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LG Düsseldorf: Bei der Werbung mit einer Preisermäßigung ist der niedrigste Preis der letzten 30 Tage als Vergleichspreis maßgeblich - Aldi Süd Preis-Highlight

LG Düsseldorf
Beschluss vom 31.10.2024
38 O 182/22


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass bei der Werbung mit einer Preisermäßigung der niedrigste Preis der letzten 30 Tage als Vergleichspreis maßgeblich ist. Damit setzt das Gericht die EuGH-Rechtsprechung um (siehe dazu EuGH. Urteil vom 26.09.2024 - C-330/23).

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Bewerbung von Bananen und Ananas verstößt jeweils gegen § 11 Abs. 1 PAngV.

a) § 11 Abs. 1 PAngV schreibt (in Umsetzung von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL) vor, dass derjenige, der zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist, gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben hat, den er innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern angewendet hat.

b) Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind, beurteilt sich wie auch sonst bei Vorschriften, die (auch) eine Täuschung von Verbrauchern verhindern sollen, nach den gefestigten, ursprünglich zum Verbraucherschutzrecht entwickelten Grundsätzen, und damit nach der mutmaßlichen Erwartung eines normal informierten, verständigen und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2018 – C-44/17, Scotch Whisky Association/Michael Klotz [Rn. 45, 47]; Urteil vom 21. Januar 2016 – C-75/15, Viiniverla Oy/Sosiaali – ja terveysalan lupa – ja valvontavirasto [Rn. 22 und 25]; Urteil vom 28. Januar 1999 – C-303/97, Verbraucherschutzverein eV ./. Sektkellerei G.C. Kessler GmbH & Co. KG [Rn. 36]; Urteil vom 16. Juli 1998 – Rs. C-210/96, Gut Springenheide GmbH und Rudolf Tusky ./. Oberkreisdirektor des Kreises Steinfurt [Rn. 31 und 37]). Diese, bereits bei der Anwendung anderer Vorschriften der PreisangabenRL zugrunde gelegte (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – C-476/14, Citroën Commerce GmbH/Zentralvereinigung des Kraftfahrzeuggewerbes zur Aufrechterhaltung lauteren Wettbewerbs e. V. [Rn. 30]), auf die Verbraucherwahrnehmung abstellende Sichtweise steht im Einklang mit dem allgemein von der PreisangabenRL verfolgten Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, was verlangt, dass Informationen über die Preise und die Methoden zur Berechnung bekannt gegebener Ermäßigung eindeutig sind (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eV ./. Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 23 f.]).

c) Die Bewerbung der Bananen und der Ananas fällt in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 PAngV. Da es sich um Preiswerbung handelt, mussten in ihr gemäß § 3 Abs. 1 PAngV Gesamtpreise angegeben werden.

d) Die in dem Prospekt enthaltene Bewerbung der Bananen und der Ananas hat die Pflicht zur Angabe des niedrigsten für diese Artikel innerhalb der letzten 30 Tage vor dem 17. Oktober 2022 geforderten Preise ausgelöst. Für beide Artikel wird in der Werbung nach der Wahrnehmung des Verbrauchers eine Preisermäßigung bekanntgegeben. Das folgt bereits aus der Überschrift der Prospektseite, in der von einer Reduzierung der Preise für die sechs auf ihr vorgestellten Erzeugnisse die Rede ist. Davon unabhängig ergibt es sich für beide Produkte aus der Gegenüberstellung eines höheren durchgestrichenen – und auf diese Weise als nicht (mehr) gültig gekennzeichneten – Preises mit einem niedrigeren Preis. Für die Bananen kommt noch hinzu, dass eine negative Prozentzahl genannt wird, die vom Verkehr als Ermäßigungsfaktor wahrgenommen wird.

e) Der Verpflichtung zur Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage ist in der Werbung nicht (vollständig) entsprochen worden. Zwar wird sowohl für die Bananen als auch für die Ananas jeweils der niedrigste Preis der letzten 30 Tage genannt. Gleichwohl ist die Werbung nicht regelkonform gestaltet, weil sie weitere Elemente enthält, die auf die Vorteilhaftigkeit des Preises hinweisen, ohne dass diese Elemente auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen sind.

aa) Wie der Gerichtshof auf die Vorlagefrage der Kammer entschieden hat, erschöpft sich der Regelungsgehalt von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL nicht in der Verpflichtung, bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage anzugeben. Im Hinblick auf die von der PreisangabenRL allgemein und ihrem Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 im Besonderen verfolgten Ziele verlangt die Vorschrift darüber (und über ihren Wortlaut) hinaus, dass ein angegebener Ermäßigungsfaktor oder sonstige Werbeaussagen, mit denen die Ermäßigung bzw. die Vorteilhaftigkeit des abgesenkten Preises hervorgehoben werden soll, auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen sein müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V./Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 24 ff.]).

bb) Das Ergebnis dieser Auslegung von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL ist auf § 11 Abs. 1 PAngV zu übertragen. Den von der Beklagten insoweit erhobenen Bedenken kann jedenfalls deshalb nicht beigetreten werden, weil eine von den Vorgaben des Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL abweichende Auslegung von § 11 Abs. 1 PAngV gegen Unionsrecht verstieße.

Zwar finden selbst klare, genaue und unbedingte Bestimmungen einer Richtlinie, die dem Einzelnen Rechte gewähren oder Verpflichtungen auferlegen, als solche im Rahmen eines zwischen Privaten geführten Rechtsstreits keine Anwendung und können deshalb nicht angeführt werden, um die Anwendung einer Vorschrift des nationalen Rechts, die gegen die Richtlinie verstößt und nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann, auszuschließen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018 – C-122/17, David Smith ./. Patrick Meade u.a. [Rn. 41 ff.]). Davon unberührt bleibt aber die Verpflichtung der mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichte, bei dessen Anwendung sämtliche nationalen Rechtsnormen zu berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden, um – ggf. unter Aufgabe einer gefestigten nationalen Rechtsprechung – seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck einer einschlägigen Richtlinie des Unionsrechts auszurichten, damit das darin festgelegte Ergebnis erreicht und Art. 288 Abs. 3 AEUV nachgekommen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 11. September 2019 – C-143/18, Antonio Romano u.a. ./. DSL Bank… [Rn. 37 ff.]; Urteil vom 7. August 2018 – C-122/17, David Smith ./. Patrick Meade u.a. [Rn. 36 ff.]). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung unterliegt Grenzen lediglich dergestalt, dass die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts das Unionsrecht heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen findet und nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen darf (vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018 – C-122/17, David Smith ./. Patrick Meade u.a. [Rn. 40]).

Einer richtlinienkonformen, einen Gleichklang mit Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL herstellenden Auslegung ist § 11 Abs. 1 PAngV zugänglich. Anders läge es nur, wenn die Vorschrift nach ihrem Wortlaut, der Systematik, dem Zweck und der Entstehungsgeschichte eindeutig einen bestimmten (abweichenden) Regelungsgehalt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Lässt eine Norm im Rahmen des nach dem innerstaatlichen Recht methodisch Erlaubten unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zu, was der gesetzgeberischen Zweck- und Zielsetzung entspricht, ist eine richtlinienkonforme Auslegung zulässig. So aber liegt es hier. Nach Zweck und Entstehungsgeschichte der PAngV ist nicht zweifelhaft, dass dieses Regelwerk der Umsetzung der Vorgaben der PreisangabenRL dient. Mit dem Wortlaut von § 11 Abs. 1 PAngV ist eine Übernahme der Auslegung, wie sie der Gerichtshof für Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL vorgenommen hat, nicht schlechthin unvereinbar, und die PAngV dient letztlich denselben Zielen, die mit der PreisangabenRL verfolgt werden.

Offenbleiben kann, ob sich der Begründung des (deutschen) Verordnungsgebers positive Hinweise darauf entnehmen lassen, dass dessen Vorstellungen zu § 11a Abs. 1 PAngV bereits so weit reichten, wie die Vorgaben, die der Gerichtshof Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL entnommen hat (vgl. dazu Stillner, WRP 2023, 1293 [1295 f.]). Selbst wenn dem nicht so sein sollte oder sich die Begründung der Bundesregierung (BR Drs. 669/21) sogar gegenteilig verstehen ließe, stünde das einer richtlinienkonformen Auslegung von § 11 Abs. 1 PAngV nicht entgegen. Nach den anerkannten nationalen Auslegungsgrundsätzen können die Materialien bei der Auslegung von Normen nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden, als sie auf einen „objektiven“ Norminhalt schließen lassen, weshalb der sogenannte Wille des Normgebers oder der am Normgebungsverfahren Beteiligten bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden kann, als er auch im Text seinen Niederschlag gefunden hat; die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der normgebenden Instanzen dem objektiven Norminhalt gleichzusetzen, so dass sich Erkenntnisse zum Willen des Normgebers nicht gegenüber widerstreitenden gewichtigen Befunden durchsetzen können, die aus der Anwendung der anderen Auslegungskriterien gewonnen werden (vgl. BVerwG Beschluss vom 20. Juni 2022 – 5 PB 14.21 [Rn. 5]).

cc) Danach entspricht die Bewerbung der Bananen nicht den Vorgaben des § 11 Abs. 1 PAngV.

Für dieses Obst wird in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit den in der Preiskachel enthaltenen Preisen ein negativer Prozentsatz genannt. Dieser Prozentsatz stellt sich nach der Wahrnehmung des Verbrauchers als Angabe des Rabattfaktors dar.

Mithin ist der Prozentsatz Teil der Werbeaussagen, mit denen die angekündigte Preisermäßigung beschrieben wird. Folglich hätte er auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen sein müssen.

Letzteres ist nicht der Fall. Der Prozentsatz gibt nicht den Ermäßigungsfaktor im Vergleich zu dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage an, sondern denjenigen im Vergleich zu dem unmittelbar vor Eintritt der Preisermäßigung für die Bananen geforderten Preis.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Bei der Werbung mit einer Preisermäßigung ist der niedrigste Preis der letzten 30 Tage als Vergleichspreis maßgeblich - Aldi Süd Preis-Highlight

EuGH
Urteil vom 26.09.2024
C-330/23
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. gegen Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG


Der EuGH hat entschieden, dass bei der Werbung mit einer Preisermäßigung der niedrigste Preis der letzten 30 Tage als Vergleichspreis maßgeblich ist.

Tenor der Entscheidung:
Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse in der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

er verlangt, dass eine Preisermäßigung für ein Erzeugnis, die von einem Händler in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, mit der die Vorteilhaftigkeit des angegebenen Preises hervorgehoben werden soll, bekannt gegeben wird, auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu bestimmen ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Eine in der Werbung bekannt gegebene Preisermäßigung muss auf der Grundlage des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage berechnet werden

Eine deutsche Verbraucherzentrale beanstandet vor einem deutschen Gericht die Art und Weise, in der der Discounter Aldi Süd in seinen wöchentlichen Prospekten mit Preisermäßigungen oder „Preis-Highlights“, z. B. für Bananen und Ananas, wirbt:

[WIEDERGABE DER WERBUNG]

Die Verbraucherzentrale ist der Ansicht, dass Aldi eine in der Werbung angegebene Preisermäßigung nicht auf der Grundlage des Preises unmittelbar vor Angebotsbeginn (im ersten Beispiel 1,69 Euro) berechnen dürfe, sondern dies nach dem Unionsrecht1 auf der Grundlage des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage tun müsse (im ersten Beispiel 1,29 Euro; dieser Preis ist jedoch mit dem angeblich „ermäßigten“ Preis identisch). Es genüge nicht, in der Bekanntgabe lediglich den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage zu nennen. Das gelte auch für die Bezeichnung eines Preises als „Preis-Highlight“.

Das deutsche Gericht hat dem Gerichtshof hierzu Fragen vorgelegt.

Der Gerichtshof antwortet, dass eine Preisermäßigung, die von einem Händler in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, mit der die Vorteilhaftigkeit eines Preisangebots hervorgehoben werden soll, bekannt gegeben wird, auf der Grundlage des niedrigsten Preises zu bestimmen ist, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tagen vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat.

Dadurch werden Händler daran gehindert, den Verbraucher irrezuführen, indem sie den angewandten Preis vor der Bekanntgabe einer Preisermäßigung erhöhen und damit gefälschte Preisermäßigungen ankündigen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Durch Versendung einer Gratisbeigabe (hier: Kopfhörer) kommt auch der Kaufvertrag über das Hauptprodukt (hier: Smartphone) zustande

OLG Frankfurt
Hinweisbeschluss vom 18.04.2024
9 U 11/23


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass durch Versendung einer Gratisbeigabe (hier: Kopfhörer) auch der Kaufvertrag über das Hauptprodukt (hier: Smartphone) zustande kommt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Onlinehandel - Smartphone mit Zugabe

In der Versendung einer Gratisbeigabe (hier: Kopfhörer) liegt der Kaufvertragsabschluss über das Hauptprodukt (hier: Smartphone zu 92 € aufgrund eines Preisfehlers).

Im Onlinehandel liegt in der Übersendung einer Gratisbeigabe, deren Versendung einen Kaufvertrag über ein Hauptprodukt voraussetzt, auch die Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrags über das noch nicht versandte Hauptprodukt. Trotz eines sog. Preisfehlers kann der Kläger die Lieferung von neuen Smartphones zu 92 € statt 1.099 € laut UVP verlangen, bestätigte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die landgerichtliche Verurteilung mit heute veröffentlichter Entscheidung.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Lieferung und Übereignung von neun Smartphones in Anspruch. Die Beklagte betreibt den deutschen Onlineshop eines weltweit tätigen Elektronikkonzerns. Laut ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen liegt in einer Kundenbestellung über den Button „jetzt kaufen“ ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages. Die Auftragsbestätigung der Beklagten ist demnach noch keine Annahme dieses Angebots. Ein Kaufvertrag kommt laut AGB zustande, wenn die Beklagte das bestellte Produkt an den Käufer versendet und dies mit einer Versandbestätigung bestätigt. Dabei bezieht sich der Vertrag nur auf die in der Versandbestätigung bestätigten oder gelieferten Produkte.

Durch einen sogenannten Preisfehler bot die Beklagte online Smartphones für 92 € an. Der UVP für diese Produkte betrug 1.099 €. Zeitgleich bot die Beklagte bei Bestellungen bestimmte Kopfhörer als Gratisbeigabe an. Der Kläger bestellte im Rahmen von drei Bestellungen neun Smartphones sowie vier Gratis-Kopfhörer. Die Kaufpreise zahlte er umgehend. Noch im Laufe des Bestelltages änderte die Beklagte den Angebotspreis auf 928 €. Zwei Tage nach den Bestellungen versandte sie die vier Paar Kopfhörer an den Kläger und teilte dies jeweils per Mail mit. Knapp zwei Wochen später stornierte sie die Bestellung unter Verweis auf einen gravierenden Preisfehler. Der Kläger begehrt nunmehr die Lieferung und Übereignung der Smartphones.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Diese Auffassung teilte das OLG im Rahmen seines Hinweisbeschlusses, der zur Rücknahme der Berufung führte: Zwischen den Parteien seien Kaufverträge über insgesamt neun Smartphones zustande gekommen. In den automatisiert erstellten Bestellbestätigungen liege zwar noch keine Annahmeerklärung, sondern allein die Bestätigung des Eingangs einer Bestellung.

Mit der Übersendung der Gratis-Kopfhörer habe die Beklagte jedoch den Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrages auch in Bezug auf die in der jeweiligen Bestellung enthaltenen Smartphones angenommen: “Denn anders, als wenn in einer Bestellung mehrere kostenpflichtige Artikel zusammengefasst werden, war unbedingte Voraussetzung der kostenlosen Übersendung der Kopfhörer der Erwerb eines Smartphones. Zwischen dem Erwerb des Smartphones und der Übersendung der Kopfhörer bestand ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt, dass die kostenlose Übersendung der Kopfhörer das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt - das Smartphone – voraussetzt“, begründete das OLG.

Der Kläger habe die Mitteilung, dass sämtliche versprochenen Gratisbeigaben nunmehr verschickt seien, nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen dürfen, dass damit auch die Kaufverträge über die Smartphones bestätigt würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass unstreitig der Preis für die Smartphones bereits am Bestelltag selbst auf 928 € korrigiert worden sei. Ab diesem Zeitpunkt sei daher von der Kenntnis von dem Preisfehler im Haus der Beklagten auszugehen. Dies sei ihr insgesamt zuzurechnen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 18.4.2024, Az. 9 U 11/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 9.2.2023, Az.: 2-20 O 126/22)

AG München: Reiseveranstalter kann Reisevertrag wegen eines zu niedrigen Preisen nicht anfechten wenn dieser auf einem Kalkulationsirrtum beruht

AG München
Urteil vom 14.04.2023
113 C 13080/22

Das AG München hat entschieden, dass ein Reiseveranstalter einen Reisevertrag wegen eines zu niedrigen Preisen nicht anfechten kann, wenn dieser auf einem Kalkulationsirrtum beruht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Reiseveranstalter an zu günstig berechneten Reisepreis gebunden - Kalkulationsirrtum rechtfertigt keine Anfechtung des Reisevertrages

Im Streit um Ansprüche aus einem Reisevertrag verurteilte das Amtsgericht München am 14.04.2023 eine Reiseveranstalterin mit Sitz in München zur Zahlung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 719,50 EUR.

Der Münchner Kläger hatte im April 2022 bei der Beklagten über deren Internetportal eine Flugpauschalreise nach Punta Cana in der Dominikanischen Republik über Weihnachten und Silvester 2022 einschließlich Hotelunterkunft und All-Inclusive-Verpflegung zu einem Reisepreis in Höhe von 2.878 EUR gebucht.

Wenige Tage nach der Buchung erklärte die Beklagte per E-Mail die Anfechtung des Reisevertrages aufgrund eines nicht näher beschriebenen „Eingabe/Tippfehlers“ und einem sich daraus ergebenden Preisunterschied. Die Beklagte bot dem Kläger an, die Reise zu einem Gesamtpreis von 6.260 EUR wahrzunehmen, was dieser ablehnte.

Aufgrund der nicht durchgeführten Reise forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe der Hälfte des ursprünglich gebuchten Reisepreises.

Das Amtsgericht erachtete die Klage für teilweise begründet und sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 25 % des Urlaubspreises zu.

Das Amtsgericht München führte in den Entscheidungsgründen wie folgt aus:

„Ein Anfechtungsgrund, insbesondere ein Erklärungsirrtum lag nicht vor. Sowohl Willensäußerung als auch Willensbildung der Beklagten waren fehlerfrei, es lag lediglich ein unbeachtlicher Kalkulationsirrtum vor.

Der Irrtum erfolgte hier nicht bei Abgabe der Willenserklärung der Beklagten gegenüber dem Kläger, sondern es handelt sich um einen Irrtum in der Erklärungsvorbereitung nämlich bei der Berechnung des Gesamtreisepreises. (…)

Die Beklagte hat, aufgrund der von der Firma M. falsch eingegebenen und anschließend falsch übermittelten Daten, ihren Willen bezüglich des Gesamtpreises falsch gebildet, da eine Kalkulationsgrundlage fehlerhaft war.

Wie vom Zeugen R. glaubhaft ausgesagt, übermittelt die Firma M. die Einkaufspreise pro Person in USD an das System der Beklagten. Dort werden die Preise vom System in Euro umgerechnet und anschließend mit der Verkaufsmarge der Beklagten versehen. Die so gefundenen Verkaufspreise werden dann vom System der Beklagten an C. [das von der Beklagten betriebene Buchungsportal] weiter übermittelt und verarbeitet. Entsprechend des vom Kläger bei Buchung angegebenen Zeitraums und der ausgewählten Zimmerkategorie, wird dann der Verkaufspreis vom System berechnet und dem Kunden angezeigt.

Die von der Firma M. übermittelten Daten dienten der Beklagten daher lediglich als Kalkulationsgrundlage für die Berechnung des Gesamtreisepreises. Der Irrtum entstand schon nicht bei der Beklagten, sondern bei einem Mitarbeiter der Firma M. Der Irrtum betraf auch nur einen Rechnungsfaktor, aus dem der Reisepreis später vom System der Beklagten gebildet wurde. (…)

Bei Buchung wurde dann entsprechend den Eingaben des Klägers bzgl. Zimmerkategorie und Reisezeitraum aus den für verschiedene Reisezeiträume festgesetzten Einzelpreisen der Gesamtreisepreis vom System errechnet. Diese Konfiguration erfolgte so wie vom System vorgesehen. Der dem Kläger gegenüber angegebenen Reisepreis entsprach den Konfigurationsvorgaben der Beklagten. Nachdem der Reisende keinen Einblick in die Kalkulation des Reisepreises hat, liegt hier nur ein interner Kalkulationsirrtum vor, der als Motivirrtum unbeachtlich ist. Ein Anfechtungsgrund stand der Beklagten daher nicht zu. (…)

Der Kläger kann nach §§ 651i Abs. 2 Nr. 7, 651n Abs. 2 BGB Entschädigung in Geld verlangen. (…)

Der Anspruch besteht jedoch nur in der Höhe von 719,50 €. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs aus § 651n Abs. 2 BGB richtet sich nach einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliches Kriterium kann dabei jedenfalls der tatsächlich vereinbarte Reisepreis sein, da dieser regelmäßig zeigt, wie viel Geld der mit der geplanten Reise verbundene immaterielle Gewinn dem Reisenden wert ist; hier 2.878,00 €.

Jedoch sind auch sonstige Umstände zu berücksichtigen. Hier erfolgte die Mitteilung der Beklagten, die Reise nicht zum gebuchten Preis durchführen zu wollen, nur wenige Tage nach der Buchung und mehr als halbes Jahr vor dem geplanten Reiseantritt. Der Kläger hatte somit noch nicht lange Zeit mit Vorfreude und Planung auf die gebuchte Reise verbringen können. Er hatte auch noch ausreichend Zeit sich um eine Alternativreise für den geplanten Weihnachtsurlaub zu bemühen. (…)

Das Gericht hält daher eine Entschädigung in Höhe von 25 % des Urlaubspreises für angemessen und ausreichend.“



LG Berlin: Wettbewerbswidrige Irreführung wenn Anbieter Turbado Smartphones anbietet und verschleiert dass es sich um keinen Kaufvertrag sondern einen Mietvertrag handelt

LG Berlin
Urteil vom 05.05.2020
15 O 107/18


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn der Anbieter Turbado Smartphones, Tablets und Konsolen anbietet und dabei verschleiert, dass es sich um keinen Kaufvertrag sondern einen Mietvertrag handelt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Webauftritt gemäß Anlage K 1 erweist sich als irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG.

Smartphones, Tablets und Konsolen werden von Verbrauchern üblicherweise durch Kauf zur Nutzung und zu Eigentum erworben, nicht gemietet oder geleast. Wenn die danach angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch der erkennende Richter zählt, so dass er selbst urteilen kann, mit Werbeaussagen wie „smart gespart bei Turbado!“ oder „Sie suchen aktuelle und günstige Smartphones, Tablets, Konsolen oder andere Elektronikartikel, die Sie online bestellen können?“ oder „Oft muss man allerdings für ein neues Gerät ordentlich in die Tasche greifen. Nicht so bei Turbado, denn bei uns ist jeder Artkel in echtes Schnäppchen“ angesprochen werden, gehen sie zwanglos davon aus, dass auf der Webseite Kaufofferten unterbreitet werden. Denn einen Gerätemietvertrag „bestellt“ man schon nicht. Schnäppchen macht man allenfalls beim Einkauf. Mietverträge sind bei Waren, die der Mode oder dem technischen Verfall unterliegen, aber zudem wirtschaftlich für den Nutzer zumeist ungünstig, wie Generationen von Telefonanlagenmietern schmerzlich erfahren haben. Der Mietcharakter bleibt aber selbst während des Bestelvorgangs verschleiert. Es wird nur ein „zu zahlender Betrag“ ausgewiesen. Dies wird mangels Aufklärung über den wahren Vertragcharaktr des Geschäfts zwanglos als Kaufpreis verstanden und zur Grundlage von Preisvergleichen mit Kaufangeboten anderer Anbeiter genommen. Tatsächlich umfasst dieser Betrag aber nur die nach Ziff. 9.1.1. geschuldete Mietsicherheit, aus der nach Ziff. 9.3.3. der jeweils nach der „aktuell geltenden Staffelung“ (vgl. Ziff. 9.2.2) geschuldete Mietzins pro rata durch Verrechnung geleistet wird. Es handelt sich schließlich auch um eine atypische Vertragsgestaltung, weil ein fester Mietzinsbestandteil mit einem laufzeitabhängigen Staffelzins und unbestimmter Laufzeit kombiniert werden, so dass die Gesamtvertragskosten intransparent sind. Hinzu kommt, dass der Verbraucher bei Miete das Rückgaberisiko wie auch das Verschlechterungsisiko bei nicht vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache trägt. Es handelt sich schlicht um eine Vertragsfalle.

Es ist auch nicht Beklagtenseits vorgetragen, dass das Geschäftsmodell der Beklagten zu 1) dem Durchschnittsverbraucher zum Verletzungszeitpunkt präsent gewesen wäre.

Ferner fehlt die nach § 5a Abs. 2 UWG in Verbindung mit § 312j Abs. 2 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB erforderliche Information „in hervorgehobener Weise“ über den Vertragstyp „Miete“ als wesentliche Eigenschaften der angebotenen Dienstleistung. Die Angabe in den AGB genügt diesen Formanforderungen schon nicht. Im übrigen sind die mietvertraglichen Klauseln nach § 305c BGB auch nicht Vertragsbestandteil geworden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Kein Fahrzeug im Wert von 11.500 EURO für 15 EURO - Offensichtliche Scherzerklärung durch Verkaufsangebot nach § 118 BGB nichtig

OLG Frankfurt
Beschluss vom 02.05.2017
8 U 170/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine offensichtliche Scherzerklärung durch Verkaufsangebot nach § 118 BGB nichtig ist. Vorliegend wurde ein Fahrzeug mit einem Wert von 11.500 EURO für 15 EURO angeboten.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Senat ist der Ansicht, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Ferner erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats und auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinerlei Ansprüche gegen den Beklagten.

1. Die vom Eingangsgericht gelieferte Begründung für die Abweisung des Hauptantrags ist zutreffend. Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts in jeder Hinsicht. Aus den Umständen des Falles ergibt sich zweifelsfrei, dass es sich bei den vom Beklagten abgegebenen Erklärungen in seinen beiden elektronischen Mitteilungen vom 12.8.2015 um Scherzerklärungen im Sinne von § 118 BGB gehandelt hat. Die Berufung zeigt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine abweichende Bewertung auf.

Der Beklagte musste die Antwort des Klägers auf seine erste Nachricht nicht als ernsthafte Annahme eines vermeintlichen Kaufvertragsangebots ansehen. Dafür war der Inhalt der ersten Nachricht viel zu absurd. Er durfte die Reaktion seines Gegenübers vielmehr als ein Sicheinlassen auf eine Scherzkonversation verstehen.

Die Anwendbarkeit von § 118 BGB scheitert im vorliegenden Fall auch nicht daran, dass die Scherzerklärungen in Textform abgegeben wurden. Zwar mag es sein, dass die Erwartung eines Erklärenden, dass der Mangel der Ernstlichkeit seiner Erklärung nicht verkannt werden werde, bei Willenserklärungen unter Abwesenden im Einzelfall eher unberechtigt sein kann, als wenn der Erklärende in der Lage ist, seine Erklärung durch Tonfall, Mimik und Gestik als Scherz zu kennzeichnen. Der vorliegende Fall ist aufgrund der vom Landgericht herausgearbeiteten Umstände allerdings so eindeutig, dass diese Einschränkungen keine Rolle spielen.

Aus diesem Grund war es auch nicht erforderlich, die fehlende Ernsthaftigkeit der Erklärungen mit Icons oder Ähnlichem zu betonen oder in irgendeiner Weise nachträglich aufzudecken.

2. Es kann offenbleiben, ob die Zurückweisung des Hilfsantrags verfahrensfehlerhaft erfolgte, wie der Kläger meint, denn auch der Hilfsantrag ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Vertrauensschadens gemäß § 122 Abs. 1 BGB, denn diese Schadensersatzpflicht tritt gemäß Abs. 2 dieser Norm nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Aus den Umständen des Falles ergibt sich eindeutig, dass der Kläger die fehlende Ernstlichkeit der Erklärung des Beklagten kannte oder zumindest hätte kennen müssen. Es ist, wie das Landgericht hervorhebt, abwegig, dass der Beklagte sein Fahrzeug tatsächlich für 15,- € verkaufen wollte. Es gab für den Beklagten keinen Grund, sein Fahrzeug angesichts eines Verkehrswerts von 11.500,- € für nur 15,- € an den ihm völlig unbekannten Kläger zu verkaufen. Diese Umstände sind für jedermann und damit auch für den Kläger offensichtlich. Sie bedürfen keines weiteren Beweises.

Dass der Kläger nach der Konversation mit dem Beklagten diesen, jetzt ernsthaft, zur Herausgabe seiner Kontodaten aufgefordert, einen Rechtsanwalt beauftragt und die vorliegende Klage eingereicht hat, belegt nicht, dass er entgegen jeglichen gesunden Menschenverstands das Scherzangebot ernst genommen hat. Das beschriebene Verhalten des Klägers beruht offenkundig auf einer Verkennung der Rechtslage gepaart mit dem Umstand, dass die Prozessführung wegen der Deckungszusage seiner Rechtsschutzversicherung für ihn persönlich risikolos war."




Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

AG Dortmund: Kein Lieferanspruch gegen Online-Shop-Betreiber wenn für Käufer erkennbar ist dass deutlich zu niedriger Preis ein Fehler ist

AG Dortmund
Urteil vom 21.02.2017
425 C 9322/16

Das AG Dortmund hat entschieden, dass bei einem fehlerhaften Angebot in einem Online-Shop die Geltendmachung eines Lieferanspruchs dann gegen Treu und Glauben verstößt, wenn im Verhältnis zum Martktpreis ein deutlich zu niedriger Kaufpreis verlangt wird und es sich für dem Käufer erkennbar um einen Fehler handelt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls. Zudem haben Online-Shop-Betreiber die Möglichkeit in einem solchen Fall den Vertrag anzufechten.



OLG Düsseldorf: Kein Lieferanspruch bei einem offensichtlichen Computerfehler bei der Preisangabe in einem Online-Shop

OLG Düsseldorf,
Urteil vom 19.05.2016
I-16 U 72/15


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass bei einem offensichtlichen Computerfehler bei der Preisangabe in einem Online-Shop keinen Anspruch auf Lieferung der Ware zum angegebenen Preis besteht. Zwar liegt nach Ansicht des Gerichts kein Anfechtungsgrund vor. Die Geltendmachung des Lieferanspruchs verstößt jedoch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin ist es jedoch nach dem in § 242 BGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, sich auf ihren entstandenen Anspruch zu berufen. Denn dies stellt sich als unzulässige Rechtsausübung dar. Die Ausübung eines Rechts ist in der Regel missbräuchlich, wenn der Berechtigte es gerade durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat (Fallgruppe des unredlichen Erwerbs einer Rechtsposition, Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 242 Rn. 42 m.w.N.). Für den – nicht zur Anfechtung berechtigenden – Kalkulationsirrtum ist anerkannt, dass es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar ist, wenn der Erklärungsempfänger die fehlerhafte Preisangabe positiv erkennt und die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist (BGH, Urteil vom 07.07.1998, X ZR 17/97, BGHZ 139, 177, Rn. 24; BGH, Urteil vom 30.06.2009, XI ZR 364/08, Juris Rn. 33). Hieraus wird teilweise allgemein abgeleitet, das bewusste Ausnutzen einer offensichtlich irrtümlichen Preisangabe in einem Online-Buchungssystem sei rechtsmissbräuchlich (OLG München, Beschluss vom 15.11.2002, 19 W 2631/02, NJW 2003, 367). Diese Auffassung ist insoweit abzulehnen, als damit auch Fälle aufgrund Erklärungsirrtums fehlerhafter Preisangaben erfasst sein sollen (so aber wohl OLG München, a.a.O.). Dem steht entgegen, dass die Frage der positiven Kenntnis des Erklärungsirrtums der anderen Partei mit §§ 122 Abs. 2, 142 Abs. 2 BGB eine abschließende gesetzliche Regelung gefunden hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 30.06.2009, XI ZR 364/08, Juris Rn. 31). Nicht gefolgt werden kann dieser Auffassung auch darin, dass bereits das Erkennen der irrtümlichen Preisauszeichnung für sich genommen ausreichen soll, um einen Rechtsmissbrauch anzunehmen. Nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bedarf es darüber hinaus der Feststellung, dass das Festhalten an dem Vertrag für den Irrenden schlechthin unzumutbar ist und auch die diesbezüglichen Umstände für den anderen Teil erkennbar sind (hierzu auch Staudinger/Olzen u. Looschelders, BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 427).

Es steht fest, dass der Geschäftsführer der Klägerin bei Abgabe des Angebots erkannt hatte, dass das Online-System der Beklagten einen viel zu niedrigen Preis anzeigte. Zwar bestreitet die Klägerin, dass es sich bei dem von der Fa. M… mitgeteilten Preis um den Einkaufspreis der Beklagten handele. Aber sie tritt weder dem weitergehenden Vortrag der Beklagten entgegen, dass der Marktwert der Geräte über dieser Summe liegt, noch bestreitet sie, dass ihr Geschäftsführer im Zeitraum der Bestellung per Google den marktüblichen Preis ermittelt hat, der wie dargelegt über 3.300 Euro bis hin zu 4.500 Euro liegt. Ob er sich dabei eine Vorstellung davon gemacht hat, der angezeigte, offensichtlich fehlerhafte Preis beruhe auf einer fehlerhaften Eingabe (Erklärungsirrtum) oder einer fehlerhaften Berechnung (Kalkulationsirrtum), spielt insoweit keine Rolle.

Auch ist das Festhalten an dem Vertrag – für den Geschäftsführer der Klägerin bei Vertragsschluss erkennbar – für die Beklagte schlechterdings unzumutbar. Denn damit würde sie die Generatoren zu weniger als 1% ihres Marktwertes verkaufen, was auch bei der Annahme einer großzügigen Handelsspanne einen erheblichen Verlust nach sich ziehen würde."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Detmold: Bei vorzeitigem Abbruch einer eBay-Auktion kommt ein Vertrag mit dem Höchstbietendem auch zu einem Schnäppchenpreis zustande

LG Detmold
Urteil vom 22.02.2012
10 S 163/11


Das LG Detmold hat wenig überraschend und in Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung entschieden, dass bei vorzeitigem Abbruch einer eBay-Auktion ein Vertrag mit dem Höchstbietendem zustande kommt, auch wenn die Ware dann zum Schnäppchenpreis veräußert wird. Es kommt - so das Gericht - nicht darauf an, ob ein angemessener Preis erzielt wird.

Der vorzeitige Abbruch von eBay-Auktionen ist immer wieder Gegenstand von rechtlichen Auseiandersetzungen. Wer eine eine Auktion vorzeitig beenden will, sollte mit äußerster Vorsicht vorgehen. Zwar findet sich bei entsprechender Vorgehensweise und Kommunkation mit dem Höchstbietenden fast immer ein Weg sich wirksam vom Vertrag zu lösen. Dies ist ohne entsprechende rechtliche Beratung häufig aber nur schwer möglich.

Die Pressemitteilung des LG Detmold finden Sie hier:

LG Berlin: Amazon Cyber Monday Schnäppchen - wettbewerbswidrige Lockangebote, da nach wenigen Sekunden ausverkauft

LG Berlin
Urteil vom 01.03.2012
91 O 27/11,
Amazon Cyber Monday
nicht rechtskräftig


Das LG Berlin hat in einem vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) angestrengten Verfahren entschieden, dass die von Amazon im Rahmen der Cyber Monday angebotenen Schnäppchen unzulässige Lockangebote waren, da diese im Regelfall wenige Sekunde nach Freischaltung ausverkauft waren. Danach waren die jeweiligen Produkte wieder nur zum normalen Preis bestellbar. Die jeweiligen Angebote sollten - so jedenfalls Amazon in seiner Vorankündigung - zwei Stunden bestellbar sein. Das LG Berlin führt aus, dass die Produkte bei einer zweistündigen Sonderangebotsaktion mindestens eine halbe Stunde bestellbar sein müssen.

Die Pressemitteilung des vzbv finden Sie hier:

AG Pforzheim: Vom Schnäppchenjäger zum Hehler - eBay

Praxisferne Urteile mit Internetbezug gibt es leider immer wieder. Dies zeigt eindrucksvoll das Urteil des AG Pforzheim vom 26.06.2007 - 8 Cs 84 Js 5040/07. Das AG Pforzheim hat einen Ebay-Käufer zu Unrecht wegen Hehlerei verurteilt, da dieser, ohne es zu wissen, gestohlene Ware erworben hatte. Das Gericht unterstellt dem Käufer dabei bedingten Vorsatz. Dies folgt, so das Gericht, schon daraus, dass die Ware mit einem Startpreis von 1 Euro eingestellt wurde, als Artikelstandort "Polen" angegeben war und in der Beschreibung von einem "toplegalen" Gerät gesprochen wurde. Diese Entscheidung ist abzulehnen. Andere Staatsanwaltschaften haben Ermittlungsverfahren in vergleichbaren Fällen völlig zu Recht eingestellt.

AG Pforzheim, Urteil vom 26.06.2007 - 8 Cs 84 Js 5040/07.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: "AG Pforzheim: Vom Schnäppchenjäger zum Hehler - eBay" vollständig lesen