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OLG Frankfurt: Vertrag über Verkauf von Adressdaten die ohne Zustimmung nach § 28 BDSG erfasst wurden ist sittenwidrig - Keinerlei Ansprüche aus Vertragsverhältnis

OLG Frankfurt
Urteil vom 24.01.2018
13 U 165/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Vertrag über Verkauf von Adressdaten, die ohne Zustimmung nach § 28 BDSG erfasst wurden, sittenwidrig und die Vertragsparteien keinerlei Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend machen können. Dies gilt sowohl für Zahlungsansprüche, Gewährleistungsansprüche und Schadensersatzansprüche.

Die Pressemitteilung des Gerichts:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG): Keine Ansprüche trotz anstößiger Datennutzung

OLG erklärt Verkauf von Adressdaten wegen fehlender Einwilligung nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) für unwirksam und weist Ansprüche trotz vertragswidriger Nutzung durch Dritte für anstößige Werbe-E-Mails zurück.

Die Klägerin handelt mit Adressdaten. Sie nimmt den beklagten Insolvenzverwalter der vormals ebenfalls mit Adressdaten handelnden Schuldnerin auf Schadensersatz und Unterlassen in Anspruch. Der Geschäftsführer der Klägerin war zuvor Geschäftsführer der Schuldnerin. Er hatte am Tag der Insolvenzeröffnung vom Beklagten verschiedene Internet-Domains einschließlich der über diese generierten Adressen für 15.000 € gekauft. Die Daten befanden sich ursprünglich auf zwei Servern der Schuldnerin und wurden auf einem USB-Stick übergeben. Die Server selbst, auf denen die Daten weiterhin rekonstruierbar lagen, wurden vom Beklagten an eine ebenfalls mit Adressen handelnde dritte Firma verkauft. Diese nutzte nach dem Vortrag der Klägerin rund eine Million Adressen, um Werbe-E-Mails für die Internetseite sexpage.de zu versenden.

Die Klägerin klagt nunmehr aus abgetretenem Recht ihres Geschäftsführers. Sie ist der Ansicht, die von ihr erworbenen Adressen hätten durch die erfolgte Nutzung für die Internetseite sexpage.de 2/3 ihres Wertes verloren. Der Beklagte müsse deshalb den Kaufpreis anteilig an sie zurückzahlen. Zudem sei er verpflichtet, die weitere Nutzung dieser Adressdaten zu unterlassen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg. Der Klägerin, so das OLG, stünden keinerlei vertragliche Ansprüche zu. Der Kaufvertrag sei vielmehr insgesamt nichtig, da die Adressinhaber in den Verkauf ihrer Daten nicht wirksam eingewilligt hätten. Der Vertrag verstoße gegen die Vorgaben des BDSG. Die Nutzung sogenannter personenbezogener Daten sei nur zulässig, wenn der Betroffene einwillige oder das so genannte Listenprivileg eingreife. „Name, Postanschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse einer Person“ stellten „klassische“ personenbezogene Daten dar. Auch der einmalige Verkauf derartiger Daten - wie hier - unterfalle dem Adresshandel im Sinne von § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG dar. Das so genannte Listenprivileg nach § 28 Abs. 3 S. 2 BDSG greife nicht, da es sich nicht um „zusammengefasste Daten von Angehörigen einer bestimmten Personengruppe“ handele.

Eine Einwilligung nach dem BDSG sei, betont das OLG, „nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht, der auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie (...) auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung“ hingewiesen wird. Sie müsse grundsätzlich schriftlich abgegeben werden. Außerdem sei sie „besonders hervorzuheben“, wenn sie - wie hier - zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werde. Nach dem von der Klägerin selbst vorgetragenen Wortlaut der Einwilligungserklärung seien jedoch weder die betroffenen Daten noch Kategorien etwaiger Datenempfänger oder der Nutzungszweck - Adresshandel - konkret genug bezeichnet worden. Es fehle zudem die erforderliche Hervorhebung.

Der Vertrag verpflichte die Parteien darüber hinaus „systematisch“ zu einem unlauteren wettbewerbswidrigen Verhalten, so dass auch deshalb von einer Gesamtnichtigkeit auszugehen sei. Die Zusendung von Werbe-E-Mails ohne Einwilligung stelle eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar.

Soweit der Beklagte zwar im Ergebnis in Höhe des erlangten Kaufpreises ungerechtfertigt bereichert sei, begründe dies allein ebenfalls keinen Rückzahlungsanspruch der Klägerin. Ein derartiger Anspruch sei hier vielmehr ausgeschlossen, da beide Vertragsparteien vorsätzlich gegen die zwingenden Vorgaben des BDSG verstoßen hätten. Bei gesetzeswidrigen Verträgen versage § 817 Abs. 1 BGB jede Rückabwicklung. Wer sich dennoch auf ein derartiges Geschäft einlasse, „leistet auf eigenes Risiko“, betont das OLG.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Klägerin kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.01.2018, Az. 13 U 165/16
(vorausgehend Landgericht Darmstadt, Urteil vom 21.07.2016, Az. 16 O 272/11)

Erläuterungen:
§ 28 BDSG Datenerhebung und -speicherung für eigene Geschäftszwecke
...
Die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung ist zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat und im Falle einer nicht schriftlich erteilten Einwilligung die ver-
antwortliche Stelle nach Absatz 3a verfährt. Darüber hinaus ist die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zulässig, soweit es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe, seine Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, seinen Namen, Titel, akademischen Grad, seine Anschrift und sein Geburtsjahr beschränken, (…)
§ 7 UWG Unzumutbare Belästigungen
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen

1.(...)

3.bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt (…)

§ 817 BGB Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten
War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

BGH: Illustrierte "People" durfte Fotos des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff bei einem Supermarkteinkauf in dem Beitrag "Liebes-Comeback" veröffentlichen

BGH
Urteil vom 06.02.2018
VI ZR 76/17


Der BGH hat entschieden, dass die Illustrierte "People" Fotos des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff bei einem Supermarkteinkauf in dem Beitrag "Liebes-Comeback" veröffentlichen durfte.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof gestattet die Veröffentlichung von Bildern des ehemaligen Bundespräsidenten
Christian Wulff bei einem Supermarkteinkauf

Sachverhalt:

Der Kläger ist ehemaliger Bundespräsident, die Beklagte ein Zeitschriftenverlag. Am 6. Mai 2015 bestätigte der Kläger in einer Pressemitteilung, dass er und seine Frau wieder zusammen lebten. Am 13. Mai 2015 veröffentlichte die Beklagte in der Illustrierten "People" unter der Überschrift "Liebes-Comeback" einen Artikel über den Kläger und seine Ehefrau und bebilderte diesen Artikel u.a. mit einem Foto, das den Kläger und seine Ehefrau am Auto zeigte. Am 20. Mai 2015 veröffentlichte die Beklagte in der Zeitschrift "Neue Post" unter der Überschrift "Nach der Versöhnung - Christian Wulff - Wer Bettina liebt, der schiebt!" einen weiteren Artikel über den Kläger und seine Ehefrau, wobei sie den Artikel u.a. mit einem Foto des Klägers mit einem gefüllten Einkaufswagen bebilderte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der auf Unterlassung der Bildberichterstattung gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts verletzte die Veröffentlichung der Bilder den Kläger in seiner Privatsphäre. Mit der vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Vorentscheidungen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die veröffentlichten Fotos waren dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) zuzuordnen und durften deshalb von der Beklagten auch ohne Einwilligung des Klägers (§ 22 KunstUrhG) verbreitet werden, da berechtigte Interessen des Abgebildeten damit nicht verletzt wurden. Die Vorinstanzen hatten die in besonderer Weise herausgehobene Stellung des Klägers als ehemaliges Staatsoberhaupt, den Kontext der beanstandeten Bildberichterstattung sowie das Ausmaß der vom Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb rechtsfehlerhaft dem Persönlichkeitsrecht des Klägers den Vorrang vor der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressefreiheit der Beklagten eingeräumt.

Die herausgehobene politische Bedeutung des Klägers als Inhaber des höchsten Staatsamtes und das berechtigte öffentliche Interesse an seiner Person endeten nicht mit seinem Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten; die besondere Bedeutung des Amtes wirkt vielmehr nach. Auch nach seinem Rücktritt erfüllt der Kläger, der als "Altbundespräsident" weiterhin zahlreichen politischen und gesell-schaftlichen Verpflichtungen nachkommt, Leitbild- und Kontrastfunktion auch in der Normalität seines Alltagslebens. Im Zusammenhang mit der - nicht angegriffenen - Textberichterstattung leisteten die Veröffentlichungen einen Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses. Sie nehmen Bezug auf die vom Kläger selbst erst einige Tage zuvor durch Pressemitteilung bestätigte Versöhnung mit seiner Frau. Gegenstand der Berichterstattung ist darüber hinaus die eheliche Rollenverteilung. Die Fotos bebildern dies und dienen zugleich als Beleg. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder öffentlich thematisiert und sich dadurch mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt hat. Zudem betreffen die zur Einkaufszeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes und damit im öffentlichen Raum aufgenommenen Fotos den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre.

Den entgegenstehenden berechtigten Interessen des Klägers kommt demgegenüber kein überwiegendes Gewicht zu (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG). Die Fotos weisen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf, sondern zeigen den Kläger in einer unverfänglichen Alltagssituation und in der Rolle eines fürsorgenden Familienvaters.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 19. Januar 2017 – 15 U 88/16

Landgericht Köln – Urteil vom 27. April 2016 – 28 O 379/15

Die hier maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 22 Satz 1 KunstUrhG

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Absatz 1 Nr. 1 KunstUrhG

Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.

§ 23 Absatz 2 KunstUrhG

Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.



LG Köln: Erwerber einer Domain kann sich auf Priorität der Kennzeichenrechte des Vorbesitzers berufen

LG Köln
Urteil vom 19.12.2017
33 O 39/17


Das LG Köln hat entschieden, dass der sich der Erwerber einer Domain auf die Priorität der Kennzeichenrechte des Vorbesitzers berufen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung sowie Beseitigung und Verzicht des Beklagten auf die streitgegenständliche Domain aus § 12 i.V.m. § 1004 BGB, noch aus anderem Rechtsgrund.

1. Der allgemein-bürgerrechtliche Namensschutz ist vorliegend ergänzend anwendbar, da Schutz für eine Unternehmensbezeichnung außerhalb der Branche der Klägerin und somit außerhalb der Verwechslungsgefahr geltend gemacht wird.

2. Der Klägerin steht ein Unternehmenskennzeichen- bzw. Namensrecht an der Bezeichnung „T“ zu, da diese – insoweit unbestritten – jedenfalls seit 2004 Bestandteil der Firma der Klägerin ist. Die Bezeichnung „T“ ist auch hinreichend unterscheidungskräftig, so daß für die Schutzentstehung lediglich die Ingebrauchnahme im geschäftlichen Verkehr erforderlich ist.

3. In der Registrierung und Verwendung der streitgegenständlichen Domain durch den Beklagten kann vorliegend grundsätzlich ein unbefugter Namensgebrauch mit der damit verbundenen Sperrwirkung liegen.

Die in Anwendung der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 24.04.2008, I ZR 159/05, BeckRS 2008, 21615 – afilias.de) in casu vorzunehmende Interessenabwägung fällt indes zu Gunsten des Beklagten aus. Der Beklagte kann sich daher entsprechend der vorgenannten Grundsätze darauf berufen, daß das Namens- und Kennzeichenrecht der Klägerin erst nach der Registrierung des Domainnamens durch ihn entstanden ist.

Die Domain „T.de“ lag zunächst seit 1995 bei der T Neue Medien GmbH, die 1993 gegründet wurde und auch Inhaberin einer gleichnamigen deutschen Wortmarke war. Allerdings erfolgte eine „Übertragung“ der Domain auf den Beklagten erst 2008, zu einem Zeitpunkt, als das Kennzeichenrecht der Klägerin bereits entstanden war. Ein eigenes Kennzeichenrecht hat der Beklagte allein durch die Domainnutzung und Nutzung entsprechender E-Mail-Adressen nicht erworben, da nicht ersichtlich ist, daß der Verkehr in dem Domainnamen einen Herkunftshinweis erkennen würde.

Die bei Namensrechtsverletzungen gebotene Interessenabwägung führt hier aber dazu, daß der Beklagte auf eigene schützenswerte Belange verweisen kann, die einen namensrechtlichen Anspruch der Klägerin ausschließen.

Der BGH hat als Ausnahmefall angesehen, wenn das Kennzeichen- bzw. Namensrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung des Domainnamens durch den Domaininhaber entstanden ist (BGH, Urt. v. 24.04.2008, I ZR 159/05, BeckRS 2008, 21615, Rn. 30 – afilias.de). Der vorliegende Fall weicht insofern davon ab, als die Domainregistrierung zwar auch hier vor dem klägerischen Recht erfolgt ist, aber nicht dem Beklagten zustand, sondern der T Neue Medien GmbH.

Die vorliegende Konstellation ist aus teleologischen Erwägungen aber der vom BGH entschiedenen gleichzustellen. Es trifft zwar zu, daß die T Neue Medien GmbH eine eigenständige juristische Person war und damit natürlich nicht mit dem Beklagten gleichzusetzen ist. Dessen alleinige Gesellschafterstellung bei der T Neue Medien GmbH ist bestritten. Es kann in einer solchen Konstellation aber keinen Unterschied machen, daß nach dem Erwerb des Kennzeichenrechts (durch die Klägerin) eine Umschreibung des Domainnamens erfolgte. Tragende Erwägung in der vom BGH entschiedenen Konstellation war, daß der Dritte, der den Domainnamen als Unternehmenskennzeichen verwenden möchte, vor der Wahl einer Unternehmensbezeichnung, die er auch als Internet-Adresse verwenden möchte, unschwer hätte prüfen können, ob der entsprechende Domainname noch verfügbar ist (BGH, Urt. v. 24.04.2008, I ZR 159/05, BeckRS 2008, 21615, Rn. 33 – afilias.de). Ist der gewünschte Domainname bereits vergeben, wird es ihm oft möglich und zumutbar sein, auf eine andere Unternehmensbezeichnung auszuweichen. Die Interessenabwägung geht dann regelmäßig zu seinen Lasten aus, es sei denn, es liegt ein Fall von Rechtsmißbrauch auf Seiten des Domaininhabers vor, weil dieser sich etwa allein in der Absicht hat registrieren lassen, sich den Domainnamen später abkaufen zu lassen.

Auch vorliegend hätte die Klägerin auf eine andere Unternehmensbezeichnung ausweichen können. Der Umstand, daß der Domainname zwischenzeitlich auf den Beklagten übertragen wurde, führt zu keiner abweichend zu beurteilenden Interessenlage. Falls die Klägerin eine Übertragung der Domain hätte verhindern wollen, hätte sie zudem einen Dispute-Eintrag bei der E veranlassen können. Bei einer Freigabe der Domain durch den Beklagten wäre ihr diese dann zugefallen. Eine Domain, die mit einem Dispute-Eintrag versehen ist, kann von ihrem Inhaber weiter genutzt, jedoch nicht auf einen Dritten übertragen werden. Der Inhaber des Dispute-Eintrags wird zudem neuer Domaininhaber, sobald die Domain gelöscht wird. Die Klägerin hat vorliegend aber keinen Dispute-Antrag gestellt.

Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich die Lage zugunsten der Klägerin allein dadurch verschieben sollte, daß eine Übertragung der Domain auf den Beklagten erfolgte. Dies gilt unabhängig davon, ob der Domain-History (Anlage H 3, Bl. 10 ff. d.A.) tatsächlich zu entnehmen sein sollte, daß mit dem Eintrag „Action: CREATE“ ein Neueintrag verbunden ist. Aspekte, die für ein mißbräuchliches Vorgehen des Beklagten sprechen, sind nicht ersichtlich, auch wenn er die streitgegenständliche Domain aktuell faktisch nicht eigenständig, sondern nur zur Weiterleitung auf eine andere Seite nutzt."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Verpflichtung zur Unterlassung einer Markenrechtsverletzung umfasst alle möglichen und zumutbaren Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands - Kein Warenrückruf nach einstweiliger Verfüg

BGH
Beschluss vom 11.11.2017
I ZB 96/16
MarkenG § 14 Abs. 5; Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 9 Abs. 1 Satz 2
Buchst. a; ZPO §§ 890, 935, 940


Der BGH hat nochmals bekräftigt, dass die Verpflichtung zur Unterlassung einer Markenrechtsverletzung alle möglichen und zumutbaren Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands.

Aufgrund einer einstweiligen Verfügung kann dabei regelmäßig kein Warenrückruf, sondern nur eine Aufforderung verlangt werden, wonach die Abnehmer die Waren vorläufig nicht weitervertreiben sollen.

Leitsätze des BGH:

a) Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist auch dann, wenn sie in einer einstweiligen Verfügung enthalten ist, mangels abweichender Anhaltspunkte dahin auszulegen, dass sie neben der Unterlassung derartiger Handlungen auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst.

b) Eine im Verfügungsverfahren grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt regelmäßig dann nicht vor, wenn der Schuldner die von ihm vertriebenen Waren aufgrund der gegen ihn ergangenen einstweiligen Verfügung nicht bei seinen Abnehmern zurückzurufen, sondern diese lediglich aufzufordern hat, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben.

BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - I ZB 96/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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BGH: Wer für ein Produkt wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht muss wettbewerbliche Eigenart konkret darlegen und beweisen

BGH
Urteil vom 16.11.2017
I ZR 91/16
Handfugenpistole
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass derjenige der für ein Produkt wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, die wettbewerbliche Eigenart konkret darlegen und beweisen muss. Zudem hat sich der BGH zu weiteren Fragen zur Darlegungs- und Beweislast in derartigen Rechtsstreitigkeiten geäußert.

Leitsätze des BGH:

a) Der Kläger, der für ein Produkt wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in Anspruch nimmt, muss zu dem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vortragen. Hierfür kann er sich Abbildungen bedienen, soweit diese die in Rede stehende Ware und deren Merkmale deutlich erkennen lassen. Im Regelfall wird der Kläger gehalten sein, dem Gericht das Schutz beanspruchende Produkt vorzulegen.

b) Hat der Kläger nachgewiesen, dass die Merkmale seines Produkts grundsätzlich geeignet sind, eine wettbewerbliche Eigenart zu begründen, ist der Beklagte für seine Behauptung darlegungs- und beweispflichtig, der Annahme wettbewerblicher Eigenart stehe der nicht nur geringfügige Vertrieb des Produkts unter fremder Kennzeichnung entgegen. Soweit der Beklagte zum Umfang der Fremdkennzeichnung nicht aus eigener Anschauung vortragen kann, obliegt dem Kläger eine sekundäre
Darlegungslast.

c) Steht fest, dass das Produkt, für das der Kläger Schutz beansprucht, in nicht nur geringfügigem Umfang unter fremder Kennzeichnung vertrieben worden ist, ist der Kläger für seine Behauptung darlegungs- und beweispflichtig, bei der Fremdmarke
handele es sich nicht um eine Herstellermarke, sondern um eine für die wettbewerbliche Eigenart unschädliche Handelsmarke.

BGH, Urteil vom 16. November 2017 - I ZR 91/16 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Werbung die Kaufangebot nach § 5a Abs. 3 UWG ist muss Angabe des Anbieters nebst Anschrift und Rechtsformzusatz enthalten

BGH
Urteil vom 18.10.2017
I ZR 84/16
Kraftfahrzeugwerbung
UWG § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2


Der BGH hat entschieden, dass Werbung die ein Kaufangebot nach § 5a Abs. 3 UWG ist, die Angabe des Anbieters nebst Anschrift und Rechtsformzusatz enthalten muss. Bei einem eingetragen Kaufmann muss der Zusatz "eingetragener Kaufmann" oder eine entsprechende Abkürzung wie "e.K." angegeben werden. Erfordert
der Geschäftsbetrieb des Unternehmers keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, genügen Name und Anschrift

Leitsätze des BGH:

a) Ein Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG setzt nicht voraus, dass bereits alle wesentlichen Merkmale des Produkts in einem dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang angegeben werden.

b) Wenn der Geschäftsbetrieb des Unternehmers keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, muss der Unternehmer bei einem Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG seinen Vornamen und seinen Zunamen sowie seine Anschrift angeben.

c) Wenn der Geschäftsbetrieb des Unternehmers einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, muss von Einzelkaufleuten bei einem Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG die Firma mit der Rechtsformbezeichnung "eingetragener Kaufmann" oder einer allgemein verständlichen Abkürzung dieser Bezeichnung angegeben werden.

d) Wenn nichts Gegenteiliges vorgetragen ist, ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Verbraucher bei einem Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG die Information über die Identität des potentiellen Geschäftspartners für eine informierte geschäftliche Entscheidung benötigt.

BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 - I ZR 84/16 - OLG Düsseldorf - LG Kleve

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Zahlungsdienstleister für Kryptowährung OneCoin - Arrest über 3 Mio. EURO wegen möglichen Verstoßes gegen Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz gerechtfertigt

OLG Hamm
Beschlüsse vom 04.01.2018
4 Ws 196/17 und 4 Ws 197/17


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Arrest über 3 Mio. EURO zu Lasten eines Zahlungsdienstleisters für die Kryptowährung OneCoin wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz gerechtfertigt ist.

Gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz verstoßen? - Verdacht kann Arrest über 2.966.972 Euro rechtfertigen

Gegen eine Gesellschaft, die Zahlungsdienste ohne die nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) erforderliche Erlaubnis ausgeführt haben soll und gegen deren Geschäftsführerin deswegen ein begründeter Straftatverdacht besteht, kann ein Vermögensarrest in Höhe der Beträge verhängt werden, die die Gesellschaft im Zusammenhang mit den unerlaubten Geschäften erlangt haben soll und die im Falle einer späteren strafrechtlichen Verurteilung der Einziehung unterliegen.

Ausgehend von dieser Rechtslage hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.01.2018 die weitere Beschwerde einer Gesellschaft aus Greven gegen die Entscheidung des Landgerichts Münster als zunächst zuständiges, erstes Beschwerdegericht (Beschluss des Landgerichts Münster vom 30.05.2017, Az. 7 Qs 12/17 LG Münster) verworfen. Damit hat auch der erstinstanzliche Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 06.01.2017 (Az. 23 Gs 6118/16 AG Münster) Bestand. Die Beschuldigte ist Geschäftsführerin der beschwerdeführenden Gesellschaft.
Ihr, der Beschuldigten, wird zur Last gelegt, mit der Gesellschaft nach dem ZAG erlaubnispflichtige Zahlungen ohne die erforderliche Erlaubnis der zuständigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ausgeführt und sich damit gemäß § 31 Abs. 1 Ziff. 2
ZAG strafbar gemacht zu haben. Als Geschäftsführerin der Gesellschaft soll sie im Auftrag eines Unternehmens, welches die Kryptowährung "OneCoin" vertreibt, Kaufpreiszahlungen von Kunden des Unternehmens auf Konten der Gesellschaft vereinnahmt und - aufgrund einer Absprache
mit dem Unternehmen - unverzüglich auf andere, zum Teil außereuropäische Unternehmenskonten weitergeleitet haben. Für diese Dienstleistung soll die Gesellschaft eine Provision in Höhe von 1 % der weitergeleiteten Zahlungen erhalten haben. In der Zeit von Dezember 2015 bis August 2016 sollen auf diese Weise über 350 Millionen Euro Kundengelder transferiert worden sein, aus denen der beschwerdeführenden Gesellschaft jedenfalls 2.966.972 Euro Provisionszahlungen zugeflossen
sein sollen.

Aufgrund der vorstehend beschriebenen Verdachtsmomente hat das Amtsgericht Münster - einen dringenden Tatverdacht gegen die Beschuldigte zugrunde legend - einen dinglichen Arrest in Höhe von 2.966.972 Euro in das Vermögen der beschwerdeführenden Gesellschaft angeordnet. Die Gesellschaft habe, so das Amtsgericht, im Falle einer Verurteilung der Beschuldigten voraussichtlich Wertersatz in dieser Höhe für die erlangten Vermögensvorteile aus den - mangels Erlaubnis - verbotenen Geschäften zu leisten. Auf die Beschwerde der Gesellschafthat das Landgericht Münster die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Münster bestätigt.

Die weitere Beschwerde der Gesellschaft gegen die Entscheidung des Landgerichts Münster hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm als unbegründet verworfen. Die Arrestanordnung sei gerechtfertigt, so der Senat. Sie sei nach demaktuell geltenden Verfahrensrecht zu beurteilen. Nach diesem genüge bereits die begründete Annahme dafür, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorlägen, um den nunmehr als "Vermögensarrest" bezeichneten dinglichen Arrest anzuordnen.

Ungeachtet dessen gebe es im vorliegenden Fall auch dringende Gründe für die Annahme, dass die beschlagnahmten Gelder als Wertersatz der Einziehung unterliegen könnten. Die Voraussetzungen hierfür hätten die Vorinstanzen zutreffend bejaht. Die beschwerdeführende Gesellschaft, für welche die Beschuldigte als Geschäftsführerin gehandelt habe, sei als Zahlungsdienstleisterin im Sinne des ZAG tätig geworden. Insoweit genüge, dass sie Bar- und Buchgeld auf ihren Konten entgegengenommen und anschließend auf Konten des sie beauftragenden Unternehmens, der Verkäuferin der Kryptowährung, weitergeleitet habe.

Eine Erlaubnis der BaFin für diese Transaktionsgeschäfte habe zum Tatzeitpunkt nicht vorgelegen.
Unerheblich sei insoweit, dass die beschwerdeführende Gesellschaft zwischenzeitlich einen Zulassungsantrag als Zahlungsdienstleister gestellt habe. Das Landgericht habe in seinem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass (dringende) Anhaltspunkte dafür vorlägen,
dass dieser Antrag jedenfalls zur Tatzeit nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. In diesem Fall materiell rechtswidrig erbrachter Zahlungsdienstleistungen unterliege die beschlagnahmte Summe auch dann der Einziehung, wenn die beschwerdeführende Gesellschaft später als Zahlungsdienstleister zugelassen werde.

Rechtskräftiger Beschluss des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts
Hamm vom 04.01.2018 (Az. 4 Ws 196/17 und 197/17 OLG Hamm)

Christian Nubbemeyer, Pressedezernent

Hinweise der Pressestelle:

1. § 31 Abs. 1 Ziff. 2 ZAG - Strafvorschriften - in der zur Tatzeit gültigen Fassung lautete wie folgt:

"Wer … (Ziff.) 2. ohne Erlaubnis nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Zahlungsdienste erbringt, … wird … in den Fällen der Nummern 1, 2 und 2a mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft."

2. Der Arrest bewirkt eine vorläufige Sicherung. Ob der Geldbetrag, auf den sich der Arrest erstreckt, tatsächlich (endgültig) eingezogen wird, wird ggf. im Rahmen des Hauptverfahrens zu klären und zu entscheiden sein.

3. Weitere Informationen zur Kryptowährung "OneCoin" können der Internetseite der BaFin www.bafin.de entnommen werden.


OLG Köln: Unitymedia darf Router der Kunden ohne deren ausdrückliche Zustimmung für den Aufbau eines flächendeckenden WLAN-Netzes nutzen - Opt-Out-Möglichkeit reicht

OLG Köln
Urteil vom 02.02.2018
6 U 85/17


Das OLG Köln hat entschieden, das Unitymedia Router der Kunden ohne deren ausdrückliche Zustimmung für den Aufbau eines flächendeckenden WLAN-Netzes nutzen darf. Eine Opt-Out-Möglichkeit reicht nach Ansicht des Gerichts.

Die Pressemitteilung des OLG Köln:

Unitymedia darf Router der Kunden für den Aufbau eines flächendeckenden WLAN-Netzes nutzen

Unitymedia NRW darf die Router, die das Unternehmen den Kunden stellt, für den Aufbau eines flächendeckenden WLAN-Netzes mittels eines zweiten WLAN-Signals ("WifiSpots") nutzen. Eine ausdrückliche Zustimmung der Kunden ("Opt in") ist hierfür nicht erforderlich. Es muss aber für die Kunden die jederzeitige Möglichkeit bestehen, durch einen Widerspruch aus diesem System auszusteigen ("Opt out"). Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln heute entschieden und eine Klage der Verbraucherzentrale NRW gegen Unitymedia NRW abgewiesen.

Die Verbraucherzentrale vertrat den Standpunkt, dass für die Konfiguration eines zweiten Signals, das ein vom WLAN-Netz des Kunden ("1st SSID") unabhängiges WLAN-Netz ("2nd SSID") auf dem Router aktiviert, eine ausdrückliche Zustimmung des Kunden erforderlich sei. Dieser Argumentation war das Landgericht gefolgt und hatte der Unterlassungsklage stattgegeben.

Auf die Berufung von Unitymedia hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage der Verbraucherzentrale abgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aufschaltung des zusätzlichen Signals keine unzumutbare Belästigung der Kunden im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG darstelle. Zwar handele es sich bei dem zusätzlichen WLAN-Signal um eine Belästigung. Den Kunden werde eine geschäftliche Handlung aufgedrängt, um die sie nicht selbst nachgesucht hätten und für deren Vornahme auch deren Entscheidung nicht abgewartet worden sei. Wie bei unbestellter Werbung müssten sich die Kunden mit der Maßnahme von Unitymedia befassen und ihr Aufmerksamkeit zuwenden. Die Belästigung sei aber bei einer Abwägung zwischen den Interessen des Unternehmens und denen der Kunden nicht als unzumutbar im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 UWG einzustufen. Das Unternehmen habe ein berechtigtes Interesse, sein Dienstleistungsangebot durch Zusatzfunktionen auszuweiten. Außerdem gebe es ein Interesse der anderen Kunden, Wifi-Hotspots auch außerhalb der Privatwohnung zu nutzen. Demgegenüber sei die Belästigung der Kunden durch die Aufschaltung des zweiten Signals gering. Ihr Eigentumsrecht sei nicht betroffen, weil die Router unstreitig im Eigentum von Unitymedia stünden. Die Software könne ohne Mitwirkung oder Störungen der Kunden aufgespielt werden. Anhaltspunkte für eine Sicherheitsgefährdung seien ebenfalls nicht vorgetragen worden. Schließlich bestehe für die Kunden jederzeit die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, also aus dem von Unitymedia betriebenen System wieder herauszuoptieren ("Opt put"). Würde dieser Widerspruchsweg nicht eröffnet, wäre die Belästigung allerdings unzumutbar.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil die Frage, inwieweit die Nutzung von im Eigentum des Unternehmers verbleibenden Ressourcen im Haushalt des Kunden zulässig ist, über die Lösung des konkreten Falles hinausreiche. Das Urteil wird demnächst im anonymisierten Volltext unter www.nrwe.de veröffentlicht.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 02.02.2018 - Az. 6 U 85/17

Urteil des Landgerichts Köln vom 09.05.2017 - Az. 31 O 227/16

Dr. Ingo Werner
Dezernent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) § 7 Unzumutbare Belästigungen
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

(…)


BGH: Irreführende blickfangmäßige Angabe in Werbung kann nicht durch Hinweis am Ende eines nachfolgenden unübersichtlichen Textes ausgeräumt werden

BGH
Versäumnisurteil vom 21. September 2017
I ZR 53/16
Festzins Plus
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß durch irreführende Blickfangangabe in der Werbung nicht durch Hinweis am Ende eines nachfolgenden umfangreichen und unübersichtlichen Textes ausgeräumt werden kann.

Leitsatz des BGH:
Der durch eine irreführende Blickfangangabe verursachte Irrtum wird auch bei ,wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbsvorgängen regelmäßig nicht durch einen Hinweis am Ende eines nachfolgenden umfangreichen und unübersichtlichen ,Texts ausgeräumt, dessen inhaltlicher Bezug zum Blickfang nicht klargestellt wird.

BGH, Versäumnisurteil vom 21. September 2017 - I ZR 53/16 - OLG München - LG München I

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BGH: Marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen darf von Lieferanten keine anteilige Beteiligung an Kosten für Modernisierung übernommener Filialen verlangen - Hochzeitsrabatte

BGH
Beschluss vom 23.01.2018
KVR 3/17
Hochzeitsrabatte
GWB § 19 Abs. 2 Nr. 5; GWB 2013 § 19 Abs. 2 Nr. 5


Der BGH hat entschieden, dass ein marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen von Lieferanten keine anteilige Beteiligung an Kosten für Modernisierung übernommener Filialen verlangen.

Leitsätze des BGH:

a) Die Feststellung, dass ein marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen ein anderes Unternehmen aufgefordert hat, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren, setzt nicht voraus, dass der Normadressat eine Besserstellung gegenüber seinen Wettbewerbern verlangt hat.

b) Die sachliche Rechtfertigung der von einem Normadressaten verlangten Vorteile kann nicht damit begründet werden, bei der Forderung fehle es an einer Ausnutzung der Marktmacht des Normadressaten.

c) Ist die Forderung eines Vorteils nicht leistungsgerecht, weil zwischen Forderung und Grund oder angebotener Gegenleistung ein offensichtliches Missverhältnis besteht, spricht eine Vermutung für das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung. Die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit einer Forderung erfordert dabei eine Gesamtbetrachtung der vom Normadressaten verlangten Konditionen.

d) Die Forderung eines Normadressaten gegenüber seinen Lieferanten, sich ohne eine gesicherte Gegenleistung mit einem nicht lieferanten-, waren- oder artikelbezogen ermittelten Betrag allgemein an der Modernisierung von ihm übernommener Filialen zu beteiligen, ist regelmäßig nicht sachlich gerechtfertigt.

BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - KVR 3/17 - OLG Düsseldorf

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BAG: Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bei Nichtzahlung der Karenzentschädigung wirkt ex nunc

BAG
Urteil vom 31. Januar 2018
10 AZR 392/17


Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bei Nichtzahlung der Karenzentschädigung ex nunc wirkt. Ein Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung besteht nur für die Zeit bis zum Zugang der Rücktrittserklärung.

Die Pressemitteilung des BAG:

Karenzentschädigung - Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot

Bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB. Die Karenzentschädigung ist Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Erbringt eine Vertragspartei ihre Leistung nicht, kann die andere Vertragspartei vom Wettbewerbsverbot zurücktreten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§§ 323 ff. BGB). Ein solcher Rücktritt entfaltet Rechtswirkungen erst für die Zeit nach dem Zugang der Erklärung (ex nunc).

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Februar 2014 als "Beauftragter technische Leitung" zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 6.747,20 Euro beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien war für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein dreimonatiges Wettbewerbsverbot vereinbart worden. Hierfür sollte der Kläger eine Karenzentschädigung iHv. 50 % der monatlich zuletzt bezogenen durchschnittlichen Bezüge erhalten. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Eigenkündigung des Klägers zum 31. Januar 2016. Mit E-Mail vom 1. März 2016 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 4. März 2016 vergeblich zur Zahlung der Karenzentschädigung für den Monat Februar 2016 auf. Am 8. März 2016 übermittelte der Kläger an die Beklagte eine weitere E-Mail. Hierin heißt es ua.:

"Bezugnehmend auf Ihre E-Mail vom 1. März 2016 sowie das Telefonat mit Herrn B. möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle."

Mit seiner Klage macht der Kläger die Zahlung einer Karenzentschädigung iHv. 10.120,80 Euro brutto nebst Zinsen für drei Monate geltend. Er vertritt die Auffassung, sich nicht einseitig vom Wettbewerbsverbot losgesagt zu haben. Die Erklärung in der E-Mail vom 8. März 2016 sei lediglich eine Trotzreaktion gewesen. Die Beklagte meint, durch die E-Mail vom 8. März 2016 habe der Kläger wirksam seinen Rücktritt erklärt. Das Arbeitsgericht hat der Klage vollständig stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil teilweise abgeändert und einen Anspruch auf Karenzentschädigung nur für die Zeit vom 1. Februar bis zum 8. März 2016 zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Zehnten Senat keinen Erfolg. Da es sich beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot um einen gegenseitigen Vertrag handelt, finden die allgemeinen Bestimmungen über den Rücktritt (§§ 323 ff. BGB) Anwendung. Die Karenzentschädigung ist Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Erbringt eine Vertragspartei ihre Leistung nicht, kann die andere Vertragspartei vom Wettbewerbsverbot zurücktreten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ein Rücktritt wirkt dabei ex nunc, dh. für die Zeit nach dem Zugang der Erklärung entfallen die wechselseitigen Pflichten. Die Beklagte hat die vereinbarte Karenzentschädigung nicht gezahlt, der Kläger war deshalb zum Rücktritt berechtigt. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe mit seiner E-Mail vom 8. März 2016 wirksam den Rücktritt vom Wettbewerbsverbot erklärt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Damit steht ihm für die Zeit ab dem 9. März 2016 keine Karenzentschädigung zu.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 31. Januar 2018 - 10 AZR 392/17 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil vom 24. Mai 2017 - 4 Sa 564/16 -