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OLG Köln: Verpackte Produkte wie Butter können wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen - KERRYGOLD gegen DAIRYGOLD

OLG Köln
Urteil vom 20.10.2023
6 U 20/21

Das OLG Köln hat im Rechtsstreit KERRYGOLD gegen DAIRYGOLD entschieden, dass auch verpackte Produkte wie Butter wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen können.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist gegeben. Wie der BGH bereits in früheren Entscheidungen und auch im hiesigen Revisionsurteil ausgeführt hat, dienen Ansprüche aus wettbewerblichem Leistungsschutz vorrangig dem Schutz individueller Leistungen und daneben dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Sie sollen grundsätzlich nur von demjenigen geltend gemacht werden können, der die zu schützende Leistungen erbracht hat. Das ist in der Regel der Hersteller der nachgeahmten Ware. Es kann aber auch der in seinem Vertrieb behinderte Alleinvertriebsberechtigte eines nachgeahmten Erzeugnisses als unmittelbarer Verletzter im Sinne von § 4 Nr. 3 a) UWG anzusehen sein, wenn durch den Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses über die Herkunft aus dem Betrieb eines bestimmten Herstellers und damit auch die Herkunft aus dem Betrieb des ausschließlich Vertriebsberechtigten getäuscht wird (vgl. RU Rn. 12 sowie BGH, Urteil vom 14.04.1988 – I ZR 35/86, GRUR 1988, 620 [juris Rn. 17] – Vespa-Roller; Urteil vom 18.10.2990 – I ZR 283/88, GRUR 1991, 223 [juris Rn. 15] – Finnischer Schmuck; Urteil vom 24.03.1994 – I ZR 42/93, GRUR 1994, 630 [juris Rn. 42] – Cartier-Armreif; Urteil vom 15.07.2004 – I ZR 142/01, GRUR 2004, 941 [juris Rn. 39] – Metallbett).

Vorliegend ist aufgrund der von der Klägerin als Anlagen K 23 a und b vorgelegten Unterlagen sowie der Aussage des Zeugen L. von einer Alleinvertriebsberechtigung der Klägerin für die irische Produktherstellerin auszugehen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16.06.2023 – dort auf S. 1 ff. – weiter zu ihrer ausschließlichen Vertriebsberechtigung ausgeführt und das Sole Distribution Agreement vom 28.12.2005 (Anlagen K 23 a) nebst deutscher Übersetzung (Anlage K 23 b) sowie als Anlage K 24 ein Amendment to the Sole Distribution Agreement vom 21.12.2017 vorgelegt. Bei dem „Sole Distribution Agreement“ handelt es sich um eine Alleinvertriebsvereinbarung der Klägerin (damals noch J. Deutschland GmbH) mit der Muttergesellschaft (damals noch J. Limited). In der Präambel des Vertrags wird festgehalten, dass die Klägerin eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Klägerin ist. Unter Ziffer 1. der Vereinbarung ist sodann die Ernennung der Klägerin zum exklusiven Alleinvertriebshändler für Verpackung, Vertrieb, Bewerbung und Verkauf der unter Ziffer 2. genannten Vertragsprodukte, worunter alle Milcherzeugnisse irischen Ursprungs und insbesondere Butter und Käse fallen, im unter Ziffer 3. bezeichneten Vertragsgebiet, welches das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland umfasst, geregelt. Unter Ziffer 4. findet sich die Verpflichtung der Muttergesellschaft im Vertragsgebiet die Vertragsprodukte nicht selbst zu vertreiben und keinem anderen die diesbezüglichen Rechte einzuräumen. Unter Ziffer 11. der Vereinbarung ist schließlich geregelt, dass der Vertrag am 01.01.2006 beginnt und auf unbestimmte Zeit geschlossen ist, wobei er von beiden Seiten mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Jahres gekündigt werden kann. Dass dieser Vertrag mit diesen Bestimmungen seinerzeit zwischen den dort genannten Parteien so geschlossen wurde, hat zudem der Zeuge L. glaubhaft im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Insbesondere hat dieser auch ausgesagt, wofür zudem bereits die Überschriften der einzelnen „geschwärzten“ Passagen sprechen, dass diese Textabschnitte nicht die Frage der Vertriebsberechtigung betrafen, und zudem bekundet, dass die Vereinbarung bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb der Klägerin am 31.12.2019 und damit nach der Klageerhebung im hiesigen Verfahren ungekündigt fortbestand und seines Kenntnisstandes nach immer noch unverändert fortbestehe. Anhaltspunkte dafür, dass dem entgegen zwischenzeitlich eine Kündigung dieser Vereinbarung erfolgt wäre, sind nicht ansatzweise ersichtlich und auch von der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten nicht dargetan. Die Richtigkeit des Vertragstextes als solches oder der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um das Nachfolgeunternehmen der J. Deutschland GmbH handelt, wird seitens der Beklagten bereits nicht in Abrede gestellt.

Sofern die Beklagte darüber hinaus die Auffassung vertritt, dass auch bei bestehender Alleinvertriebsberechtigung der Klägerin die Aktivlegitimation mangels Vorliegens weiterer hierfür erforderlicher Voraussetzungen nicht gegeben sei, kann sie damit nicht durchdringen. Wie der BGH in seinem Revisionsurteil - dort auf S. 8 - unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung ausgeführt hat, kann der in seinem Vertrieb behinderte Alleinvertriebsberechtigte als unmittelbar Verletzter im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG anzusehen sein, wenn durch den Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses über die Herkunft aus dem Betrieb eines bestimmten Herstellers und damit auch die Herkunft aus dem Betrieb des ausschließlich Vertriebsberechtigten getäuscht wird. Nach diesen Grundsätzen ist ein besonderes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Unterbindung unlauterer Nachahmungen hier gegeben. Hierbei kann es zunächst entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf ankommen, ob es sich um eine nahezu identische Nachahmung handelt, da der Grad der Nachahmung nicht für die Anspruchsberechtigung, sondern nur für die Frage, ob in der Sache überhaupt ein Anspruch besteht, relevant ist. Ferner ist davon auszugehen, dass der Verkehr durch den Vertrieb der nachgeahmten Produkte auch über die Herkunft aus dem Betrieb der Klägerin getäuscht wird, mithin der Verbraucher die unternehmerische Leistung der Herstellerin auch dem Betrieb der Klägerin zuordnet. Bei einem ausschließlich Vertriebsberechtigten ist hiervon in der Regel auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 24.07.2020 – 6 U 298/19 -, juris Rn. 50 ff. – Jeanshose mit V-Naht; Spoenle in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 4 Nr. 3 UWG, Stand: 10.01.2023, Rn. 42). Da die Klägerin zudem unstreitig auf jeder einzelnen Produktverpackung namentlich mit ihrer deutschen Adresse angeben ist, wird sie von den Verbrauchern in Deutschland auch als das Unternehmen wahrgenommen werden, von dem die Produkte stammen. Auch kann die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Klägerin ein für die Aktivlegitimation erforderliches eigenes Leistungsschutzrecht mangels schutzwürdiger Eigenleistung sowie eigenem wirtschaftlichen Interesse nicht zustehe. Dem exklusiven Vertriebsberechtigen steht - anders als einem bloßen Händler - bereits im Hinblick auf seine besondere Eigenleistung für den Vertrieb ein selbständiges wettbewerbsrechtliches Leistungsschutzrecht zu, da er in seinem Individualinteresse an der Vermarktung des Originalprodukts beeinträchtigt ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 41. Auflage, § 4 UWG Rn. 3.85). Sofern die Beklagte meint, dies verhalte sich vorliegend bei der Klägerin ausnahmsweise anders, da diese aufgrund der Konzernstrukturen kein eigenes betriebswirtschaftliches Risiko übernehme und ihr diese Strukturen zudem auch keine eigenen betrieblichen Entscheidungen hinsichtlich des Vertriebs der Produkte erlaubten, ist sie bereits der ihr für diese - klägerseits ausdrücklich bestrittene - Behauptung obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Aus den von ihr in Bezug genommenen Unterlagen (Anlagen K 23, K 24, BB 4 und BB5 – Jahresabschlussbericht der Klägerin 2019, 2020), kann dies nicht hergeleitet werden. Alleine der Umstand, dass nach den Jahresabschlussberichten Preis- und Marktschwankungen für den Rohstoff Butter keine Risikoposition für die Klägerin darstellen, vermag keinen Hinweis darauf zu geben, dass die Klägerin generell kein wirtschaftliches Risiko trägt. Weiterer substantiierter Vortrag der Beklagten hierzu fehlt gänzlich, vielmehr mutmaßt sie lediglich, dass der Klägerin durch die als Anlage K 23 vorgelegte Vereinbarung keine eigene Leistungsposition oder Einkommensmöglichkeit eingeräumt werden sollte, sondern diese alleine steuerliche Gründe habe.

2. Im Weiteren ist vorliegend auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung anzunehmen.

Auszugehen ist - gemäß den vom BGH nicht beanstandeten Feststellungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 25.10.2021 - von einer im durchschnittlichen Bereich liegenden wettbewerbsrechtlichen Eigenart der klägerischen Produktverpackungen und einer jedenfalls nachschaffenden Nachahmung dieser Produktverpackungen durch die Produktverpackungen der Beklagten.

Der Senat hatte ursprünglich offengelassen, ob von einer unmittelbaren Herkunftstäuschung ausgegangen werden kann, und eine mittelbare Herkunftstäuschung angenommen. Hierzu hat der BGH weitere Feststellungen des Senats vermisst, aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Verbraucher die „Dairygold“-Produkte der Beklagten als neue Produkte der Klägerin ansehen oder die Bezeichnung „DAIRYGOLD“ für eine Zweitmarke der Klägerin halten.

Hierauf kommt es indes im Weiteren nicht an, da der Senat nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage vorliegend eine unmittelbare Herkunftstäuschung für gegeben erachtet. Aufgrund der hier von der Beklagten vorgenommenen Gestaltung der Produktverpackung ist die Gefahr begründet, dass der angesprochene Verkehrskreis der Endverbraucher, zu dem auch die Mitglieder des Senats gehören, annimmt, bei der Nachahmung handle es sich um das Originalprodukt.

Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH GRUR 2005, 166 (168) – Puppenausstattungen; BGH GRUR 2005, 600 (602) – Handtuchklemmen; BGH GRUR 2007, 795 Rn. 32 – Handtaschen; BGH GRUR 2009, 1069 Rn. 20 – Knoblauchwürste). Hierbei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 34 – Handtaschen; BGH GRUR 2010, 80 Rn. 41 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 47 – Herrnhuter Stern; BGH WRP 2018, 950 Rn. 65 – Ballerinaschuh). Die Herkunftstäuschung setzt nicht voraus, dass alle Gestaltungsmerkmale des Produkts eines Mitbewerbers übernommen werden. Vielmehr kommt es darauf an, dass gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 Rn. 3.43-3.43c). Bei - wie vorliegend - Produkten des täglichen Bedarfs, die sich in der äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung von ähnlichen Produkten wenig unterscheiden, orientiert sich der Verkehr in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe (BGH GRUR 2001, 443 (445) – Viennetta). Allerdings ist – dies hat der BGH in seinem Revisionsurteil in diesem Verfahren ausdrücklich klargestellt - eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung bei unterschiedlicher Produkt- oder Herstellerbezeichnung nicht stets ausgeschlossen, dies auch dann nicht, wenn keine identische Übernahme aller wesentlicher Gestaltungsmerkmale vorliegt. Sofern der Leitsatz seiner Senatsentscheidung „Vienetta“ in diese Richtung zu verstehen sein sollte, halte er hieran nicht fest. Insoweit müssten vielmehr alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, welche Produkt und Herkunftsbezeichnung auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschehe (BGH RU Rn. 50).

Unter Beachtung dieser Grundsätze besteht vorliegend die Gefahr einer unmittelbaren Herkunftstäuschung. Die Beklagte hat für ihre Produktverpackungen gerade jene Gestaltungselemente übernommen, die die wettbewerbsrechtliche Eigenart der Verpackung der Klägerin begründen. Der BGH hat vor diesem Hintergrund die Beurteilung des Senats, nach der von einer nachschaffenden Übernahme der Butterverpackung der Klägerin durch die Beklagte und darüber hinaus von einer fast identischen Übernahme der Gestaltung der Verpackung der Mischstreichfette auszugehen sei, gebilligt. Überdies hat der BGH auch die Feststellung des Senats bestätigt, dass Butter und Mischstreichfette, die aus Butter und Rapsöl bestehen, Konkurrenzprodukte sind und derselben Warenkategorie angehören. Von der Beklagten ist zwar eine abweichende Produkt- und Herkunftsbezeichnung auf den Verpackungen angebracht worden, was – wie ausgeführt – grundsätzlich einer Herkunftstäuschung entgegenwirken kann, allerdings besteht insoweit – wie auch vom BGH in seinem Revisionsurteil im hiesigen Verfahren (dort Rn. 52) ausgeführt – die Besonderheit, dass die Produkt- und Herstellerbezeichnungen sich nicht deutlich unterscheiden. Die Bezeichnung „DAIRYGOLD“ ist sprachlich vielmehr stark an die Bezeichnung „Kerrygold“ angelehnt, lediglich der Anlaut unterscheidet sie sich, was indes im Gesamteindruck nicht ins Gewicht fällt. Die Ähnlichkeit wird zudem noch dadurch verstärkt, dass die Beklagte unter die Angabe „DAIRYGOLD“ – welche prominent an gleicher Stelle wie die Bezeichnung „Kerrygold“ auf der Verpackung der Klägerin platziert ist - die Herkunftsbezeichnung „From County Kerry“ angebracht und damit beide Wortbestandteile der Produkt- bzw. Herstellerbezeichnung der Klägerin „Kerry“ und „Gold“ aufgegriffen hat. Bezieht man all dies ein, wird sich einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs der Eindruck aufdrängen, die Produkte stammten von demselben Hersteller.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Emotionsschlagwort als Produktname ist kein die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts mitbestimmendes Element im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG - Glück

BGH
Urteil vom 07.12.2023
I ZR 126/22
Glück
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass ein Emotionsschlagwort als Produktname (hier: "Glück") ist kein die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts mitbestimmendes Element im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG.

Leitsätze des BGH:
a) Das Konzept, ein Emotionsschlagwort als Produktnamen zu verwenden, kann nicht als ein die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts mitbestimmendes Element angesehen werden. Gegenstand des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes gemäß § 4 Nr. 3 UWG ist der Schutz von Waren und Dienstleistungen in ihrer konkreten Gestaltung, nicht die dahinterstehende abstrakte Idee.

b) Auch wenn sich die Gestaltung der Verpackung von Produkten des täglichen Bedarfs deutlich vom Marktumfeld abhebt, ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Verkehr auch an darauf angebrachten Produkt- und Herstellerangaben orientiert und deshalb eine Täuschung über die betriebliche Herkunft einer Produktnachahmung auszuschließen ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 - I ZR 225/98, GRUR 2001, 443 = WRP 2001, 534 - Viennetta).

BGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 - I ZR 126/22 - OLG Hamburg - LG Hamburg

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BGH: Auch verpackte Produkte wie Butter können wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen - KERRYGOLD

BGH
Urteil vom 26.01.2023
I ZR 15/22
KERRYGOLD
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass auch verpackte Produkte wie Butter wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen können.

Leitsätze des BGH:
a) Verpackte Produkte - wie Butter und Mischstreichfette - können Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes sein. Einem verpackten Produkt kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, wenn die äußere Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale der Verpackung des Produkts geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten der darin verpackten Ware hinzuweisen.

b) Eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung ist bei unterschiedlichen Produkt- oder Herstellerbezeichnungen nicht stets ausgeschlossen, wenn nicht alle wesentlichen Gestaltungsmerkmale des Originals identisch übernommen werden. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, müssen vielmehr alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden, insbesondere ist zu berücksichtigen, welche Produkt- und Herkunftsbezeichnungen auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschieht (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 - I ZR 225/98, GRUR 2001, 443 = WRP 2001, 534 - Viennetta).

BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 15/22 - OLG Köln - LG Köln

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OLG München: Flaschengestaltung des Lidl "Premium Spritz" ist unlautere Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG zu (b) der Flaschengestaltung des "Chandon Garden Spritz"

OLG München
Beschluss vom 12.07.2022
29 W 739/22


Das OLG München hat entschieden, dass die Flaschengestaltung des Lidl "Premium Spritz" eine unlautere Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG zu (b) der Flaschengestaltung des "Chandon Garden Spritz" darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen hat Erfolg.

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 4 Abs. 1 EuGVVO, weil der Sitz der Antragsgegnerinnen in Deutschland liegt.

2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit begehrt wird, es „zu unterlassen, schaumweinhaltige Getränke anzubieten, zu bewerben und zu vertreiben und/oder die vorgenannten Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn diese wie (…) abgebildet aufgemacht sind“ [Unterstreichung nur hier zur Verdeutlichung], versteht der Senat den Antrag dahin, dass die Handlungsformen „anbieten“, „bewerben“ und „vertreiben“ in einem Alternativverhältnis zueinander stehen, wie dies üblicherweise durch die Wahl der Formulierung „und/oder“ zum Ausdruck gebracht wird. Auch mit Blick auf die Antragsbegründung kann der Antrag nur so verstanden werden, dass er sich auch gegen das isolierte Anbieten, das isolierte Bewerben und das isolierte Vertreiben des so aufgemachten Produktes richtet.

3. Wettbewerbsstatut ist nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO deutsches Recht, weil nach dem Vortrag der Antragstellerinnen die Wettbewerbsbeziehungen in Deutschland beeinträchtigt werden.

4. Die Antragstellerin zu 1 ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerinnen antragsbefugt und aktivlegitimiert gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF (a)). Ihr steht als Herstellerin des Verfügungsprodukts der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gem. § 4 Nr. 3 UWG zu (b)).

a) Die Antragstellerin zu 1 erfüllt die Voraussetzungen eines Mitbewerbers, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF. Sie steht mit den Antragsgegnerinnen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis iSv § 2 I Nr. 3 UWG iVm § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.

aa) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis iSv § 2 I Nr. 3 UWG ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, dh im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH, GRUR 2014, 1114 Rn. 24 mzN - nickelfrei). Dafür ist nicht Voraussetzung, dass die Parteien auf der gleichen Vertriebsstufe tätig sind, solange sie letztlich gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen (vgl. BGH, GRUR 2016, 828 Rn. 19 f. mzN - Kundenbewertung im Internet). Deshalb besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Hersteller einer Ware nicht nur gegenüber anderen Herstellern gleichartiger Waren wie hier der Antragsgegnerin zu 2, sondern auch gegenüber anderen Händlern gleichartiger Waren wie der Antragsgegnerin zu 1, selbst wenn der Hersteller - wie hier in Bezug auf den deutschen Markt - nur über konzernangehörige Gesellschaften vertreibt. Durch eine etwaige unlautere Nachahmung würde auch die Möglichkeit der Antragstellerin zu 1 beeinträchtigt, die von ihr hergestellten Erzeugnisse über ihre Schwestergesellschaften an Endverbraucher zu verkaufen (vgl. BGH GRUR 2016, 828 Rn. 21 - Kundenbewertung im Internet). Entscheidend ist allein, ob die fraglichen Waren mittelbar oder unmittelbar letztlich für Endverbraucher bestimmt sind (vgl. BGH GRUR 2016, 828 Rn. 23 - Kundenbewertung im Internet).

bb) Nach diesen Grundsätzen muss auch für die Erheblichkeit der Markttätigkeit in Deutschland iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF für einen Hersteller mit Sitz im Ausland wie die Antragstellerin zu 1 ein diesen Anforderungen entsprechender Vertrieb in Deutschland über eine Tochter- bzw. Schwestergesellschaft genügen.

cc) Es ist mit der eidesstattlichen Versicherung gemäß Anlage vom 29.04.2022 (AST 12) über den Verkauf von über 175.000 Flaschen des „Chandon Garden Spritz“ an Endkunden in Deutschland und hiermit erzielten Umsätzen im siebenstelligen Euro-Bereich auch glaubhaft gemacht, dass die nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF erforderliche Schwelle eines Vertriebs in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich überschritten ist.

b) Der Antragstellerin zu 1) steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen unlauterer Nachahmung nach § 4 Nr. 3 lit a) iVm § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im weiteren Sinne zu. Das Verfügungsprodukt „Chandon Garden Spritz“ verfügt in seiner gestalterischen Aufmachung über durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart. Das angegriffene Produkt „Premium Spritz“ stellt eine nachschaffende Nachahmung dar. Es führt insofern zu einer Herkunftstäuschung, als die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, es handele sich um eine rustikale Variante des Originalprodukts, die von demselben Hersteller oder von einem mit ihm wirtschaftlich bzw. organisatorisch verbundenen Unternehmen stammt, weil ein Teil von Gestaltungsmerkmalen, die die wettbewerbliche Eigenart des Originalprodukts prägen, übernommen werden und jegliche abgrenzende Kennzeichnung mit Herkunftsfunktion auf dem Nachahmungsprodukt fehlt.

aa) Als Herstellerin ist die Antragstellerin aktivlegitimiert für Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz.

bb) Der Vertrieb einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände - wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (Buchst. a) oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (Buchst. b) - hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (stRspr. BGH; vgl. BGH GRUR 2021, 1544 Rn. 15 mzN - Kaffeebereiter; BGH GRUR 2015, 909 Rn. 9 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 31- Herrnhuter Stern). Abzustellen ist auf die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, das sind hier die Durchschnittsverbraucher. Der Senat kann aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Vergleichsprodukte wahrnehmen, da die Mitglieder des erkennenden Senats zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und ständig mit Wettbewerbssachen befasst sind (vgl. BGH GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft; GRUR 2014, 682 Rn. 29 - Nordjob-Messe).

cc) Das Produkt „Chandon Garden Spritz“ weist in seiner Produktgestaltung eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart auf.

(1) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn nach der Verkehrsanschauung die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Ein Erzeugnis hat keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet. Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es zwar nicht darauf an, dass der Verkehr den Hersteller der Ware namentlich kennt; erforderlich ist aber, dass der Verkehr annimmt, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (vgl. BGH GRUR 2006, 79 Rn. 36 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 23 u. 32 - Gartenliege; BGH GRUR 2015, 909 Rn. 11 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2018, 311 Rn. 14 - Handfugenpistole). Wettbewerbliche Eigenart setzt nicht Neuheit oder Bekanntheit des Produkts voraus (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.24). Die eine wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale bestimmen nicht nur den wettbewerbsrechtlichen Schutzgegenstand und seinen Schutzumfang, sondern sind auch für die Feststellung einer Verletzungshandlung maßgeblich (BGH GRUR 2022, 160 Rn. 21 - Flying V).

(2) Hieran gemessen verfügt das Produkt „Chandon Garden Spritz“ in seiner Produktgestaltung über durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart.

(a) Nach Darlegung der Antragstellerinnen zeichne sich die Produktaufmachung insbesondere aus durch
- eine dunkle, für Schaumweine typische Schaumweinflasche mit einem Korken;
- eine beigefarbene Banderole am Flaschenhals mit orangefarbener Umrandung;
- ein vorne mittig auf der Flasche angebrachtes, unregelmäßig ovales Etikett mit beiger Hintergrundfarbe;
- das eine orangefarbene Umrandung mit weißen Textelementen aufweist;
- zentral die naturgetreue Abbildung von Orangen mit Blatt enthält;
- das mittig durch einen vertikal verlaufenden gelben Streifen durchzogen wird;
- bei dem der gelbe Streifen in Teilen transparent wirkt und die Motive im Hintergrund durchscheinen lässt;
- auf dem im gelben Streifen in vertikaler Richtung von unten nach oben verlaufend ein dreidimensional anmutender und haptisch hervorgehobener goldener Schriftzug mit der Produktkennzeichnung aufgebracht ist.

Im maßgeblichen Gesamteindruck kombiniere der „Chandon Garden Spritz“ in einzigartiger Weise die klassische Produktaufmachung hochwertiger Schaumweine mit in Farbe und Form markanten Gestaltungselementen (insbesondere vertikaler, teilweise transparent anmutender Streifen über das Etikett, orange Farbtöne, als Relief aufgebrachte, spürbare und dreidimensional wirkende Schrift in vertikaler Anordnung) sowie der zentralen Abbildung von Orangen auf dem Etikett, und hebe sich dadurch auch im Gesamteindruck deutlich von anderen Schaumweinen ab, ebenso hebe sich das Produkt dadurch von dem bisher auf dem Markt existierenden „Spritz“- Produkten deutlich ab.

(b) Nach Ansicht des Senats wird der Gesamteindruck des Verfügungsprodukts geprägt durch das Erscheinungsbild einer luxuriös gestalteten Schaumweinflasche mit Korken mit goldfolienumwickeltem Flaschenhals und einer optisch dominierenden vertikal vom Flaschenhals ab über den Flaschenkörper bis kurz über dem Flaschenboden gelegten gelbfarbigen Banderole, auf der markant die Aufschrift „CHANDON“ in großen goldfarbenen und reliefartig gestalteten Lettern hervorsticht. Die Banderole läuft auch über ein ovales in weißbeige und orangefarbenen Tönen gehaltenes Etikett mit orangefarbener Umrandung und auf weißbeigem Hintergrund in kräftigem Orange gemalten durch den Schriftzug durchscheinenden Orangen. Besonders dominant und ins Auge fallend ist die gelbe Banderole mit der großen Goldaufschrift CHANDON. Mitprägend ist auch das orangeumrandete ovalförmige Etikett mit dem Motiv der in kräftigem Orange gemalten Orangen auf weißbeigem Hintergrund. Mitbestimmend für den Gesamteindruck ist schließlich auch die farbliche Dominanz von Orange-, Gelb- und Goldtönen auf einer Schaumweinflasche.

(c) Vom Marktumfeld anderer Flaschen mit Spritz- bzw. (Schaum-)Weinmischgetränken, zu dem beide Seiten vorgetragen und Abbildungen vorgelegt haben (Anlage AST 8, A2. AG 5, Anlage SPB 1), hebt es sich durch das Zusammenspiel dieser Gestaltungsmerkmale derart ab, dass eine originär durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart anzunehmen ist. Dies gilt auch im Verhältnis zum Marktumfeld von Schaumweinflaschen (vgl. A2. AG 6 und Abbildungen Rn. 21 im Schriftsatz der Antragsgegnerin zu 1 vom 01.07.2022). Es kann daher offenbleiben, ob das relevante Marktumfeld aus Spritzgetränken und diese wiederum inklusive oder exklusive der Spritzgetränke auf Weinbasis und/oder anderen Schaumweinmischgetränken besteht und ob auch Schaumweine an sich dazu zählen. Unerheblich für die wettbewerbliche Eigenart der Produktaufmachung ist die Frage., ob es bereits vor dem „Chandon Garden Spritz“ ein Schaumweinmischgetränk mit Orange gab (vgl. Anlage SPB 1).

(d) Der Grad der dem Produkt von Haus aus zukommenden wettbewerblichen Eigenart und die Angaben der Antragstellerin zur Marktpräsenz, zu den Verkaufszahlen, zum Marketingaufwand und zur Medienpräsenz genügen hingegen nicht, um bereits gut ein Jahr nach Markteinführung eine erhöhte wettbewerbliche Eigenart anzunehmen.

dd) Die Produktgestaltung des angegriffenen Produkts „Premium Spritz“ der Antragsgegnerinnen stellt eine nachschaffende Nachahmung des „Chandon Garden Spritz“ dar.

(1) Eine Nachahmung setzt voraus, dass das Produkt oder ein Teil davon mit dem Originalprodukt übereinstimmt oder ihm zumindest so ähnlich ist, dass es sich nach dem jeweiligen Gesamteindruck in ihm wiedererkennen lässt. Dabei müssen die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sein, die die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH GRUR 2022, 160 Rn. 38 - Flying V). Aufgrund der Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart ausmachen, muss der Grad der Nachahmung festgestellt werden. Bei einer (nahezu) unmittelbaren Übernahme sind geringere Anforderungen an die Unlauterkeitskriterien zu stellen als bei einer lediglich nachschaffenden Übernahme (stRspr; vgl. nur BGH GRUR 2017, 79 Rn. 64 - Segmentstruktur mwN). Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist; eine nachschaffende Übernahme ist demgegenüber gegeben, wenn die fremde Leistung lediglich als Vorbild genutzt wird und eine bloße Annäherung an das Originalprodukt festzustellen ist (BGH GRUR 2018, 832 Rn. 50 - Ballerinaschuh mwN; BGH GRUR 2022, 160 Rn. 38 - Flying V). Die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse ist aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen, wobei es weniger auf die Unterschiede und mehr auf die Übereinstimmungen der Produkte ankommt, weil der Verkehr diese erfahrungsgemäß nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sofern sie nicht unmittelbar nebeneinander vertrieben werden, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt, in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden (BGH GRUR 2017, 1135 Rn. 29 - Leuchtballon mwN; BGH GRUR 2022, 160 Rn. 40 - Flying V).

(2) Angesprochene Verkehrskreise sind die Durchschnittsverbraucher. Es ist davon auszugehen, dass es auf das Erinnerungsbild ankommt, da die Vergleichsprodukte üblicherweise nicht nebeneinander in denselben Geschäften vertrieben werden. Das angegriffene Produkt wird in Lidl-Discount-Filialen vertrieben. Das Verfügungsprodukt wird nach den glaubhaft gemachten Antragstellerangaben (Anlage AST 12) im „gehobenen Lebensmitteleinzelhandel“, ua bei Feinkost Käfer, Dallmayr, Edeka Simmel, der Kadewe Group, Galeria und Metro sowie im spezialisierten Online-Handel (vgl. Screenshots Anlage AST 13 und Anlage AST 9) vertrieben.
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(3) Eine identische oder nahezu identische Nachahmung scheidet vorliegend aus, weil sich der Gesamteindruck der Vergleichsprodukte - auch nach dem unvollkommenen Erinnerungsbild - über geringfügige Abweichungen hinaus unterscheidet. Insbesondere ist der Flaschenhals gänzlich abweichend gestaltet: Anstelle der den kompletten Flaschenhals bedeckenden luxuriös wirkenden Goldfolienumwicklung des Verfügungsprodukts finden sich beim angegriffenen Produkt nur zwei helle Papieretiketten und vom Glas des Flaschenhalses bleibt ein erheblicher Teil sichtbar, sodass der Flaschenhals des angegriffenen Produkts gänzlich anders, nämlich schlicht und rustikal wirkt. Auch die besonders charakteristische über den gesamten Flaschenkörper vertikal gelegte gelbfarbene Banderole mit dem Aufdruck in Goldlettern findet sich auf dem angegriffenen Produkt lediglich über das Etikett in der Mitte des Flaschenkörpers gelegt. Diese Unterschiede verhindern auch bei dem unvollkommenen Erinnerungsbild des Betrachters, dass eine Identität oder Fast-Identität angenommen werden könnte.

(4) Es liegt allerdings eine nachschaffende Nachahmung vor, weil das angegriffene Produkt einige, die wettbewerbliche Eigenart der Gestaltung des „Chandon Garden Spritz“ prägende Gestaltungselemente, wenn auch mit nicht zu verkennenden Abweichungen, übernimmt. Dies ist vor allem die gelbfarbene vertikal verlaufende Banderole mit einem Aufdruck in reliefartig gestalteten Goldlettern. Zwar liegt diese auf dem angegriffenen Produkt nur über dem Etikett und nicht wie beim Original sowohl über dem Etikett als auch über dem gesamten Flaschenkörper. Sie fällt aber gleichwohl an der prominenten Stelle über dem Etikett markant ins Auge, weist einen ebenfalls kräftigen Gelbton und ebenso eine markante in reliefartig gestalteten großen Goldlettern gehaltene Aufschrift auf und lässt die auf dem Etikett abgebildeten Orangen durchscheinen. Übernommen ist auch die den Gesamteindruck und die wettbewerbliche Eigenart mitprägende Farbgebung in Bezug auf die Farben Orange und Gelb, die auch im Farbton jeweils sehr nahekommen, nur der Goldton fehlt. Übernommen sind auch Gestaltungsmerkmale des Etiketts: die orangefarbene Umrandung, die Abbildung von Orangen auf hellem weißbeige gehaltenem Hintergrund, auch wenn die Etikettenform (rautenförmig) und die Abbildung der Orangen (nur die Struktur skizzierend) abweichen. Alles in allem ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass auf das unvollkommene Erinnerungsbild des Verkehrs abzustellen ist, der die Produkte nicht unmittelbar nebeneinander vergleicht, so dass den Übereinstimmungen ein stärkeres Gewicht zukommt als den Unterschieden, eine Übernahme einiger prägender Gestaltungsmerkmale und eine Annäherung an das als Vorbild dienende Originalprodukt zu erkennen.

ee) Unter Gesamtwürdigung der durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart des Originalprodukts und des Grads der Nachahmung sowie der glaubhaft gemachten hinreichenden Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen des angesprochenen Verkehrs liegt angesichts einer fehlenden abweichenden Kennzeichnung mit Herkunftsfunktion eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft im weiteren Sinne nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG vor.

(1) Nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dabei ist zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne) zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen - wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen - Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. BGH GRUR 2019, 196 Rn. 15 - Industrienähmaschinen mwN; BGH GRUR 2022, 160 Rn. 46 - Flying V). Voraussetzung hierfür ist auch, dass das Erzeugnis bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben muss, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 166, 167 - Puppenausstattungen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 - Gartenliege; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.41a).

(2) Vorliegend scheidet zwar eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher nimmt angesichts der dargestellten Unterschiede nicht an, dass es sich bei dem angegriffenen Produkt um das Originalprodukt handelt.

(3) Das angegriffene Produkt ruft aber eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne hervor.

(a) Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen - wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen - Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. BGH GRUR 2019, 196 Rn. 15 - Industrienähmaschinen mwN).

(b) Es für eine Herkunftstäuschung erforderliche hinreichende Bekanntheit des Originalprodukts ist glaubhaft gemacht.

(aa) Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide Produkte unmittelbar miteinander vergleichen kann, voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Es genügt bereits eine Bekanntheit, bei der sich die Gefahr der Herkunftstäuschung in noch relevantem Umfang ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 mwN - Gartenliege). Maßgebend ist eine Bekanntheit auf dem inländischen Markt zum Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 mwN - Gebäckpresse). Die Bekanntheit kann sich aus entsprechenden Werbeanstrengungen, der Dauer der Marktpräsenz, den hohen Absatzzahlen des Originals oder einem hohen Marktanteil ergeben (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.41a mzN; BGH GRUR 2007, 339 Rn. 32 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 32 - Gartenliege; BGH WRP 2013, 1189 Rn. 27 - Regalsystem). Ein sehr niedriger Marktanteil muss allerdings nicht gegen die Bekanntheit sprechen, zumal bei Luxusprodukten (OLG Hamm WRP 2015, 1374 Rn. 109; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.41a).

(bb) Die erforderliche gewisse Bekanntheit bei einem nicht unerheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise, welche hier die Durchschnittsverbraucher darstellen, kann angesichts der glaubhaft gemachten Angaben zu den Werbe- und Marketingmaßnahmen mit Kosten von über 2,0 Millionen EUR, den Verkaufszahlen von über 175.000 in Deutschland an Endkunden verkauften Flaschen und hiermit erzielten Umsätzen im siebenstelligen Euro-Bereich (eidesstattliche Versicherung Anlage AST 12) sowie des durch die Anlagen (Anlage AST 9, Anlage AST 10; Anlage AST 11; Anlage AST 14 und AST 15) hinreichend glaubhaft gemachten Umfangs der Medien- und Marktpräsenz trotz einer nur gut einjährigen Marktpräsenz nicht verneint werden.

(c) Es liegt eine vermeidbare Herkunftstäuschung im weiteren Sinne vor. Es handelt sich zwar angesichts der dargestellten Unterschiede nur um eine nachschaffende Nachahmung, die nur einzelne die wettbewerbliche Eigenart prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalprodukts übernimmt. Das Original wird hierdurch aber - insbesondere durch die über die Etikette gelegte gelbe Banderole mit der Aufschrift in reliefartigen Goldlettern und die Farbgestaltung in Orange- und Gelbtönen sowie das orangefarben umrandete Etikett, das auf weißbeigefarbenem Hintergrund Orangen abbildet - deutlich erkennbar in Bezug genommen, ohne dass das im Discount vertriebene Nachahmungsprodukt irgendein deutliches abweichendes Herkunftszeichen tragen würde. Der Verkehr wird unter diesen Umständen annehmen, es handele sich - wie im Lebensmitteldiscount und auch in Bezug auf alkoholische Getränke durchaus üblich und dem Verkehr geläufig - um eine von demselben Hersteller oder von einem mit ihm wirtschaftlich bzw. organisatorisch - zB lizenz- oder gesellschaftsvertraglich - verbundenen Unternehmen stammende günstigere und schlichtere, möglicherweise auch inhaltlich minderwertige, Variante des Originalprodukts, nämlich eine rustikal aufgemachte Variante des Spritz-Mischgetränks für den Discountbetrieb, die an eine rustikale Prosecco-Gestaltung anklingt, gegenüber der luxuriös aufgemachten Gestaltung des Originalprodukts, die eher an eine Sekt- oder Champagner-Gestaltung erinnert. Der Verkehr weiß auch, dass es unmittelbare oder mittelbare Belieferungen von Herstellern und Händlern, die sich dem Luxussegment zuordnen, an Discounter gibt. Unwidersprochen haben die Antragstellerinnen vorgetragen, dass die Antragsgegnerinnen Produkte der Moët Hennessy Gruppe vertreiben.

Diese Herkunftstäuschung im weiteren Sinne wäre leicht und zumutbar vermeidbar, indem das Nachahmungsprodukt mit einer deutlichen abweichenden Herkunftskennzeichnung versehen werden würde. Der generische Begriff „SPRITZ“ genügt hierfür ebenso wenig wie der anpreisende Begriff „Premium“. Beiden Zeichen fehlt sowohl einzeln als auch in der Kombination die Herkunftsfunktion. Nur auf dem Etikett auf der Flaschenrückseite ist im unteren Bereich des Etiketts ein Unternehmen mit Anschrift benannt („AVG V. GmbH, (…)“; vgl. Einlichtung unten Seite 17 dA; Abbildungen Anlage AST 16, Seiten 6/7), bei welchem es sich schon wegen des Firmenbestandteils „Vertriebs“ keinesfalls um den Hersteller handeln muss. Auch wenn der Verkehr diese Aufschrift im maßgeblichen Zeitpunkt der Kaufentscheidung wahrnimmt, nimmt ihm dies nicht die Fehlvorstellung über die Herkunft.

5. Die Antragstellerin zu 2 ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerinnen antragsbefugt und aktivlegitimiert iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF. Ihr steht als Mitbewerberin und Händlerin der geltend gemachte Anspruch jedenfalls aus § 5 Abs. 2 UWG wegen lauterkeitsrechtlicher Herkunftstäuschung zu.

a) Die Antragstellerin zu 2 erfüllt mit dem Vertrieb des „Chandon Garden Spritz“ die Voraussetzungen eines Mitbewerbers, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF. Sie steht mit den Antragsgegnerinnen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis iSv § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG iVm § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, da sie gleichartige Waren an denselben Endkundenkreis vertreibt. Auf die Frage, auf welcher Stufe der Produktions- bzw. Handelskette sie steht, kommt es, wie oben 4. A) aa) ausgeführt, nicht an. Auch die Schwellen des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF sind überschritten. Insofern kann auf die Ausführungen unter 4. a) cc) verwiesen werden.

b) Ob die Antragstellerin zu 2 als Händlerin berechtigt ist, einen Anspruch wegen wettbewerbsrechtlichem Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG geltend zu machen, obwohl sie weder eine eigene (ergänzende) Leistung noch eine Allein- bzw. Exklusivvertriebsberechtigung darlegt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.85, 3.86 mwN auch zur früheren Rspr.), kann dahinstehen.

c) Der Antragstellerin steht als Mitbewerberin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zumindest aus § 5 Abs. 2 UWG wegen lauterkeitsrechtlicher Herkunftstäuschung zu, auf den sie sich auch als Mitbewerberin, die nicht zugleich Herstellerin ist, berufen kann (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 5 Rn. 9.23; Bornkamm, GRUR 2011, 1, 7). Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 UWG wegen des Vertriebs oder des Anbietens einer unlauteren herkunftstäuschenden Nachahmung einer Produktgestaltung sind - trotz des begrifflich abweichenden Gesetzestextes - dann erfüllt, wenn die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im Sinne des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG vorliegen (vgl. Bornkamm/Feddersen a.a.O.; Bornkamm, a.a.O.), so dass für die Einzelheiten auf die Ausführungen unter 4. b) bb) - ee) Bezug genommen werden kann.

Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Die Antragstellerinnen haben glaubhaft gemacht, am 31.03.2022 Kenntnis davon erlangt zu haben, dass die Lidl-Gruppe, zu der die Antragsgegnerin zu 1 gehört, ein als „Premium Spritz“ bezeichnetes Produkt mit Verkaufsstart vom 04.04.2022 anbiete (Eidesstattliche Versicherung vom 29.04.2022 Anlage AST 4; Bl. 16 dA). Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist beim Landgericht am 29.04.2022 und damit innerhalb der für den Bezirk des Oberlandesgerichts München geltenden Monatsfrist eingegangen, bei deren Überschreitung die gem. § 12 Abs. 1 UWG vermutete Dringlichkeit wegen dringlichkeitsschädlichen Verhaltens als widerlegt angenommen wird. III.


Den Volltext der Entscheidungen mit Produktfotos finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Unlautere Nachahmung eines Trocknerballs für die Verwendung im Wäschetrockner

OLG Frankfurt
Urteil vom 25.06.2020
6 U 65/19


Das OLG Frankfurt hat in diesem Rechtsstreit eine unlautere Nachahmung eines Trocknerballs für die Verwendung im Wäschetrockner nach § 4 Nr. 3a UWG bejaht.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Klägerin ist an der Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs aus ergänzendem Leistungsschutz nicht deshalb gehindert, weil sie Inhaberin eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist. Denn die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) lässt Bestimmungen der Mitgliedstaaten über den unlauteren Wettbewerb unberührt, Artikel 96 Abs. 1 GGV (BGH, Urteil vom 9.10.2008 - I ZR 126/06 - Gebäckpresse, Rn 31, juris).

2. Der Vertrieb einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3a UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände - wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft - hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, Urteil vom 11.1.2018 - I ZR 187/16 - Ballerinaschuh - Rn 47, juris).

Im Streitfall weisen die Trocknerbälle der Klägerin eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart auf, das beanstandete Produkt der Beklagten einen hohen Grad der Nachahmung und die Herkunftstäuschung war ohne Weiteres vermeidbar.

a) Es fehlt nicht an der Aktivlegitimation der Klägerin. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz sollen grundsätzlich nur von demjenigen geltend gemacht werden können, der die zu schützenden Leistungen erbracht hat. Das ist in der Regel der Hersteller der nachgeahmten Ware. Dabei ist Hersteller, wer das Erzeugnis in eigener Verantwortung herstellt oder von einem Dritten herstellen lässt und über das Inverkehrbringen entscheidet. Nicht erforderlich ist, dass der Hersteller zugleich der Schöpfer oder Urheber des Originalprodukts ist (BGH, Urteil vom 2.12.2015 - I ZR 176/14 - Herrnhuter Stern, Rn 21, juris). Der nach § 4 Nr. 3 anspruchsberechtigte Hersteller muss nicht Rechtsnachfolger des Unternehmens sein, von dem das Originalerzeugnis erstmals gefertigt wurde. Maßgeblich ist, ob der Verkehr im Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung die objektiv gerechtfertigte Vorstellung hat, bei der von dem Anspruchsteller hergestellten Ware handele es sich um das Erzeugnis eines bestimmten Originalherstellers (BGH, a.a.O., Rn 23, juris). Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin aktivlegitimiert. Sie ist als Herstellerin anzusehen, da die Firma X Ltd. die Produkte nach ihrem insoweit unbestrittenen Vortrag nach ihren Weisungen herstellt und vertreibt. Dass das Erzeugnis in den ersten Jahren des Vertriebs, von 2005 bis 2012, ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Rechnungen gemäß Anlagen BRP 1, 8-12 von der Firma Z Ltd. in Deutschland in den Verkehr gebracht wurde, ist ebenso unerheblich wie das Bestreiten der Beklagten, dass es sich hierbei um die Rechtsvorgängerin der Firma X Ltd. oder der Klägerin handelt.

b) Das klägerische Produkt ist originär wettbewerblich eigenartig.

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2010, 80 Rn0 23 - LIKEaBIKE; BGH GRUR 2013, 1052 Rn 18 - Einkaufswagen III; BGH GRUR 2015, 909 Rn 10 - Exzenterzähne). Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses abzustellen (BGH, Urteil vom 2.12.2015 - I ZR 176/14 - Herrnhuter Stern, Rn 33, juris). Das ist immer dann der Fall, wenn es sich - unabhängig von der Anzahl der Merkmale - von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es aufgrund dieser Eigenschaften einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH, Urteil vom 24.1.2013 - I ZR 136/11 - Regalsystem, Rn 24, juris). Wettbewerbliche Eigenart setzt weder Neuheit noch Bekanntheit des Erzeugnisses voraus (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38. Aufl., § 4 Rz 3.24).

aa) Die Beklagte rügt ohne Erfolg, die Klägerin begehre wettbewerbsrechtlichen Schutz für eine Idee. Zutreffend ist allerdings, dass eine gestalterische Grundidee, die keinem Sonderrechtsschutz zugänglich ist, im Interesse des freien Wettbewerbs nicht im Wege des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes für einen Wettbewerber monopolisiert werden kann (BGH, Urteil vom 22.3.2012 - I ZR 21/11 - Sandmalkasten, Rn 19, juris; Urteil vom 2.12.2015 - I ZR 176/14 - Herrnhuter Stern, Rn 37, juris). Sie kann daher die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts nicht begründen. Herkunftshinweisend kann jedoch die konkrete Umsetzung der gestalterischen Grundidee oder eine besondere Kombination bekannter Gestaltungsmerkmale sein (vgl. BGH a.a.O. - Sandmalkasten; Herrnhuter Stern; Urteil vom 28.10.2004 - I ZR 226/01 - Puppenausstattungen, Rn 41, juris). So hat der BGH dem „Herrnhuter Stern“ in der gleichnamigen Entscheidung eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart zugebilligt, obwohl das Konstruktionsprinzip dieses Sterns, Pyramiden auf die Flächen eines Rhombenkuboktaeders zu setzen, bereits im 16. Jahrhundert von dem italienischen Mathematiker Luca Pacioli erdacht wurde. Der BGH sah in dem Aufsetzen von Strahlen unterschiedlicher Länge den entscheidenden gestalterischen Schritt, der dem „Herrnhuter Stern“ gegenüber der nicht schutzfähigen Grundform eines Rhombenkuboktaeders wettbewerbliche Eigenart verleiht.

Auch im Streitfall geht es nicht um die Idee, Noppen auf eine Kugelform aufzusetzen, sondern um ein ganz bestimmtes Erzeugnis. Dabei ist, anders als im Fall des „Herrnhuter Sterns“, schon die Anordnung der Noppen aufgrund der kugelförmigen Grundform nicht vorgegeben. Gleiches gilt für die Länge und die Gestaltung der Noppen als Kegel. So vertreibt die Klägerin selbst auch Trocknerbälle, bei denen die Noppen eine pyramidenförmige Grundform aufweisen.

bb) Die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Erzeugnisses scheitert auch nicht daran, dass es sich um ein Allerweltserzeugnis handelt, bei dem der Verkehr auf die betriebliche Herkunft des Erzeugnisses keinen Wert legt und deshalb nicht aus bestimmten Merkmalen auf die betriebliche Herkunft schließt (dazu BGH, Urteil vom 21.9.2006 - I ZR 270/03 - Stufenleitern, Rn 26, juris). Die Beklagte vertritt diese Auffassung mit der Begründung, bei dem klägerischen Erzeugnis handele es sich um einen Noppenball, wie er seit Jahrzehnten als Massageball - wie auch als Spielzeug für Hunde und Katzen - bekannt sei.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei Noppenbällen, die als Massagebälle oder als Tierspielzeug verwendet werden, um Allerweltserzeugnisse handelt. Jedenfalls ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass es sich bei Trocknerbällen, die als genoppte Bälle gestaltet sind, um ein Allerweltserzeugnis handeln könnte. Dies kann jedenfalls nicht aus dem Umstand gefolgert werden, dass Bälle, die ähnlich aussehen wie das klägerische Erzeugnis, als Massagebälle oder Tierspielzeug Verwendung finden.

Anders als im Designrecht, wo für die rechtliche Beurteilung allein das Muster maßgeblich ist, so wie es eingetragen ist, werden im Wettbewerbsrecht Erzeugnisse vor der unlauteren Nachahmung durch Wettbewerber geschützt. Entscheidend ist deshalb, dass sich das Erzeugnis des Anspruchstellers von anderen Produkten im Marktumfeld abhebt (BGH a.a.O. - Herrnhuter Stern - Rn 41, juris; BGH Urteil vom 24.1.2013 - I ZR 136/11 - Regalsystem, Rd. 24, juris). Das relevante Marktumfeld „Noppenbälle“ existiert nicht, weil es keinen einheitlichen Markt für Noppenbälle gibt. Denn diese können als Massagegeräte, Tierspielzeug oder auch als Trocknerbälle zum Einsatz kommen. Bereits aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.12.1968 (I ZR 130/66 - Bundstreifensatin II) ergibt sich, dass der Verwendungszweck eines Erzeugnisses (dort: Streifensatin für Bettwäsche) in die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart einzubeziehen ist. Es ist schon nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass ein Noppenball, der als Massageball produziert wurde, für den Einsatz im Wäschetrockner geeignet ist. Gleiches gilt für die Frage, ob ein Noppenball, der als Trocknerball produziert wurde, als Tierspielzeug dienen kann. Selbst wenn dies so sein sollte, besteht keine Grundlage für die Annahme, dem von dem klägerischen Erzeugnis angesprochenen Verkehrskreis könnte geläufig sein, dass er anstelle eines Trocknerballes auch einen Massageball oder einen als Tierspielzeug gedachten Noppenball im Wäschetrockner verwenden kann. Es fehlt daher - zumindest aus der insoweit maßgebenden Sicht der angesprochenen Verkehrskreise - an einer Substituierbarkeit der Produkte.

cc) Das klägerische Erzeugnis hat eine kugelförmige Grundform mit einem Durchmesser von 5,6 cm. Es ist mit kegelförmigen Noppen bestückt, die 5 mm lang sind. Sowohl die kugelförmige Grundform als auch Form und Anordnung der Noppen sind frei wählbar. Dies hat die Klägerin mit der Abbildung von Konkurrenzprodukten in der Klageschrift belegt. Dort finden sich Produkte mit einem ovalen oder kegelförmigen Korpus und auch solche, die wie ein Igel aussehen. Auch die Gestaltung der Noppen selbst ist verschieden.

Die Grundform des klägerischen Erzeugnisses und die Gestaltung der Noppen sind daher geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft hinzuweisen.

c) Die wettbewerbliche Eigenart war zum Zeitpunkt des Anbietens der Nachahmung auf dem Markt nicht entfallen.

aa) Zwar hat die Beklagte als Anlage BDP 3 ein eBay-Angebot aus dem Jahr 2016 vorgelegt, mit dem ein „Massageball 8cm Igelball Noppenball Stachelball Trocknerball Ball Massage“ beworben wurde. In der Beschreibung heißt es, der Massageball sei „auch als Trocknerball benutzbar“. Dieses Angebot kann jedoch nicht dazu führen, dass die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Erzeugnisses entfallen ist. Diese Annahme wäre nur dann gerechtfertigt, wenn es solche Angebote in einer Vielzahl gäbe, die dazu geführt hätte, dass sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Kenntnis dahingehend durchgesetzt hätte, dass es sei bei Trocknerbällen, Massagebällen und Noppenbälle als Spielzeug für Hunde und Katzen um ein und dasselbe Erzeugnis mit unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten handelt. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.

bb) Die wettbewerbliche Eigenart des Erzeugnisses ist auch nicht dadurch entfallen, dass das Unternehmen B das klägerische Erzeugnis unter seiner Marke vertrieben hat.

Das wäre nur dann der Fall, wenn der Verkehr dessen prägende Gestaltungsmerkmale aufgrund der Marktverhältnisse nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem durch einen Lizenz- oder Gesellschaftsvertrag verbundenen Unternehmen zuordnet (vgl. BGH GRUR 2007, 984 Rn 23, 25 und 32 - Gartenliege; BGH GRUR 2015, 909 Rn 11 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 720 Rn 16 - Hot Sox; BGH GRUR 2017, 79 Rn 52 - Segmentstruktur). Das kann der Fall sein, wenn der Hersteller sein Erzeugnis an verschiedene Unternehmen liefert, die es in großem Umfang unter eigenen Kennzeichnungen vertreiben (vgl. BGH GRUR 2007, 984 Rn 26 - Gartenliege; BGH GRUR 2015, 909 Rn 14 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 720 Rn. 28 - Hot Sox). Voraussetzung ist aber, dass der Verkehr die weiteren Kennzeichnungen als Herstellerangaben und nicht als Handelsmarken ansieht (BGH, Urteil vom 15.12.2016 - I ZR 197/15 - Bodendübel, Rn 41, juris).

Daran fehlt es bei dem Vertrieb der dryerballs über B, da es sich bei „B“ bekanntermaßen um eine Handelsmarke handelt.

d) Aus der Gegenüberstellung gemäß Anlage BRP 26 ergibt sich, dass das klägerische und das beanstandete Erzeugnis nahezu gleich aussehen. Sie haben dieselbe Größe, die Noppen sich gleich groß, lediglich nach oben hin etwas spitzer zulaufend, was man aber erst auf den zweiten Blick erkennt. Die Nachahmung ist evident.

e) Nach § 4 Nr. 3a UWG ist das Anbieten eines Nachahmungsprodukts unlauter, wenn sie eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft des Nachahmungsprodukts herbeiführt. Der Täuschung steht die Begründung einer Täuschungsgefahr gleich (Köhler/Bornkamm/Feddersen a. a. O. § 4 Rz 3.41).

aa) Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Es genügt bereits eine Bekanntheit, bei der sich die Gefahr der Herkunftstäuschung in noch relevantem Umfang ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH, Urteil vom 24.5.2007 - I ZR 104/04 - Gartenliege, Rn 34, juris).

Die Klägerin vertreibt ihren dryerball bereits seit 2005 nach Deutschland; sie können aktuell bei Amazon über die Firma A bezogen werden. Damit ist das Erfordernis einer gewissen Bekanntheit des Originals erfüllt.

bb) Eine Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und welche Maßnahmen zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung dem Wettbewerber zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen, bei der das Interesse des Herstellers des Originalprodukts an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse der Wettbewerber an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis- und Leistungswettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen sind (vgl. BGH GRUR 2013, 951 Rn 35 f. - Regalsystem; BGH GRUR 2015, 909 Rn 33 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 730 Rn 68 - Herrnhuter Stern). Die Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, ist regelmäßig nicht sachlich gerechtfertigt, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist (BGH, Urteil vom 14.9.2017 - I ZR 2/16 - Leuchtballon, Rn 39, juris).

Im Streitfall ist die Herkunftstäuschung vermeidbar, weil die Beklagte ohne Not die Grundform des klägerischen Erzeugnisses wie auch die Anordnung und Gestaltung der Noppen nahezu identisch übernommen hat.

cc) Dem Einwand der Beklagten, eine Herkunftstäuschung werde ausgeschlossen, weil sie ihre Trocknerbälle unter einer anderen Marke, nämlich „homeware“ vertreibe, verfängt nicht.

Zwar kann eine Herkunftstäuschung durch eine deutlich sichtbare, sich vom Originalprodukt unterscheidende Kennzeichnung der Nachahmung ausgeräumt werden, aber nur, wenn die angesprochenen Verkehrskreise diese einem bestimmten Unternehmen nicht allein anhand ihrer Gestaltung zuordnen, sondern sich beim Kauf auch an den Herstellerangaben in der Werbung, den Angebotsunterlagen oder an der am Produkt angebrachten Herstellerkennzeichnung orientieren (BGH, Urteil vom 15.12.2016 - I ZR 197/15 - Bodendübel, Rn 61, juris). Hierzu fehlt es an Vortrag seitens der Beklagten, die für die Ausräumung der vermeidbaren Herkunftstäuschung als einer ihr günstigen Tatsache die Darlegungs- und Beweislast trägt.

Im Übrigen hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte unter der Marke „homeware“ eine Vielzahl unterschiedlichster Produkte vertreibt, dass es sich mit anderen Worten um eine Handelsmarke handelt, die ohnehin nicht geeignet ist, eine Herkunftstäuschung auszuräumen, da sie nur auf den Vertrieb durch einen bestimmten Händler hinweist.

3. Der Frage, ob auch ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 UWG vorliegt, ist nicht nachzugehen. Denn der lauterkeitsrechtliche Verwechslungsschutz geht nicht weiter als der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz (Köhler/Bornkamm/Feddersen a. a. O. § 5 Rn. 9.23).


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OLG Frankfurt: Kaffeebereiter von Melitta stellt keine unlautere Nachahmung des Bodum Chambord Kaffeebereiters dar

OLG Frankfurt
Urteil vom 27.08.2020
6 U 44/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Kaffeebereiter von Melitta keine unlautere Nachahmung des Bodum Chambord Kaffeebereiters darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 3 a), b) UWG hinsichtlich des angegriffenen Kaffeebereiters zu. Es handelt sich um keine unlautere Nachahmung des Produkts „Chambord“ der Klägerin.

a) Das Landgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kaffeebereiter „Chambord“ wettbewerbliche Eigenart zukommt. Die Klägerin bietet unter der Bezeichnung „Chambord“ unterschiedliche Produkte an. Sie hat klargestellt, dass die Klage allein auf die aus der Anlage K1 ersichtliche Gestaltung gestützt ist (Bl. 293 d.A.).

aa) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses maßgebend. Dieser kann durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Technisch notwendige Gestaltungsmerkmale - also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen - können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen (OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2020, 122 - Rotations-Ausrichtungssystem; OLG Frankfurt am Main LMuR 2019, 154 Rn 19 - Collagen-Lift-Drink; BGH GRUR 2017, 734 - Bodendübel). Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet (BGH GRUR 2015, 909Rn 18 und 24 - Exzenterzähne). Auch eine Kombination einzelner Gestaltungsmerkmale kann eine wettbewerbliche Eigenart begründen, selbst wenn die einzelnen Merkmale für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (BGH GRUR 2017, 1135 Rn 20 - Leuchtballon).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird der Gesamteindruck des Kaffeebereiters „Chambord“ nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung durch folgende Gestaltungsmerkmale geprägt, die in Kombination geeignet sind auf die betriebliche Herkunft und die Besonderheiten des Produkts hinzuweisen:

- (1) Zylinderförmiger Kaffeebereiter aus Glas, der eine Trägerkonstruktion aus Metall mit vier vertikalen Haltestreben sowie einen horizontalen Haltering aufweist.
- (2) Die vertikalen Haltestreben verjüngen sich pfeilartig am Übergang zum horizontalen Haltering.
- (3) Die vertikalen Haltestreben gehen am unteren Ende in nach außen abgeknickte Füße über.
- (4) Der Haltering ist mit einem bogenförmigen Griff aus Kunststoff verbunden.
- (5) Der Haltering und der Griff sind mit einer gut sichtbaren Schraube verbunden.
- (6) Der Kaffeebereiter weist einen kuppelartig abgerundeten Deckel mit einem kugelförmigen Knopf auf.
cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin erstreckt sich die wettbewerbliche Eigenart hingegen nicht allgemein auf die Gestaltung eines Kaffeebereiters aus einem Glasbehälter, der eine Trägerkonstruktion aus Metall aufweist.

(1) Nach den Ausführungen in der Klageschrift unterscheidet sich das Original der Klägerin von den Wettbewerbsprodukten insbesondere durch die außergewöhnliche Trägerkonstruktion (S. 6). Dem kann nicht beigetreten werden. Die wettbewerbliche Eigenart des „Chambord“ reicht nicht so weit, dass schon das Vorhandensein einer Haltekonstruktion mit Metallstreben in den Schutzbereich fällt. Die Trägerkonstruktion des Originals erfüllt nicht nur ästhetische, sondern auch technische Zwecke. Sie verbindet den Haltegriff mit dem Glasgefäß und beinhaltet vier Standfüße, mit denen ein Abstand des heißen Glasbodens zur Standfläche (z.B. einem Tisch) erzeugt wird. Zwar ist eine solche Metallträgerkonstruktion für einen gläsernen Kaffeebereiter der streitgegenständlichen Art technisch nicht zwingend notwendig. Es sind andere technische Lösungen denkbar, um einen Griff zu befestigen und einen Abstand zur Standfläche zu erzeugen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.1.2019 - 6 U 205/17). Jedoch dient die Verwendung eines Metallrings und daran angeordneter Metallfüße - entgegen der Ansicht der Klägerin - vorrangig der Erreichung der genannten Funktionen und nicht vorrangig ästhetischen Zwecken. Merkmale, die lediglich eine Idee zur benutzerfreundlichen Handhabung verkörpern, rechnen nicht zur wettbewerblichen Eigenart. Der Schutz bezieht sich immer nur auf die konkrete Ausgestaltung eines Erzeugnisses (BGH WRP 2017, 51 Rn 71 - Segmentstruktur). Daher kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, zum Zeitpunkt der Entwicklung der streitgegenständlichen Originalkanne in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Frankreich seien im Formenstand lediglich Kaffeebereiter ohne Trägerkonstruktion wie aus der Anlage K5 ersichtlich bekannt gewesen. Hierbei handelt es sich augenscheinlich um schlichte Pressstempelkannen aus Blech bzw. aus Emaille. Anders als für den Designschutz kommt es für die wettbewerbliche Eigenart nicht auf die Neuheit bestimmter Merkmale, sondern darauf an, ob sie der Verkehr dem Hersteller des „Originals“ zuordnet. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr Haltekonstruktionen aus Metallstreben - unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung - stets der Chambord-Kanne zuweist. Ohnehin kommt es nicht auf die Entwicklung in Frankreich, sondern im Geltungsbereich des UWG an.

(2) Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts sind als Pressstempelkannen bzw. „French Press“ bezeichnete Kaffeebereiter auf dem Markt zahlreich erhältlich und werden von verschiedenen Anbietern vertrieben. Die im Tatbestand eingeblendete Übersicht (LGU 8, 9) wurde der Klageerwiderung entnommen (S. 3, 4). Weitere Entgegenhaltungen ergeben sich aus der Anlage B2. Insoweit hat die Klägerin dargelegt, dass sie gegen viele dieser Entgegenhaltungen mit rechtlichen Mitteln vorgegangen ist, weil es sich um Nachahmungen des „Chambord“ handele. Es verbleibt gleichwohl eine nicht unerhebliche Zahl an Entgegenhaltungen, die sich hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Metallträgerkonstruktion von dem „Chambord“ deutlich unterscheiden. Das gilt zum Beispiel für die Modelle „Axentia“ und „Ambition“ (Bl. 152 d.A.). Dies zeigt, dass im wettbewerblichen Umfeld Kaffeebereiter mit zylindrischem Glasgefäß und Metallträgerkonstruktion unterschiedlicher Anbieter erhältlich sind.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann der Beklagten insoweit keine mangelnde Substantiierung vorgeworfen werden, da jeweils die Produktbezeichnung und die entsprechende Handelsplattform genannt werden. Die Klägerin, die konsequent gegen Nachahmungen vorgeht, hat auch nicht dargelegt, sämtliche der entgegengehaltenen Kaffeebereiter als Nachahmungen zu betrachten. Sie steht vielmehr - zu Recht - auf dem Standpunkt, dass die auf den Seiten 3 und 4 der Klageerwiderung abgebildeten Kaffeebereiter teilweise keine hinreichenden Ähnlichkeiten mit „Chambord“ aufweisen, da sich insbesondere ihre Metallkonstruktion erheblich unterscheidet.

dd) Im Ergebnis kann daher nur der konkreten Ausgestaltung des Kaffeebereiters mit den oben genannten charakteristischen Merkmalen der Trägerkonstruktion wettbewerbliche Eigenart zugemessen werden, nicht der Trägerkonstruktion an sich. Keine prägende Bedeutung für den Gesamteindruck hat auch das Merkmal, dass der Glaskörper über das Metallband herausragt. Dies erscheint schon aus Gründen der besseren Handhabung naheliegend und wird von Verkehr daher nicht als prägendes Merkmal wahrgenommen.

ee) Die wettbewerbliche Eigenart ist unter Berücksichtigung des aufgezeigten wettbewerblichen Umfelds, soweit dieses keine Nachahmungen betrifft, als durchschnittlich einzustufen. Unstreitig bringt die Klägerin den Kaffeebereiter „Chambord“ seit mehr als 50 Jahren auf den Markt (Bl. 284 d.A.). Nach den von der Beklagten nicht mittels Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts wird das Produkt seit Jahrzehnten in Deutschland „mit großem Erfolg“ vermarktet (LGU 5). Die Beklagte kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe die behaupteten Vertriebszahlen bestritten. Es ist im Übrigen auch gerichtsbekannt, dass die Klägerin seit vielen Jahren mit ihrem Kaffeebereiter am Markt ist. Von einer gesteigerten Eigenart aufgrund hoher Bekanntheit kann hingegen nicht ausgegangen werden. Hierfür reicht die Behauptung eines Verkaufs von 100.000 Stück pro Jahr in Deutschland nicht aus, da die Klägerin ihren Marktanteil nicht angegeben hat.

ff) Konkrete Anhaltspunkte für eine Schwächung der wettbewerblichen Eigenart liegen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Die von der Beklagten in der Klageerwiderung aufgezeigten Modelle Genware, LaCafetière, bennet-shop und Hario Olive, die eine ähnliche Trägerkonstruktion aufweisen, wurden von der Klägerin als Nachahmungen angegriffen. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass sie konsequent gegen Nachahmungen vorgeht. Das ist im Übrigen gerichtsbekannt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.6.2020 - 6 U 66/19; Urteil vom 17.1.2019 - 6 U 205/17; Urteil vom 20.8.2009 - 6 U 146/08, juris).

Dass gleichwohl immer eine gewisse Anzahl von Nachahmungen auf dem Markt zu finden ist, ist dem besonderen Erfolg des „Chambord“-Modells geschuldet und lässt sich nicht vollständig verhindern. Von einem Verlust der wettbewerblichen Eigenart ist auch beim Vorhandensein zahlreicher Kopien auf dem Markt nicht auszugehen, solange der Verkehr noch zwischen dem Original und den Nachahmungen unterscheidet (BGHZ 138, 143, 149 - Les-Paul-Gitarren; BGH GRUR 2007, 795Rn 28 - Handtaschen). Das ist aufgrund der konsequenten Rechtsdurchsetzung durch die Klägerin hier anzunehmen. Die Übrigen von der Beklagten aufgezeigten Gestaltungen im wettbewerblichen Umfeld weisen eine andere Trägerkonstruktion auf und gefährden daher nicht die wettbewerbliche Eigenart des „Chambord“-Modells.

b) Die angegriffene Ausführungsform der Beklagten stellt jedoch keine Nachahmung des „Chambord“-Modells dar. Der Kaffeebereiter mag auf den ersten Blick gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Die Ähnlichkeiten beruhen jedoch in erster Linie auf den gemeinfreien Merkmalen eines „French Press“-Kaffeebereiters aus Glas mit Trägerkonstruktion, die die Klägerin nicht für sich allein beanspruchen kann.

aa) Eine Nachahmung liegt vor, wenn das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Hierfür ist zu prüfen, ob das angegriffene Produkt die prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalproduktes übernimmt, die dessen wettbewerbliche Eigenart ausmachen. Dabei kommt es auf die Gesamtwirkung der einander gegenüberstehenden Produkte aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers an. Von einer zumindest nachschaffenden Nachahmung ist auszugehen, wenn das Original als Vorbild einer Gestaltung erkennbar und eine Annäherung an das Originalprodukt festzustellen ist (BGH WRP 2018, 950 Rn. 50 - Ballerinaschuh).

bb) Vorliegend fehlt es an der Kombination wesentlicher prägender Merkmale des Originals, weshalb letztlich ein abweichender Gesamteindruck erzeugt wird. Der Durchschnittsverbraucher erkennt daher nicht den Chambord-Kaffeebereiter als Vorbild und stellt auch keine Annäherung fest.

Das angegriffene Produkt weist ebenfalls eine Trägerkonstruktion aus Metall mit vertikalen, nach außen in Füße übergehende Haltestreben sowie einen horizontalen Haltering auf (Merkmal 1). Die vertikalen Haltestreben gehen auch an der Unterseite in nach außen abgeknickte Füße über (Merkmal 3). Diese Übereinstimmungen reichen allerdings nicht aus, um einen vergleichbaren Gesamteindruck zu erzeugen, da die Kanne der Beklagten insgesamt eine abweichende gestalterische Wirkung erzielt. Sie weist nur drei vertikale Haltestreben auf. Durch die Beschränkung auf drei Streben entsteht eine puristischere, weniger filigrane Anmutung als beim Original. Dieser Eindruck entsteht unabhängig davon, ob der Verbraucher die Haltestreben abzählt. Da er erfahrungsgemäß nur einen undeutlichen Erinnerungseidruck von dem Original hat, wird ihm die Anzahl der Streben zwar nicht geläufig sein, gleichwohl wird ihm die puristischere Anmutung auffallen. Dieser Unterschied ist deutlich erkennbar. Außerdem verjüngen sich die vertikalen Haltestreben nicht pfeilartig am Übergang zum horizontalen Haltering (Merkmal 2). Sie verjüngen sich überhaupt nicht, sondern sind am Übergang - im Gegenteil - breiter ausgestaltet. Auch dies unterstreicht das weniger filigrane Design. Ein bogenförmiger Griff ist zwar bei der angegriffenen Form ebenfalls vorhanden (Merkmal 4). Er unterscheidet sich jedoch so deutlich von dem besonderen Griff des „Chambord“, dass eine Anlehnung fernliegt. Es fehlt auch an der Verbindung mit einer gut sichtbaren Schraube (Merkmal 5). Gänzlich anders ist der Deckel ausgestaltet. Er ist flach und weist einen flachen, stempelartigen Pressknopf auf (Merkmal 6). Durch die genannten Unterschiede entsteht ein komplett abweichender Gesamteindruck.

c) Selbst wenn man bei der angegriffenen Gestaltung von einer Anlehnung ausgehen wollte, könnte allenfalls von einer nachschaffenden Übernahme und einem sehr geringen Nachahmungsgrad ausgegangen werden. In diesem Fall würde die Gesamtabwägung dazu führen, dass keine Unlauterkeit angenommen werden kann.

aa) Eine Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 a) UWG scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil die Verpackung und der angegriffene Kaffeebereiter selbst deutlich sichtbar das „Melitta-Logo“ aufweisen. Diese Marke ist dem Verkehr bekannt und wird als Herstellerzeichen wahrgenommen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass der Verkehr die Bezeichnung „Melitta“ als bloße Handelsmarke auffassen könnte, die nicht einem anderen Hersteller, sondern nur einem Vertriebsunternehmen zuzuordnen ist. Demgegenüber sind die Originalprodukte der Klägerin sowohl an der Metallstrebe als auch auf dem Glaskolben mit „bodum“ gekennzeichnet (Anlage K1). Der Verkehr wird daher keiner Herkunftstäuschung unterliegen. Der Verkehr hat auch keinen Anlass, bei dem Zeichen „Melitta“ von einer Zweitmarke des Originalherstellers oder davon auszugehen, es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen. Die Produkte der Parteien unterscheiden sich so stark, dass eine solche Verbindung fernliegt.

bb) Auch eine unlautere Rufausbeutung nach § 4 Nr. 3 b UWG kann - entgegen der Ansicht des Landgerichts - bei Abwägung der Gesamtumstände nicht angenommen werden.

(1) Eine unlautere Rufausnutzung kann nicht nur auf einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft der Nachahmung, sondern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert. Die Frage, ob hierdurch eine Gütevorstellung im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. b Fall 1 UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen (vgl. BGH, GRUR 2017, 734Rn 66 - Bodendübel). Allerdings reicht es für eine Rufausbeutung nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (vgl. BGH, GRUR 2019, 196 Rn 23 - Industrienähmaschinen; GRUR 2013, 1052Rn 38 - Einkaufswagen III).

(2) Von einer besonderen Wertschätzung des Produkts der Klägerin bei den deutschen Verkehrskreisen kann aus den oben genannten Gründen zwar ausgegangen werden. Das Produkt der Beklagten unterscheidet sich jedoch von jenem der Klägerin so stark, dass eine Übertragung des guten Rufs ausgeschlossen erscheint. Während die Kanne der Klägerin zierlich, filigran und traditionell wirkt, handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform eher um eine moderne, puristisch-funktionale Gestaltung. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann - auch vom Standpunkt eines Verbrauchers, der die Gestaltungen nicht unmittelbar nebeneinander sieht - gerade nicht angenommen werden, dass die Gemeinsamkeiten überwiegen. Diejenigen Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart der „Chambord“-Kanne begründen, sind in der angegriffenen Form überwiegend nicht festzustellen. Der Verkehr wird aufgrund des abweichenden Gesamteindrucks der Gestaltungen keine Gütevorstellungen übertragen.

2. Da das angegriffene Produkt keine unlautere Nachahmung darstellt, stehen der Klägerin auch nicht die vom Landgericht zugesprochenen Folgeansprüche auf Schadensersatz, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Erstattung von Abmahnkosten zu.


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OLG Köln: Verpackung von Capri-Sonne / Capri-Sun weist wettbewerbliche Eigenart auf und ist vor Nachahmungen nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes geschützt

OLG Köln
Urteil vom 29.11.2019
I-6 U 82/19


Das OLG Köln hat entschieden, dass die Verpackung von Capri-Sonne / Capri-Sun wettbewerbliche Eigenart aufweist und vor Nachahmungen nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes geschützt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Ein Unterlassungsanspruch ist aus den §§ 3, 4 Nr. 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG begründet. Nach § 8 Abs. 1 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, von jedem Mitbewerber bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.

a. Dass die Beteiligten Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sind, steht außer Streit

b. Eine geschäftliche Handlung ist unzulässig, wenn sie unlauter ist. Vorliegend ist der Tatbestand der unlauteren Herkunftstäuschung erfüllt, § 4 Nr. 3a UWG. Ob daneben auch eine Rufausbeutung i.S.d. § 4 Nr. 3b UWG gegeben ist, kann dahinstehen.

c. Das Vorliegen einer unlauteren Herkunftstäuschung bestimmt sich, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, nach dem Grad der wettbewerblichen Eigenart des Originals und der Art und Weise und Intensität der Übernahme, wobei beide Kriterien zueinander im Verhältnis der Wechselwirkung stehen.

aa. Die wettbewerbliche Eigenart ist zutreffend bejaht worden. Dabei durfte das Landgericht (auch) auf die Standbeutelverpackung abstellen, weil diese die Eigenart des Produkts der Klägerin (mit) prägt. Das Landgericht hat sich – was die Beklagte rügt – zwar mit der Besonderheit der Standbeutelverpackung auseinandergesetzt und sonstige Ausstattungselemente, die den Gesamteindruck der Produktausstattung ebenfalls mitprägen können, außen vor gelassen. Dies zeigt, wie sehr die wettbewerbliche Eigenart der klägerischen Produktausstattung von der Standbeutelform dominiert wird. Es ist aber – wie die Beklagte zu Recht anführt – auf den Gesamteindruck abzustellen.

aaa. Die Form des Standbeutels mit den Merkmalen, wie im Beschluss des BPatG und im angefochtenen Urteil des Landgerichts aufgeführt, ist dabei ebenso zu berücksichtigen, wie die Gestaltung, dass nur auf einer Seite ein farblicher Aufdruck nach Art eines Aufklebers vorhanden ist, auf dem sich zur jeweiligen Sorte passende Bildelemente sowie die Marke befinden. Auch sind Zutaten und sonstige Informationen schlicht auf die Rückseite des „nackten“ Standbeutels selbst aufgedruckt, so dass sich die bunt gestaltete Schauseite deutlich von der Rückseite abhebt.

bbb. Eine solche Ausstattung für ein Saftgetränk ist geeignet, auf einen bestimmten Hersteller hinzuweisen. Das Umfeld zeigt, dass es außer dem klägerischen Produkt kein Produkt gibt, dass eine vergleichbare Ausstattung aufweist. Es gibt, wenn man das Umfeld auch auf andere Lebensmittel wie Obstmus und Joghurt erweitert, zwar eine Vielzahl von Standbeuteln. Sie unterscheiden sich bereits ausreichend durch die Form des „nackten“ Standbeutels, was erst recht aber gilt, wenn man die sonstigen Gestaltungsmerkmale mitberücksichtigt. Die Ausstattung des klägerischen Produkts weist daher von Haus aus bereits eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart auf.

ccc. Die Elemente Farbe und Graphik auf der Schauseite stehen vorliegend bei der Gesamtanmutung des klägerischen Produkts nicht im Vordergrund, weil die A/ B in verschiedenen Sorten und damit auch in verschiedenen Farbgebungen und graphischen Darstellungen auf der Schauseite auf dem Markt erhältlich ist. Die Gestaltungsmerkmale, die übergreifend alle A-Varianten gleichermaßen aufweisen und damit diese aus Sicht des angesprochenen Verkehrs maßgeblich prägen, sind vor allem die aluminiumfarbene Standbeutelverpackung mit einer farblichen Schauseite nach Art eines Aufklebers, auf der neben der Marke im oberen Drittel in der Regel Abbildungen zu finden sind, die mit der jeweiligen Geschmacksrichtung zusammenhängen und dem Aufdruck weiterer Verbraucherinformationen unmittelbar auf der aluminiumfarbenen „nackten“ Rückseite des Standbeutels. Da eine solche Aufmachung im Getränkebereich, aber auch im sonstigen Umfeld wie im Bereich Früchtemus oder Joghurtgetränke u.ä. ansonsten nicht bekannt ist, ist eine originäre wettbewerbliche Eigenart der Aufmachung zu bejahen.

bb. Der Grad der wettbewerblichen Eigenart der Gestaltung des klägerischen Produkts ist, mangels ähnlicher Aufmachungen im wettebwerblichen Umfeld, auch bereits von Haus aus als mindestens durchschnittlich anzusehen. Da das klägerische Produkt durch die Dauer und die Intensität seines Marktauftritts seit 1969 sehr bekannt ist, ist auch von einer gesteigerten und damit überdurchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart auszugehen. Der Grad der wettbewerblichen Eigenart eines Erzeugnisses kann durch seine tatsächliche Bekanntheit im Verkehr verstärkt werden (vgl. nur BGH, Urt. V. 15.1.22016 – I ZR 197/15 – Bodendübel,, in juris Rn. 43 mwN). Dies können die Mitglieder des Senats, die dem angesprochenen Verkehrskreis angehören und denen das Produkt seit Kindertagen bekannt ist, nicht nur aus eigener Anschauung beurteilen, sondern diese Feststellung wird auch durch die zur Akte gereichten GfK-Umfragen bestätigt. Auch wenn die GfK- Untersuchungen sich zum Teil nur mit dem nackten Standbeutel befassen oder auch nur Assoziationen belegen, kann man an der hohen Assoziationsrate die Bekanntheit des Produkts und seiner Gestaltung ablesen. Auf die Gfk-Gutachten kommt es im Ergebnis aber auch nicht an, weil die hohe Bekanntheit von A/Sun dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig ist.

cc. Die Beklagte vertritt lediglich die Ansicht, dass die hohe Bekanntheit im Markt nicht zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden dürfe. Denn dass die Standbeutelverpackung jahrelang in Alleinstellung auf dem Markt vertrieben wurde und die wettbewerbliche Eigenart erhöhte, beruhe nur darauf, dass die Klägerin seit 1996 bis 2014 zu Unrecht eine entsprechende Formmarke eingetragen hatte und damit ihre Konkurrenz markenrechtlich daran gehindert gewesen sei, die Form zu übernehmen.

aaa. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Dass die Marke mittlerweile gelöscht ist, führt nicht dazu, dass man deshalb im Rahmen der Prüfung der wettbewerblichen Eigenart, die nicht mehr als Marke eingetragene „nackte“ Standbeutelform als solche bei der Betrachtung außer Acht lassen müsste, damit man den ansonsten ausgelaufenen Sonderrechtsschutz nicht unzulässig verlängerte (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2015 – I ZR 107/13 – juris Rn. 22 – Exzenterzähne I). Für ein abgelaufenes Patent hat der BGH entschieden (BGH, aaO, Rn. 23 mwN):

„Unter dem Gesichtspunkt, den nach Ablauf eines Sonderrechtsschutzes freien Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten, besteht keine Veranlassung, vom abgelaufenen Sonderrechtsschutz erfassten, technisch bedingten Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen und dem Erzeugnis damit wettbewerbliche Eigenart zu verleihen. Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz ist nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als die Sonderschutzrechte ausgestaltet. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen.“

Unabhängig davon, dass der Markenschutz aufgehoben ist, ist die wettbewerbliche Eigenart, die sich nach der Verkehrsanschauung der angesprochenen Verkehrskreise bestimmt, maßgeblich und diese ist durch die Marktverhältnisse, wie sie tatsächlich vorlagen und noch vorliegen, bestimmt.

bbb. Im vorliegenden Fall ist zwar zu berücksichtigen, dass die Marke von vornherein wegen absoluter Schutzhindernisse nicht hätte eingetragen werden dürfen. Dennoch ist kein Grund ersichtlich, die Grundsätze die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „ Exzenterzähne“ getroffen und in der Entscheidung „Bodendübel“ (Urt. v. 15.12.2016 – I ZR 197/15) bestätigt hat, nicht zu übertragen. Denn auch im vorliegenden Fall gilt, dass Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen bei Formmarken und § 4 Nr. 3a UWG unterschiedlich sind. Die Formmarke ist gelöscht worden, weil ihrer Eintragung der Schutzausschließungsgrund der technisch bedingten Form entgegen stand (s. BPatG München, Beschl. v. 28.6.2017 – 26 W (pat) 63/14 -, juris Rn. 15). Zweck des Schutzausschließungsgrunds ist es, eine Monopolisierung technischer Lösungen im Wege des Markenrechts zu verhindern (vgl. BGH, aaO, - Exzenterzähne -, Rn. 14). Es sollen also solche Warenformen von der Eintragung ausgeschlossen werden, durch die nur eine technische Lösung verkörpert wird und deren Eintragung als Marke deshalb die Verwendung dieser technischen Lösung durch andere Unternehmen tatsächlich behindern würde (BGH, aaO, - Exzenterzähne -, Rn. 22 mwN).

ccc. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können hingegen unabhängig vom Bestehen von Anspüchen aus einem Sonderschutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen (zum Patent: vgl. BGH, aaO, - Bodendübel -, Rn. 21 mwN). Im Rahmen der wettbewerblichen Eigenart geht es um die Nachahmung einer Produktgestaltung und der damit verbundenen Gefahr der Herkunftstäuschung und nicht isoliert um den Schutz einer technischen Lösung, sodass Wertungswidersprüche zum Markenrecht vermieden werden. Da es bei der Frage der wettbewerblichen Eigenart darum geht festzustellen, ob eine Ware in ihrer konkreten Ausgestaltung oder durch bestimmte Merkmale dazu geeignet ist, die interessierten Verkehrskreise auf ihre betriebliche Herkunft oder ihre Besonderheit hinzuweisen (vgl. nur BGH, aaO, - Bodendübel, -, Rn. 19 mwN), kommt es auf die Frage, ob daneben zu Recht oder Unrecht eine Formmarke bestand, keine Rolle. Die Gestaltung des klägerischen Produkts ist dem Verkehr – unabhängig von der späteren Eintragung der Formmarke - bereits seit 1969 bekannt. Die konkrete Gestaltung wies von Haus aus und von Anfang an wettbewerbliche Eigenart auf. Da dem Verkehr das klägerische Produkt in dieser wettbewerblich eigenartigen Aufmachung seit Markteinführung bekannt ist und ihm vergleichbare Aufmachungen im wettbewerblichen Umfeld nicht begegnet sind, ist die Aufmachung auch in hohem Maße geeignet, den angesprochenen Verkehr auf die betriebliche Herkunft des Produkt aus einem bestimmten Betrieb hinzuweisen.

d. Bei der angegriffenen Ausstattung handelt es sich um eine nahezu identische Nachahmung. Zwar ist die Form des Standbeutels leicht S-förmig. Der Unterschied wird aber – wie vom Landgericht zutreffend festgestellt - vom Verkehr kaum wahrgenommen, weil auch der Standbeutel der Klägerin, wenn man ihn aufstellt, leicht an der Seite einknickt. Die Beklagte hat zudem nicht nur den „nackten“ Standbeutel quasi identisch übernommen, sie hat auch die sonstigen Gestaltungsmerkmale übernommen: So hat sie auch ihre Marke und die Bild- und Farbelemente nur auf der Schauseite nach Art eines Aufklebers aufgedruckt. Alle sonstigen Angaben wie Zutaten, Nährstoffangaben etc. befinden sich auf der silberfarbenen Rückseite des aluminiumfarbenen „nackten“ Standbeutels. Die Ausstattung entspricht vom Aufbau her daher fast 1:1 dem Aufbau der klägerischen Ausstattung. Auf der Schauseite ist neben dem Bildelement, das – wie bei den klägerischen Produkten - einen Hinweis auf die Geschmacksrichtung gibt, im oberen Drittel die Marke der Beklagten aufgebracht. Bis auf die Kennzeichnung selbst werden alle Gestaltungselemente in Form und Struktur übernommen.

e. Vom Grundsatz her ist es zwar anerkannt, dass eine auffällige, abweichende Herstellerkennzeichnung geeignet sein kann, der Gefahr der Herkunftstäuschung entgegenzuwirken (vgl. BGH GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste -, in juris Rn. 16 m,wN). Aber ebenso ist anerkannt, dass trotz unterschiedlicher Kennzeichung eine unlautere Nachahmung in Betracht kommen kann (vgl. BGH, aaO).

aa. Im vorliegenden Fall einer durch lange Marktpräsenz und Markterfolg gesteigerten wettbewerblichen Eigenart und einer nahezu identischen Nachahmung ist eine klare und eindeutige der Herkunftstäuschung entgegenwirkende Aufklärung erforderlich. Da der Verkehr daran gewöhnt ist, dass im Fruchsaftgetränkebereich bisher nur die Klägerin in silbernen Standbeuteln mit farblich bedruckter Schauseite und „nackter“ Rückseite Getränke vertrieben hat, könnte bereits eine unmittelbare Herkunftstäuschung in Betracht kommen, indem sich Verbraucher in erster Linie an der ihnen bekannten Standbeutelform mit der genannnten Besonderheit orientieren und – zumal es bisher nicht erforderlich war – nicht so sehr auf die Kennzeichnung achten und sich deshalb bereits vergreifen könnten.

bb. Selbst wenn man eine unmittelbare Herkunftstäuschung ablehnen würde, wäre jedenfalls die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung zu bejahen. Dabei kann zwar aus Sicht des Senats nicht darauf abgestellt werden, dass der Verkehr in der Marke der Beklagten nur eine Handelsmarke erblicken würde (vgl. BGH aaO.). Dafür ist nichts vorgetragen. Vielmehr ist unstreitig, dass die Gruppe der Beklagten nicht nur mit Getränken handelt, sondern solche gerade auch selbst herstellt. Vorliegend wird jedoch der Verbraucher, der Kindergetränke in silbernen Standbeuteln mit einer farblich gestalteten Schauseite und „nackter“ Rückseite nur von der Klägerin kennt, wegen der 1:1 Übernahme davon ausgehen, dass der Originalhersteller eine solch enge Anlehnung wie die durch das Beklagtenprodukt an seine seit Jahrzehnten verwendete und im Markt bekannte Ausstattung ohne wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindungen nicht dulden werde.

f. Mit diesem Ergebnis wird der Beklagten nicht grundsätzlich verwehrt, auf eine gemeinfreie technische Lösung zurückzugreifen, die aus ihrer Sicht technisch am sinnvollsten und effizientesten und gleichzeitig kostengünstigsten ist. Es ist ihr jedoch zuzumuten, sich in der Gesamtgestaltung so weit von dem klägerischen Produkt zu entfernen, dass eine andere Gesamtwirkung erzielt und damit eine Herkunftstäuschung vermieden wird.

2. Die Annexansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung ergeben sich aus §§ 9 UWG iVm § 242 BGB. Sie sind mit der Berufung nur dahingehend angegriffen worden, dass bereits kein Unterlassungsanspruch bestehe."


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OLG Frankfurt: Schmuck kann als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein - zur wettbewerblichen Eigenart von Modeschmuck

OLG Frankfurt am Main
Urteil vom 11.12.2018
11 U 12/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Schmuck bei Erreichen der Schöpfungshöhe als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein kann. Zudem kann Modeschmuck auch wettbewerbliche Eigenart aufweisen und so vor Nachahmungen geschützt sein.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Mit Recht ist sie vom Landgericht zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Schadensersatzzahlung und zur Erstattung von Abmahnkosten wegen des Angebotes der streitgegenständlichen Schmuckstücke aus ihrer Modellreihe "1" und des Modells "2 bunt" verurteilt worden. Das Landgericht hat nämlich mit Recht der Klage in diesem Umfang stattgegeben, weil die Produkte der Beklagten eine vermeidbare Herkunftstäuschung mit den streitgegenständlichen klägerischen Schmuckstücken aus der X Serie der Klägerin herbeiführen und daher in unlauterer Weise die Leistungsschutzrechte der Klägerin verletzen (§§ 8 I, III Nr. 1, 3, 4 Nr. 3 lit. a; 9, 12 I S. 2 UWG, § 242 BGB). Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, denen sich der Senat anschließt, kann verwiesen werden. Im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten sind lediglich folgende Anmerkungen veranlasst:

1. Den Erwägungen des Landgerichts steht nicht entgegen, dass sich die Klägerin in erster Linie auf urheberrechtliche Ansprüche gestützt hatte und dass das Landgericht insoweit die Aktivlegitimation der Klägerin offengelassen hat. Ein Gleichlauf der Aktivlegitimation für urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon deshalb abzulehnen, weil der lauterkeitsrechtliche Rechtsschutz nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als die Sonderschutzrechte ausgestattet ist.

Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht bestehen, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestandes liegen (BGH, Urteil vom 4.5.2016, Az.: I ZR 58/14 Tz. 37 - Segmentstruktur = GRUR 2017, 79, 82). Das ist hier, wie nachfolgend aufgezeigt wird, der Fall. Es spielt daher auch keine Rolle, dass die Klägerin nicht über einen designrechtlichen Schutz für ihre Produkte verfügt. Da die Klägerin Herstellerin der Originalprodukte ist, bestehen an Ihrer Aktivlegitimation für die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz keine Zweifel (BGH a.a.O.). Die Parteien stehen sich auf identischen Vertriebskanälen, nämlich u. a. im Vertrieb über den stationären Einzelhandel, als Mitbewerber gegenüber.

2. Der Verbotstatbestand des § 4 Nr. 3a UWG ist erfüllt, weil die von der Beklagten nachgeahmten Produkte der Klägerin wettbewerbliche Eigenart aufweisen und weil bei den angegriffenen Erzeugnissen der Beklagten eine vermeidbare Täuschung über deren betriebliche Herkunft entsteht.

a. Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2012, 1155 [BGH 22.03.2012 - I ZR 21/11] Rn. 19 - Sandmalkasten; GRUR 2016, 725 [BGH 19.11.2015 - I ZR 149/14] Rn. 15 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm II). Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass den von der Klägerin als Schutzgegenstand reklamierten Produkten wettbewerbliche Eigenart zukommt. Zutreffend hat das Landgericht auf den durch die prägenden Bestandteile hervorgerufenen Gesamteindruck der Produkte abgestellt (BGH GRUR 2010, 80 [BGH 28.05.2009 - I ZR 124/06], Tz. 32 - LIKEaBIKE). Es ist daher irrelevant, dass die Beklagte den einzelnen Komponenten der Halsketten eine Schutzfähigkeit abspricht.

Die eine wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale müssen vom Kläger konkret vorgetragen und vom Tatrichter festgestellt werden. Dies ist hier geschehen, wobei die Ausführungen des Landgerichts zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit und zur wettbewerblichen Eigenart in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssen.

Das Landgericht hat die wettbewerbliche Eigenart der Klagegestaltungen aus der konkreten Gestaltung und Kombination der verschiedenen Einzelelemente in Zusammenspiel mit der Farbgebung abgeleitet. Diese besteht in der durchgehenden Anordnung zweier alternierend aufgereihter, umlaufender Elemente, die jeweils durch dünne Zylinder aus Glas abgesetzt sind, wobei eines der beiden Elemente jeweils zusammengesetzt ist aus einem farbigen Würfel aus Polarisschmuck (geschliffener Kunststoff), gefolgt von einem quadratischen silber- oder goldfarbenen Metallplättchen, einem quadratischen Straßrondell und einem weiteren quadratischen Metallplättchen in derselben Farbe, während das andere Element aus einem Würfel aus geschliffenem Kristallglas besteht, der in der Farbgebung mit dem farbigen Würfel aus Polaris korrespondiert. Bei der Klagegestaltung gem. Abbildung k (i) und k (ii) orientiert sich die Farbgebung an den Farben des Regenbogens, bei den Klagegestaltungen gem. Abbildungen k (iii) kommen Rot-, Schwarz- und Grautöne zum Einsatz, bei der Klagegestaltung gem. Abbildung k (iv) werden Blau-, Schwarz-, Rosa-, und Violettfarben verwendet, bei der Klagegestaltung gem. Abbildung k (v) werden Grau-, Schwarz, Hellbraun- und Abricotfarben eingesetzt.

Damit sind die erforderlichen Feststellungen zu dem für die wettbewerbliche Eigenart maßgeblichen Gesamteindruck getroffen worden. Die dagegen erhobenen Einwände der Beklagten sind nicht berechtigt:

aa) Das Landgericht hat sich durch die Vernehmung der Einkaufsleiterin der Klägerin B davon überzeugt, dass die Klägerin erstmals im Jahr 2005 Klagegestaltungen in Verkehr gebracht hat, die in ihrer den Gesamteindruck prägenden Struktur bis zum Verletzungszeitpunkt unverändert geblieben sind. Es hat ferner die Darlegungs- und Beweislast zur Feststellung der wettbewerblichen Eigenart der klägerischen Erzeugnisse zutreffend verteilt:

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass zwar grundsätzlich der Anspruchsteller die klagebegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, zu denen auch die wettbewerbliche Eigenart des als Schutzgegenstand geltend gemachten Erzeugnisses gehört. In diesem Zusammenhang kann es aber ausreichend sein, das Produkt vorzulegen, sofern sich der Anspruchsteller berechtigterweise auf eine dem Erzeugnis innewohnende Eigenart beruft. In einem solchen Fall obliegt es dann dem Anspruchsgegner darzulegen, dass die für die Eigenart relevanten Gestaltungsmerkmale schon vorbekannt waren oder im Verletzungszeitpunkt am Markt bekannt waren, was zu einer Schwächung oder dem Wegfall der Eigenart führen kann (vgl. BGH GRUR 1998, 477, 479 [BGH 06.11.1997 - I ZR 102/95] - Trachtenjanker; OLG Köln GRUR-RR 2015, 441, 442 - VITASED; Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., Rn. 3.78 zu § 4 UWG). So liegt der Fall hier:

Die Schmuckstücke der Klägerin stellen in ihrer konkreten Gestaltung und Farbgebung keine "Allerweltsartikel" dar. Sie grenzen sich von den üblichen als Modeschmuck verkauften Würfelketten dadurch ab, dass der Gesamteindruck der klägerischen Produkte durch die immer gleich filigrane, aber nicht stereotyp wirkende Elementführung in Kombination mit der Materialwahl einen besonders wertigen Eindruck der (Mode-) schmuckstücke vermittelt. Durch die besondere Anordnung und durch die Farbgebung wird den streng geometrischen Elementen eine gewisse Leichtigkeit oder - wie es die Klägerin ausdrückt - "Lässigkeit" verliehen. Dadurch wohnt diesem Erzeugnis die Eignung inne, den angesprochenen Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb hinzuweisen.

bb. Die Beklagte hätte daher darlegen müssen, dass schon im Jahr 2005 im Markt ähnliche Schmuckketten wie die "X" etabliert gewesen waren. Das ist ihr nicht gelungen. Die Beklagte hat sich in erster Linie auf ihre eigenen Produkte bezogen, die im Anlagenkonvolut B 5 abgebildet wurden und als Muster vorgelegt worden sind. Ihr Vorwurf, das Landgericht habe sich nicht damit beschäftigt und das Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen C übergangen, ist unberechtigt. Das Landgericht hat sich vielmehr mit den Entgegenhaltungen der Beklagten auseinandergesetzt, diese aber zutreffend als von den Klageprodukten deutlich abweichende Erzeugnisse bewertet.

Dies gilt auch im Hinblick auf die Produkte der Beklagten selbst. Mit Schriftsatz vom 21. 9. 2016 hatte die Beklagte vorgetragen, sie habe schon seit 1999 "aufgereihte Regenbogenketten mit entsprechenden Elementen" vertrieben (Bl. 217), ohne aber deren Gestaltung vorzulegen. Daher blieb offen, was mit "entsprechenden" Elementen gemeint war. Mit Schriftsatz vom 10. 3. 2017 ist vorgetragen worden, der Zeuge C könne ausführlich zur Entwicklung des "Würfelkettenmarktes" berichten (Bl. 457). Diesem pauschalen und für sich gesehen unerheblichen Vortrag ist das Landgericht mit Recht nicht nachgegangen. Es bestand auch kein Anlass, die als Anlagenkonvolut B 5 vorgelegten Ketten der Beklagten in Augenschein zu nehmen. Das Landgericht hat nämlich zum Einen die Abbildungen dieser Ketten untersucht und sie mit Recht als deutlich von den Klägermodellen abweichend bewertet. Davon hat sich auch der Senat aus eigener Anschauung überzeugt. Ferner hat das Landgericht zutreffend berücksichtigt, dass eine erhebliche Marktpräsenz der Beklagten trotz gegenteiligen Vortrages der Klägerin nicht dargelegt worden ist. Hierauf geht die Berufung nicht ein, so dass sich weder Verfahrensfehler noch eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung erkennen lässt.


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BGH: Wer für ein Produkt wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht muss wettbewerbliche Eigenart konkret darlegen und beweisen

BGH
Urteil vom 16.11.2017
I ZR 91/16
Handfugenpistole
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass derjenige der für ein Produkt wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, die wettbewerbliche Eigenart konkret darlegen und beweisen muss. Zudem hat sich der BGH zu weiteren Fragen zur Darlegungs- und Beweislast in derartigen Rechtsstreitigkeiten geäußert.

Leitsätze des BGH:

a) Der Kläger, der für ein Produkt wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in Anspruch nimmt, muss zu dem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vortragen. Hierfür kann er sich Abbildungen bedienen, soweit diese die in Rede stehende Ware und deren Merkmale deutlich erkennen lassen. Im Regelfall wird der Kläger gehalten sein, dem Gericht das Schutz beanspruchende Produkt vorzulegen.

b) Hat der Kläger nachgewiesen, dass die Merkmale seines Produkts grundsätzlich geeignet sind, eine wettbewerbliche Eigenart zu begründen, ist der Beklagte für seine Behauptung darlegungs- und beweispflichtig, der Annahme wettbewerblicher Eigenart stehe der nicht nur geringfügige Vertrieb des Produkts unter fremder Kennzeichnung entgegen. Soweit der Beklagte zum Umfang der Fremdkennzeichnung nicht aus eigener Anschauung vortragen kann, obliegt dem Kläger eine sekundäre
Darlegungslast.

c) Steht fest, dass das Produkt, für das der Kläger Schutz beansprucht, in nicht nur geringfügigem Umfang unter fremder Kennzeichnung vertrieben worden ist, ist der Kläger für seine Behauptung darlegungs- und beweispflichtig, bei der Fremdmarke
handele es sich nicht um eine Herstellermarke, sondern um eine für die wettbewerbliche Eigenart unschädliche Handelsmarke.

BGH, Urteil vom 16. November 2017 - I ZR 91/16 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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LG Köln: Kugelförmiges Behältnis von EOS lip balm genießt wettbewerbliche Eigenart und ist vor Nachahmungen durch Mitbewerber geschützt

LG Köln
Urteil vom 24.01.2017
33 O 175/16


Das LG Köln hat entschieden, dass das kugelförmiges Behältnis von EOS lip balm wettbewerbliche Eigenart genießt und vor Nachahmungen durch Mitbewerber geschützt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Antragstellerin hat gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch auf die unter Ziffer 1. a) der einstweiligen Verfügung tenorierte Unterlassungsverpflichtung aus §§ 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 3 a) UWG. Denn die Antragsgegnerin hat durch Angebot und Vertrieb des angegriffenen Lippenpflegeprodukts § 3 Abs. 1 UWG zuwidergehandelt. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG handelt gemäß § 4 Nr. 3 a) UWG insbesondere, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt wird. Gemäß § 4 Nr. 3 UWG kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, zitiert nach juris).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der Vertrieb des angegriffenen Lippenpflegeprodukts der Antragsgegnerin als wettbewerbswidrig:

Das von der Antragstellerin unter der Bezeichnung „eos lip balm“ in einem kugelförmigen Behältnis vertriebene Lippenpflegeprodukt ist wettbewerblich eigenartig.

Eine wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, zitiert nach juris). Dabei können einzelne Gestaltungsmerkmale in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, wenn sie den Gesamteindruck des Erzeugnisses bestimmen (BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 34, zitiert nach juris).

Die wettbewerbliche Eigenart des unter der Bezeichnung „eos lip balm“ hergestellten und vertriebenen Lippenpflegeprodukts der Antragstellerin ergibt sich aus der konkreten Kombination der Einzelmerkmale dieses Produkts: Es wird in einem rundlichen bis leicht ovalen Kunststoff-Behälter vertrieben, der unten abgeflacht ist und auf dieser abgeflachten Stelle stehen kann. Der Behälter lässt sich in der Mitte in zwei etwa gleich große ovale Hälften aufschrauben. Im Verschlussbereich befindet sich – über den Verschlussbereich hinweggehend auf beide Behältnisteile ausgedehnt – eine etwa fingerspitzengroße „Eindellung“, deren Form und Tiefe an diejenige eines Fingerabdrucks erinnert. Im Übrigen ist der Behälter an der aufschraubbaren Stelle kreisrund. Der Behälter ist etwas größer als eine Walnuss und etwas kleiner als ein Hühnerei und von außen weich beschichtet. An der oberen Rundung befindet sich – leicht „eingraviert“ und farblich dezent von der Grundfarbe des Behältnisses abgesetzt – die Aufschrift „eos“. Öffnet man das Behältnis, befindet sich die Lippenpflegesubstanz „kuppelartig“/oval nach oben ragend in bzw. auf der unteren Hälfte des Behältnisses. Das Produkt wird sowohl auf der Produktverpackung als auch (meist) in der Werbung in geöffnetem Zustand präsentiert, so dass gerade auch diese innenliegende „Pflegesubstanz-Kuppel“ die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Antragstellerin mitbegründet. Das Produkt wird in mehreren bunten Pastellfarben angeboten, wobei je nach Behältnisfarbe auch eine andere Geschmacksrichtung des Pflegeprodukts enthalten ist. Die Antragsgegnerin hat auch nicht in Abrede gestellt, dass diese Form der Einfügung der Lippenpflegesubstanz in aufschraubbare Behältnisse zum Zeitpunkt der Einführung des Produktes der Antragstellerin innovativ und neuartig war.

Die wettbewerbliche Eigenart ist gesteigert durch die große Bekanntheit des Produktes, insbesondere in der Zielgruppe der modebewussten und ästhetisch anspruchsvollen jungen Frauen. Dies ist der Kammer sowohl aus eigener Anschauung bekannt, zudem hat die Antragstellerin die Bekanntheit durch die Vorlage der zahlreichen Rezensionen des Produkts in Modeblogs und Zeitschriften hinreichend glaubhaft gemacht. Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang insbesondere bestreitet, dass das Produkt bereits seit 2014 in Deutschland vertrieben wird und meint, die von der Antragstellerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung reiche diesbezüglich nicht zur Glaubhaftmachung aus, kann die Kammer diesem Einwand nicht folgen. Denn die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin ist dahingehend zu verstehen, dass dieser unter Ziffer 2 mit „eos Lippenbalsam“ den im Satz zuvor ganz genau bezeichneten „eos sphere lip balm“, der in Deutschland unter „eos lip balm“ vertrieben wird, meint."


Den Volltext der Entscheidung mit Abbildungen der streitgegenständlichen Produkte finden Sie hier:



BGH-Entscheidung zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der Werbung mit einen Pippi Langstrumpf-Kostüm liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 19.11.2015
I ZR 149/14
Pippi-Langstrumpf-Kostüm II
UWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 9, § 9 Satz 1

Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Werbung mit Pippi Langstrumpf-Kostüm stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar - zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur" über die Entscheidung berichtet,

Leitsätze des BGH:

a) Bei der Prüfung, ob eine literarische Figur (hier: Pippi Langstrumpf) durch Übernahme von äußeren Merkmalen in eine andere Produktart (hier: Karnevalskostüm) gemäß § 4 Nr. 9 UWG nachgeahmt wird, sind keine geringen
Anforderungen zu stellen.

b) Der Schutz der Verwertbarkeit einer fiktiven Figur außerhalb des Urheberrechts sowie der Schutz der vom Rechteinhaber im Bereich der wirtschaftlichen Verwertung dieser Figur erbrachten Investitionen ("character merchandising") in Form eines Schutzrechts über die Generalklausel nach § 3 Abs. 1 UWG ist angesichts der im Lauterkeits-, Marken- und Designrecht vorhandenen Schutzmöglichkeiten nicht geboten.

BGH, Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 149/14 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: Crocs-Schuhe weisen wettbewerbliche Eigenart auf und sind wettbewerbsrechtlich vor Nachahmungen geschützt

OLG Köln
Urteil vom 18.12.2016
6 U 45/15


Das OLG Köln hat entschieden, dass Crocs-Schuhe wettbewerbliche Eigenart aufweisen und somit wettbewerbsrechtlich vor Nachahmungen geschützt sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG zu.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 21 – LIKEaBIKE; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 14 – Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 15 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. – Kinderhochstuhl „Sit up“, jeweils m. w. N.).

[...]

3. a) Die Modelle C und M der Klägerinnen weisen wettbewerbliche Eigenart auf. Für die Annahme wettbewerblicher Eigenart genügt es, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Produkten Wert auf deren betriebliche Herkunft legt und aus deren Gestaltung Anhaltspunkte dafür gewinnen kann. Dafür wiederum ist maßgeblich, ob sich das unter Rückgriff auf vorhandene Formen und Stilelemente entwickelte Leistungsergebnis von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maß abhebt, dass hierdurch im angesprochenen Verkehr die Vorstellung ausgelöst wird, dieses Produkt stamme aus einem bestimmten Betrieb (BGH, WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 19 – Sandmalkasten; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 18 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2013, 24, 25 – Gute Laune Drops, jeweils m. w. N.). Der Gesamteindruck eines Erzeugnisses kann dabei durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf dessen Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, da diese von dem Gesamteindruck abhängt, den die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des jeweiligen Erzeugnisses vermitteln (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 34 – LIKEaBIKE; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 19 – Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 20 – Einkaufswagen III). Dabei kann auch die als neu empfundene Kombination bekannter Gestaltungselemente eine wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, WRP 2006, 75 = GRUR 2006, 79 Tz. 26 – Jeans I; WRP 2008, 1510 = GRUR 2008, 1115 Tz. 22 – ICON). Abzustellen ist dabei nicht auf einzelne Gestaltungsmerkmale, sondern auf den durch seine prägenden Merkmale hervorgerufenen Gesamteindruck des jeweiligen Produkts (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 32 – LIKEaBIKE; Senat, WRP 2013, 1500 = GRUR-RR 2014, 65, 66 –
Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, können allerdings aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher technisch notwendiger Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich (außerhalb eines Sonderrechtsschutzes) nicht zu beanstanden. Dagegen können Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber frei wählbar oder austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, wettbewerbliche Eigenart (mit-) begründen (BGH, WRP 2008, 1234 = GRUR 2008, 790 Tz. 36 – Baugruppe; WRP 2009, 1372 = GRUR 2009, 1073 Tz. 13 – Ausbeinmesser; WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 27 – LIKEaBIKE; WRP 2010, 1465 = GRUR 2010, 1125 Tz. 22 – Femur-Teil; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 29 – Sandmalkasten). Auch unter dem Gesichtspunkt, den freien Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten, besteht kein Anlass, beliebig kombinier- und austauschbaren Merkmalen eine herkunftshinweisende Eignung im Sinne des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes von vornherein abzusprechen (BGH, WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 19 f. – Regalsystem).

Auf dieser Grundlage hat das Landgericht den Modellen der Klägerinnen rechtsfehlerfrei wettbewerbliche Eigenart zuerkannt. Auch die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung Wettbewerber Produkte mit einer auch nur ähnlichen Gesamtwirkung angeboten haben (vgl. auch OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2009, 142 – Crocs, zur bereits damals hohen Bekanntheit der Produkte der Klägerinnen). Die Löcher im Oberteil mögen technisch bedingt sein, um eine gewisse Luftzirkulation zu erlauben, ihre konkrete Ausgestaltung und Anordnung ist jedoch nicht zwingend vorgegeben. In ihrer konkreten Ausprägung sind sie daher ebenfalls geeignet, den Gesamteindruck des Produkts der Klägerinnen mitzubestimmen. Gleiches gilt für die Ausgestaltung des Oberteils („Clogform“) und des Fersenriemens.

b) Die Bekanntheit der Modelle der Klägerinnen, die das Landgericht auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme über die mit ihm erzielten Umsätze angenommen hat, wird von der Beklagten in der Berufung im Ergebnis nicht in Abrede gestellt. Soweit sie meint, dies beruhe auf der Vermarktung unter den Zeichen der Klägerinnen, so ist es unerheblich, worauf der Erfolg der Modelle ursächlich zurückzuführen ist. Entscheidend ist allein, dass sie den Verbrauchern – auch aufgrund der (senatsbekannten) „Omnipräsenz“ der Produkte der Klägerinnen – bekannt sind und diese sie zutreffend den Klägerinnen zuordnen. Vor diesem Hintergrund ist hier für das Modell C im Ausgangspunkt eine auf sehr hoch oder weit überdurchschnittlich gesteigerte wettbewerbliche Eigenart anzunehmen, für das in geringerem Umfang vertriebene Modell M ist immer noch eine hohe oder überdurchschnittliche wettbewerbliche Eigenart anzunehmen.

c) aa) Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann verloren gehen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt, beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen, nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, WRP 2007, 1455 = GRUR 2007, 984 Tz. 24 – Gartenliege). Der Anspruch aus § 4 Nr. 9 UWG entfällt aber nicht bereits dadurch, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH, GRUR 1985, 876, 878 – Tchibo/Rolex I; WRP 2005, 878 = GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; Senat, GRUR-RR 2003, 183, 185 – Designerbrille; GRUR-RR 2008, 166, 168 – Bigfoot; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9.26).

Dabei ist es Sache des Anspruchsgegners, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass die in Rede stehenden Merkmale einzeln oder auch in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt oder inzwischen üblich geworden sind (BGH, WRP 1998, 377 = GRUR 1998, 477, 479 – Trachtenjanker; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9.78). Insbesondere muss er dabei die Marktbedeutung von Produkten darlegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will (BGH, WRP 2005, 878 = GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; Senat, GRUR-RR 2008, 166, 168 – Bigfoot; WRP 2013, 1500 = GRUR-RR 2014, 65, 67 – Pandas; GRUR-RR 2014, 25, 28 – Kinderhochstuhl „Sit-Up“). Dazu ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, Absatzzahlen der Wettbewerber zu benennen, die dem Anspruchsgegner in der Regel nicht bekannt sein werden. Bei der Prüfung der „hinreichenden Bekanntheit“ des nachgeahmten Produkts kann diese nicht nur aus hohen Absatzzahlen, sondern auch aus entsprechenden Werbeanstrengungen abgeleitet werden (Senat, GRUR-RR 2004, 21, 23 – Küchen-Seiher m. w. N.). Diese Grundsätze lassen sich auch auf die hier zu beurteilende Frage der Marktbedeutung von Produkten des wettbewerblichen Umfelds übertragen (Senat, GRUR-RR 2014, 494, 497 – Freischwinger-Stuhl).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Vertrieb anderer Nachahmungsprodukte berufen kann, solange Ansprüche wegen des Vertriebs dieser Produkte nicht durch Verwirkung untergegangen sind (BGH, WRP 2007, 1455 = GRUR 2007, 984 Tz. 27 – Gartenliege; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2009, 142, 144 – Crocs; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9.26). Die Klägerinnen haben dargelegt, dass sie gegen von ihnen als Nachahmungen ihrer Modelle angesehene Produkte vorgehen, so zum Beispiel gegen die Produkte „Deichmann Sahara“, „Dockers by Gerli“, „WOZ“ oder „Holey Soles“, wie auch durch die zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf, die von den Klägerinnen erwirkt worden ist, belegt wird. Die Klägerinnen haben ferner ein Konvolut von einstweiligen Verfügungen und Unterlassungserklärungen (Anlage K 21, Bl. 290 ff. d. A.) vorgelegt, dem die Beklagte inhaltlich nicht entgegengetreten ist, und das belegt, dass die Klägerinnen wegen des Vertriebs von Nachahmungsprodukten vorgehen. Betroffen sind u. a. die Unternehmen „Schuhimport und Export Gerli GmbH“ (Bl. 296 d. A.), „real SB Warenhaus GmbH“ (Bl. 299 d. A.) und „Rossmann GmbH“ (Bl. 308 d. A.), deren Produkte auch im vorliegenden Rechtsstreit als Umfeldprodukte herangezogen worden sind.

Soweit die Klägerinnen auf diese Weise bewirken, dass Nachahmungsprodukte vom Markt genommen werden, verhindern sie bereits die Schwächung der wettbewerblichen Eigenart ihrer Produkte. Selbst wenn ihnen dies nicht in jedem Fall gelungen sein sollte, ist bei dieser Sachlage die Beklagte daran gehindert, sich auf eine dennoch eingetretene Schwächung der wettbewerblichen Eigenart zu berufen (OLG Düsseldorf, a. a. O.). Es genügt daher grundsätzlich nicht, wenn sich die Beklagte gegenüber von den Klägerinnen vorgetragenen Rechtsverfolgungsmaßnahmen gegen Produkte des Umfelds „mit Nichtwissen“ erklärt. Für den Vertrieb solcher Produkte, die die wettbewerbliche Eigenart schwächen sollen, ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Wenn sich die Klägerinnen darauf berufen, sie hätten den Vertrieb solcher Produkte unterbunden, kann sie allenfalls eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Einzelheiten ihres Vorgehens treffen, der sie jeweils nachgekommen sind. Es ist dann wieder Sache der Beklagten, entweder den Vortrag der Klägerinnen zu widerlegen oder vorzutragen, warum trotz solcher Maßnahmen ein Vertrieb der betreffenden Produkte in relevantem Umfang stattfindet."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Werbung mit Pippi Langstrumpf-Kostüm stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar - zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur

BGH
Urteil vom 19.11.2015
I ZR 149/14
Pippi-Langstrumpf-Kostüm II


Der BGH hat sich mit der Frage befasst, ob Pipi Langstrumpf aus wettbewerbsrechtlicher Sicht gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm im Rahmen einer Werbung für Karnevalskostüme geschützt ist. Der BGH hat dies verneint und entschieden, dass diese Werbung zulässig ist.

( Siehe zum Thema auch aus urheberrechtlicher Sicht "BGH: Pipi Langstrumpf-Entscheidung liegt im Volltext vor - zulässige freie Benutzung bei Werbung im Kostüm einer literarische Figur zu Karnevalszwecken" )

Die Pressemitteilung des BGH:

Zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, ob eine bekannte literarische Figur wettbewerbsrechtlich gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm geschützt ist.

Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten im Januar 2010 die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit dem Karnevalskostüm verkleidet waren. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.

Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt, über Rechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen, ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung Nr. 127/2013).

Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil auch im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG* ergebe. Die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm stelle zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar. Besondere Umstände, die dieses Verhalten unlauter erscheinen ließen, seien aber nicht gegeben. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide ebenso aus wie eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Ein Anspruch gemäß § 4 Nr. 9 UWG scheidet aus. Zwar kann auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen. Es fehlt jedoch vorliegend an einer Nachahmung. An eine Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestehen zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliegt.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG** zu. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke besteht. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel sind gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt. Der Klägerin steht es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 10. August 2011 - 28 O 117/11

OLG Köln - Urteil vom 24. Februar 2012 - 6 U 176/11

BGH - Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 52/12 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I

OLG Köln - Urteil vom 20. Juni 2014 - 6 U 176/11

Karlsruhe, den 19. November 2015

§ 4 Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen

Unlauter handelt insbesondere, wer

...

9. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,

b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt ...

§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

OLG Hamm: Le-Pliage-Taschen des Hersteller Longchamp weisen wettbewerbliche Eigenart auf und sind so durch das Wettbewerbsrecht vor Nachahmungen geschützt

OLG Hamm
Urteil vom 16.06.2015
4 U 32/14

Das OLG Hamm hat entschieden, dass Le-Pliage-Taschen des Hersteller Longchamp wettbewerbliche Eigenart aufweisen und so durch das Wettbewerbsrecht vor Nachahmungen geschützt sind. Ähnliche Taschen und Plagiate dürfen daher nicht angeboten werden.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

"Le-Pliage"-ähnliche Taschen dürfen nicht verkauft werden

Dortmunder Einzelhändlerin darf keine Handtaschen verkaufen, die Handtaschen der "Le-Pliage"-Serie des französischen Herstellers Longchamp ähnlich sehen. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16.06.2015 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Der klagende französische Hersteller vertreibt über ein deutsches Tochterunternehmen unter der Bezeichnung "Le-Pliage" seit langen Jahren Taschen in verschiedenen Formen und Farben. Eine Tasche dieser Serie ist Presseberichten zufolge unter anderem von der Ehefrau des Sohnes des britischen Thronfolgers getragen worden. Die beklagte Inhaberin eines Einzelhandelsgeschäfts in Dortmund bietet Taschen eines anderen Herstellers an, die nach Auffassung der Klägerin eine unzulässige Nachahmung der Handtaschen der "Le-Pliage"-Serie darstellen. Die dies bestreitende Beklagte lehnte es ab, den Verkauf der von der Klägerin beanstandeten Taschen einzustellen.

Nach der Entscheidung des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm hat die Beklagte den Verkauf der streitgegenständlichen Taschen zu unterlassen und der Klägerin für bisherige Verkaufsgeschäfte Schadensersatz zu leisten. Die von der Beklagten vertriebenen Taschen seien, so der Senat, eine wettbewerbswidrige Nachahmung der "Le-Pliage"-Handtaschen. Mit den "LePliage"-Handtaschen
sei die Klägerin bereits seit 1994/1995 auf dem deutschen Markt vertreten. Auch heute noch wiesen die Taschen in Form, Farbe, Gestaltung und Material Produktmerkmale auf, die ihre wettbewerbliche Eigenart
begründeten. Das habe die Beklagte nicht widerlegen können. Die von der Beklagten vertriebenen Taschen stellen eine nahezu identische Nachahmung der "Le-Pliage"-Handtaschen der Klägerin dar. Die im Detail vorhandenen Unterschiede rechtfertigten angesichts der Übereinstimmung der grundlegenden
Gestaltungsmerkmale keine andere Bewertung.

Mit dem Vertrieb der Taschen der Beklagten werde auch über die Herkunft des Produkts getäuscht. Ein durchschnittlicher Verbraucher gehe aufgrund der Übereinstimmungen auch bei den Taschen der Beklagten davon aus, dass es sich um die ihm bekannten Produkte der Klägerin oder um Produkte eines mit der Klägerin geschäftlich verbundenen Herstellers handele. Die Gefahr einer Herkunftsverwechslung werde auch durch den Kaufpreis nicht beseitigt. Mit 24,95 EUR liege der Preis für die Taschen der Beklagten zwar deutlich unter dem einer Tasche aus dem Sortiment der Klägerin. Insoweit liege es allerdings nahe, dass ein Verbraucher mit einer Tasche der Beklagten die Vorstellung verbinde, es handele sich um eine günstigere Modellvarianteaus dem Hause der Klägerin oder um ein günstiges Lizenzprodukt.

Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16.06.2015 (4 U 32/14), nicht rechtskräftig."



OLG Köln: Katjes Tappsy vs Haribo Pandas - Zwar wettbewerbliche Eigenart des Katjes Produkts aber genügender Abstand des Haribo Produkts

OLG Köln
Urteil vom 26.07.2013
6 U 28/13


Das OLG Köln hat den Antrag des Fruchtgummi-Herstellers Katjes gegen den Fruchtgummi-Hersteller Haribo wegen des Haribo-Produkts Pandas zurückgewiesen. Zwar weißt die Gestaltung der Verpackung des Katjes-Produkts Tappsy wettbewerbliche Eigenart, jedoch weicht die Haribo-Verpackung ausreichend ab, so dass keine unlautere Rufausbeutung vorliegt.

Den Volltext der Entscheidung (mit Produktabbildungen) finden Sie hier: