Skip to content

BGH legt EuGH Fragen zur Preistransparenz bei Tarifrechnern für Stromtarife von Energieversorgern vor

BGH
Beschluss vom 27.07.2023
I ZR 65/22
Doppeltarifzähler
Richtlinie 2005/29/EG Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 Buchst. c; UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3


Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Preistransparenz bei Tarifrechnern für Stromtarife von Energieversorgern zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Muss die vom Gewerbetreibenden nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein, dass der Verbraucher auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt?

BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22 - OLG Düsseldorf - LG Mönchengladbach

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif dürfen Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten einseitig erhöhen

OLG Düsseldorf
Urteil vom 23.03.2023
I-20 U 318/20


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif die Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten einseitig erhöhen dürfen. Allerdings hat das Gericht im vorliegenden Fall das Rechtsschutzbedürfnis der Verbraucherzentrale NRW verneint, da nach Ansicht des Gerichts nicht etwa Interessen von Kunden verfolgt wurden, sondern auf ein anderes behördliches Verfahren Einfluss genommen werden sollten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urteil im Prozess um Strom- und Gaspreiserhöhungen bei vertraglich zugesagten Preisgarantien

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg mit einer Unterlassungsklage gegen eine einseitige Preisanpassung als solche wenden. Dass die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, zur einseitigen Preisanpassung berechtigt zu sein, unrichtig ist, stellt keine Täuschung des Kunden dar. Dies hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Düsseldorf Erfried Schüttpelz entschieden. Das Urteil vom 23.03.2023 (Aktenzeichen I-20 U 318/20) ist in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de abrufbar.

Der Antragsteller, ein Verein der sich unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, nimmt im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein deutschlandweit tätiges Energieversorgungsunternehmen wegen irreführender Angaben sowie wegen unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen auf Unterlassung in Anspruch (vgl. Pressemitteilung vom 09.03.2023). Das Landgericht Düsseldorf hat der Antragsgegnerin mit Urteil vom 09.11.2022 unter anderem untersagt, während des vereinbarten Zeitraums einer Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen (Az.: 12 O 247/22). Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerin hat insoweit Erfolg. Zwar stand ihr nach der Auffassung des Senats ein Recht zur einseitigen Preiserhöhung, gestützt auf § 313 BGB nicht zu, weil der Gesetzgeber auf die "Gaskrise" reagiert und in § 24 EnSiG ein spezialgesetzliches Preisänderungsrecht eingeführt hat, das die Anwendung des § 313 BGB verdrängt. Dass die Voraussetzungen des § 24 EnSiG nicht vorliegen, weil die Bundesnetzagentur nicht eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen festgestellt hat, ist unerheblich. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 24 EnSiG zu erkennen gegeben, dass ein einseitiges Preiserhöhungsrecht der Versorger nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich ist.

Der Unterlassungsanspruch hat jedoch deswegen keinen Erfolg, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Unterlassungsbegehren gegen Äußerungen unter anderem dann fehlt, wenn damit unmittelbar auf die Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Einfluss genommen werden soll. Damit scheidet eine Verurteilung zur Unterlassung einer einseitigen Preisanpassung als solche gegenüber Kunden aus. Ohne eine derartige Gestaltungserklärung könnte die Antragsgegnerin das von ihr beanspruchte Recht nicht wahrnehmen und dessen Berechtigung im Verhältnis zu Kunden nicht klären. Im Übrigen handelt es sich bei der Preisanpassungserklärung auch nicht um eine täuschende Angabe.

Demgegenüber darf die Antragsgegnerin nicht in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwenden, in der in Verträgen mit unbestimmter Laufzeit und Preisfixierung ein beidseitiges Kündigungsrecht mit einer Frist von einem Monat eingeräumt wird. Eine solche Klausel führt zu einer vollständigen Aushöhlung der Preisgarantie und ist unwirksam. Insoweit hat der Senat die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Eine Revision zum Bundesgerichtshof ist nicht möglich, weil es sich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt.

§ 24 Abs. 1 und 2 EnSiG (Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz)


(1) Nach der Ausrufung der Alarmstufe oder der Notfallstufe durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 in Verbindung mit dem Notfallplan Gas des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom September 2019, der auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlicht ist, kann die Bundesnetzagentur die Feststellung treffen, dass eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland vorliegt. Die Feststellung kann zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Ausrufung der Alarm- oder Notfallstufe erfolgen und unter der Voraussetzung, dass die Optionen in den §§ 29 und 26 geprüft wurden und das Ergebnis dokumentiert ist. Mit der Feststellung durch die Bundesnetzagentur nach Satz 1 erhalten alle von der Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland unmittelbar durch Lieferausfälle oder mittelbar durch Preissteigerung ihres Lieferanten infolge der Lieferausfälle betroffenen Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nummer 18 des Energiewirtschaftsgesetzes entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen. Eine Preisanpassung ist insbesondere dann nicht mehr angemessen, wenn sie die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung überschreitet, die dem jeweils betroffenen Energieversorgungsunternehmen aufgrund der Reduzierung der Gasimportmengen für das an den Kunden zu liefernde Gas entstehen.

(2) Die Preisanpassung nach Absatz 1 Satz 3 ist nur auf Verträge anzuwenden, die eine physische Lieferung von Erdgas innerhalb des deutschen Marktgebietes zum Gegenstand haben. Satz 1 ist unabhängig von dem auf den Vertrag im Übrigen anwendbaren Recht anzuwenden. Das Recht zur Preisanpassung nach Absatz 1 Satz 3 kann nicht durch vertragliche Regelungen ausgeschlossen werden.

LG Düsseldorf: Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif dürfen Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten erhöhen

LG Düsseldorf
Beschluss vom 26.08.2022
12 O 247/22


Das LG Düsseldorf hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarifen, Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten erhöhen dürfen.

Aus dem Tenor der Entscheidung:
Der Antragsgegnerin wird untersagt,
1. im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Strom- und Gaslieferverträgen außerhalb der Grundversorgung, in denen für eine bestimmte Dauer eine Preisfixierung (Festpreis) für die Strom- und Gaslieferung vereinbart wurde, die – wie in den in Anlage AS 4 abgebildeten AGB unter Punkt 7.1 bzw. 7.3 und 6.1 für Stromtarife und/oder Punkt 7.2 und 6.1 für Gastarife geregelt – auch die Kosten für Energiebeschaffung umfasst,

a. während des vereinbarten Zeitraums der Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen, wenn die angekündigte Strom- und/oder Gaspreisänderung die Kosten für Energiebeschaffung umfasst, wenn dies geschieht wie mit dem in Anlage AS 5 abgebildeten Schreiben vom 29.07.2022,

und/oder

b. Verbrauchern, denen eine Mitteilung mit gleichem Inhalt übermittelt wurde wie im Antrag zu I.1.a. angeführt, für die Belieferung mit Strom und/oder Gas während der vereinbarten Laufzeit der Preisfixierung Preise in Rechnung zu stellen und/oder Entgelte einzuziehen, die über die vor Erhalt der Mitteilung geltenden Preise hinausgehen;

und/oder

2. ab dem 01.09.2022 folgende und diesen inhaltsgleichen Klauseln in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse über die Belieferung mit Strom und/oder Gas zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

a. "[3.1.] Für den Fall, dass dem Kunden eine Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) gewährt wurde, gilt die Laufzeit der Preisfixierung auf unbestimmte Zeit. Die Preisfixierung kann
beidseitig mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden."

b. "[3.2] Der Preis für eine Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) wird durch den Lieferanten nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB bestimmt. Für den Fall, dass dem Kunden eine Preisfixierung gewährt wurde, ist der Lieferant berechtigt, den Preis für die Preisfixierung durch einseitige Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gern. § 315 BGB anzupassen (Erhöhungen oder Senkungen). Anlass für eine Preisanpassung ist ausschließlich eine Änderung der Kosten für Energiebeschaffung oder Vertrieb, des an den Netzbetreiber anzuführenden Netzentgelts oder der operativen Kosten des Lieferanten."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Energieversorger darf höhere Preise für Neukunden bei Grundversorgung und Ersatzversorgung verlangen - kein Verstoß gegen § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG

OLG Köln
Beschluss vom 02.03.2022
6 W 10/22


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Energieversorger höhere Preise für Neukunden bei Grundversorgung und Ersatzversorgung verlangen kann. Nach Ansicht des OLG Köln liegt kein Verstoß gegen § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG vor.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Grundversorgung mit Strom und Gas: Gesplittete Neukundentarife können zulässig sein

Ein Energieversorgungsunternehmen kann in seiner Preisgestaltung bei der Grund- und Ersatzversorgung im Sinne des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) zulässigerweise zwischen Alt- und Neukunden unterscheiden. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 02.03.2022 - 6 W 10/22 - entschieden und damit einen vorangegangenen Beschluss des Landgerichts Köln bestätigt.

Der klagende Verbraucherverband hatte im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Antragsgegnerin als Energieversorgungs-unternehmen, das die Grundversorgung von Haushaltskunden in bestimmten Gebieten u.a. in Köln vornimmt, wegen Unterlassung in Anspruch genommen. Die Vorgehensweise des Unternehmens, Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG zu unterschiedlichen Preisen zu beliefern und für die Unterscheidung allein auf das Datum des Vertragsschlusses abzustellen, stelle einen Verstoß gegen die Vorschriften des EnWG dar. Das Landgericht Köln hatte mit Beschluss vom 08.02.2022 (Az. 31 O 14/22) einen entsprechenden Unterlassungsanspruch abgelehnt und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Dieser Auffassung hat sich der Senat angeschlossen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in dem es die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführt, zwar nach § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG verpflichtet ist, Allgemeine Bedingungen und Preise öffentlich bekannt zu geben und jeden Haushaltskunden zu diesen Bedingungen und Preisen zu beliefern. Allerdings begründe dies keine Verpflichtung zur Belieferung sämtlicher Kunden zu gleichen Preisen. Vielmehr sei der in § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG normierte Grundsatz der Preisgleichheit dahingehend zu verstehen, dass die Lieferung der Energie zu den Allgemeinen Preisen, die veröffentlicht wurden, und nicht ohne Bezug dazu angeboten wird. Zwar würden damit im Ergebnis die Kunden benachteiligt, die zu einem späteren Zeitpunkt die Grundversorgung in Anspruch nehmen und dafür höhere Preise zahlen müssten. Allerdings erfolge diese Benachteiligung aus einem sachlichen Grund. Denn alternativ müssten die Kunden, die bereits (ggf. aus wirtschaftlicher Not) die Grundversorgung in Anspruch nehmen, erhöhte Preise bezahlen. Ein anderes Verständnis der genannten Norm - so wie von dem antragstellenden Verbraucherverband vertreten - führe darüber hinaus zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Versorgungsunternehmens.

Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 02.03.2022 - Az. 6 W 10/22. [...]

Auszug aus dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG):

"§ 36 Grundversorgungspflicht

(1) Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Veröffentlichungen im Internet müssen einfach auffindbar sein und unmissverständlich verdeutlichen, dass es sich um die Preise und Bedingungen der Belieferung in der Grundversorgung handelt. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist."



LG Frankfurt: Stromanbieter darf keine höheren Preise für Neukunden bei Grundversorgung oder Ersatzversorgung verlangen - wettbewerbswidriger Verstoß gegen §§ 36 Abs. 1 S. 1, 38 Abs. 1 EnWG

LG Frankfurt
Beschluss vom 14.02.2022
3-06 O 6/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass Stromanbieter keine höheren Preise für Neukunden bei Grundversorgung oder Ersatzversorgung verlangen dürfen. Es liegt ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen §§ 36 Abs. 1 S. 1, 38 Abs. 1 EnWG vor.

Die Entscheidung:

Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,-- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihrem Vorstand, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,

für das Netzgebiet, in die Antragsgegnerin zu 1) die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführt,

a) Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung öffentlich bekannt zu machen und / oder anzubieten, deren Höhe je nach Beginn der Grund- oder Ersatzversorgung unterschiedlich ist und / oder

b) für Kunden in der Grund- oder Ersatzversorgung in Niederspannung Arbeitspreise abzurechnen und /oder zu verlangen, die je nach Beginn der Grund- oder Ersatzversorgung abweichen von den Arbeitspreisen anderer Kunden in der Grund- oder Ersatzversorgung in Niederspannung.

Die Kosten des Eilverfahrens werden den Antragsgegnern auferlegt.

Der Streitwert wird auf EUR 35.000,- festgesetzt (Hauptsachestreitwert abzgl. 30%). Dieser Beschluss beruht auf den §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 3a, 12 Abs. 1, 14 UWG in Verbindung mit §§ 36 Abs. 1 S. 1, 38 Abs. 1 EnWG, §§ 3,32, 91, 890, 935 ff. ZPO.

Die Schutzschrift vom 31.1.2022 lag vor und wurde bei der Entscheidung berücksichtigt.


Bundeskartellamt: Sektoruntersuchung Vergleichsportale und Bewertungsportale im Internet ergibt zahlreiche Mängel zu Lasten der Verbraucher und betroffener Unternehmen

Das Bundeskartellamt hat eine Sektoruntersuchung im Bereich Vergleichsportale und Bewertungsportale im Internet durchgeführt. Dabei wurden zahlreichen Rechtsverstöße zu Lasten der Verbaucher und betroffener Unternehmen festgestellt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamts:

Untersuchung zu Vergleichsportalen – Bundeskartellamt möchte Verstöße gegen Verbraucherrechte abstellen und fordert neue Kompetenzen

Das Bundeskartellamt hat heute den Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung zu Vergleichsportalen im Internet vorgelegt.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Mit Vergleichsportalen können Verbraucher sich schneller im Netz zurechtfinden und bessere und günstigere Leistungen finden. Wir haben aber auch verbraucherunfreundliche Tricks mancher Portale aufgezeigt. Verbraucher sollten darauf achten, wie ein Ranking tatsächlich zu Stande kommt oder ob in den Vergleich auch möglichst viele Angebote eingeflossen sind. Verbraucher sollten sich nicht unter Druck setzen lassen von angeblichen Knappheiten oder Exklusivangeboten, die vielleicht gar keine sind. Wir haben eine Reihe wichtiger Tipps zum richtigen Umgang mit Vergleichsportalen in dem Bericht und einem Video zusammengestellt.“

Das Bundeskartellamt hat die Sektoruntersuchung Vergleichsportale im Oktober 2017 auf Basis seiner neuen, seit Mitte 2017 bestehenden verbraucherrechtlichen Kompetenzen eingeleitet. Das Bundeskartellamt kann im Bereich Verbraucherschutz Untersuchungen durchführen – eine Befugnis, etwaige Rechtsverstöße auch per behördlicher Verfügung abzustellen, ist damit bislang hingegen nicht verbunden.

Andreas Mundt: „Zivilklagen und Regulierung allein bieten für derartige Probleme keine effektive Lösung. Die Möglichkeiten der zivilrechtlichen Durchsetzung des Verbraucherschutzes sind durch Nachweisprobleme und mangelnde Breitenwirkung begrenzt. Regulierung ist hingegen statisch und oft nicht geeignet alle Fallkonstellationen richtig zu erfassen. Mit punktuell erweiterten Kompetenzen könnte das Bundeskartellamt das bereits geltende allgemeine Verbraucherrecht in konkreten Einzelfällen zügig und zielgerichtet durchsetzen.“

Die Sektoruntersuchung hat sieben verschiedene Problemfelder aufgezeigt. Je nach Branche und Portal unterscheiden sich die Ergebnisse:

Während in einigen Bereichen der Marktabdeckungsgrad der Portale sehr hoch ist, werden insbesondere in den Bereichen Versicherungen und Hotels teilweise wichtige Anbieter nicht in den Vergleich einbezogen. Diese wesentliche Information wird nur von einigen Portalen – z. B. mit einer Negativliste – für den Verbraucher hinreichend transparent gemacht.

Die Reihenfolge des Rankings wird bei Hotels auch von der Höhe der von den verschiedenen Anbietern gezahlten Provision mitbeeinflusst. Stellen die Portale den Empfehlungscharakter eines solchen Rankings heraus, kann dies den Verbraucher in die Irre führen. Daran ändern auch die oftmals sehr allgemeinen oder versteckten Hinweise auf die Berücksichtigung der Provisionshöhe nichts.

Vor allem im Bereich Energie blenden einige Portale beim Erstranking bestimmte Angebote aus, weil diese für den Verbraucher nachteilig sein könnten oder aber – ohne dass dies für den Verbraucher deutlich wird – weil das Portal hierfür keine Provision erhält.

Beim Vergleich von Energie- und Telekommunikationstarifen stellen viele Portale einzelne Angebote vor dem eigentlichen Ranking dar („Position 0“) und erhalten hierfür teilweise Zahlungen von den Anbietern, ohne dass der Verbraucher darüber informiert wird, dass es sich hierbei um Werbung bzw. eine Anzeige handelt.
Hinweise der Portale auf Knappheiten, Vorteile oder Exklusivangebote sind teilweise missverständlich formuliert und können Verbraucher v.a. im Reisebereich aber auch in anderen Branchen unter Druck setzen bzw. falsche Erwartungen wecken.

Bewertungen stammen in den untersuchten Branchen in der Regel nur von Nutzern, die erfolgreich über das Portal einen Abschluss getätigt haben, sodass Fälschungen erschwert werden, aber gleichzeitig die Bewertungsbreite eingeschränkt ist.

In sämtlichen Branchen existieren Kooperationen zwischen verschiedenen Vergleichsportalen bei Datenbasis und Tarifrechner. Diese können zwar zur Verbreitung von Vergleichsmöglichkeiten beitragen, aber auch dazu führen, dass gleiche Suchergebnisse bei vermeintlich eigenständigen Portalen vom Verbraucher irrig als Bestätigung der Empfehlungen interpretiert werden.

Zum Teil kommt es hier zu verbraucherschädigenden Irreführungen, Transparenzverstößen oder Schleichwerbung.

Zu dem im Dezember 2018 veröffentlichten Konsultationspapier (vgl. Pressemitteilung vom 12. Dezember 2018) hat das Bundeskartellamt rd. 30 Stellungnahmen von Vergleichsportalen, Anbietern (Hotel, Versicherung etc.), Verbänden, Behörden und Verbrauchern erhalten und ausgewertet. Sämtliche Branchen und Problemfelder wurden in den Stellungnahmen thematisiert, ein Schwerpunkt lag dabei auf dem Einfluss der Provisionshöhe beim Ranking von Hotels. Die grundsätzlichen Feststellungen und Bewertungen, die das Bundeskartellamt in seinem Konsultationspapier getroffen hat, sind dabei weitgehend unbestritten geblieben. Viele Portale haben allerdings die Besonderheiten und Vorteile der eigenen Seite herausgestellt und betont, dass der Verbraucher über die Funktionsweise des Portals bereits hinreichend informiert werde. Einzelne Portale haben auch bereits Änderungen auf ihren Seiten vorgenommen, die den Kritikpunkten des Bundeskartellamtes Rechnung tragen. Seitens der Portale wurde zudem davor gewarnt, Online-Vertriebskanäle strengeren Vorgaben zu unterwerfen als den vergleichbaren Offline-Vertrieb. Vertreter der Anbieterseite haben hingegen kritisiert, dass die Objektivität und die Transparenz der Portale unzureichend seien und der Verbraucher zu Fehlentscheidungen verleitet werde. Von verschiedenen Anbietern sowie Verbrauchern wurden zudem weitere Probleme benannt, die seitens des Bundeskartellamtes untersucht werden sollten. Sofern diese Probleme eher kartellrechtlicher Natur waren, konnten sie unmittelbar hausintern an den Kartellrechtsbereich weitergeleitet werden.

Im Rahmen der Sektoruntersuchung hatte das Bundeskartellamt ab Dezember 2017 in zwei Ermittlungsrunden zunächst 150 und dann die 36 relevantesten Vergleichsportale aus den Branchen Reisen, Energie, Versicherungen, Telekommunikation und Finanzen befragt. Die Befragungen umfassten die Themenkomplexe Kooperationen zwischen verschiedenen Portalen, Marktabdeckung der einzelnen Portale, Zustandekommen des Rankings der Suchergebnisse, sonstige Faktoren zur Beeinflussung der Auswahl der Verbraucher sowie den Umgang mit Nutzerbewertungen.

Den vollständigen Bericht zur Sektoruntersuchung Vergleichsportale finden Sie hier.

BGH: Kartellrechtliches Missbrauchsverfahren gegen die Energie Calw GmbH wegen überhöhter Wasserpreis

BGH
Beschluss vom 14.07.2015
KVR 77/13


Gegenstand dieser Entscheidung war ein kartellrechtliches Missbrauchsverfahren gegen die Energie Calw GmbH wegen überhöhter Wasserpreis.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Kartellrechtliches Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Wasserpreise

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat sich mit einem kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren gegen die Energie Calw GmbH wegen überhöhter Wasserpreise befasst. Die zuständige Landeskartellbehörde hat der Betroffenen aufgegeben, unter Beibehaltung des aktuellen Grundpreises für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 allen Tarifkunden einen Nettopreis von nicht mehr als 1,82 € statt zuvor 2,79 € je Kubikmeter Wasser zu berechnen und ihnen im Falle einer bereits erfolgten Endabrechnung die Differenz zu erstatten.

Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Verfügung wegen grundlegender Bedenken gegen die von der Landeskartellbehörde gewählte Kontrollmethode aufgehoben. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 15. Mai 2012 – KVR 51/11 ebenfalls aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Dabei hat der Kartellsenat ausgeführt, ein Preishöhenmissbrauch im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB* könne nicht nur aufgrund einer Vergleichsmarktbetrachtung festgestellt, sondern auch dadurch ermittelt werden, dass die Preisbildungsfaktoren überprüft würden.

Das Beschwerdegericht hat die Verfügung der Landeskartellbehörde daraufhin mit Beschluss vom 5. September 2013 erneut insgesamt aufgehoben und die Sache an die Landeskartellbehörde zurückverwiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Vorgaben der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung zwar eine zulässige und tragfähige Einstiegsgröße zur gebotenen Preismissbrauchskontrolle darstellten, dass sie aber, wenn man sich dafür entscheiden würde, als geschlossenes System insgesamt angewendet werden müssten, was die Landeskartellbehörde nicht getan habe. Im Übrigen hat das Beschwerdegericht verschiedene Kürzungen in der Kostenkalkulation der Landeskartellbehörde beanstandet.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Rechtsbeschwerde der Landeskartellbehörde auch den Beschluss des Beschwerdegerichts vom 5. September 2013 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Er hat entschieden, dass das Beschwerdegericht nicht berechtigt ist, die angefochtene Verfügung vollständig aufzuheben, wenn sich diese nur teilweise als rechtswidrig erweist. Das Beschwerdegericht hätte unter dieser Voraussetzung vielmehr nur den für rechtswidrig erkannten Teil der Verfügung aufheben dürfen und im Übrigen die Beschwerde zurückweisen müssen.

Im weiteren Verfahren vor dem Beschwerdegericht wird es u.a. wieder um den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt der Kostenkontrolle gehen. Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass die Kartellbehörde bei einer Preismissbrauchskontrolle anhand der Preisbildungsfaktoren auf die einschlägigen und gegebenenfalls weiterzuentwickelnden ökonomischen Theorien zurückgreifen könne. Der Begriff der "ökonomischen Theorien" sei dabei weit zu verstehen und umfasse auch die Grundsätze der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung. Anders als vom Beschwerdegericht angenommen bestehe jedoch keine Bindung an diese Verordnungen in dem Sinne, dass sie entweder ganz oder gar nicht berücksichtigt werden dürften. Vielmehr müsse die Tragfähigkeit aller von der Kartellbehörde angewandter Methoden der Kostenkontrolle je für sich überprüft werden.

Weiter hat der Kartellsenat Ausführungen zur Beweislast gemacht. Zwar herrsche im Kartell-Verwaltungsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz. Das betroffene Unternehmen habe jedoch Mitwirkungspflichten. Wenn es diese verletze, könne dies im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu seinen Lasten Berücksichtigung finden.

Der Kartellsenat hat ein Einschreiten der Kartellbehörde anders als das Beschwerdegericht, das die Grenze bei 7,5 % gesehen hat, schon dann für möglich gehalten, wenn die Preise um 3 % überhöht sind.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 5. September 2013 – 201 Kart 1/12, ZNER 2013, 614


§ 19 GWB: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

(1)Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2)Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
(…)

Nr. 2Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; …

(…)"


BGH: Stromnetzbetreiber haftet für Überspannungsschäden aufgrund der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG

BGH
Urteil vom 25.02.2014
VI ZR 144/13
Überspannungsschäden


Der BGH hat entschieden, dass der Betreiber eines Stromnetzes für Überspannungsschäden aufgrund der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG haften kann.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Haftung des Netzbetreibers für Überspannungsschäden

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz wegen eines Überspannungsschadens geltend. Die Beklagte ist Betreiberin eines kommunalen Stromnetzes und stellt dieses den Stromproduzenten (Einspeisern) und Abnehmern zur Verfügung. Dazu nimmt sie auch Transformationen auf eine andere Spannungsebene (Niederspannung ca. 230 Volt) vor.

Nach einer Störung der Stromversorgung in dem Wohnviertel des Klägers trat nach einem Stromausfall in seinem Hausnetz eine Überspannung auf, durch die mehrere Elektrogeräte und die Heizung beschädigt wurden. Die Ursache für die Überspannung lag in der Unterbrechung von zwei sogenannten PEN-Leitern ( PEN = protective earth neutral) in der Nähe des Hauses des Klägers, über die sein Haus mit der Erdungsanlage verbunden war.

Das Amtsgericht hat die auf Ersatz des entstandenen Schadens gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht der Klage abzüglich der Selbstbeteiligung von 500 € gemäß § 11 des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) stattgegeben. Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus dem Produkthaftungsgesetz zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte haftet aufgrund der verschuldensunabhängigen (Gefährdungs-) Haftung nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG. Gemäß § 2 ProdHaftG ist neben beweglichen Sachen auch Elektrizität ein Produkt im Sinne dieses Gesetzes. Die Elektrizität wies aufgrund der Überspannung einen Fehler gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG auf, der die Schäden an den Elektrogeräten und der Heizung, also an üblichen Verbrauchsgeräten des Klägers, verursacht hat. Mit solchen übermäßigen Spannungsschwankungen muss der Abnehmer nicht rechnen. Die beklagte Netzbetreiberin ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG auch als Herstellerin des fehlerhaften Produkts Elektrizität anzusehen. Dies ergibt sich daraus, dass sie Transformationen auf eine andere Spannungsebene, nämlich die sogenannte Niederspannung für die Netzanschlüsse von Letztverbrauchern, vornimmt. In diesem Fall wird die Eigenschaft des Produkts Elektrizität durch den Betreiber des Stromnetzes in entscheidender Weise verändert, weil es nur nach der Transformation für den Letztverbraucher mit den üblichen Verbrauchsgeräten nutzbar ist. Ein Fehler des Produkts lag auch zu dem Zeitpunkt vor, als es in den Verkehr gebracht wurde (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG), weil ein Inverkehrbringen des Produkts Elektrizität erst mit der Lieferung des Netzbetreibers über den Netzanschluss an den Anschlussnutzer erfolgt.

Urteil vom 25. Februar 2014 - VI ZR 144/13"