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LG Hamburg: Adblocker sind aus urheberrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden - Axel Springer hat keinen Unterlassungsanspruch gegen Adblock Plus-Anbieter

LG Hamburg
Urteil vom 14.01.2022
308 O 130/19


Das LG Hamburg hat entschieden, dass Adblocker aus urheberrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sind. Axel Springer hat daher keinen Unterlassungsanspruch gegen den Adblock Plus-Anbieter.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gem. § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu.

1. Es liegt keine unberechtigte Vervielfältigung und/oder Umarbeitung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen i.S.d. §§ 69a, 69c Nr. 1 und 2 UrhG vor.

a. Es kann offenbleiben, ob die Dateien, die beim Abruf der Webseiten der Klägerin bzw. ihrer Tochterfirmen an die Nutzer übermittelt werden, als Computerprogramme i.S.d. § 69a UrhG geschützt sind.

b. Auch kann dahinstehen, ob die Klägerin hinsichtlich dieser Programme über ausschließliche Nutzungsrechte verfügt und damit aktivlegitimiert ist.

c. Jedenfalls haben die Beklagten die Rechte der Klägerin an den Programmen zur Erstellung der Webseiten nicht verletzt. Die Beklagten sind nicht – gemeinsam mit dem jeweiligen Nutzer – Mittäter einer Urheberrechtsverletzung.

aa. Es liegt keine unberechtigte Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG vor. Zwar werden bei Abruf der Seiten der Klägerin die HTML-Datei und weitere Elemente in den Arbeitsspeicher des Nutzers geladen. Insoweit erfolgt die Speicherung aber mit der Einwilligung der Klägerin. Wer eine Webseite bereitstellt, erklärt sich damit einverstanden, dass die entsprechenden Programme von den Servern des Webseitenbetreibers – und zum Teil von Drittservern – abgerufen und im Arbeitsspeicher des Nutzers abgespeichert werden. Das Anbieten von Webseiten ist gerade darauf ausgerichtet, dass sie von Nutzern aufgerufen werden. Zu den hierfür zwingend notwendigen Zwischenschritten gehört die Zwischenspeicherung der vom Webseitenbetreiber bereitgestellten Dateien beim Nutzer. Auch Nutzer, die die Seiten der Klägerin aufrufen und dabei das Programm " A. Plus" verwenden, sind zur Speicherung der Dateien berechtigt. Indem der Nutzer die Dateien durch Aufruf der Webseite abruft und die Dateien – wie von der Klägerin für den Fall des Webseitenaufrufs vorgesehen – von den Servern der Klägerin – bzw. Drittservern – übermittelt werden, kommt eine konkludente Vereinbarung darüber zustande, dass der Nutzer die Dateien speichern darf. Da die Dateien selbst unverändert bleiben, greift an dieser Stelle auch noch kein etwaiger Vorbehalt in Bezug auf Abweichungen vom intendierten Programmablauf. Darauf, ob die Zulässigkeit der unveränderten Speicherung der Dateien auch aus § 69d Abs. 1 UrhG und/oder § 44a UrhG folgt, kommt es somit nicht an.

bb. Die im Anschluss an das Speichern des Webseitenprogramms erfolgenden Vorgänge, die durch " A. Plus" erzeugt werden und die dazu führen, dass Werbung ausgeblendet wird, stellen keine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG dar. § 69c Nr. 2 UrhG gewährt dem Inhaber der Rechte an einem Computerprogramm ein umfassendes Umarbeitungs- und Bearbeitungsrecht unter Einschluss des Rechts, das Ergebnis einer Umarbeitung zu vervielfältigen. § 69c Nr. 2 UrhG nennt als Oberbegriff in wörtlicher Übernahme des entsprechenden Wortlauts der Computerprogrammrichtlinie und der internationalen Konventionen die "Umarbeitung" und fasst darunter in S. 1 beispielhaft die Übersetzung, Bearbeitung und das Arrangement. Es handelt sich dabei um ein weit gefasstes Recht, dem alle Abänderungen eines geschützten Computerprogramms unterfallen (Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 15; Spindler in Schricker/Loewenheim, UrhG, 20. Aufl., § 69c Rn. 14; vgl. auch BGH GRUR 2000, 866, 868 – Programmfehlerbeseitigung)

Die seitens der Klägerin übermittelten Dateien (u.a. HTML-Dokument) werden durch das Programm " A. Plus" nicht geändert. Das Programm hat aber Auswirkungen auf die Datenstrukturen, die vom Browser erzeugt werden. Unstreitig werden der DOM-Datenbaum und – in der Variante des "Element Hiding" – auch die CSS-Datenstrukturen (u.a. CSSOM) jedenfalls anders erstellt als dies von der Klägerin intendiert ist. In der Variante des Nichtabrufs von Werbung fehlt im DOM-Baum der entsprechende Inhalt (z.T. kommt es in der Folge auch zu "Ersatzhandlungen", Anlage K 27, S. 49). In der Variante des "Element Hiding" stellt " A. Plus" Formatierungsvorgaben (CSS) bereit, die die CSS-Datenstrukturen verändern, was auch zur Folge hat, dass an DOM-Elemente die durch " A. Plus" eingefügten CSS "angehängt" (so die Formulierung im Gutachten in der Anlage K 27) werden.

Bei den durch " A. Plus" bewirkten Handlungen, die sich auf die Datenstrukturen auswirken, handelt es sich nicht um Umarbeitungen i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. Vielmehr sind die Abläufe als Eingriffe in den Ablauf des Programms zu werten, die nicht von § 69c Nr. 2 UrhG erfasst sind.

(1) Eine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG liegt nur bei einem Eingriff in die Programmsubstanz vor (so Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl., § 69c Rn. 22; Spindler in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 14; Spindler CR 2012, 417, 418 ff; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 16; LG München MMR 2015, 660, 668; vgl. auch OLG Köln Urt. v. 24.6.2016 – 6 U 149/15, BeckRS 2016, 11628 Rn. 45; a.A. Hans.OLG GRUR-RR 2013, 13, 15 - Replay PSP). Externe Befehle, die in den Programmablauf eingreifen, stellen keine Umarbeitung dar (vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl., § 69c Rn. 22). Bereits der Wortlaut von § 69c Nr. 2 UrhG spricht dafür, dass als Umarbeitung nur eine Änderung der Programmsubstanz anzusehen ist. Die in der Norm genannten Beispiele (Übersetzung, Bearbeitung und Arrangement) zielen auf eine Veränderung des Codes bzw. seiner Struktur ab. Auch bei einer Übersetzung wird nicht lediglich der Programmablauf geändert, sondern es wird der Code in eine andere Form (etwa Quellcode in Objektcode und umgekehrt) übertragen. Eine Auslegung, die bereits eine Veränderung des Programmablaufs als Umarbeitung wertet, würde dazu führen, dass jede durch Dritte erfolgende Steuerung der Funktionalitäten einer Software zustimmungsbedürftig wäre. Dies würde das von der Richtlinie 2009/24/EG (Erwägungsgrund 15) verfolgte Ziel konterkarieren, die Verbindung und das Zusammenwirken aller Elemente eines Computersystems, auch solcher verschiedener Hersteller, zu ermöglichen (vgl. Spindler CR 2012, 417, 420 f.). Auch würde es einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Handlungsfreiheit des Nutzers darstellen, wenn es nicht seiner Entscheidung obliegen würde, ob und wie er ein legal erworbenes Programm ausführt, solange er das Programm selbst nicht verändert (in diesem Sinne auch OLG Köln, Urt. v. 24.6.2016, Az. 6 U 149/15, BeckRS 2016, 11628, Rn. 45; vgl. auch § 69d Abs. 3 UrhG). Auch Browserfunktionen wie die Optionen, keine Bilder zu laden, JavaScripte zu deaktivieren oder Pop-Ups oder Tracking zu blockieren, wären sonst – soweit das Vorliegen eines bestimmungsgemäßen Gebrauchs i.S.d. § 69d Abs. 1 UrhG zu verneinen ist – von einer Einwilligung des Webseitenbetreibers abhängig. Schließlich würde durch den Schutz auch des Ablaufs eines Programms über die §§ 69a ff. UrhG faktisch auch den Ergebnissen des Ablaufs ein Schutz zukommen, der ansonsten in Entstehung und Umfang davon abhängt, welches Ergebnis erzeugt wird (z.B. Filmwerk, Laufbilder, Multimediawerk etc., vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl., § 69g Rn. 2 ff.).

(2) Die Substanz der seitens der Klägerin bereitgestellten Dateien (u.a. HTML-Datei) bleibt unberührt.

(3) Das Programm " A. Plus" führt auch dann nur zu Änderungen des Ablaufs, wenn im Folgenden zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass die Webseitenprogrammierung auch jenseits der JavaScripte Anweisungen und nicht lediglich "Vorschläge" (so die Beklagtenseite) enthält. Unter Ablauf ist vorliegend die Ausführung der in der Webseitenprogrammierung enthaltenen Anweisungen an den Browser zu verstehen, die steuern, wie der Browser die Webseite erstellt, wozu als Zwischenschritte auch die Erstellungen von Datenstrukturen (wie DOM-Baum, CSSOM etc.) gehören. Die Programmierung der Webseiten erfolgt mit Blick darauf, dass sie vom Browser verarbeitet wird, da nur die Interaktion mit dem Browser zur Darstellung der Webseite auf dem Bildschirm des Nutzers führen kann. Die Webseitenprogrammierung enthält daher Anweisungen an den Browser, etwa in Form von JavaScript-Elementen, die die Erstellung des DOM-Baums durch den Browser beeinflussen bzw. den DOM-Baum nach der initialen Erstellung verändern. Der Nutzer initiiert den Prozess der Erstellung der Datenstrukturen zunächst nur dadurch, dass er – erlaubter Weise (s.o.) – die Dateien der Klägerin (HTML-Datei etc.) von den Servern der Klägerin und ggf. Dritten abruft. Durch den Einsatz von " A. Plus" greift der Nutzer dann in den Ablauf des Prozesses der Webseitenerstellung ein. Wie bereits oben erwähnt, geschieht dies in zwei Varianten: In einer Variante wird die Ausführung von Anweisungen der Webseitenprogrammierung an den Browser (zum Herunterladen von Ressourcen vom Ad-Server) verhindert und in der anderen Variante werden Anweisungen (Stilvorgaben) an den Browser erteilt, die den Vorrang vor den in der Webseitenprogrammierung (bestehend u.a. aus HTML5-Datei, CSS-Datei und JavaScripten) enthaltenen Anweisungen erhalten.

(a) In der Variante des Nichtanzeigens von Werbung greift der Nutzer mittels " A. Plus" in den Prozess der Webseitenerstellung ein, indem " A. Plus" den Download von Ressourcen von Ad-Servern dadurch blockiert, dass das Programm den Browser dazu veranlasst, vor der Ausführung jedes Abrufbefehls zu prüfen, ob ein Download erfolgen soll, und im Fall, dass die in den Filterlisten hinterlegten Filterregeln greifen, den Abruf zu unterlassen. Dadurch verhindert "AdBock Plus", dass der DOM-Baum in der Weise gestaltet wird, wie dies vom Webseitenersteller beabsichtigt ist (d.h. die vom Webseitenersteller intendierte "Manipulation" des DOM-Baums durch die nachzuladende Ressource unterbleibt, vgl. S. 54 des Gutachtens in der Anlage K 57). Auch wenn der DOM-Baum noch zahlreiche Befehle enthalten sollte, die zu einer Reaktion auf bestimmte Ereignisse – etwa die Position des Mauszeigers auf dem Bildschirm oder eine längere Inaktivität des Nutzers – führen (vgl. S. 10 ff. des Gutachtens in der Anlage K 79), und der DOM-Knotenbaum vom von der Klägerin beauftragten Gutachter als Übersetzung des HTML-Dokuments bewertet wird (vgl. S. 23 des Gutachtens in der Anlage K 80 mit Verweisen auf die vorangegangenen Gutachten), ist der DOM-Baum doch keine "Übersetzung" i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG (worunter etwa die Übertragung des Programms aus dem Quellcode in den Objektcode und umgekehrt oder die Übertragung in eine andere Programmsprache fallen, vgl. Spindler in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 13), sondern jedenfalls teilweise bereits ein – temporäres – Zwischenergebnis der Ausführung der Webseitenprogrammierung, weil auch nach dem Vortrag der Klägerseite bereits bei der initialen Erzeugung des DOM-Baums JavaScripte ausgeführt werden, die die Erstellung beeinflussen (s. S. 5 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 05.08.2020, Bl. 316 d.A., unter Verweis auf S. 47 ff. des Gutachtens in der Anlage K 57, und S. 2 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 14.04.2021, Bl. 458 d.A.; s. auch S. 3, S. 6 ff. und S. 22 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2020, Bl. 401, 404 ff., 420 d.A.; anders noch S. 12 der Klagerwiderung, Bl. 90 d.A.). Auch nach der erstmaligen Erstellung des DOM-Baums führen JavaScripte zur Änderung des DOM-Baums (vgl. S. 18 ff. des Gutachtens in der Anlage K 79 der Gutachter spricht insoweit von einem "lebendigen" Konstrukt). Entsprechend kann auch laut Gutachten in der Anlage K 80 (dort S. 44) eine Rückübersetzung nicht den syntaktisch gleichen Text wie das Original erzeugen (wohingegen laut Gutachten aber bei einer Rückübersetzung in eine HMTL-Dokument die "Semantik" erhalten bleibe). Der DOM-Baum ist aufgrund dessen, dass er bereits ein Zwischenergebnis der Ausführung der Webseitenprogrammierung ist und damit nicht nur geringfügige Abweichungen (vgl. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 15) vom Programm der Klägerin aufweist, auch keine Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG.

(b) Die Abläufe, die in der Variante des "Element Hiding" dazu führen, dass Werbung auf dem Bildschirm nicht angezeigt wird, sind ebenfalls als Eingriffe (nur) in den Programmablauf zu werten. In dieser Variante implementiert " A. Plus" neue CSS, die dazu führen, dass bestimmte Elemente nicht angezeigt werden. Konkret wird beispielsweise beim Browser Firefox eine Datei ("elemhide.css") auf dem Rechner des Nutzers abgelegt (S. 52 des seitens der Klägerin vorgelegten Gutachtens vom 06.03.2018, Anlage K 27). Da die von " A. Plus" eingefügten CSS mit der Priorität "important" versehen sind (S. 53 f. des Gutachtens in der Anlage K 27), räumt der Browser beim Aufbau der Datenstrukturen diesen CSS den Vorrang vor den in der Webseitenprogrammierung enthaltenen CSS ein. Dabei macht sich " A. Plus" die generelle Einstellung im Browser zunutze, wonach Nutzer-CSS, die als "important" gekennzeichnet ist, vorrangig behandelt werden. Grundsätzlich kommen Nutzer-CSS nur dann zur Anwendung, wenn entsprechende CSS in der Webseitenprogrammierung fehlen. Durch die Kennzeichnung als "important" ändert sich die Rangfolge und die entsprechend gekennzeichneten Nutzer-CSS werden trotz entgegenstehender Stilanweisungen des Webseitenprogramms ausgeführt. In der Folge werden die von " A. Plus" eingefügten, in die Stilvorgaben aufgenommenen CSS (S. 64 ff. des Gutachtens in der Anlage K 27) den DOM-Elementen "angefügt". Hierfür wird eine Funktion des Browsers genutzt (S. 53 des Gutachtens in der Anlage K 27). Seit 2017 wird eine Schnittstelle des Browsers Firefox genutzt (S. 55 des Gutachtens in der Anlage K 27.). Die Datenstrukturen (CSSOM bzw. style context und damit auch der Render Tree; vgl. Gutachten in der Anlage K 57, dort S. 58) weisen in der Folge "neuen" Code auf. "Neu" bedeutet auch insoweit, dass die Datenstrukturen mit eingeschaltetem AdBlocker anders aussehen (S. 72 des Gutachtens in der Anlage K 27) als mit ausgeschaltetem Adblocker (S. 69 des Gutachtens in der Anlage K 27). Das Bereitstellen eigener, prioritärer CSS, die vom Browser verarbeitet werden, ist als Eingriff in den Ablauf zu werten. " A. Plus" setzt den an den Browser gerichteten Anweisungen, die in der Webseitenprogrammierung enthalten sind, eine eigene Anweisung entgegen. Wegen der Kennzeichnung als "important" führt der Browser beim Aufbau der Datenstrukturen als Zwischenschritt zur Darstellung der Webseite die durch " A. Plus" erteilte Anweisung und nicht die insoweit entgegenstehenden Anweisungen aus der Webseitenprogrammierung aus.

Auch beim "Element Hiding" bei Nutzung der Browser Safari/Chrome liegt kein Substanzeingriff vor. Im Gutachten in der Anlage K 27 heißt es hierzu auf S. 56 ff., dass eine Schnittstelle im sog. WebKit zum "Verstecken" von Elementen genutzt werde. Zwar führt der Privatgutachter aus, dass " A. Plus" die Stilvorlagen im CSSOM direkt verändere und die vom Webseitenersteller "intendierten Stilvorlagen" aktiv überschrieben würden. Insoweit folgt die Änderung aber daraus, dass seitens " A. Plus" eine "selector list" ("Blockierliste", S. 57 des Gutachtens in der Anlage K 27) bereitgestellt wird, die dann vom Browser angewendet wird und die dazu führt, dass die Eigenschaft "display" des entsprechenden Elements auf "none" gesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Auswirkung von " A. Plus" auf den CSSOM – und in der Folge auf die anderen Datenstrukturen (s. S. 57 des Gutachtens in der Anlage K 27: "Wird nun ein DOM-Knoten erzeugt, so bekommt er die ‚falschen‘, nicht vom Webseitenersteller intendierten Stilvorlagen ‚angehangen‘") – Folge einer den Anweisungen in der Webseitenprogrammierung entgegenlaufenden Anweisung an den Browser zum Aufbau der Datenstrukturen.

Die CSS-Datenstrukturen sind ebenfalls keine "Übersetzung" i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG und keine (Teil-)Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG. Die Klägerin spricht auch im Hinblick auf den CSSOM von einer "dynamischen Sammlung von Steuerbefehlen" (Schriftsatz vom 30.09.2020, dort S. 6, Bl. 381 d.A.). Auch jenseits des Einsatzes von " A. Plus" ändern die mit den Elementen des DOM-Knotenbaums verknüpften Steuerbefehle nicht nur den DOM-Knotenbaum, sondern auch die in dem CSSOM gesammelten Stile (ebd., s. auch S. 7 des Gutachtens in der Anlage K 79), sodass der CSSOM ebenfalls teilweise bereits das Zwischenergebnis einer Ausführung von in der Webseitenprogrammierung enthaltenen Programmbefehlen ist.

Soweit sich die Klägerseite darauf beruft, dass die Kammer im Beschluss vom 22.07.2016 (Az. 308 O 244/16) ausgeführt hat, dass eine Umarbeitung im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG vorliege, wenn " A. Plus" aktiv direkt neuen Code zur Verarbeitung durch den Browser einfüge, ist zu berücksichtigen, dass diese Beurteilung auf der Grundlage des damaligen Sachstandes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgte und es im Ergebnis hierauf nicht ankam, weil die damalige Antragstellerin ein solches direktes Einfügen von Code nicht glaubhaft gemacht hatte. Soweit den Ausführungen im genannten Beschluss zu entnehmen sein sollte, dass in jedem Fall, in dem durch einen Adblocker Code (vorliegend eine Stilvorgabe) bereitgestellt wird, der durch den Browser verarbeitet wird, ein Substanzeingriff in das Webseitenprogramm stattfindet, wird hieran nicht festgehalten.

2. Schließlich stehen der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unberechtigten Vervielfältigung der Darstellung der Webseite ("Oberflächengestaltung", S. 40 der Klagschrift) zu. Aus dem Vortrag der Klägerin folgt nicht, dass es sich bei den Gestaltungen ihrer Webseiten um geschützte Werke i.S.d. §§ 2 ff. UrhG handelt.

Die Webseiten der Klägerin sind mangels des Vorliegens einer eigenschöpferischen Leistung nicht als "Multimediawerke" als ungeschriebene Werkgattung i.S.d. § 2 UrhG (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 29.02.2012, Az. 5 U 10/10, GRUR-RS 2012, 25278; OLG Köln GRUR-RR 2010, 141, 143; Nordemann in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 2 Rn. 231; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 2 Rn. 243) geschützt. Gem. § 2 Abs. 2 UrhG sind Werke i.S.d. UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen. Wie bei Werken der angewandten Kunst i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist auch bei Multimediawerken ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung nicht erforderlich (vgl. zu Werken der angewandten Kunst BGH GRUR 2014, 175 Rn. 25 ff. – Geburtstagszug).

Die klagende Partei trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung. Sie hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll. Nähere Darlegungen sind (nur) entbehrlich, wenn sich die maßgeblichen Umstände schon bei einem bloßen Augenschein erkennen lassen (vgl. BGH GRUR 2012, 58 Rn. 24 f. – Seilzirkus). Wer sich demgegenüber zur Verteidigung auf vorbekanntes Formengut beruft, muss dies durch Vorlage von konkreten Entgegenhaltungen darlegen (vgl. BGH GRUR 2002, 958, 960 – Technische Lieferbedingungen; Nordemann in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 2 Rn. 236).

Aus dem Vortrag der Klägerseite und den als Anlagen eingereichten Screenshots der Webseiten ergibt sich nicht, dass die Gestaltung der Webseiten www. w..de, www. b..de, www. s..bild.de, www. a..de und www. c..de individuell geprägt ist. Zwar kann sich eine schutzfähige Gestaltung auch aus einer individuellen Zusammenstellung vorbekannter Elemente ergeben (vgl. BGH GRUR 2014, 772 Rn. 16 – Online-Stadtplan). Allein aus dem Umstand, dass Texte, Bilder, Grafiken, Videos und Elemente zur Einbeziehung der Nutzer (etwa zur Abgabe von Kommentaren oder zur Durchführung von Abstimmungen) kombiniert werden, folgt aber bei Webseiten keine hinreichende Schöpfungshöhe. Auch die Verwendung von Links zu weiterführenden Artikeln stellt bei Onlineangeboten keine eigenschöpferische Leistung dar. Gleiches gilt für die Einbindung von Newstickern (bei s..de, Anlage K 18, und b..de, Anlage K 21). Die Voranstellung einer Zusammenfassung (bei w..de, Anlagen K 15 und K 16, s. auch S. 7 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 22.10.2019, Bl. 198 d.A.) dient der Übersichtlichkeit, stellt aber – unabhängig davon, ob ein solches Element auch in Angeboten Dritter zu finden ist – ebenfalls keine eigenschöpferische Leistung dar, die einen Urheberrechtsschutz begründet. Soweit die Klägerin einen Vergleich mit primär funktionalen Seiten wie Registerseiten und Entscheidungssammlungen vornimmt (S. 41 der Klagschrift, Bl. 43 d.A.), folgt hieraus nicht, dass ihre Seiten auch im Vergleich zu Seiten anderer Anbieter von digitalen Verlagsangeboten einen individuellen Charakter aufweisen. Auch die Existenz von Styleguides (Anlagen K 22 und K 23) belegt für sich genommen nicht die Schutzfähigkeit der Seiten. Die Beklagten haben demgegenüber im Schriftsatz vom 24.06.2019 (dort S. 29 ff., Bl. 107 ff. d.A.) unter Verweis auf Seiten anderer Medienanbieter dargelegt, dass die von der Klägerseite zur Begründung des Vorliegens einer eigenschöpferischen Leistung angeführten Elemente (v.a. Zusammenfassungen mit Bulletpoints, Abstimmungstools und grafisch animierte News-Ticker, S. 7 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 22.10.2019, Bl. 198 d.A.) auch auf Seiten anderer Medienanbieter zu finden sind (u.a. Anlagen B 16a und B 19). Dies gilt auch für die Verwendung großformatiger, blockförmig angeordneter Grafiken auf b..de (Anlage K 21), wie die von der Beklagtenseite vorgelegten Entgegenhaltungen (Anlage B 17) zeigen. Allein in der Kombination der Merkmale liegt vorliegend noch keine eigenschöpferische Leistung, die einen Urheberrechtsschutz begründet. Offenbleiben kann daher, ob angesichts des Umstands, dass das Ausblenden der Werbung zu einer nicht nur unwesentlichen Veränderung der Webseitengestaltung führt, zugunsten des Nutzers, der die Webseite für die eigene Nutzung verändert, das Herstellungsprivileg für Bearbeitungen gem. § 23 Abs. 1 UrhG greift (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 23 Rn. 16).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH: Werbeblocker kann marktbeherrschend sein wenn Betreiber von Internetseiten keine andere wirtschaftlich sinnvolle Zugangsmöglichkeit zu Nutzern haben - Adblock

BGH
Urteil vom 08.10.2019
KZR 73/17
Werbeblocker III
GWB § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass der Anbieter eines Werbeblockers eine marktbeherrschende Stellung haben kann, wenn Betreiber von Internetseiten keine andere wirtschaftlich sinnvolle Zugangsmöglichkeit zu Nutzern haben. Die Sache wurde an das OLG München zurückverwiesen, welches sich erneut mit der Sache befassen muss. (siehe zur Vorsinstanz Volltext der Adblock-Entscheidung des OLG München liegt vor - Adblocker rechtlich zulässig )

Leitsätze des BGH:

a) Die Wettbewerbskräfte, denen sich ein auf einem zweiseitigen Markt tätiges Unternehmen zu stellen hat, das eine Dienstleistung gegenüber einer Marktseite unentgeltlich erbringt und von der anderen Marktseite Entgelte
verlangt, können in der Regel nicht ohne Betrachtung beider Marktseiten und deren wechselseitiger Beeinflussung zutreffend erfasst werden.

b) Der Anbieter einer Internetnutzern unentgeltlich zur Verfügung gestellten Software, die es ermöglicht, beim Abruf werbefinanzierter Internetangebote die Anzeige von Werbung zu unterdrücken, und der den Betreibern dieser Internetseiten gegen Entgelt die Freischaltung der blockierten Werbung durch Aufnahme in eine Weiße Liste anbietet, ist auf dem Markt der Eröffnung des Zugangs zu Nutzern, die seinen Werbeblocker installiert haben, marktbeherrschend, wenn die Betreiber dieser Internetseiten keine andere wirtschaftlich sinnvolle Zugangsmöglichkeit zu diesen Nutzern haben.

BGH, Urteil vom 8. Oktober 2019 - KZR 73/17 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Volltext BGH: Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus zulässig - auch Whitelisting gegen Bezahlung nicht unlauter

BGH
Urteil vom 19.04.2018
I ZR 154/16
Werbeblocker II
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 12 Abs. 1; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 4, § 4a Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 3 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus ist zulässig - auch Whitelisting gegen Bezahlung ist nicht unlauter über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Das Angebot einer Software, die Internetnutzern ermöglicht, beim Abruf mit Werbung finanzierter Internetangebote die Anzeige von Werbung zu unterdrücken, ist keine unlautere zielgerichtete Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG. Dies gilt auch, wenn das Programm die Freischaltung bestimmter Werbung solcher Werbetreibender vorsieht, die dem Anbieter des Programms hierfür ein Entgelt entrichten.

b) Das Angebot einer Werbeblocker-Software stellt auch keine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG gegenüber den Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung interessiert sind.

BGH, Urteil vom 19. April 2018 - I ZR 154/16 - OLG Köln - LG Köln
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus ist zulässig - auch Whitelisting gegen Bezahlung ist nicht unlauter

BGH
Urteil vom 19.04.2018
I ZR 154/16


Der BGH hat entschieden, dass das Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus zulässig ist. Auch das Whitelisting gegen Bezahlung ist nicht unlauter. Dabei hat der BGH die Interessen der Internetnutzer, des AdBlock Plus-Anbieters eyeo und der Anbieter von werbefinanzierzen Internetangeboten abgewogen. Webseitenbetreibern ist es dabei durch technische Maßnahmen zuzumuten, Nutzern von Werbeblockern den Zugriff auf die Inhalte zu verwehren.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof: Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus nicht unlauter

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat hat heute entschieden, dass das Angebot des Werbeblockerprogramms AdBlock Plus nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstößt.

Die Klägerin, ein Verlag, stellt ihre redaktionellen Inhalte auch auf ihren Internetseiten zur Verfügung. Dieses Angebot finanziert sie durch Werbung, also mit dem Entgelt, das sie von anderen Unternehmen für die Veröffentlichung von Werbung auf diesen Internetseiten erhält.

Die Beklagte vertreibt das Computerprogramm AdBlock Plus, mit dem Werbung auf Internetseiten unterdrückt werden kann. Werbung, die von den Filterregeln erfasst wird, die in einer sogenannten Blacklist enthalten sind, wird automatisch blockiert. Die Beklagte bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Werbung von dieser Blockade durch Aufnahme in eine sogenannte Whitelist ausnehmen zu lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Werbung die von der Beklagten gestellten Anforderungen an eine "akzeptable Werbung" erfüllt und die Unternehmen die Beklagte am Umsatz beteiligen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen verlangt die Beklagte für die Ausnahme von der automatischen Blockade nach eigenen Angaben keine Umsatzbeteiligung.

Die Klägerin hält den Vertrieb des Werbeblockers durch die Beklagte für wettbewerbswidrig. Sie hat beantragt, die Beklagte und ihre Geschäftsführer zu verurteilen, es zu unterlassen, ein Computerprogramm anzubieten, das Werbeinhalte auf näher bezeichneten Webseiten unterdrückt. Hilfsweise hat sie das Verbot beantragt, ein solches Computerprogramm anzubieten, wenn und soweit Werbung nur nach von der Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird.

In erster Instanz hatte die Klage keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat das mit dem Hilfsantrag begehrte Verbot erlassen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrags abgewiesen.

Das Angebot des Werbeblockers stellt keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar. Eine Verdrängungsabsicht liegt nicht vor. Die Beklagte verfolgt in erster Linie die Beförderung ihres eigenen Wettbewerbs. Sie erzielt Einnahmen, indem sie gegen Entgelt die Möglichkeit der Freischaltung von Werbung durch die Aufnahme in die Whitelist eröffnet. Das Geschäftsmodell der Beklagten setzt demnach die Funktionsfähigkeit der Internetseiten der Klägerin voraus.

Die Beklagte wirkt mit dem Angebot des Programms nicht unmittelbar auf die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen ein. Der Einsatz des Programms liegt in der autonomen Entscheidung der Internetnutzer. Die mittelbare Beeinträchtigung des Angebots der Klägerin ist nicht unlauter. Das Programm unterläuft keine gegen Werbeblocker gerichteten Schutzvorkehrungen des Internetangebots der Klägerin. Auch die Abwägung der Interessen der Betroffenen führt nicht zu dem Ergebnis, dass eine unlautere Behinderung der Klägerin vorliegt. Der Klägerin ist auch mit Blick auf das Grundrecht der Pressefreiheit zumutbar, den vom Einsatz des Programms ausgehenden Beeinträchtigung zu begegnen, indem sie die ihr möglichen Abwehrmaßnahmen ergreift. Dazu gehört etwa das Aussperren von Nutzern, die nicht bereit sind, auf den Einsatz des Werbeblockers zu verzichten.

Es liegt auch keine allgemeine Marktbehinderung vor, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Geschäftsmodell der Bereitstellung kostenloser Inhalte im Internet zerstört wird.

Das Angebot des Werbeblockers stellt auch - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - keine aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4a UWG gegenüber Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung auf den Internetseiten der Klägerin interessiert sind. Es fehlt an einer unzulässigen Beeinflussung dieser Marktteilnehmer, weil die Beklagte eine ihr durch das technische Mittel des Werbeblockers etwaig zukommende Machtposition jedenfalls nicht in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit der Marktteilnehmer zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 29. September 2015 - 33 O 132/14

OLG Köln - Urteil vom 24. Juni 2016 - 6 U 149/15 (GRUR 2016, 1089)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Nr. 4 UWG

Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.

§ 4a UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigten durch

1. Belästigung,

2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt,

3. unzulässige Beeinflussung.

Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich beeinträchtigt.

(2) Bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist, ist abzustellen auf

1.Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung;

2.die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen;

3.die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen;

4.belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln (…)



EuGH: Online-Videorecorder - Zurverfügungstellung von in einer Cloud gespeicherten Kopien von Fernsehprogrammen ohne Zustimmung des Rechteinhabers stellt urheberrechtswidrige Verwertungshandlung dar

EuGH
Urteil vom 29.11.2017
C‑265/16
VCAST Limited gegen RTI SpA


Der EuGH hat entschieden, dass die Zurverfügungstellung von in Cloud gespeicherten Kopien von Fernsehprogrammen ohne Zustimmung des Rechteinhabers eine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung darstellt.

Tenor der Entscheidung:

Die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, insbesondere ihr Art. 5 Abs. 2 Buchst. b, ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die es einem gewerblichen Unternehmen gestattet, für Private mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems eine Dienstleistung der Fernbildaufzeichnung von Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke in der „Cloud“ durch aktiven Eingriff seinerseits in die Aufzeichnung ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zu erbringen.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die Zurverfügungstellung von in einer „Cloud“ gespeicherten Kopien von Fernsehprogrammen muss vom Inhaber der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte erlaubt werden.

Diese Dienstleistung stellt nämlich eine Weiterverbreitung der betreffenden Programme dar.

VCAST ist ein englisches Unternehmen, das seinen Kunden im Internet ein System zur Fernbildaufzeichnung von terrestrisch ausgestrahlten Sendungen von italienischen Fernsehanbietern zur Verfügung stellt, darunter jene von Reti Televisive Italiane (RTI). Der Kunde wählt eine Sendung und ein Zeitfenster aus. Anschließend empfängt das von VCAST verwaltete System über seine eigenen Antennen das Fernsehsignal und zeichnet das gewählte Zeitfenster der Sendung auf einem Speicherplatz in einer „Cloud“ auf (cloud computing). Dadurch stellt es dem Kunden die Aufzeichnung der ausgestrahlten Sendungen über das Internet zur Verfügung. VCAST begehrte beim Tribunale ordinario di Torino (Gericht Turin, Italien) die Feststellung der
Rechtmäßigkeit seiner Tätigkeit. Das Unternehmen beruft sich dabei auf die Ausnahmeregelung für Privatkopien, wonach Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke keiner Erlaubnis seitens des Inhabers der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte bedürfen, sofern die Rechteinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten.

Das Tribunale ordinario di Torino hat VCAST aufgrund eines Antrags von RTI auf Erlass einer´einstweiligen Verfügung die Fortsetzung seiner Tätigkeit vorläufig untersagt. In diesem Zusammenhang hat das Tribunale vor seiner endgültigen Entscheidung beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, mit denen es im Wesentlichen wissen
möchte, ob die ohne Erlaubnis der Inhaber der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte erbrachte Dienstleistung von VCAST mit der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar ist.

In seinem heutigen Urteil führt der Gerichtshof aus, dass die von VCAST erbrachte Dienstleistung eine Doppelfunktion besitzt: Sie gewährleistet zugleich die Vervielfältigung und die Zurverfügungstellung der geschützten Werke.

Soweit die von VCAST angebotene Dienstleistung in der Zurverfügungstellung von geschützten Werken besteht, fällt sie unter die öffentliche Wiedergabe. In diesem Zusammenhang verweist der Gerichtshof darauf, dass nach der Richtlinie die öffentliche Wiedergabe eines Werks oder Schutzgegenstands einschließlich seiner Zugänglichmachung von der Erlaubnis des Rechteinhabers abhängig sein muss, wobei das Recht auf öffentliche Wiedergabe von Werken in einem weiten Sinne zu verstehen ist, der jegliche drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfasst.

Der Gerichtshof hält fest, dass die ursprüngliche Übertragung durch den Fernsehsender einerseits und die Verbreitung durch VCAST andererseits unter unterschiedlichen technischen Bedingungen nach einem unterschiedlichen Verfahren zur Verbreitung der Werke durchgeführt werden, wobei jede von ihnen für die jeweilige Öffentlichkeit bestimmt ist. Der Gerichtshof schließt daraus, dass die (Weiter-)Verbreitung durch VCAST eine von der ursprünglichen Wiedergabe unterschiedliche öffentliche Wiedergabe darstellt, für die somit eine Erlaubnis der Inhaber der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte erteilt werden muss. Folglich kann ein solcher Fernaufzeichnungsdienst nicht unter die Ausnahmeregelung für Privatkopien fallen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext der Adblock-Entscheidung des OLG München liegt vor - Adblocker rechtlich zulässig

OLG München
Urteile vom 27.08.2017
U 2225/15 Kartv


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG München: Adblocker zulässig - Keine Verstoß gegen Kartellrecht, Wettbewerbsrecht oder Urheberrecht über die Entscheidung berichtet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG München: Adblocker zulässig - Keine Verstoß gegen Kartellrecht, Wettbewerbsrecht oder Urheberrecht

OLG München
Urteile vom 27.08.2017
U 2225/15 Kart


Das OLG München hat in drei Verfahren entschieden, dass Adblocker rechtlich zulässig sind. Adblock-Software verstößt weder gegen kartellrechtliche noch wettbewerbsrechtliche oder urheberrechtliche Vorgaben. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die Pressemitteilung des OLG München.

Ad-Blocker verstoßen nicht gegen Kartell-, Wettbewerbs- und Urheberrecht

Heute hat das Oberlandesgericht München in drei Parallelverfahren über die wettbewerbs-, kartell- und urheberrechtliche Zulässigkeit einer Open Source-Software geurteilt, die Werbung auf Websites unterdrückt.

Die Klageparteien betreiben für die Nutzer kostenlose Internetseiten mit journalistischen Inhalten. Diesen Onlineauftritt finanzieren sie durch Werbung.

Die Beklagte vertreibt seit dem Jahr 2011 eine für den Nutzer unentgeltliche Open Source-Software, die der Unterdrückung von Werbeeinblendungen beim Aufruf einer Internetseite dient. Dabei besitzt das Programm der Beklagten selbst keine eigene Filter-Funktionalität, sondern muss mit Vorgaben ergänzt werden, welche Inhalte blockiert werden sollen. Diese sind in sogenannten Filterlisten ("Blacklists") enthalten, die dem Nutzer standardmäßig vorgeschlagen werden. Die Software der Beklagten ist nach dem Download so voreingestellt, dass nach ihren Kriterien ("Whitelist") als nicht störend eingestufte Werbung angezeigt werden kann. Jeder Webseitenbetreiber hat die Möglichkeit, am "Whitelisting" der Beklagten teilzunehmen und seine Seiten von ihr freischalten zu lassen. Von Betreibern größerer Webseiten verlangt die Beklagte dafür eine Lizenzzahlung.

Die Kläger haben in den Verfahren die Ansicht vertreten, dass der Einsatz der Software zu massiven Umsatzeinbußen führt, sie gezielt behindert und unlauter Druck auf sie ausübt, mit der Beklagten eine kostenpflichtige Vereinbarung über eine "Freischaltung" von Werbeinhalten abzuschließen.

Das Landgericht hat die Klagen, mit denen die Klageparteien wettbewerbs- und kartellrechtliche sowie urheberrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche geltend gemacht haben, abgewiesen.

Das Oberlandesgericht München hat mit heute verkündeten Urteilen die Berufungen zurückgewiesen. Es hat die Auffassung des Landgerichts bestätigt, dass eine gezielte Behinderung nicht vorliegt. Darüber hinaus hat es das Geschäftsmodell der Beklagten nicht als verbotene aggressive Werbung qualifiziert.

Ein kartellrechtliches Verbot wurde nicht verhängt, weil die Beklagte nicht über eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt des Zugangs zu allen Internetnutzern für Werbung verfügt.

Die von einer der Klägerinnen geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche scheitern daran, dass die Verwendung von Werbeblockern durch die Nutzer nicht rechtswidrig ist. Denn indem die Klägerin den Nutzern den ungehinderten Zugang zu ihrem Internetauftritt bei Nutzung des Werbeblockers eröffnet lässt und lediglich die Bitte geäußert hat, auf die Verwendung von Werbeblockern zu verzichten, liegt aus der Sicht der Nutzer eine (schlichte) Einwilligung vor.

Wegen einer abweichenden Entscheidung des OLG Köln zu den wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen wurde insoweit die Revision zugelassen.



BGH: Zum Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 32 UrHG

BGH
Urteil vom 16.06.2016
I ZR 222/14
Geburtstagskarawane
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 32 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2, § 32a Abs. 1 Satz 1; BGB §§ 195, 199 Abs. 1

Leitsatz des BGH:


Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) von Ansprüchen des Urhebers eines Werkes der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG), das einem Geschmacksmusterschutz zugänglich war und die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragt, auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung nach § 32 Abs. 1 Satz 3,Abs. 2 Satz 2 UrhG oder § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist auf den Schluss des Jahres 2014 hinausgeschoben.

BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 - I ZR 222/14 - OLG Schleswig - LG Lübeck

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext des Urteils des OLG Köln im Rechtsstreit Axel Spinger gegen AdBlock Plus liegt vor - Adblocker zulässig - bezahltes Whitelisting nicht

OLG Köln
Urteil vom 24.06.2016
6 U 149/15


Der Volltext des Urteils des OLG Köln im Rechtsstreit Axel Spinger gegen AdBlock Plus liegt nunmehr vor. Wir hatten bereits in dem Beitrag "OLG Köln: Springer gegen Adblock Plus - Werbeblocker grundsätzlich erlaubt - bezahltes Whitelisting und Umsatzbeteiligung nicht" über die Entscheidung berichtet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Springer gegen Adblock Plus - Werbeblocker grundsätzlich erlaubt - bezahltes Whitelisting und Umsatzbeteiligung nicht

OLG Köln
Urteil vom 24.06.2016
6 U 149/15

Das OLG Köln hat im Rechtsstreit zwischen der Axel Springer AG gegen den Anbieter des Werbeblockers Adblock Plus der Eyeo GmbH entschieden, dass Werbeblocker grundsätzlich erlaubt sind. Unzulässig ist es hingegen, wenn der Anbieter des Werbeblockers den betroffenen Seitenbetreibern die Aufnahme in die Whitelist gegen Bezahlung bzw. eine Umsatzbeteiligung anbietet.

Die Pressemitteilung des Gericht:

Springer erringt Teilerfolg gegen Adblock Plus

Im Streit um die Zulässigkeit des Internet-Werbeblockers "Adblock Plus" hat die Axel Springer AG einen Teilerfolg gegen den Kölner Anbieter der Software, die Eyeo GmbH, erreicht. Mit Urteil vom heutigen Tag hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln das klageabweisende Urteil des Landgerichts Köln teilweise zu Gunsten der Klägerin abgeändert.

Die Software kann von Internetnutzern kostenfrei heruntergeladen werden. Sie verhindert, dass bestimmte Werbeinhalte auf Internetseiten angezeigt werden. Mit Hilfe von Filterregeln werden Serverpfade und Dateimerkmale von Werbeanbietern identifiziert und geblockt ("Blacklist"). Daneben besteht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den Filtern in eine sog. "Whitelist" aufnehmen zu lassen. Standardmäßig ist das Programm so konfiguriert, dass es "einige nicht aufdringliche Werbung" zulässt und beim Nutzer anzeigt. Von den Unternehmen auf der "Whitelist" erhält die Beklagte - von größeren Webseitenbetreibern und Werbenetzwerkanbietern - eine Umsatzbeteiligung.

Die Klägerin hält das Programm für eine unlautere Behinderung des Wettbewerbs. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihr Geschäftsmodell durch die Ausschaltung der Werbung gezielt und mit Schädigungsabsicht behindere. Durch den Werbeblocker würden der Inhalt der Website und die Werbung voneinander getrennt, was mit dem Abreißen von Plakatwerbung vergleichbar sei. Die Werbung sichere aber die Finanzierung des Medienangebotes, was den Nutzern bekannt sei und von diesen stillschweigend gebilligt werde. Da die Beklagte durch den Abschluss von Whitelisting-Verträgen Einkommen erziele, habe sie ein Interesse an der Aufrechterhaltung von Werbung.

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ist der Argumentation der Klägerin teilweise gefolgt. Er hält die Blockade der Werbung als solche nicht für wettbewerbswidrig, wohl aber das von der Beklagten gewählte Bezahlmodell des "Whitelisting": Die Software sei unzulässig, wenn und soweit die Werbung nur nach vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts nicht unterdrückt wird ("Whitelist").

Die Ausschaltung der Werbung an sich stelle keine gezielte Behinderung des Wettbewerbs dar. Die Parteien seien zwar Mitbewerber, weil sie sich in einem Wettbewerb um Zahlungen werbewilliger Unternehmer befänden. Eine Schädigungsabsicht der Beklagten könne nicht vermutet werden. Anders als beim Abreißen von Plakaten werde nicht physisch auf das Produkt des Anbieters eingewirkt. Vielmehr würden der redaktionelle Inhalt der Website und die Werbung mit getrennten Datenströmen angeliefert, die als solche unverändert blieben. Es werde lediglich im Empfangsbereich des Nutzers dafür gesorgt, dass die Datenpakete mit Werbung auf dem Rechner des Nutzers gar nicht erst angezeigt werden. Es gebe aber keinen Anspruch, dass ein Angebot nur so genutzt wird, wie es aus Sicht des Absenders wahrgenommen werden soll. Auch die Pressefreiheit gebe nicht die Befugnis, dem Nutzer unerwünschte Werbung aufzudrängen.

Die "Whitelist"-Funktion ist nach Auffassung des Senats dagegen eine unzulässige aggressive Praktik im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 1 UWG. Die Beklagte befinde sich aufgrund der Blacklistfunktion in einer Machtposition, die nur durch das von ihr kontrollierte "Whitelisting" wieder zu beseitigen sei. Mit dieser technisch wirkenden Schranke hindere die Beklagte die Klägerin, ihre vertraglichen Rechte gegenüber den Werbepartnern auszuüben. Das Programm wirke nicht nur gegenüber den Inhalteanbietern wie der Klägerin, sondern auch gegenüber deren Werbekunden. Als "Gatekeeper" habe die Beklagte durch die Kombination aus "Blacklist" und "Whitelist" eine so starke Kontrolle über den Zugang zu Werbefinanzierungsmöglichkeiten, dass werbewillige Unternehmen in eine Blockadesituation gerieten, aus der diese sich sodann freikaufen müssten. Dass das Programm im Ergebnis einem Wunsch vieler Nutzer nach werbefreiem Surfen im Internet entgegen komme, ändere daran nichts. Im Ergebnis würde die Entscheidungsfreiheit werbewilliger Unternehmen erheblich beeinträchtigt. Jedenfalls größere Webseitenbetreiber und Werbevermittler würden zu Zahlungen herangezogen. Dass die Machtposition erheblich sei, zeige das Beispiel von großen amerikanischen Internetkonzernen, die nach unstreitigem Vortrag der Parteien beträchtliche Zahlungen für ein "Whitelisting" leisten.

Nach dem Inhalt des Urteils darf die Beklagte das Programm in Deutschland nicht mehr vertreiben oder bereits ausgelieferte Versionen pflegen, soweit bestimmte Webseiten der Klägerin betroffen sind. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil es um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geht. Die Klägerin kann das Urteil bis zur Rechtskraft nur gegen Sicherheitsleistung eines erheblichen Betrages vorläufig vollstrecken.

Die Entscheidung ist voraussichtlich im Laufe des 25.06.2016 im anonymisierten Volltext unter www.nrwe.de im Internet abrufbar.

Landgericht Köln: Urteil vom 29.09.2015, Az. 33 O 132/14
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 24.06.2016, Az. 6 U 149/15



LG München: Volltext des Urteils in Sachen ProSiebenSat1 gegen Werbeblocker AdBlock Plus-Anbieter eyeo GmbH liegt nunmehr vor

Der Volltext des Urteils in Sachen ProSiebenSat.1 gegen Werbeblocker AdBlock Plus-Anbieter eyeo GmbH liegt nunmehr im Volltext vor. Wir hatten bereits in dem Beitrag "LG München: Werbeblocker AdBlock Plus zulässig - Klagen von Pro7 und RTL abgewiesen - keine wettbewerbswidrige Behinderung oder urheberrechtswidrige Verwertungshandlung" über die Entscheidung berichtet.

Sie finden den Volltext der Entscheidung hier:
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LG München: Volltext des Urteils in Sachen RTL gegen Werbeblocker AdBlock Plus-Anbieter eyeo GmbH liegt nunmehr vor

Der Volltext des Urteils in Sachen RTL gegen Werbeblocker AdBlock Plus-Anbieter eyeo GmbH liegt nunmehr im Volltext vor. Wir hatten bereits in dem Beitrag "LG München: Werbeblocker AdBlock Plus zulässig - Klagen von Pro7 und RTL abgewiesen - keine wettbewerbswidrige Behinderung oder urheberrechtswidrige Verwertungshandlung" über die Entscheidung berichtet.

Sie finden den Volltext der Entscheidung hier:
RTL ./. eyeo gmbh - LG München, Urteil vom 27.05.2015, 37 O 11843/14


LG München: Werbeblocker AdBlock Plus zulässig - Klagen von Pro7 und RTL abgewiesen - keine wettbewerbswidrige Behinderung oder urheberrechtswidrige Verwertungshandlung

LG München
Urteile vom 27.05.2015
37 O 11673/14 u. 37 O 11843/14
Adblock Plus


Das LG München hat die Klagen von ProSiebenSat.1 und RTL gegen den Werbeblocker AdBlock Plus abgewiesen. Das Gericht sah richtigerweise keine wettbewerbswidrige Behinderung. Auch liegt - so das Gericht zutreffend - keine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung, wenn Nutzer Webseiten mit eingeschaltetem Werbeblocker aufrufen.

Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Auch der weitere Weg durch die Instanzen dürfte, wie schon ein Blick auf die Fernsehfee-Entscheidung des BGH (BGH, Urteil vom 24.06.2004, Az. I ZR 26/02 ) keine Aussicht auf Erfolg haben um Werbeblocker zu verhinden


Die Pressemitteilung des LG München:

"Kein Verbot von Werbeblocker-Software

Das Landgericht München I hat heute zwei Klagen deutscher Medienunternehmen (Klägerinnen) gegen die Anbieter eines Werbeblockers (Beklagten) abgewiesen.

Streitgegenständlich war ein Software-Programm, das der Nutzer im Internet kostenlos herunterladen kann. Es blockiert die Anzeige von Werbung im Internet. Internetseitenbetreiber können sich allerdings gegenüber den Beklagten vertraglich zur Einhaltung bestimmter Kriterien für sog. „akzeptable Werbung“ verpflichten, so dass deren Webseiten über sog. „Weiße Listen“ freigeschaltet werden und dort Werbung trotz aktivierten Werbeblockers erscheint. Für dieses „Whitelisting“ fordern die Beklagten von ihren Vertragspartnern teilweise ein umsatzabhängiges Entgelt.

Das Geschäftsmodell der Beklagten wurde von den Klägerinnen unter verschiedenen Gesichtspunkten des Wettbewerbsrechts, Urheberrechts und Kartellrechts angegriffen. Die 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit zwei heute verkündeten Urteilen eine Rechtsverletzung verneint. Das Angebot und der Vertrieb der Werbeblocker-Software stellen laut Gericht insbesondere keine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerinnen dar, weil es letztendlich die Internetnutzer seien, die aufgrund einer autonomen und eigenständigen Entscheidung den Werbeblocker installieren und hierdurch die Anzeige der Werbung verhindern würden. Auch liege keine Beteiligung der Beklagten an einer urheberrechtswidrigen Verwertungshandlung der Internetnutzer vor. Denn die bloße Nutzung des Angebots der Klägerinnen, die ihre Inhalte kostenlos im Internet öffentlich zugänglich machen, sei keine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung durch den einzelnen Seitenbesucher, auch wenn der Webseitenbetreiber mit der Verwendung des Werbeblockers nicht einverstanden sei. Auch einen Verstoß gegen das Kartellrecht sieht das Gericht nicht, da – jedenfalls derzeit – keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagten anzunehmen sei. Dabei sei auf den Markt der Internetnutzer abzustellen, also auf die Verbreitung des streitgegenständlichen Werbeblockers unter den Internetnutzern in Deutschland. Entscheidend sei also, dass die Klägerinnen trotz des Vertriebs des Werbeblockers durch die Beklagten immer noch eine hinreichende Zahl von Internetnutzern mit der auf ihren Webseiten gezeigten Werbung erreichen könnten.

(Die Entscheidungen unter den Aktenzeichen 37 O 11673/14 und 37 O 11843/14 sind nicht rechtskräftig.)"


BGH: Verwertungsgesellschaft hat Anspruch auf angemessene Vergütung auch wenn kein eigener Tarif für den Verwertungsvorgang aufgestellt wurde - Bochumer Weihnachtsmarkt

BGH
Urteil vom 27.10.2012
Bochumer Weihnachtsmarkt
UrhWG §§ 11, 13, 16 Abs. 1

Leitsätze des BGH:

a) Eine Verwertungsgesellschaft ist auch dann berechtigt, von einem Nutzer der von ihr wahrgenommenen Rechte die angemessene Vergütung zu verlangen, wenn sie entgegen ihrer Verpflichtung aus § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWG keinen eigenen Tarif für den fraglichen Verwertungsvorgang aufgestellt hat.

b) Der Tatrichter kann und muss sich grundsätzlich auch danach richten, was die Schiedsstelle in dem vorgeschalteten oder in vergleichbaren Verfahren nach § 16 Abs. 1 UrhWG vorgeschlagen hat; das gilt nicht nur dann, wenn es um den Abschluss oder die Änderung eines Gesamtvertrages geht (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c UrhWG), sondern auch dann, wenn bei einer Streitigkeit zwischen Einzelnutzer und Verwertungsgesellschaft die Anwendbarkeit oder Angemessenheit eines Tarifs im Streit ist (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG).
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - I ZR 175/10 - OLG Hamm - LG Bochum

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: