemmt, da der Gesprächsfaden zwischen den Parteien über eine vergleichsweise Regelung in diesem Zeitraum nie abgebrochen war. Nach dem 13.04.2018 ist ein weiterer Hemmungszeitraum, in dem die Beklagte nach Treu und Glauben noch eine Rückmeldung der Klägerin auf das Vergleichsangebot erwarten konnte (BGH NJW 1986, 1337; BGH NJW 2009, 1806), zu berücksichtigen. Dies sieht auch die Beklagte so, geht sie doch von einem Abbruch der Vergleichsverhandlungen am 14.05.2018 durch Schweigen der Klägerin auf das Vergleichsangebot vom 13.04.2018 aus. Geht man zutreffend davon aus, dass die Hemmung erst am 14.05.2018 endete und der Lauf der sechsmonatigen Verjährung erst an diesem Tage zu laufen begann, ist die Klage am 24.10.2018 noch innerhalb der Verjährungsfrist eingereicht worden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: Auch Spieltürme bzw. Spielgerüste können wettbewerbsrechtlich vor Nachahmungen geschützt sein.

OLG Köln
Urteil vom 20.12.2017
6 U 110/17


Das OLG Köln hat entschieden, dass auch Spieltürme bzw. Spielgerüste wettbewerbsrechtlich vor Nachahmungen geschützt sein können.

Aus den Entscheidungsgründen:

"2. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 3 a, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG zu, so dass auch ein Verfügungsanspruch besteht. Auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Ergänzend ist im Hinblick auf die Berufungsbegründung folgendes auszuführen:

a. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. z.B. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15, juris), kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, Urteil vom 28.05.2009 – I ZR 124/06, GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE; Urteil vom 22.03.2012 – I ZR 21/11, GRUR 2012, 1155 – Sandmalkasten; Urteil vom 24.01.2013, GRUR 2013, 951 – Regalsystem; Urteil vom 17.07.2013 – I ZR 21/12, GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen III; Senat, Urteil vom 10.07.2013 – 6 U 209/12, GRUR-RR 2014, 25 – Kinderhochstuhl "Sit up", jeweils mwN).

aa) Die Antragstellerin ist als Herstellerin unstreitig aktivlegitimiert, die streitgegenständlichen Ansprüche geltend zu machen.

bb) Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass die Spieltürme der Antragstellerin in ihrer konkreten Form bezogen auf die Endverbraucher eine wettbewerbliche Eigenart aufweisen, auch wenn diese als unterdurchschnittlich angesehen werden könne.

Für die Annahme wettbewerblicher Eigenart genügt es, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Produkten Wert auf deren betriebliche Herkunft legt und aus deren Gestaltung Anhaltspunkte dafür gewinnen kann. Dafür wiederum ist maßgeblich, ob sich das unter Rückgriff auf vorhandene Formen und Stilelemente entwickelte Leistungsergebnis von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maß abhebt, dass hierdurch im angesprochenen Verkehr die Vorstellung ausgelöst wird, dieses Produkt stamme aus einem bestimmten Betrieb (BGH, GRUR 2012, 1155 – Sandmalkasten; GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen III; Senat, Urteil vom 10.08.2012 – 6 U 17/12, GRUR-RR 2013, 24 – Gute Laune Drops, jeweils mwN). Der Gesamteindruck eines Erzeugnisses kann dabei durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf dessen Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, da dieser von dem Gesamteindruck abhängt, den die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des jeweiligen Erzeugnisses vermitteln (BGH, GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen III). Dabei kann auch die als neu empfundene Kombination bekannter Gestaltungselemente eine wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, Urteil vom 15.09.2005 – I ZR 151/02, GRUR 2006, 79 – Jeans I; Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 170/05, GRUR 2008, 1115 – ICON). Abzustellen ist nicht auf einzelne Gestaltungsmerkmale, sondern auf den durch seine prägenden Merkmale hervorgerufenen Gesamteindruck des jeweiligen Produkts (BGH, GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE; Senat, Urteil vom 26.07.2013 – 6 U 28/13, GRUR-RR 2014, 65, 66 – Pandas).

Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, können allerdings aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher technisch notwendiger Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich (außerhalb eines Sonderrechtsschutzes) nicht zu beanstanden. Dagegen können Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber frei wählbar oder austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, wettbewerbliche Eigenart (mit-) begründen (BGH, Urteil vom 10.01.2008 – I ZR 67/05, GRUR 2008, 790 – Baugruppe; Urteil vom 02.04.2009 – I ZR 199/06, GRUR 2009, 1073 – Ausbeinmesser; GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE; Urteil vom 15.04.2010 – I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil; GRUR 2012, 1155 – Sandmalkasten). Auch unter dem Gesichtspunkt, den freien Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten, besteht kein Anlass, beliebig kombinier- und austauschbaren Merkmalen eine herkunftshinweisende Eignung im Sinne des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes von vornherein abzusprechen (BGH, GRUR 2013, 951 – Regalsystem).

Auf dieser Grundlage hat das Landgericht den Produkten der Antragstellerin in ihrer konkreten Gestaltung wettbewerbliche Eigenart zuerkannt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden. Auch die Antragsgegner haben nicht aufgezeigt, dass zum Zeitpunkt der Markteinführung Wettbewerber Produkte mit einer auch nur ähnlichen Gesamtwirkung angeboten haben. Vielmehr hebt sich die Gestaltung deutlich von den auf dem Markt befindlichen üblichen Gestaltungen ab. Dies hat das Landgericht ausführlich und zutreffend dargestellt.

Für das Design der Produkte der Antragstellerin sind – wie das Landgericht mit Recht angenommen hat – zahlreiche Designelemente prägend. Hiergegen wenden sich die Antragsgegner, weil die vom Landgericht genannten Bestandteile in zahlreichen Klettergerüsten von Wettbewerbern zu finden seien. So erweckten die Produkte der Firma Jungle Gym alle den Eindruck, stabil zu sein. Bei den Produkten der Firma Karibu fänden sich die vermeintlich prägenden Merkmale, nämlich ein Spitzdach, eckige Balken und ein A-förmiger Stützträger. Bei den Produkten der Firma Winnetoo werde deutlich, das auch diese über A-förmige Stützträger wie auch eckige Balken als Tragelemente und breite Bretter für die Ausgestaltung der Stufen fänden. Bei den Produkten der Firma Carol falle das Spitzdach, der A-förmige Stützträger, eckige Balken als Tragelement und breite Bretter im Bereich der Ausgestaltung der Stufen, Geländer, Böden und Flächen auf. Vor diesem Hintergrund wiesen sämtliche Produkte die Merkmale auf, die auch die Produkte der Klägerin hätten.

Damit kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Antragsgegner verkennen, dass sich die wettbewerbliche Eigenart nicht aus den einzelnen Elementen ergibt, die das Produkt ausmachen, sondern aus dem Gesamteindruck, der durch das Zusammenspiel der Elemente begründet wird. Auch nach dem dargelegten Vortrag der Antragsgegner weisen die jeweiligen Produkte aus dem wettbewerblichen Umfeld (soweit der Vortrag teilweise im Rahmen des Berufungsverfahrens neu ist, hat die Antragstellerin nicht bestritten, dass die Angebote auf dem Markt sind, so dass dieser Vortrag nicht als verspätet zurückzuweisen ist) nur in Teilen Übereinstimmungen zu dem Produkt der Antragstellerin auf. Insgesamt ergeben sich aber auch erhebliche Abweichungen. So sind beispielsweise die Kletterwände bei den Produkten der Firma Jungle Gym geschlossen gestaltet, während bei dem Produkt der Klägerin eine Leiter zusätzlich mit Griffelementen versehen ist. Zahlreichen Produkten fehlt auch das Spitzdach. Entweder haben die Produkte kein Dach, haben ein schräges, einteiliges Dach oder auch ein rundes Dach. Auch zahlreiche weitere Elemente unterscheiden sich maßgeblich.

Vor diesem Hintergrund ist die wettbewerbliche Eigenart durch Produkte des Umfelds auch nicht maßgeblich geschwächt worden. Selbst wenn die Produkte aus dem Umfeld – entgegen der Ansicht des Senats – aufgrund ihrer Gestaltung zu einer Schwächung führen könnten, wäre folgendes zu berücksichtigen:

Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann verloren gehen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt, beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen, nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, Urteil vom 24.05.2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 – Gartenliege). Der Anspruch aus § 4 Nr. 9 UWG aF bzw. § 4 Nr. 3 UWG nF entfällt aber nicht bereits dadurch, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH, Urteil vom 24.03.2005 – I ZR 131/02, GRUR 2005, 600 – Handtuchklemmen, mwN).

Es ist Sache des Anspruchsgegners, darzutun und gegebenenfalls glaubhaft zu machen, dass die in Rede stehenden Merkmale einzeln oder auch in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt oder inzwischen üblich geworden sind (BGH, Urteil vom 06.11.1997 – I ZR 2102/95, GRUR 1998, 477 – Trachtenjanker; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2015, § 4 Rn. 3.78). Insbesondere muss er die Marktbedeutung von Produkten darlegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will (BGH, GRUR 2005, 600 – Handtuchklemmen; OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15, – Crocs, juris, mwN). Dazu ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, Absatzzahlen der Wettbewerber zu benennen, die dem Anspruchsgegner in der Regel nicht bekannt sein werden. Bei der Prüfung der "hinreichenden Bekanntheit" des nachgeahmten Produkts kann diese nicht nur aus hohen Absatzzahlen, sondern beispielsweise auch aus entsprechenden Werbeanstrengungen abgeleitet werden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15, – Crocs, juris, mwN).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Antragsgegner nicht mit Erfolg auf den Vertrieb anderer Nachahmungsprodukte berufen können, solange Ansprüche wegen dieser Produkte nicht durch Verwirkung untergegangen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15, – Crocs, juris, mwN)

Nach diesen Grundsätzen haben die Antragsgegner die Schwächung der wettbewerblichen Eigenart nicht hinreichend dargelegt. Denn der Vortrag der Antragsgegner beschränkt sich darauf, Produkte von Wettbewerbern zu benennen, bei denen aufgrund des Gesamteindrucks eine Nachahmung fernliegt. Weiter tragen die Antragsgegner selbst vor, dass sie keine Verkaufszahlen oder weitere Einzelheiten vorgetragen könne, weil sie über keine weiteren Informationen verfügten.

Damit wird schon aus dem eigenen Vortrag der Antragsgegner deutlich, dass sie selbst keine Vorstellung von der Marktpräsenz der jeweiligen Klettergerüste oder Spieltürme haben. Wenn aber bereits nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegner nicht ansatzweise deutlich wird, welche Marktpräsenz ein Produkt aus dem Umfeld aufweist, kann auch nicht von einer tatsächlichen Schwächung oder dem Verlust der wettbewerblichen Eigenart der Produkte der Antragstellerin ausgegangen werden.

Soweit die Antragsgegner geltend machen, zahlreiche Elemente und Größen seien durch Sicherheitsvorschriften vorgegeben, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Gesamteindruck wird – wie dargelegt – nicht durch die einzelnen Elemente bestimmt. Dass es unter Einhaltung der Sicherheitsvorschriften möglich ist, eine Gestaltung von Klettergerüsten zu entwickeln, die einen anderen Gesamteindruck aufweisen, zeigt sich besonders deutlich an den Produkten aus dem wettbewerblichen Umfeld, das die Antragsgegner umfassend und unter Beifügung zahlreicher Abbildungen darlegen. Dabei ist davon auszugehen, dass auch diese Produkte die Sicherheitsvorschriften einhalten. Dennoch stellt sich der Gesamteindruck anders dar, als der Gesamteindruck der Produkte der Antragstellerin.

Soweit die Antragsgegner meinen, das Landgericht habe eine Verkehrsgeltung der Produkte oder jedenfalls eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart angenommen, ergibt sich dies aus dem angefochtenen Urteil nicht. Das Landgericht hat lediglich angenommen, dass die wettbewerbliche Eigenart nicht geschwächt wurde. Weiter geht das Landgericht aufgrund des geringen Gestaltungsspielraums sogar von eher unterdurchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart aus. Ob diese aufgrund von Umsätzen oder Werbeaufwendungen gesteigert wurde, kann offenbleiben.

Dies entspricht auch den Feststellungen des Senats in dem Urteil vom 10.01.2014 (6 U 61/13) für ähnliche Produkte der Antragstellerin."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Köln: Kugelförmiges Behältnis von EOS lip balm genießt wettbewerbliche Eigenart und ist vor Nachahmungen durch Mitbewerber geschützt

LG Köln
Urteil vom 24.01.2017
33 O 175/16


Das LG Köln hat entschieden, dass das kugelförmiges Behältnis von EOS lip balm wettbewerbliche Eigenart genießt und vor Nachahmungen durch Mitbewerber geschützt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Antragstellerin hat gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch auf die unter Ziffer 1. a) der einstweiligen Verfügung tenorierte Unterlassungsverpflichtung aus §§ 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 3 a) UWG. Denn die Antragsgegnerin hat durch Angebot und Vertrieb des angegriffenen Lippenpflegeprodukts § 3 Abs. 1 UWG zuwidergehandelt. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG handelt gemäß § 4 Nr. 3 a) UWG insbesondere, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt wird. Gemäß § 4 Nr. 3 UWG kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, zitiert nach juris).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der Vertrieb des angegriffenen Lippenpflegeprodukts der Antragsgegnerin als wettbewerbswidrig:

Das von der Antragstellerin unter der Bezeichnung „eos lip balm“ in einem kugelförmigen Behältnis vertriebene Lippenpflegeprodukt ist wettbewerblich eigenartig.

Eine wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, zitiert nach juris). Dabei können einzelne Gestaltungsmerkmale in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, wenn sie den Gesamteindruck des Erzeugnisses bestimmen (BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 34, zitiert nach juris).

Die wettbewerbliche Eigenart des unter der Bezeichnung „eos lip balm“ hergestellten und vertriebenen Lippenpflegeprodukts der Antragstellerin ergibt sich aus der konkreten Kombination der Einzelmerkmale dieses Produkts: Es wird in einem rundlichen bis leicht ovalen Kunststoff-Behälter vertrieben, der unten abgeflacht ist und auf dieser abgeflachten Stelle stehen kann. Der Behälter lässt sich in der Mitte in zwei etwa gleich große ovale Hälften aufschrauben. Im Verschlussbereich befindet sich – über den Verschlussbereich hinweggehend auf beide Behältnisteile ausgedehnt – eine etwa fingerspitzengroße „Eindellung“, deren Form und Tiefe an diejenige eines Fingerabdrucks erinnert. Im Übrigen ist der Behälter an der aufschraubbaren Stelle kreisrund. Der Behälter ist etwas größer als eine Walnuss und etwas kleiner als ein Hühnerei und von außen weich beschichtet. An der oberen Rundung befindet sich – leicht „eingraviert“ und farblich dezent von der Grundfarbe des Behältnisses abgesetzt – die Aufschrift „eos“. Öffnet man das Behältnis, befindet sich die Lippenpflegesubstanz „kuppelartig“/oval nach oben ragend in bzw. auf der unteren Hälfte des Behältnisses. Das Produkt wird sowohl auf der Produktverpackung als auch (meist) in der Werbung in geöffnetem Zustand präsentiert, so dass gerade auch diese innenliegende „Pflegesubstanz-Kuppel“ die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Antragstellerin mitbegründet. Das Produkt wird in mehreren bunten Pastellfarben angeboten, wobei je nach Behältnisfarbe auch eine andere Geschmacksrichtung des Pflegeprodukts enthalten ist. Die Antragsgegnerin hat auch nicht in Abrede gestellt, dass diese Form der Einfügung der Lippenpflegesubstanz in aufschraubbare Behältnisse zum Zeitpunkt der Einführung des Produktes der Antragstellerin innovativ und neuartig war.

Die wettbewerbliche Eigenart ist gesteigert durch die große Bekanntheit des Produktes, insbesondere in der Zielgruppe der modebewussten und ästhetisch anspruchsvollen jungen Frauen. Dies ist der Kammer sowohl aus eigener Anschauung bekannt, zudem hat die Antragstellerin die Bekanntheit durch die Vorlage der zahlreichen Rezensionen des Produkts in Modeblogs und Zeitschriften hinreichend glaubhaft gemacht. Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang insbesondere bestreitet, dass das Produkt bereits seit 2014 in Deutschland vertrieben wird und meint, die von der Antragstellerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung reiche diesbezüglich nicht zur Glaubhaftmachung aus, kann die Kammer diesem Einwand nicht folgen. Denn die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin ist dahingehend zu verstehen, dass dieser unter Ziffer 2 mit „eos Lippenbalsam“ den im Satz zuvor ganz genau bezeichneten „eos sphere lip balm“, der in Deutschland unter „eos lip balm“ vertrieben wird, meint."


Den Volltext der Entscheidung mit Abbildungen der streitgegenständlichen Produkte finden Sie hier:



LG München: Bekannter Hollywood-Schriftzug ist nach § 4 Nr. 3 UWG geschützt und Verwendung durch Unternehmen unzulässige Ausnutzung der Wertschätzung

LG München
Urteil vom 19.05.2016
17 HK O 1061/15


Das LG München hat entschieden, dass der bekannte Hollywood-Schriftzug nach § 4 Nr. 3 UWG geschützt ist und die unbefugte Verwendung durch ein Unternehmen eine unzulässige Ausnutzung der Wertschätzung darstellt.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Der mit der Abmahnung vom 12.08.2014 von der HCC geltend gemachte Unterlassungsanspruch war begründet nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 4 Nr. 3 a, 3 b UWG n. F., weil die Beklagten ein Zeichen verwendet haben, welches eine Nachahmung eines Zeichens der HCC darstellt, und sie somit eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt und die Wertschätzung dieses Zeichens unangemessen ausgenutzt haben:

aa. § 4 Nr. 3 UWG spricht von Waren oder Dienstleistungen, wobei diese Begriffe allerdings weit auszulegen sind und darunter auch Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art zu verstehen sind, insbesondere fallen auch bestimmte Kennzeichnungen als Leistungsergebnis unter diesen Begriff (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, Rdn. 3.21 und 3.22 zu § 4). Damit ist der „Hollywood“-Schriftzug als Leistungsergebnis schutzfähig nach § 4 Nr. 3 UWG n. F.

bb. Ansprüche nach § 4 Nr. 3 UWG n. F. stehen dem Schöpfer des Originales zu, wobei im vorliegenden Falle aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) zweifelsfrei feststeht, dass der „Hollywood“-Schriftzug wie er sich heute den Verkehrskreisen darstellt, eine Schöpfung der HCC ist"


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH-Entscheidung zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der Werbung mit einen Pippi Langstrumpf-Kostüm liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 19.11.2015
I ZR 149/14
Pippi-Langstrumpf-Kostüm II
UWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 9, § 9 Satz 1

Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Werbung mit Pippi Langstrumpf-Kostüm stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar - zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur" über die Entscheidung berichtet,

Leitsätze des BGH:

a) Bei der Prüfung, ob eine literarische Figur (hier: Pippi Langstrumpf) durch Übernahme von äußeren Merkmalen in eine andere Produktart (hier: Karnevalskostüm) gemäß § 4 Nr. 9 UWG nachgeahmt wird, sind keine geringen
Anforderungen zu stellen.

b) Der Schutz der Verwertbarkeit einer fiktiven Figur außerhalb des Urheberrechts sowie der Schutz der vom Rechteinhaber im Bereich der wirtschaftlichen Verwertung dieser Figur erbrachten Investitionen ("character merchandising") in Form eines Schutzrechts über die Generalklausel nach § 3 Abs. 1 UWG ist angesichts der im Lauterkeits-, Marken- und Designrecht vorhandenen Schutzmöglichkeiten nicht geboten.

BGH, Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 149/14 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: Crocs-Schuhe weisen wettbewerbliche Eigenart auf und sind wettbewerbsrechtlich vor Nachahmungen geschützt

OLG Köln
Urteil vom 18.12.2016
6 U 45/15


Das OLG Köln hat entschieden, dass Crocs-Schuhe wettbewerbliche Eigenart aufweisen und somit wettbewerbsrechtlich vor Nachahmungen geschützt sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG zu.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 21 – LIKEaBIKE; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 14 – Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 15 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. – Kinderhochstuhl „Sit up“, jeweils m. w. N.).

[...]

3. a) Die Modelle C und M der Klägerinnen weisen wettbewerbliche Eigenart auf. Für die Annahme wettbewerblicher Eigenart genügt es, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Produkten Wert auf deren betriebliche Herkunft legt und aus deren Gestaltung Anhaltspunkte dafür gewinnen kann. Dafür wiederum ist maßgeblich, ob sich das unter Rückgriff auf vorhandene Formen und Stilelemente entwickelte Leistungsergebnis von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maß abhebt, dass hierdurch im angesprochenen Verkehr die Vorstellung ausgelöst wird, dieses Produkt stamme aus einem bestimmten Betrieb (BGH, WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 19 – Sandmalkasten; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 18 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2013, 24, 25 – Gute Laune Drops, jeweils m. w. N.). Der Gesamteindruck eines Erzeugnisses kann dabei durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf dessen Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, da diese von dem Gesamteindruck abhängt, den die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des jeweiligen Erzeugnisses vermitteln (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 34 – LIKEaBIKE; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 19 – Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 20 – Einkaufswagen III). Dabei kann auch die als neu empfundene Kombination bekannter Gestaltungselemente eine wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, WRP 2006, 75 = GRUR 2006, 79 Tz. 26 – Jeans I; WRP 2008, 1510 = GRUR 2008, 1115 Tz. 22 – ICON). Abzustellen ist dabei nicht auf einzelne Gestaltungsmerkmale, sondern auf den durch seine prägenden Merkmale hervorgerufenen Gesamteindruck des jeweiligen Produkts (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 32 – LIKEaBIKE; Senat, WRP 2013, 1500 = GRUR-RR 2014, 65, 66 –
Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, können allerdings aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher technisch notwendiger Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich (außerhalb eines Sonderrechtsschutzes) nicht zu beanstanden. Dagegen können Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber frei wählbar oder austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, wettbewerbliche Eigenart (mit-) begründen (BGH, WRP 2008, 1234 = GRUR 2008, 790 Tz. 36 – Baugruppe; WRP 2009, 1372 = GRUR 2009, 1073 Tz. 13 – Ausbeinmesser; WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 27 – LIKEaBIKE; WRP 2010, 1465 = GRUR 2010, 1125 Tz. 22 – Femur-Teil; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 29 – Sandmalkasten). Auch unter dem Gesichtspunkt, den freien Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten, besteht kein Anlass, beliebig kombinier- und austauschbaren Merkmalen eine herkunftshinweisende Eignung im Sinne des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes von vornherein abzusprechen (BGH, WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 19 f. – Regalsystem).

Auf dieser Grundlage hat das Landgericht den Modellen der Klägerinnen rechtsfehlerfrei wettbewerbliche Eigenart zuerkannt. Auch die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung Wettbewerber Produkte mit einer auch nur ähnlichen Gesamtwirkung angeboten haben (vgl. auch OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2009, 142 – Crocs, zur bereits damals hohen Bekanntheit der Produkte der Klägerinnen). Die Löcher im Oberteil mögen technisch bedingt sein, um eine gewisse Luftzirkulation zu erlauben, ihre konkrete Ausgestaltung und Anordnung ist jedoch nicht zwingend vorgegeben. In ihrer konkreten Ausprägung sind sie daher ebenfalls geeignet, den Gesamteindruck des Produkts der Klägerinnen mitzubestimmen. Gleiches gilt für die Ausgestaltung des Oberteils („Clogform“) und des Fersenriemens.

b) Die Bekanntheit der Modelle der Klägerinnen, die das Landgericht auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme über die mit ihm erzielten Umsätze angenommen hat, wird von der Beklagten in der Berufung im Ergebnis nicht in Abrede gestellt. Soweit sie meint, dies beruhe auf der Vermarktung unter den Zeichen der Klägerinnen, so ist es unerheblich, worauf der Erfolg der Modelle ursächlich zurückzuführen ist. Entscheidend ist allein, dass sie den Verbrauchern – auch aufgrund der (senatsbekannten) „Omnipräsenz“ der Produkte der Klägerinnen – bekannt sind und diese sie zutreffend den Klägerinnen zuordnen. Vor diesem Hintergrund ist hier für das Modell C im Ausgangspunkt eine auf sehr hoch oder weit überdurchschnittlich gesteigerte wettbewerbliche Eigenart anzunehmen, für das in geringerem Umfang vertriebene Modell M ist immer noch eine hohe oder überdurchschnittliche wettbewerbliche Eigenart anzunehmen.

c) aa) Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann verloren gehen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt, beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen, nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, WRP 2007, 1455 = GRUR 2007, 984 Tz. 24 – Gartenliege). Der Anspruch aus § 4 Nr. 9 UWG entfällt aber nicht bereits dadurch, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH, GRUR 1985, 876, 878 – Tchibo/Rolex I; WRP 2005, 878 = GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; Senat, GRUR-RR 2003, 183, 185 – Designerbrille; GRUR-RR 2008, 166, 168 – Bigfoot; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9.26).

Dabei ist es Sache des Anspruchsgegners, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass die in Rede stehenden Merkmale einzeln oder auch in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt oder inzwischen üblich geworden sind (BGH, WRP 1998, 377 = GRUR 1998, 477, 479 – Trachtenjanker; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9.78). Insbesondere muss er dabei die Marktbedeutung von Produkten darlegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will (BGH, WRP 2005, 878 = GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; Senat, GRUR-RR 2008, 166, 168 – Bigfoot; WRP 2013, 1500 = GRUR-RR 2014, 65, 67 – Pandas; GRUR-RR 2014, 25, 28 – Kinderhochstuhl „Sit-Up“). Dazu ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, Absatzzahlen der Wettbewerber zu benennen, die dem Anspruchsgegner in der Regel nicht bekannt sein werden. Bei der Prüfung der „hinreichenden Bekanntheit“ des nachgeahmten Produkts kann diese nicht nur aus hohen Absatzzahlen, sondern auch aus entsprechenden Werbeanstrengungen abgeleitet werden (Senat, GRUR-RR 2004, 21, 23 – Küchen-Seiher m. w. N.). Diese Grundsätze lassen sich auch auf die hier zu beurteilende Frage der Marktbedeutung von Produkten des wettbewerblichen Umfelds übertragen (Senat, GRUR-RR 2014, 494, 497 – Freischwinger-Stuhl).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Vertrieb anderer Nachahmungsprodukte berufen kann, solange Ansprüche wegen des Vertriebs dieser Produkte nicht durch Verwirkung untergegangen sind (BGH, WRP 2007, 1455 = GRUR 2007, 984 Tz. 27 – Gartenliege; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2009, 142, 144 – Crocs; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9.26). Die Klägerinnen haben dargelegt, dass sie gegen von ihnen als Nachahmungen ihrer Modelle angesehene Produkte vorgehen, so zum Beispiel gegen die Produkte „Deichmann Sahara“, „Dockers by Gerli“, „WOZ“ oder „Holey Soles“, wie auch durch die zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf, die von den Klägerinnen erwirkt worden ist, belegt wird. Die Klägerinnen haben ferner ein Konvolut von einstweiligen Verfügungen und Unterlassungserklärungen (Anlage K 21, Bl. 290 ff. d. A.) vorgelegt, dem die Beklagte inhaltlich nicht entgegengetreten ist, und das belegt, dass die Klägerinnen wegen des Vertriebs von Nachahmungsprodukten vorgehen. Betroffen sind u. a. die Unternehmen „Schuhimport und Export Gerli GmbH“ (Bl. 296 d. A.), „real SB Warenhaus GmbH“ (Bl. 299 d. A.) und „Rossmann GmbH“ (Bl. 308 d. A.), deren Produkte auch im vorliegenden Rechtsstreit als Umfeldprodukte herangezogen worden sind.

Soweit die Klägerinnen auf diese Weise bewirken, dass Nachahmungsprodukte vom Markt genommen werden, verhindern sie bereits die Schwächung der wettbewerblichen Eigenart ihrer Produkte. Selbst wenn ihnen dies nicht in jedem Fall gelungen sein sollte, ist bei dieser Sachlage die Beklagte daran gehindert, sich auf eine dennoch eingetretene Schwächung der wettbewerblichen Eigenart zu berufen (OLG Düsseldorf, a. a. O.). Es genügt daher grundsätzlich nicht, wenn sich die Beklagte gegenüber von den Klägerinnen vorgetragenen Rechtsverfolgungsmaßnahmen gegen Produkte des Umfelds „mit Nichtwissen“ erklärt. Für den Vertrieb solcher Produkte, die die wettbewerbliche Eigenart schwächen sollen, ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Wenn sich die Klägerinnen darauf berufen, sie hätten den Vertrieb solcher Produkte unterbunden, kann sie allenfalls eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Einzelheiten ihres Vorgehens treffen, der sie jeweils nachgekommen sind. Es ist dann wieder Sache der Beklagten, entweder den Vortrag der Klägerinnen zu widerlegen oder vorzutragen, warum trotz solcher Maßnahmen ein Vertrieb der betreffenden Produkte in relevantem Umfang stattfindet."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH-Entscheidung zum Zitatrecht bei Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 17.12.2015
I ZR 69/14
Exklusivinterview
UrhG §§ 50, 51 Satz 1, § 87 Abs. 1 Nr. 2, § 96 Abs. 1, § 97 Abs. 1 und 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders kann vom Zitatrecht gedeckt sein" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Die Sendung von Teilen eines zuvor durch ein anderes Sendeunternehmen ausgestrahlten Interviews stellt eine Verletzung der Rechte des erstausstrahlenden Sendeunternehmens dar, seine Sendungen aufzuzeichnen und später zu verbreiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, § 96 Abs. 1 UrhG).

b) Eine solche Verwendung von Interviewteilen ist keine Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG, weil die Bestimmung zwischen dem Tagesereignis und der im Verlauf dieses Ereignisses wahrnehmbar erdenden urheberrechtlich geschützten Leistung unterscheidet. Das übernommene Bildmaterial ist keine urheberrechtlich geschützte Leistung, die
im Verlaufe eines Tagesereignisses, über das berichtet worden ist, wahrnehmbar geworden ist.

c) Die Anwendung der Schutzschranke gemäß § 51 UrhG setzt nicht voraus, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt.

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - I ZR 69/14 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Kein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Trachtenschuh der nicht speziell beworben und nur 1000 mal verkauft wurde

OLG Frankfurt
Urteil vom 22.10.2015
6 U 108/14


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Trachtenschuh keinen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz genießt, wenn dieser nicht speziell beworben und lediglich 1000 mal verkauft wurde.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (ständige Rechtsprechung; BGH GRUR 2010, 80 - LIKEaBIKE, Tz. 22). Die Merkmale in ihrer Kombination müssen dem Produkt ein Gepräge geben, das dem Verkehr einen Rückschluss auf die betriebliche Herkunft ermöglicht; es muss sich von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maße abheben, dass der Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließt. Dabei schließt die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Schutzes für Modeneuheiten es nicht aus, dass dem Verkehr die besonders originelle Gestaltung eines Modeerzeugnisses als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dient (BGH GRUR 2006, 79 - Jeans I, Tz. 20; GRUR 1998, 477, 478 - Trachtenjanker).

Bei dem von der Klägerin angebotenen Schuh handelt es sich, was die Grundform angeht, um einen klassischen Pumps, der einerseits modern wirkt, weil er mit einer Plateausohle versehen ist, andererseits aber zugleich eine rustikale Note aufweist, weil er mit einem relativ breiten Riemchen versehen ist, das eine Schnalle aufweist, wie sie typischerweise auf Trachtenschuhen zu finden ist. Diese Kombination von klassisch-elegantem Pumps mit Elementen der Trachtenmode verleiht dem Schuh eine besondere Originalität, die geeignet ist, dem Verkehr als Hinweis auf die betriebliche Herkunft zu dienen.

Vergebens verweisen die Beklagten auf einen von A bereits 1955 designten Schuh, der ebenfalls über ein Riemchen verfügt (Schriftsatz vom 29.11.2013, Bl. 213 oben d. A.). Denn dieser Schuh erzeugt, ebenso wie der weiter von den Beklagten in dem Prozess eingeführte Schuh "... mit Pünktchenmuster" (Bl. 214 d. A.) einen völlig anderen Gesamteindruck.

Jedoch setzt der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen eine vermeidbare Herkunftstäuschung eine gewisse Bekanntheit des nachgeahmten Produkts voraus, weil ansonsten die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen kann. Zwar ist insoweit eine Verkehrsgeltung nicht erforderlich. Ausreichend, aber erforderlich, ist es, dass das wettbewerbliche eigenartige Erzeugnis bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht hat, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 600, 602 -Handtuchklemmen; GRUR 2006, 79 - Jeans I, Tz. 35; GRUR 2007, 339 - Stufenleitern, Tz. 39; GRUR 2007, 984 - Gartenliege, Tz. 34; GRUR 2009, 79 - Gebäckpresse, Tz. 35; GRUR 2010, 80 - LIKEaBIKE; Tz. 36).

Dabei folgt der Senat der Argumentation der Klägerin, dass zu den angesprochenen Verkehrskreisen nicht sämtliche Käuferinnen von Trachtenartikeln gehören. Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Käuferin eines "Party-Dirndls" für eine Oktober-Fest-Veranstaltung oder ähnliches sich für einen Trachtenpumps interessiert, der fast 200,-€ kostet. Andererseits weisen die Beklagten überzeugend darauf hin, dass Trachtenmode nicht nur im süddeutschen Raum von Anhängerinnen der bayerischen Trachtenkultur nachgefragt wird, sondern es durchaus auch im übrigen Bundesgebiet Interessentinnen für hochwertige Trachtenmode gibt.

Bezogen auf diesen Verkehrskreis der Interessentinnen für hochwertige Trachtenmode ist der Absatz von 1087 Paar Schuhen in der Zeit vom 27. August 2010 bis zum Kollisionszeitpunkt, das heißt der Markteinführung des Nachahmermodells am 01.04.2013, nicht ausreichend, um den Schluss auf eine gewisse Bekanntheit des klägerischen Erzeugnisses zuzulassen. Ausweislich der von der Klägerin als Anlage BK 23 vorgelegten Excel-Tabelle erfolgte die Auslieferung der Schuhe ausschließlich an Schuhgeschäfte im süddeutschen Raum. Man kann zugunsten der Klägerin unterstellen, dass die von ihr an Einzelhändler gelieferten Schuhe im Ladengeschäft, vielleicht in gewissem Umfang auch im Schaufenster ausgestellt waren und zum weit überwiegenden Teil auch abverkauft wurden. Dennoch ist die Zahl von 1087 Paar gelieferten Schuhen über eine Zeitraum von fast 3 Jahren an süddeutsche Einzelhändler zu gering, um, bezogen auf einen sich bundesweit befindlichen angesprochenen Verkehrskreis eine gewisse Bekanntheit zu dokumentieren. Soweit die Klägerin des Weiteren auf einen am ...09.2011 an eine Moderatorin des ... Rundfunks ausgelieferten Schuh in lilafarbener Ausgestaltung abstellt, überzeugt dies nicht. Die Moderatorin hat diesen Schuh nach dem klägerischer Vortrag im Rahmen einer über zweistündigen Aufzeichnung der Sendung "..." am ...09.2011, also zum Auftakt des Oktoberfestes, getragen. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Schuhe der Moderatorin im Zuge dieser Aufzeichnung gezeigt und gar in einer prominenten Art und Weise gezeigt worden wären, die geeignet gewesen wäre, die Bekanntheit des Schuhs zu steigern.

Kataloge hat die Klägerin im fraglichen Zeitraum nur an Fachhändler sowie Messekunden und Vertreter aus Deutschland verteilt, nicht aber an Endkunden, so dass diese Kataloge in die Beurteilung der Bekanntheit nicht einbezogen werden können. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Empfänger der Kataloge diese an Endkunden weitergereicht hätten.

Da nicht festgestellt werden kann, dass die von der Klägerin vertriebenen Pumps über eine für eine vermeidbare Herkunftstäuschung erforderliche gewisse Bekanntheit verfügten, scheiden auch Ansprüche wegen unangemessener Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des klägerischen Erzeugnisses (§ 4 Nr. 9 b UWG) aus.

Ob jedenfalls bei den Einzelhändlern eine gewisse Verkehrsbekanntheit des Schuhs angenommen werden kann (vgl. allgemein zur Maßgeblichkeit der Verkehrsauffassung auf den einzelnen Vertriebsstufen BGH, GRUR 2015, 909 - Exzenterzähne, Tz. 15, 44), kann dahinstehen. Denn diese Abnehmer wissen, von wem sie ihre Schuhe beziehen und werden daher allein wegen der Produktähnlichkeit keiner Herkunftstäuschung unterliegen oder den Ruf des einen Schuhs auf den anderen übertragen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders kann vom Zitatrecht gedeckt sein

BGH
Urteil vom 17.12.2015
I ZR 69/14
Exklusivinterview

Der BGH hat entschieden, dass die Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders vom Zitatrecht gedeckt sein kann.

DIe Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Übernahme von Exklusivinterviews in Fernsehsendungen

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Zulässigkeit der Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders entschieden.

Die Parteien sind private Fernsehunternehmen. Die Klägerin führte Exklusivinterviews mit Liliana M. über sich und ihre Ehe mit dem ehemaligen Fußballnationalspieler Lothar M. Die Klägerin strahlte die Interviews am 26. Juli 2010 sowie am 2. August 2010 in ihrer Sendung "STARS & Stories" aus. Nachdem die Beklagte sich zuvor jeweils vergeblich bei der Klägerin um eine Zustimmung zu der Nutzung dieser Interviews bemüht hatte, verwendete sie daraus verschiedene Ausschnitte unter Angabe der Quelle am 1. und 3. August 2010 in ihrer Sendung "Prominent".

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Schutzrechte als Sendeunternehmen. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die gegen das Urteil des Oberlandesgerichts eingelegte Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die Beklagte durch die Übernahme von Teilen der von der Klägerin in den Sendungen "STARS & stories" ausgestrahlten Interviews in das der Klägerin als Sendeunternehmen zustehende Leistungsschutzrecht eingegriffen hat. Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen jedoch nicht seine Annahme, die Eingriffe in das Leistungsschutzrecht der Klägerin habe die Beklagte widerrechtlich vorgenommen.

Allerdings kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die urheberrechtliche Schrankenregelung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) berufen. Diese Schrankenregelung soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechteinhabers noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Nutzung geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Im Streitfall war es der Beklagten jedoch möglich und zumutbar, vor der Übernahme des in Rede stehenden Bildmaterials um die Zustimmung der Klägerin nachzusuchen. Zudem erlaubt § 50 UrhG keine Berichterstattung, die die urheberrechtlich geschützte Leistung - hier die Interviewsendungen der Klägerin - selbst zum Gegenstand hat. Die Leistung muss vielmehr bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten.

Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beklagte auf das Zitatrecht (§ 51 UrhG) berufen kann. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es für das Eingreifen dieser Schutzschranke nicht erforderlich, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt. Es reicht aus, dass das fremde Werk als Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint. Dies ist im Streitfall zu bejahen, weil die Sendungen der Beklagten die Selbstinszenierung von Liliana M. in den Medien zum Gegenstand hatten und die übernommenen Interviewausschnitte hierfür als Beleg verwendet wurden. Die weitere Annahme des Oberlandesgerichts, das Eingreifen des Zitatrechts scheide außerdem aus, weil die Beklagte die Schlüsselszenen der Interviews übernommen und daher die Möglichkeit der Klägerin wesentlich erschwert habe, die ihr exklusiv gewährten Interviews kommerziell umfassend auszuwerten, wird durch die Feststellungen, die das Oberlandesgericht getroffen hat, nicht getragen. Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen das Oberlandesgericht die übernommenen Szenen als den für die nachfolgende Verwertung maßgeblichen Kern der Interviews beurteilt hat. Das Oberlandesgericht hat außerdem keinen Feststellungen dazu getroffen, ob und wenn ja aus welchen Gründen der Fernsehzuschauer die von der Beklagten übernommenen Sequenzen als Schlüsselszenen der von der Klägerin geführten Interviews erkennen und aus diesem Grund sein Interesse an der Wahrnehmung der vollständigen Interviews auf dem Sender der Klägerin verlieren wird. Die Sache ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden, das die notwendigen Feststellungen nachholen muss.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 13. September 2011 - 310 O 480/10

OLG Hamburg - Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 U 225/11

Karlsruhe, den 17. Dezember 2015

* § 50 UrhG lautet:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

** § 51 UrhG lautet:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. ...



BGH: Werbung mit Pippi Langstrumpf-Kostüm stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar - zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur

BGH
Urteil vom 19.11.2015
I ZR 149/14
Pippi-Langstrumpf-Kostüm II


Der BGH hat sich mit der Frage befasst, ob Pipi Langstrumpf aus wettbewerbsrechtlicher Sicht gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm im Rahmen einer Werbung für Karnevalskostüme geschützt ist. Der BGH hat dies verneint und entschieden, dass diese Werbung zulässig ist.

( Siehe zum Thema auch aus urheberrechtlicher Sicht "BGH: Pipi Langstrumpf-Entscheidung liegt im Volltext vor - zulässige freie Benutzung bei Werbung im Kostüm einer literarische Figur zu Karnevalszwecken" )

Die Pressemitteilung des BGH:

Zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, ob eine bekannte literarische Figur wettbewerbsrechtlich gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm geschützt ist.

Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten im Januar 2010 die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit dem Karnevalskostüm verkleidet waren. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.

Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt, über Rechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen, ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung Nr. 127/2013).

Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil auch im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG* ergebe. Die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm stelle zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar. Besondere Umstände, die dieses Verhalten unlauter erscheinen ließen, seien aber nicht gegeben. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide ebenso aus wie eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Ein Anspruch gemäß § 4 Nr. 9 UWG scheidet aus. Zwar kann auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen. Es fehlt jedoch vorliegend an einer Nachahmung. An eine Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestehen zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliegt.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG** zu. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke besteht. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel sind gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt. Der Klägerin steht es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 10. August 2011 - 28 O 117/11

OLG Köln - Urteil vom 24. Februar 2012 - 6 U 176/11

BGH - Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 52/12 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I

OLG Köln - Urteil vom 20. Juni 2014 - 6 U 176/11

Karlsruhe, den 19. November 2015

§ 4 Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen

Unlauter handelt insbesondere, wer

...

9. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,

b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt ...

§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.