Das BVerfG hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, so dass ARD und ZDF in ihrer Berichterstattung über Landtagswahlen in Hessen und Bayern nicht über die Wahlergebnisse kleiner Parteien unter 3 Prozent berichten müssen.
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts: Erfolgloser Eilantrag der Tierschutzpartei auf Nennung von Wahlergebnissen im Programm von ARD und ZDF
Mit gestern bekanntgegebenem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag der Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Dieser war darauf gerichtet, das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) und den Norddeutschen Rundfunk (NDR) zu verpflichten, bei allen Präsentationen von vorläufigen amtlichen Endergebnissen der Landtagswahlen in Hessen und Bayern in ihren linearen Fernsehprogrammen am 9. Oktober 2023 die Wahlergebnisse all jener Parteien auszuweisen, die ein Wahlergebnis von mindestens einem Prozent erreichen.
Aufgrund der Eilbedürftigkeit wird den Beteiligten die Begründung der Entscheidung gemäß § 32 Absatz 5 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz gesondert übermittelt.
Das VG Mainz hat entschieden, dass das ZDF in seinen Wahlsendungen zur Landtagswahl nicht über die Wahlergebnisse bzw. Prognosen kleiner Parteien, die unter 3 Prozent liegen, berichten.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Wahlsendungen des ZDF über die bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen weiterhin ohne Ergebnisse der „kleineren“ Parteien
Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) ist (vorläufig) nicht verpflichtet, bei seiner Landtagswahlberichterstattung in dem linearen Fernsehprogramm am 8. und 9. Oktober 2023 die Wahlergebnisse auch der Parteien darzustellen, deren (voraussichtliches) Wahlergebnis unter drei Prozent liegt. Einen entsprechenden Eilantrag der Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) lehnte das Verwaltungsgericht Mainz ab.
Wie viele andere Medien auch, weist das ZDF in seiner linearen Nachwahl-Berichterstattung nur die Parteien individuell aus, die ein (voraussichtliches) Wahlergebnis von mindestens drei Prozent erzielen. Die antragstellende Partei beanspruchte im Eilverfahren ein Absenken dieser Schwelle auf ein Prozent und berief sich zur Begründung auf das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Meinungsbildungsprozess. Der Eilantrag blieb erfolglos.
Das Gericht hat offengelassen, ob und in welchem Umfang die Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Nachwahl-Berichterstattung im Widerstreit mit der verfassungsrechtlich geschützten Chancengleichheit der Parteien stehe. Damit komme es auch nicht darauf an, ob der Darstellung eines erzielten Wahlergebnisses für die künftigen Wahlchancen einer Partei rechtliche Bedeutung zuzumessen sei. Die Nachwahl-Berichterstattung des ZDF werde jedenfalls von einem plausiblen redaktionellen Gesamtkonzept getragen, das dem Chancengleichheitsgrundsatz auch der Tierschutzpartei Rechnung trage. Die darin enthaltene Drei-Prozent-Schwelle habe ihren Grund darin, dass die Ermittlung eines Prognosewertes im Ein-Prozent-Bereich mit den gängigen Methoden nicht annähernd
fehlerfrei zu ermitteln sei. Eine zuverlässige Berichterstattung sei erst ab einem zu erwartenden Wahlergebnis von drei Prozent möglich. Die bei einer Wahl angetretenen Parteien würden jedoch dadurch angemessen dargestellt, dass das vom jeweiligen Landeswahlleiter übermittelte amtliche Endergebnis im internet – dem Nachrichtenportal ZDFheute – veröffentlicht werde.
(Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 4. Oktober 2023, 4 L 532/23.MZ)
EuGH
Urteil vom 06.09.2018 C‑488/16 P
Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise e. V. gegen EUIPO und Freistaat Bayern
Neuschwanstein
Der EuGH hat entschieden, dass die Markeneintragung der Marke Neuschwanstein zugunsten des Freistaats Bayern rechtmäßig ist. Insbesondere besteht kein Freihaltebedürfnis.
Aus den Entscheidungsgründen:
Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass die Rechtsmittelschrift insoweit zwar unklar gefasst ist. Aus der Argumentation des Rechtsmittelführers kann aber hergeleitet werden, dass er im Wesentlichen geltend macht, das Gericht habe seine Beurteilung der Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke unzureichend begründet.
Mit dem Vorwurf, das Gericht habe die Feststellung, dass die angegriffene Marke Unterscheidungskraft besitze, unzureichend begründet, wirft der Rechtsmittelführer eine Rechtsfrage auf, die als solche im Rahmen eines Rechtsmittels geltend gemacht werden kann (Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss das Gericht aufgrund der ihm obliegenden Begründungspflicht seine Erwägungen klar und eindeutig darlegen, so dass die Betroffenen die Gründe für die getroffene Entscheidung erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil vom 24. Januar 2013, 3F/Kommission, C‑646/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:36, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht zunächst in den Rn. 36 bis 39 des angefochtenen Urteils die einschlägige Rechtsprechung zur Beurteilung der Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke dargestellt und dann in dessen Rn. 41 ausgeführt hat, dass es sich bei den betroffenen Waren und Dienstleistungen um für den laufenden Verbrauch bestimmte Waren handele – wobei nicht danach unterschieden zu werden brauche, ob sie in die Kategorie typischer Souvenirartikel fallen könnten – und um Dienstleistungen des täglichen Lebens, die sich von Souvenirartikeln und anderen Dienstleistungen im Zusammenhang mit touristischen Aktivitäten nur durch ihre Bezeichnung unterschieden, die nicht nur das Schloss in seiner Eigenschaft als musealen Ort erfasse, sondern auch die angegriffene Marke selbst. Das Gericht hat hinzugefügt, dass die fraglichen Waren nicht im Schloss selbst hergestellt, sondern dort nur verkauft würden, und dass zwar einige der Dienstleistungen dem Betrieb des Schlosses dienten, aber nicht alle vor Ort angeboten würden.
In Rn. 42 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass das die angegriffene Marke bildende Wort, das mit dem Namen des Schlosses identisch sei, ein Phantasiename ohne beschreibenden Bezug zu den vermarkteten oder angebotenen Waren und Dienstleistungen sei. Da der Name „Neuschwanstein“ nämlich „der neue Stein des Schwans“ bedeute, erlaube allein die Verbindung der angegriffenen Marke mit den verkauften Artikeln und den angebotenen Dienstleistungen, diese Waren und Dienstleistungen von anderen Waren und Dienstleistungen des laufenden Verbrauchs, die an anderen kommerziellen oder touristischen Stätten verkauft oder erbracht würden, zu unterscheiden. Zudem ermögliche es die angegriffene Marke, unter diesem Zeichen Waren zu vertreiben und Dienstleistungen zu erbringen, deren Qualität der Freistaat Bayern direkt oder indirekt im Rahmen von Lizenzverträgen kontrollieren könne.
In Rn. 43 des angefochtenen Urteils hat das Gericht u. a. weiter ausgeführt, dass die angegriffene Marke es den maßgeblichen Verkehrskreisen durch die Art der sie bildenden Bezeichnung nicht nur erlaube, sich auf einen Besuch des Schlosses zu beziehen, sondern auch, die betriebliche Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen zu unterscheiden, so dass diese Verkehrskreise den Schluss ziehen würden, dass alle mit der angegriffenen Marke bezeichneten Waren und Dienstleistungen unter der Kontrolle des Freistaats Bayern hergestellt, vertrieben oder geliefert bzw. erbracht worden seien, der für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden könne.
Aus den Rn. 41 bis 43 des angefochtenen Urteils geht hervor, dass das Gericht zur Beurteilung der Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke die von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen geprüft und das die Marke bildende Wortelement gewürdigt hat, das seines Erachtens ein Phantasiename ohne beschreibenden Bezug zu den betreffenden Waren und Dienstleistungen ist.
Die Feststellung des Gerichts, dass die angegriffene Marke für die geografische Herkunft der von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend sei, sagt nichts über ihre Unterscheidungskraft; sie stellt vielmehr eine nötige Voraussetzung dafür dar, dass eine Marke, der es nicht an Unterscheidungskraft fehlt, eingetragen werden kann. Gerade weil die angegriffene Marke keinen beschreibenden Charakter hat, ist es einem Gebilde wie dem Freistaat Bayern nicht verwehrt, den Namen des musealen Ortes, dessen Eigentümer er ist, als Unionsmarke anzumelden, da die Verordnung Nr. 207/2009 dem grundsätzlich nicht entgegensteht. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 55 und 56 seiner Schlussanträge dargelegt hat, können die entsprechenden Erwägungen des Gerichts daher nicht als Zirkelschluss angesehen werden.
Daraus ist zu schließen, dass das Gericht im Anschluss an seine Beurteilung der Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke im Licht der in Rn. 36 des angefochtenen Urteils angeführten Rechtsprechung, wonach die Unterscheidungskraft einer Marke bedeutet, dass sie geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen, das Vorliegen der Unterscheidungskraft in rechtlich hinreichender Weise damit begründet hat, dass allein die Verbindung dieser Marke mit den betreffenden Waren und Dienstleistungen es den maßgeblichen Verkehrskreisen erlaube, sie von denen zu unterscheiden, die an anderen kommerziellen oder touristischen Stätten verkauft oder erbracht würden.
Dagegen stellen die Ausführungen des Gerichts in Rn. 42 des angefochtenen Urteils, dass die angegriffene Marke es ermögliche, die mit ihr gekennzeichneten Waren zu vertreiben und Dienstleistungen zu erbringen, deren Qualität der Freistaat Bayern kontrollieren könne, eine Hilfserwägung dar, so dass die gegen sie gerichtete Argumentation des Rechtsmittelführers ins Leere geht (Urteil vom 1. Februar 2018, Kühne + Nagel International u. a./Kommission, C‑261/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:56, Rn. 69, sowie Beschluss vom 14. Januar 2016, Royal County of Berkshire Polo Club/HABM, C‑278/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:20, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen, da er teils unbegründet ist und teils ins Leere geht.
Hinsichtlich des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidungen der Beschwerdekammern über die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind, so dass die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen allein auf der Grundlage dieser Verordnung in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter zu beurteilen ist (Urteil vom 19. Januar 2012, HABM/Nike International, C‑53/11 P, EU:C:2012:27, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Überdies ist die Regelung über Unionsmarken, wie sich aus Rn. 44 des angefochtenen Urteils ergibt, ein aus einer Gesamtheit von Vorschriften bestehendes autonomes System, mit dem ihm eigene Ziele verfolgt werden und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (Urteil vom 12. Dezember 2013, Rivella International/HABM, C‑445/12 P, EU:C:2013:826, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Daraus folgt, dass das Gericht nicht gehalten war, den Beschluss des Bundesgerichtshofs (Deutschland) vom 8. März 2012 zu berücksichtigen. Somit ist der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen."
Das OLG München hat entschieden, dass es wettbewerbswidrig ist, wenn in Österreich hergestellte Bonbons mit einer bayerisch gestalteten Verpackung (Rautenmuster in Verbindung mit "Alpenbauer"-Schriftzug und Abbildung der Bergkette) angeboten werden. Insofern liegt - so das Gericht - eine Irreführung über die angebliche bayerische Herkunft vor.
Das EuG hat entschieden, dass die Marke "Neuschwanstein" des Freistaates Bayern nicht gelöscht wird. Der Bundesverband Souvenir Geschenke Ehrenpreise (BSGE) hatte einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Marke gestellt, welcher vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) abgelehnt wurde. Auch die Klage hatte nunmehr keinen Erfolg. Das Gericht führt aus, dass die Marke weder beschreibend ist noch als geografische Herkunftsangabe verstanden wird, so dass keine Eintragungshindernisse bestehen.
Aus den Entscheidungsgründen:
" In dieser Hinsicht macht der Kläger erstens geltend, dass eine Tradition bestehe, im Schloss Neuschwanstein wie auch in dessen Umfeld Souvenirs zu vertreiben, und dass die maßgeblichen Verkehrskreise daher die Bezeichnung „Neuschwanstein“ als Hinweis auf die geografische Herkunft dieser Souvenirs ansähen. Es ist jedoch festzustellen, dass das Schloss Neuschwanstein ebenso wie andere Museen oder kulturellen Bauwerke unter der angegriffenen Marke Souvenirartikel vermarktet, bei denen es sich um Nebenprodukte handelt, die neben dem Eintrittskartenverkauf Einnahmequellen darstellen, die mit seinem Betrieb verbunden sind. Im vorliegenden Fall sind diese Souvenirartikel Waren des täglichen Gebrauchs, die es, mit dem Namen des Museums versehen, erlauben, die angegriffene Marke zu verwerten. Entgegen den Ausführungen des Klägers ist ferner festzustellen, dass aus den Akten nicht hervorgeht, dass die angegriffene Marke dazu benutzt wird, um spezielle Souvenirartikel zu vermarkten und besondere Dienstleistungen anzubieten, für die sie traditionell bekannt wäre und für die das relevante Publikum ihr einen geografischen Herkunftshinweis entnehmen könnte. Die Beschwerdekammer hat damit zu Recht festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise keinen hinreichend direkten und konkreten Bezug zwischen der Marke NEUSCHWANSTEIN und den betreffenden Waren und Dienstleistungen herstellten.
Zweitens macht der Kläger geltend, dass die angegriffene Marke beschreibend sei, da sie über die Vermarktung von Souvenirartikeln bei den maßgeblichen Verkehrskreisen angenehme Empfindungen auslöse. Das Publikum bringe nämlich seinen Besuch des Schlosses positiv mit einem Souvenirartikel in Verbindung, der es an dieses erinnere. Es ist jedoch festzustellen, dass die betreffenden Waren für den täglichen Verbrauch bestimmt sind und keine besonderen Merkmale aufweisen. Der Umstand, dass sie durch die bloße Aufbringung des Namens des Museums Souvenirs sind, stellt für sich genommen kein beschreibendes Merkmal dieser Waren dar. Die Beschwerdekammer hat damit zu Recht festgestellt, dass es die angegriffene Marke den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht erlaube, unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken eine Beschreibung der betreffenden Waren oder eines ihrer Merkmale zu erkennen."
EuGH
Urteil vom 29.10.2015 C‑490/14
Freistaat Bayern gegen Verlag Esterbauer GmbH
Der EuGH hat entschieden, dass topgraphische Landkarten urheberrechtlich als Datenbank geschützt sind und die Entnahme geografischer Daten eine Entnahme unabhängiger Elemente einer Datenbank darstellt.
Tenor:
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist dahin auszulegen, dass geografischen Daten, die von einem Dritten aus einer topografischen Landkarte herausgelöst werden, um eine andere Landkarte herzustellen und zu vermarkten, nach ihrer Herauslösung ein hinreichender Informationswert bleibt, um als „unabhängige Elemente“ einer „Datenbank“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden zu können.
Das LG Nürnberg hat auf eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hin entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine unter der Bezeichnung "Bayer. Pilze & Waldfrüchte“ vertriebene Pilzmischung tatsächlich nur Pilze aus China und Chile enthält.
BGH
Beschluss vom 18.09.2014 I ZR 138/13
TK 50
Richtlinie 96/9/EG Art. 1 Abs. 2
Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. Nr. L 77 vom 27. März 1996, S. 20) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist bei der Frage, ob eine Sammlung von unabhängigen Elementen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG vorliegt, weil sich die Elemente voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihres informativen Inhalts dadurch beeinträchtigt wird, jeder denkbare Informationswert oder nur derjenige Wert maßgebend, welcher unter Zugrundelegung der Zweckbestimmung der jeweiligen Sammlung und der Berücksichtigung des sich daraus ergebenden typischen Nutzerverhaltens zu bestimmen ist?
BGH, Beschluss vom 18. September 2014 - I ZR 138/13 - OLG München - LG München I
Das BVerwG hat enschieden, dass die automatisierte Kennzeichenerfassung von Auto-Kennzeichen durch stationäre und mobile Kennzeichenerfassungsgeräte in Bayern zulässig ist.
Die Pressemiteilung des BVerwG:
"Klage gegen automatisierte Kennzeichenerfassung in Bayern erfolglos
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute eine Klage abgewiesen, auf die hin der Freistaat Bayern verurteilt werden sollte, es zu unterlassen, durch den verdeckten Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme Kennzeichen von Kraftfahrzeugen des Klägers zu erfassen und mit polizeilichen Dateien abzugleichen.
Der beklagte Freistaat Bayern setzt seit 2006 stationäre und mobile Kennzeichenerfassungsgeräte ein. Die stationären Geräte sind derzeit auf zwölf Standorte insbesondere an den Autobahnen in Bayern verteilt. Die mobilen Geräte werden aufgrund der jeweiligen Lagebeurteilung des Landeskriminalamtes anlassbezogen, beispielsweise bei internationalen Fußballturnieren oder ähnlichen Großveranstaltungen eingesetzt. Die stationären Anlagen bestehen aus einer Kamera, die den fließenden Verkehr auf jeweils einer Fahrspur von hinten erfasst und das Kennzeichen eines jeden durchfahrenden Fahrzeugs mittels eines nicht sichtbaren Infrarotblitzes aufnimmt. Aus dem digitalen Bild des Kennzeichens wird durch eine spezielle Software ein digitaler Datensatz mit den Ziffern und Buchstaben des Kennzeichens ausgelesen und über eine Datenleitung an einen stationären Rechner weitergeleitet, der am Fahrbahnrand in einem verschlossenen Behälter untergebracht ist. Dort wird das erfasste Kennzeichen mit verschiedenen im Rechner gespeicherten Fahndungsdateien abgeglichen. Bei mobilen Anlagen werden die Kennzeichen über am Fahrbahnrand aufgestellte Kameras erfasst und über einen mobilen Rechner in einem vor Ort abgestellten Polizeifahrzeug mit den Fahndungsdateien abgeglichen. Der Kläger wohnt in Bayern mit einem weiteren Wohnsitz in Österreich. Er ist nach seinen Angaben häufig in Bayern mit seinem Kraftfahrzeug unterwegs. Er hat Klage erhoben mit dem Antrag, die Erfassung und den Abgleich seiner Kraftfahrzeugkennzeichen zu unterlassen. Der automatisierte Abgleich seiner Kraftfahrzeugkennzeichen beeinträchtige sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und greife in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Das Verwaltungsgericht München hat die Klage abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof München hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die erhobene Unterlassungsklage setzt für ihren Erfolg voraus, dass dem Kläger durch die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die automatisierte Kennzeichenerfassung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in sein grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts droht. Das ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, an die das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht gebunden ist, nicht der Fall. Wird das Kennzeichen eines vorbeifahrenden Kraftfahrzeugs von dem Gerät erfasst und mit den dafür herangezogenen Dateien abgeglichen, ohne dass eine Übereinstimmung mit Kennzeichen in den Dateien festgestellt wird, liegt kein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. In diesem Fall ist rechtlich und technisch gesichert, dass die Daten anonym bleiben und sofort spurenlos und ohne die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, gelöscht werden. Ebenso wenig liegt ein Eingriff in den Fällen vor, in denen ein Kennzeichen von dem Gerät erfasst und bei dem Abgleich mit den Dateien eine Übereinstimmung mit Kennzeichen in den Dateien angezeigt wird, der sodann vorgenommene manuelle Vergleich von abgelichtetem Kennzeichen und dem vom System ausgelesenen Kennzeichen durch einen Polizeibeamten aber ergibt, dass die Kennzeichen tatsächlich nicht übereinstimmen. In diesem Fall löscht der Polizeibeamte den gesamten Vorgang umgehend durch Eingabe des Befehls „Entfernen“, ohne dass er die Identität des Halters ermittelt. Ein Eingriff liegt nur vor, wenn das Kennzeichen von dem Gerät erfasst wird und bei dem Abgleich mit den Dateien eine Übereinstimmung mit Kennzeichen in den Dateien angezeigt wird, die tatsächlich gegeben ist. In diesem Fall wird der Vorgang gespeichert und steht für weitere polizeiliche Maßnahmen zur Verfügung. Dem Kläger droht ein solcher Eingriff jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, weil die Kennzeichen von ihm gehaltener Kraftfahrzeuge nicht in den herangezogenen Dateien gespeichert sind und nur eine hypothetische Möglichkeit dafür besteht, dass sie künftig dort gespeichert werden könnten.