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VG Hannover: DSGVO gilt nicht für Altfälle bzw. Datenschutzverstöße vor Inkrafttreten am 25.05.2018

VG Hannover
Urteil vom 10.10.2023
10 A 5223/19


Das VG Hannover hat entschieden, dass die DSGVO nicht für Altfälle bzw. Datenschutzverstöße vor Inkrafttreten am 25.05.2018 gilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Auf den vorliegenden Fall findet die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 des Europäischen Parlamentes und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, hiernach: DS-GVO) keine Anwendung.

Grundsätzlich ist für Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist, bei Leistungs- oder Verpflichtungsklagen – wie hier – auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. dazu Hamb. OVG, Urteil vom 7.10.2019 – 5 Bf 279/17 –, juris Rn. 40). Aufgrund der Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG sind dabei aber Rechtsänderungen, die vor der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts in Kraft getreten sind, bei der Entscheidung zu beachten, sofern das neu in Kraft gesetzte Recht nichts anderes bestimmt. Durch seine Auslegung ist zu ermitteln, ob das klägerische Begehren noch nach altem, also dem aufgehobenen oder nach dem inhaltlich geänderten Recht zu beurteilen ist (vgl. Decker in BeckOK VwGO, 66. Ed. 1.7.2023, VwGO § 113 Rn. 74.1; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.3.2004 – 8 C 5/03 –, juris Rn. 35 f.)

Danach findet die DS-GVO auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Die Anwendbarkeit der DS-GVO ist in deren Art. 99 Abs. 2 DS-GVO festgelegt. Danach gilt die DS-GVO erst seit dem 25. Mai 2018. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten beanstandet, dass sie betreffende medizinische Unterlagen im Jahr 2012 an einen Gutachter weitergegeben worden sind. Zu Sachverhalten, die sich vor Geltung der DS-GVO ereignet haben, enthält die DS-GVO keine expliziten Regelungen. Eine Übergangsvorschrift, die die Geltung der DS-GVO auch für Sachverhalte vor diesem Datum anordnet, existiert im deutschen Recht nicht. Im österreichischen Recht findet sich eine Regelung, welche die Anwendung des neuen Rechts, also der DS-GVO, explizit auch für Sachverhalte vor dem Inkrafttreten der DS-GVO anordnet, wenn die Fälle noch bei den Aufsichtsbehörden liegen (vgl. zu allem: VG Ansbach, Urteil vom 22.9.2021 – AN 14 K 19.01274 –, juris Rn. 21 m.V.a. VGH der Republik Österreich, Beschluss vom 5.6.2020 - VwGO RO 2018/04/0023 -, abrufbar über das Rechtsinformationssystem des Bundes, https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Vwgh&Dokumentnummer=JWT_2018040023_20200605J00, zuletzt abgerufen am 10.10.2023).

Das Inkrafttreten der DS-GVO stellt nach deren Art. 99 eine klare Zäsur zwischen dem alten und dem neuen Recht dar. Da der deutsche Gesetzgeber keine Übergangsvorschrift erlassen hat, die unter bestimmten Umständen eine Anwendung des neuen Rechts auch auf vor deren Geltung begangene Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften angeordnet hat, unterliegen vor diesem Datum erfolgte Verstöße vollständig dem alten Recht (VG Ansbach, Urteil vom 22.9.2021 – AN 14 K 19.01274 –, juris Rn. 44).

2. Aus der Nichtanwendbarkeit der DS-GVO auf den vorliegenden Fall folgt, dass die Rüge, welche die Klägerin wegen der Weitergabe sie betreffender, medizinischer Unterlagen im April 2018 gegenüber dem Beklagten erhoben hat, keine "Beschwerde" im Sinne des Art. 77 DS-GVO darstellen kann, sondern nur als eine "Eingabe" im Sinne des Art. 28 Abs. 4 der (inzwischen außer Kraft getretenen) Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vom 24. Oktober 1996 (hiernach: RL 95/46/EG) anzusehen sein kann. Für vor dem 25. Mai 2018 liegende Verstöße gegen die Datenschutzrichtlinie werden Aufsichtsbehörden und Gerichte grundsätzlich nach dem bisherigen Rechtsregime tätig (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 22.9.2021 – AN 14 K 19.01274 –, juris Rn. 38 m.V.a. Hornung/Spiecker in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, Art. 99 DS-GVO, Rn. 4).

3. Die Eingabe der Klägerin gemäß Art. 28 Abs. 4 RL 95/46/EG kann keinen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten begründen.

Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur hat die Auffassung vertreten, dass die Eingabe gemäß Art. 28 Abs. 4 RL 95/46/EG petitionsähnlich ausgestaltet gewesen ist und die gerichtliche Prüfung sich daher darauf beschränkt hat, ob die Eingabe entgegengenommen, sachlich und rechtlich geprüft und das Ergebnis mitgeteilt worden war (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 22.9.2021 – AN 14 K 19.01274 –, juris Rn. 21 m.V.a. BayVGH, Beschluss vom 23.3.2015 – 10 C 15.165BeckRS 2016, 44250; Döhmann in Simitis, BDSG a.F., 8. Auflage 2014, § 21 Rn. 18; Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 11. Auflage 2012, § 21 Rn. 6; Körffer in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 77 Rn. 5; Will, ZD 2020, 97; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 23.7.2013 - 11 PA 145/13 -, n.v.). Ein Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten bestand dagegen nicht (Brink in BeckOK Datenschutzrecht, 22. Edition Stand 1.11.2017, § 38 BDSG, Rn. 51).

Die Regelungen der DS-GVO, aus denen sich nach Auffassung der überwiegenden Rechtsprechung ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung über das "ob" und das "wie" eines aufsichtsrechtlichen Tätigwerdens der unabhängigen Aufsichtsbehörde und – im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null – auch einen Anspruch auf ein konkretes Einschreiten der Aufsichtsbehörde ergeben kann, sind hier nicht anwendbar (vgl. zum Prüfungsumfang des Gerichts nach der DS-GVO OVG Hamburg, Urteil vom 7.10.2019 – 5 Bf 279/17 –, juris Rn. 63 ff. m.w.N.; VG Stuttgart, Urteil vom 11.11.2021 – 11 K 17/21 –, juris Rn. 90 f.; VG Wiesbaden, Beschluss vom 31.8.2021 – 6 K 226/21.WI –, juris; Urteil vom 7.6.2021 – 6 K 307/20.WI –, juris Rn. 37; VG Hamburg, Urteil vom 1.6.2021 - 17 K 2977/19 -, juris; VG Mainz, Urteil vom 16.1.2020 – 1 K 129/19.MZ –, juris; zur gegenteiligen Auffassung vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.10.2020 – 10 A 10613/20 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.1.2020 - 1 S 3001/19 -, juris). Insoweit wird mit den Erwägungsgründen 11, 142 und 143 der DS-GVO und Art. 57 Abs. 1 lit. f DS-GVO, der den Aufsichtsbehörden für das Beschwerdeverfahren konkrete Aufgaben zuweist, argumentiert (vgl. statt vieler: OVG Hamburg, Urteil vom 7.10.2019 – 5 Bf 279/17 –, juris Rn. 63 ff.). Diese Argumente können aber für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. Der Erwägungsgrund 142 stellt nur auf die "Rechte nach dieser Verordnung" ab. Die Sätze 4 und 5 des Erwägungsgrundes 143 nennen zwar nicht ausdrücklich "diese Verordnung", nach ihrem Sinn und Zweck stellen sie jedoch auf die durch die DS-GVO ab ihrem Geltungsbeginn geschaffene Rechtslage ab und sprechen damit ebenfalls gegen einen Gleichlauf des gerichtlichen Prüfungsumfangs vor und nach dem Geltungsbeginn der DS-GVO. Nach Erwägungsgrund 11 erfordert ein wirksamer Schutz von personenbezogenen Daten die Stärkung der Rechte der Betroffenen. Diese Stärkung der Rechte der Betroffenen soll aber, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, gerade durch die DS-GVO erfolgen. Demnach lässt sich für den hier zu entscheidenden Fall, in dem die beanstandete Weitergabe von medizinischen Unterlagen Jahre vor Inkrafttreten der DS-GVO stattgefunden hat, aus den Erwägungsgründen nichts für die Rechtsauffassung der Klägerin ableiten. Anhaltspunkte dafür, dass diese Stärkung der Rechte der Betroffenen auch für Verstöße vor dem Inkrafttreten der DS-GVO gegen das zu diesem Zeitpunkt maßgebliche materielle Datenschutzrecht gelten soll, lassen sich daraus aber wiederum nicht ableiten (VG Ansbach, Urteil vom 22.9.2021 – AN 14 K 19.01274 –, juris Rn. 42).

Ebenso wenig kann Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO für die Begründung eines über das alte Recht hinausgehenden Prüfungsumfangs herangezogen werden. Denn auch diese Bestimmung gilt nur für Beschwerden wegen einer Verletzung der DS-GVO i.S.v. Art. 77 DS-GVO. Dies ist aber nach den obigen Ausführungen hier nicht der Fall.

4. Danach ergibt sich bei Anwendung des hier einschlägigen Rechts, dass die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt ist, ob die Eingabe der Klägerin von dem Beklagten entgegengenommen, sachlich und rechtlich geprüft und dass der Klägerin das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt wurde. Dies ist hier der Fall. Der Beklagte hat den von der Klägerin im April 2018 mitgeteilten Sachverhalt an die D. weitergeleitet und diese zur Stellungnahme sowie ggf. zur Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung aufgefordert. Es ist zwar nicht erkennbar, dass sie auf Grundlage der Stellungnahme der Mecklenburgischen Versicherung eine eigene rechtliche Prüfung vorgenommen hat, bevor sie der Klägerin mitgeteilt hat, dass keine personenbezogenen Daten weitergegeben worden sind. Sie hat die D. aber jedenfalls auf den Widerspruch der Klägerin gegen die Einstellung des Verfahrens vom 12. Oktober 2018 erneut zur Stellungnahme aufgefordert. Deren umfangreiche Stellungnahme hat sie in dem Bescheid vom 1. Oktober 2019 gewürdigt, seine – in Teilen von der M. Versicherung abweichende – Rechtsauffassung kundgetan und das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Gelsenkirchen: DSGVO gilt nicht für Altfälle die vor Inkrafttreten abgeschlossen waren und insofern auch keine Klage anhängig war

VG Gelsenkirchen
Urteil vom 11.10.2021
29 K 7031/19


Das VG Gelsenkirchen hat entschieden, dass die DSGVO nicht für Altfälle gilt, die vor Inkrafttreten abgeschlossen waren und insofern auch keine Klage anhängig war.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.

Der Kläger macht, wie sich aus dem Klageantrag in Verbindung mit der Klagebegründung ergibt, einen Rechtsbehelf nach Art. 78 DS-GVO geltend. Mit dem gegen die beklagte LDI als für das Land Nordrhein-Westfalen zuständiger Datenschutzaufsichtsbehörde gerichteten Antrag, ein Verbot gegenüber dem Landgericht C. zu verhängen, begehrt der Kläger auf der Grundlage der DS-GVO die Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts durch die Aufsichtsbehörde, hilfsweise die Neubescheidung. Dieses Begehren ist im Wege der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verfolgen.

Dabei kann Ausgangspunkt für ein Tätigwerden des Beklagten allein die Eingabe des Klägers vom 15. Dezember 2017 sein, die die LDI mit Schreiben vom 23. Januar 2018 beantwortet hat. Danach hat sich der Kläger nicht mehr an die Aufsichtsbehörde gewendet.

Unabhängig von der Frage, welche Ansprüche der Beschwerdeführer gegen die Aufsichtsbehörde nach Art. 77, 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO hat und ob die ablehnende Entscheidung der Aufsichtsbehörde inhaltlich auf dem Verwaltungsrechtsweg überprüft werden kann,

vgl. zum Streitstand: Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 1 S 3001/19, juris Rn. 51 ff.; Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 7. Oktober 2019 – 5 Bf 291/17 –, juris Rn. 63 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Oktober 2020 – 10 A 10613/20 –, juris Rn. 31 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 8. August 2019 - AN 14. K 19.00272 –, juris Rn 42 ff.; VG Wiesbaden, Urteil vom 7. Juni 2021 – 6 K 307/20.WI –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2021 – 29 K 7710/19 –, n.v.,

ist dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Eingabe vom 15. Dezember 2017 ein Rückgriff auf die DS-GVO verwehrt. Der mit der Eingabe des Klägers eingeleitete Vorgang war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Datenschutzgrundverordnung abgeschlossen, so dass das neue Recht hierauf keine Anwendung findet. Jedenfalls wäre die erhobene Verpflichtungs- und Bescheidungsklage verfristet. Eine (neue) Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO hat der Kläger vor Klageerhebung nicht eingereicht, sodass es an einer Sachurteilsvoraussetzung fehlt.

Maßgeblich bei der Entscheidung über Verpflichtungs- und Bescheidungsklagen ist grundsätzlich die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage.

Vgl. W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 113 Rn. 217 m.w.N.

Eine Weiterbehandlung des nach altem Recht gestellten Antrags vom 15. Dezember 2017 nach dem Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 2000 kommt daher nicht in Betracht, weil es gemäß § 72 DSG NRW bereits am 25. Mai 2018 außer Kraft getreten ist. Abgesehen davon, dass der Betroffene nach dem DSG NRW a.F. keinen Rechtsanspruch auf bestimmte tatsächliche oder rechtliche Feststellungen, wie etwa auf die Vornahme einer Beanstandung, hatte,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 1993 – 25 A 2307/91 –, CR 1994,117,

stützt der Kläger seinen Anspruch auf Einschreiten der Aufsichtsbehörden dementsprechend auch nicht auf altes Datenschutzrecht.

Rechtsschutz nach Art. 78 DS-GVO gegen die Mitteilung der LDI vom 30. Januar 2018 kann der Kläger nicht in Anspruch nehmen. Denn die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung findet auf den Vorgang im Zusammenhang mit der Eingabe vom 15. Dezember 2017 keine Anwendung.

Nach allgemeinen Grundsätzen erfasst neues Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch anhängige Verfahren, weshalb jeder Beteiligte während des Verfahrensverlaufes mit einer Änderung der hierfür geltenden Regeln rechnen muss.

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. März 1985 – 9 C 47/84 –, juris Rn. 13, m.w.N.

Beim Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung war ein datenschutzrechtliches Verfahren des Klägers jedoch nicht mehr anhängig.

Die zum Zeitpunkt der Eingabe vom 15. Dezember 2017 geltende Vorschrift des § 25 Abs. 1 DSG NRW a.F., in der das Recht, den Landesbeauftragten für den Datenschutz anzurufen, geregelt war, gab dem Betroffenen einen Anspruch darauf, dass seine Eingabe erledigt wird. Dazu gehörte die Entgegennahme, die sachliche Prüfung sowie Bescheidung,

Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Urteil vom 2. Juni 1993 – 25 A 2307/91 –, CR 1994,117,

wobei es sich bei letzterer mangels Regelungswirkung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um sogenanntes schlicht hoheitliches Handeln handelte.

VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. September 2013 – 26 K 7148/12 –, juris Rn. 7.

Diesen Anspruch hat der Beklagte mit seinem Schreiben vom 23. Januar 2018, mit dem dem Kläger das Ergebnis der Prüfung seiner Eingabe mitgeteilt worden war, vollumfänglich erfüllt. Mit der Bekanntgabe des Schreibens war das durch die Anrufung der LDI eingeleitete Verwaltungsverfahren abgeschlossen. Die Datenschutzgrundverordnung sowie die aktuellen nationalen Datenschutzgesetze traten jedoch erst danach, nämlich am 25. Mai 2018 in Kraft.

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Datenschutzvorschriften war der Vorgang auch nicht bei Gericht anhängig. Hinsichtlich eines durch Klageerhebung entstandenen Prozessrechtsverhältnisses gilt in gleicher Weise der oben genannte allgemeine Grundsatz, dass neues Recht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch anhängige Verfahren erfasst.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1982 - 9 B 3520/82 - juris Rn. 8.

Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von den Fallkonstellationen, über die das OVG Hamburg zu entscheiden hatte. Dort war die Entscheidung der Aufsichtsbehörde zwar ebenfalls jeweils noch auf der Grundlage alten Datenschutzrechts ergangen. In beiden Fällen hatten die Kläger aber bereits im Jahr 2016, also deutlich vor Inkrafttreten des neuen Rechts Klage erhoben.

Vgl. OVG Hamburg, Urteile vom 7. Oktober 2019 – 5 Bf 279/17 und 5 Bf 291/17 –, beide juris,

Das hatte zur Folge, dass die anhängigen Verfahren vom neuen Verfahrensrecht erfasst wurden. Nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung waren für die im Wege der Verpflichtungsklage geltend gemachten datenschutzrechtlichen Ansprüche daher die seit dem 25. Mai 2018 geltende DS-GVO und die auf nationaler Ebene neugefassten Datenschutzbestimmungen maßgeblich.

Vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 7. Oktober 2019 – 5 Bf 291/17 –, juris Rn. 45.

Eine solche Weiterbehandlung eines laufenden Klageverfahrens nach neuem Recht kommt hier mangels am 25. Mai 2018 anhängiger Klage nicht in Betracht.

Aus dem materiellen Recht ergibt sich nichts anderes. Weder die DS-GVO noch das DSG NRW enthalten Übergangsregelungen, die auch abgeschlossene Altfälle einer nachträglichen Bewertung durch die Aufsichtsbehörde unterwerfen. Eine solche (echte) Rückwirkung der neuen Datenschutzgesetze hätte ausdrücklicher Geltungsanordnung des Gesetzgebers bedurft.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 1985 – 9 C 47/84 –, juris Rn. 14.

Aus der allgemeinen Zielsetzung der Datenschutzgrundverordnung, die Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere das Recht auf Schutz personenbezogener Daten zu wahren,

Hornung/Spiecker gen. Döhmann, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Einl. Rn. 312,

und einheitliche Maßstäbe bei der Anwendung und Durchsetzung des Datenschutzrechts zu schaffen,

vgl. Körffer, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., Art. 55 DS-GVO Rn 1;

lässt sich nicht ableiten, dass nach altem Recht gestellte und entschiedene Eingaben bei der Aufsichtsbehörde einer erneuten Überprüfung nach den neuen Datenschutzbestimmungen unterliegen sollen. Das bedeutet, dass der Bestand der nach altem Recht abgeschlossenen Anrufungsverfahren von der Gesetzesänderung unberührt bleibt.

Selbst wenn zugunsten des Klägers die Anwendbarkeit der DS-GVO unterstellt wird, wäre seine Klage unzulässig. Denn dann wäre die Klagefrist versäumt. Mit der Verhängung eines Verbots gegenüber dem Landgericht C. begehrt der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts durch die beklagte LDI. Für die Verpflichtungsklage gilt die Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Bescheids nach § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes abgelehnt worden ist. Das Schreiben vom 23. Januar 2018, mit dem die - im Sinne der DS-GVO als Beschwerde zu wertende - Eingabe des Klägers abschlägig beschieden wurde, enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Daher gilt nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Jahresfrist. Zwischen dem dem Kläger bekannt gegebenen Schreiben vom 23. September 2018 und der Klageerhebung am 24. September 2019 lagen jedoch über anderthalb Jahre.

Einen neuen Antrag auf datenschutzrechtliches Einschreiten des Beklagten nach Art. 77 DS-GVO hat der Kläger vor Klageerhebung nicht gestellt. Für die Verpflichtungsklage ist anerkannt, dass ihre Zulässigkeit grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsaktes abhängt.

Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, Vorb. § 40, Rn. 11.

Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus den §§ 68 Abs. 2, 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nachdem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Der Antrag muss grundsätzlich bereits vor der Erhebung der Verpflichtungsklage gestellt worden sein und beinhaltet insofern eine Zugangsvoraussetzung.

R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 42, Rn. 6.

Der Kläger hat vor Klageerhebung keine Beschwerde im Sinne der DS-GVO erhoben. Soweit der Beklagte die Klageschrift als Beschwerde im Sinne der DS-GVO aufgefasst und eine Stellungnahme des Landgerichts C. eingeholt hat, vermag dies das Fehlen eines vorherigen Antrags nicht zu heilen.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil von einer Entscheidung eines Obergerichts ab."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH-Generalanwalt: EU-Dienstleistungsrichtlinie git auch für kurzfristige Peer-to-Peer-Vermietung möblierten Wohnraums

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 02.04.2020
C-724/18 und C-727/18
Cali Apartments / Procureur général près la cour d’appel de Paris, Ville de Paris, und HX / Procureur général près la cour d’appel de Paris, Ville de Paris


Der EuGH vertritt in seinen Schlussanträgen die Ansicht, dass die EU-Dienstleistungsrichtlinie auch für die kurzfristige Peer-to-Peer-Vermietung möblierten Wohnraums gilt.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Auffassung von Generalanwalt Bobek ist die Dienstleistungsrichtlinie auf die kurzfristige Peer-to-Peer-Vermietung möblierten Wohnraums anwendbar

Eine Knappheit langfristig verfügbaren Wohnraums stelle einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine nationale Maßnahme rechtfertigen könne, die die wiederholte Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten Räumlichkeiten für kurze Zeit und an eine Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründe, einer Genehmigungspflicht unterwerfe Cali Apartments und HX (im Folgenden: Beschwerdeführerinnen) sind jeweils Eigentümerin einer Einzimmerwohnung in Paris.

Im Jahr 2015 führten die städtischen Dienststellen der Stadt Paris eine Überprüfung im Hinblick darauf durch, ob die Beschwerdeführerinnen ihre Einzimmerwohnungen ungenehmigt als möblierte Kurzzeitunterkünfte auf der Airbnb-Plattform
vermieteten. Infolge dieser Überprüfung wurden die Beschwerdeführerinnen zu einer Geldbuße verurteilt und angewiesen, die Objekte wieder einer Nutzung zu Wohnzwecken zuzuführen. Die Stadt Paris trat dem Verfahren bei, das der Procureur de la République (Staatsanwalt) eingeleitet hatte. Nachdem zunächst ihre Berufung ohne Erfolg geblieben war, legten die
Beschwerdeführerinnen Kassationsbeschwerden bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich), dem vorlegenden Gericht, ein.

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob eine nationale Regelung, die die Vermietung möblierten Wohnraums für Kurzzeitaufenthalte von einer Genehmigung der Verwaltung abhängig macht, in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fällt.

In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag gelangt Generalanwalt Michal Bobek zu dem Ergebnis, dass die Dienstleistungsrichtlinie auf nationale und kommunale Vorschriften anwendbar sei, die den Zugang zu einer Dienstleistung regelten, die in der wiederholten, kurzfristigen, entgeltlichen, auch nicht gewerbsmäßigen Vermietung von zu Wohnzwecken
bestimmten Räumlichkeiten an eine Laufkundschaft bestehe, die dort keinen Wohnsitz begründe. Das Ziel der Bekämpfung einer Knappheit langfristigen Wohnraums könne jedoch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine nationale Maßnahme, nach der eine Genehmigungspflicht bestehe, rechtfertigen könne. Derartige nationale und kommunale Vorschriften seien nach der Dienstleistungsrichtlinie zulässig, sofern sie den Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung entsprächen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts sei.

Nach Ansicht von Generalanwalt Bobek muss sich die anzustellende Prüfung auf die anwendbaren nationalen und kommunalen Vorschriften beziehen, da es sich bei der in Rede stehenden Genehmigungsregelung um ein Paket aus Vorschriften beider Regelungsebenen handele. Zum Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass Vorschriften, die Nutzungsänderungen von zur Nutzung als Wohnraum bestimmtem
Grundbesitz einem Genehmigungserfordernis unterwürfen, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen.
Insbesondere handele es sich bei den in Rede stehenden Vorschriften um eine Genehmigungsregelung im Sinne der Richtlinie. Eigentümer, die ihre möblierten Unterkünfte kurzfristig vermieten möchten, müssten ein Verwaltungsverfahren durchlaufen, um bei Erfüllung von Voraussetzungen vom Bürgermeister eine förmliche verwaltungsrechtliche Genehmigung zu erwirken.

Zur Vereinbarkeit der Genehmigungsregelung mit der Dienstleistungsrichtlinie führt er aus, weder die unternehmerische Freiheit noch das Eigentumsrecht gälten absolut, beide könnten eingeschränkt werden. Soweit mit anderen Worten die Regelung der Nutzung keine so schwerwiegende Einschränkung darstelle, dass sie faktisch einer verdeckten Enteignung oder Entwertung des Eigentums gleichkomme, seien Einschränkungen dieser Rechte zulässig.

Nach Auffassung von Generalanwalt Bobek sind die Bekämpfung einer Wohnraumknappheit und das Ziel, ein hinreichendes Angebot an bezahlbarem (langfristigem) Wohnraum (insbesondere an Touristenschwerpunkten) zu gewährleisten, sowie der Schutz der städtischen Umwelt wirksame Rechtfertigungen für die Einführung von weitgehend auf die Sozialpolitik gestützten Genehmigungsregelungen. Somit sei die in Rede stehende Genehmigungsregelung eindeutig ein nach der Dienstleistungsrichtlinie zulässiges Mittel.

Während die Einführung der Genehmigungsregelung verhältnismäßig sei, sei die Verhältnismäßigkeit der Ausgleichsleistung in Form der gleichzeitigen Umwandlung anders genutzter Räumlichkeiten in Wohnraum schon eher fragwürdig, insbesondere in der von der Stadt Paris gewählten Gestaltung in Bezug auf nicht gewerbliche Eigentümer. Es sei aber in erster Linie Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung
mit der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar seien. Nach Ansicht von Generalanwalt Bobek ist lokale Vielfalt im Hinblick auf die konkreten Genehmigungsvoraussetzungen nicht nur zulässig, sondern sogar wünschenswert. Wenn zugelassen werde, dass der lokalen Ebene eingeräumt werde, Regelungen zu erlassen und die Voraussetzungen für Genehmigungsregelungen auszugestalten, dann werde die Verhältnismäßigkeit dieser Regelungen wahrscheinlich davon abhängen, dass die lokalen Gegebenheiten und Besonderheiten berücksichtigt würden.


Den Volltext der Schlussanträge finden Sie hier:


BGH: Beschränkte Anwendbarkeit der Werbeverbote für Medizinprodukte gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HWG gilt für gegenständliche und stoffliche Medizinprodukte

BGH
Urteil vom 01.02.2018
I ZR 82/17
Gefäßgerüst
UWG § 3 Abs. 2, §§ 3a, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2; HWG § 1 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 2, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2; MPG § 3 Nr. 1 Buchst. a


Der BGH hat entschieden, dass die beschränkte Anwendbarkeit der Werbeverbote für Medizinprodukte gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HWG für gegenständliche und stoffliche Medizinprodukte gilt.

Leitsätze des BGH:

a) Ein Gefäßgerüst (Stent), dessen Hauptwirkung auf physikalischem Wege erreicht wird, ist auch dann kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt, wenn zur Vorbeugung eines übermäßigen Gewebewachstums ein Wirkstoff ausgebracht wird und das Gefäßgerüst bioresorbierbar ist, also nach einiger Zeit im Körper zerfällt.

b) Die beschränkte Anwendbarkeit der Werbeverbote des § 11 Abs. 1 Satz 1 HWG auf Medizinprodukte gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HWG gilt sowohl für gegenständliche als auch für stoffliche Medizinprodukte.

BGH, Urteil vom 1. Februar 2018 - I ZR 82/17 - OLG Frankfurt am Main - LG Limburg an der Lahn

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: