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OVG Münster: Gegenvorstellungsverfahren nach § 3b NetzDG gilt nicht für Anbieter sozialer Netzwerke die in anderen EU-Staaten ansässig sind - Meta

OVG Münster
Beschluss vom 21.03.2023
13 B 381/22


Das OVG Münster hat entschieden, dass das Gegenvorstellungsverfahren nach § 3b NetzDG nicht für Anbieter sozialer Netzwerke gilt, die nicht in Deutschland, sondern in einem anderen EU-Staat ansässig sind (siehe zur Vorinstanz: VG Köln: Neuregelungen im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) teilweise unionsrechtswidrig - Eilanträge von Google und Meta / Facebook).

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Gegenvorstellungsverfahren nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz teilweise nicht anwendbar

Die in § 3b des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG) vorgesehene Pflicht, ein Gegenvorstellungsverfahren vorzuhalten, ist auf in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Anbieter sozialer Netzwerke teilweise nicht anwendbar. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute vorläufig festgestellt und damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln teilweise geändert.

Die in Irland ansässige Antragstellerin ist ein Unternehmen des Meta-Konzerns und bietet die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram für Nutzer in Deutschland an. Sie hatte im Wege des Eilrechtsschutzes gegenüber der Bundesrepublik Deutschland die vorläufige Feststellung begehrt, dass sie den Pflichten nach § 3a und § 3b NetzDG nicht unterliegt. § 3a NetzDG verpflichtet Anbieter sozialer Netzwerke, ihnen gemeldete rechtswidrige Inhalte auf das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bestimmte Straftatbestände zu prüfen und die fraglichen Inhalte zusammen mit bestimmten Nutzerangaben gegebenenfalls an das Bundeskriminalamt zu melden. § 3b NetzDG verlangt von Anbietern sozialer Netzwerke, ein wirksames und transparentes Gegenvorstellungsverfahren vorzuhalten. Das soll Nutzern ermöglichen, eine Entscheidung des Anbieters des sozialen Netzwerks darüber, ob er einen bestimmten Inhalt entfernt bzw. den Zugang zu ihm sperrt, durch den Anbieter überprüfen zu lassen. Das Verwaltungsgericht Köln hat dem Eilantrag am 1. März 2022 hinsichtlich der Verpflichtungen nach § 3a NetzDG stattgegeben; insoweit ist der Beschluss nicht angegriffen worden. Im Übrigen, also in Bezug auf das Gegenvorstellungsverfahren nach § 3b NetzDG, hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.

Die Beschwerde war teilweise erfolgreich. Die Antragstellerin ist vorläufig nicht verpflichtet, Gegenvorstellungsverfahren zu Entscheidungen über die Löschung oder Sperrung strafrechtlich relevanter Inhalte bei sogenannten NetzDG-Beschwerden vorzuhalten (§ 3b Abs. 1 und 2 NetzDG). Der 13. Senat hat dazu ausgeführt, dass die Anwendung dieser Vorschrift auf Anbieter sozialer Netzwerke, die wie die Antragstellerin in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sind, gegen das in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie) verankerte Herkunftslandprinzip verstoßen dürfte. Das unionsrechtliche Herkunftslandprinzip dient dem freien Dienstleistungsverkehr und bestimmt, dass Dienste der Informationsgesellschaft, zu denen auch soziale Netzwerke gehören, grundsätzlich nur dem Recht des Mitgliedstaats unterliegen, in dem der Anbieter niedergelassen ist (hier also Irland). Soweit die E-Commerce-Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Verfahren für die Löschung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festzulegen, dürfte sie nur Regelungen für in dem jeweiligen Mitgliedstaat ansässige Anbieter erlauben. Eine Abweichung vom Herkunftslandprinzip wäre daher nur unter den dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen zulässig. Diese dürften hier aber schon deshalb nicht erfüllt sein, weil die Bundesrepublik Deutschland die maßgeblichen verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht eingehalten hat. Vor der Einführung von § 3b NetzDG hat sie die EU-Kommission sowie die betroffenen Sitzmitgliedstaaten der Anbieter sozialer Netzwerke nicht informiert bzw. letztere nicht erfolglos dazu aufgefordert, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Davon durfte sie auch nicht im Rahmen eines sogenannten Dringlichkeitsverfahrens abweichen.

Hinsichtlich der Pflicht zur Vorhaltung eines Gegenvorstellungsverfahrens zu Entscheidungen über die Löschung oder Sperrung sonstiger Inhalte (§ 3b Abs. 3 NetzDG) - dies betrifft etwa gegen die Gemeinschaftsstandards bzw. -richtlinien von Facebook oder Instagram verstoßende Inhalte - hatte die Beschwerde hingegen keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichteten Eilantrag insoweit zu Recht als unzulässig abgelehnt. Anders als die Pflicht nach § 3b Abs. 1 und 2 NetzDG ist die Pflicht zu einem Gegenvorstellungsverfahren nach § 3b Abs. 3 NetzDG nicht bußgeldbewehrt. Der Antragstellerin ist es daher insoweit zuzumuten, sich gegen etwaige Maßnahmen der zuständigen Aufsichtsbehörde (Bundesamt für Justiz) im Wege des nachträglichen Rechtsschutzes zur Wehr zu setzen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 381/22 (I. Instanz: VG Köln 6 L 1354/21)

Weitere Hinweise:

§ 3b NetzDG (Gegenvorstellungsverfahren)

(1) 1Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss ein wirksames und transparentes Verfahren nach Absatz 2 vorhalten, mit dem sowohl der Beschwerdeführer als auch der Nutzer, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, eine Überprüfung einer zu einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte getroffenen Entscheidung über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt (ursprüngliche Entscheidung) herbeiführen kann; ausgenommen sind die Fälle des § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b. 2Der Überprüfung bedarf es nur, wenn der Beschwerdeführer oder der Nutzer, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, unter Angabe von Gründen einen Antrag auf Überprüfung innerhalb von zwei Wochen nach der Information über die ursprüngliche Entscheidung stellt (Gegenvorstellung). 3Der Anbieter des sozialen Netzwerks muss zu diesem Zweck ein leicht erkennbares Verfahren zur Verfügung stellen, das eine einfache elektronische Kontaktaufnahme und eine unmittelbare Kommunikation mit ihm ermöglicht. 4Die Möglichkeit der Kontaktaufnahme muss auch im Rahmen der Unterrichtung nach § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe b eröffnet werden.

(2) Das Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 muss gewährleisten, dass der Anbieter des sozialen Netzwerks

1. für den Fall, dass er der Gegenvorstellung abhelfen möchte, im Fall einer Gegenvorstellung des Beschwerdeführers den Nutzer und im Fall einer Gegenvorstellung des Nutzers den Beschwerdeführer über den Inhalt der Gegenvorstellung unverzüglich informiert sowie im ersten Fall dem Nutzer und im zweiten Fall dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist gibt,

2. darauf hinweist, dass der Inhalt einer Stellungnahme des Nutzers an den Beschwerdeführer sowie der Inhalt einer Stellungnahme des Beschwerdeführers an den Nutzer weitergegeben werden kann,

3. seine ursprüngliche Entscheidung unverzüglich einer Überprüfung durch eine mit der ursprünglichen Entscheidung nicht befasste Person unterzieht,

4. seine Überprüfungsentscheidung dem Beschwerdeführer und dem Nutzer unverzüglich übermittelt und einzelfallbezogen begründet, in den Fällen der Nichtabhilfe dem Beschwerdeführer und dem Nutzer jedoch nur insoweit, wie diese am Gegenvorstellungsverfahren bereits beteiligt waren, und

5. sicherstellt, dass eine Offenlegung der Identität des Beschwerdeführers und des Nutzers in dem Verfahren nicht erfolgt.

(3) 1Sofern einer Entscheidung über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt keine Beschwerde über rechtswidrige Inhalte zugrunde liegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. 2Liegt der Entscheidung eine Beanstandung des Inhalts durch Dritte zugrunde, tritt an die Stelle des Beschwerdeführers diejenige Person, welche die Beanstandung dem Anbieter des sozialen Netzwerks übermittelt hat. 3Abweichend von Absatz 2 Nummer 3 ist es nicht erforderlich, dass die Überprüfung durch eine mit der ursprünglichen Entscheidung nicht befasste Person erfolgt. 4Abweichend von Absatz 1 Satz 2 bedarf es der Überprüfung nach Satz 1 dann nicht, wenn es sich bei dem Inhalt um erkennbar unerwünschte oder gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters verstoßende kommerzielle Kommunikation handelt, die vom Nutzer in einer Vielzahl von Fällen mit anderen Nutzern geteilt oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und die Gegenvorstellung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.


VG Köln: Neuregelungen im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) teilweise unionsrechtswidrig - Eilanträge von Google und Meta / Facebook

VG Köln
Beschlüsse vom 01.03.2022
6 L 1277/21 (Google Ireland Ltd.)
6 L 1354/21 (Meta Platforms Ireland Limited)


Das VG Köln hat entschieden, dass die Neuregelungen im Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) teilweise unionsrechtswidrig sind. Das Gericht hat den Eilanträgen von Google und Meta / Facebook teilweise stattgegeben.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Gericht entscheidet über Eilanträge von Google und Meta: Netzwerkdurchsetzungsgesetz verstößt teilweise gegen Unionsrecht

Zentrale Vorschriften des novellierten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) sind wegen Verstoßes gegen unionsrechtliche Vorschriften unanwendbar. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln heute entschieden und damit Eilanträgen der Google Ireland Ltd. und der Meta Platforms Ireland Limited gegen die Bundesrepublik Deutschland teilweise stattgegeben.

Das novellierte NetzDG verpflichtet mit dem neu eingefügten § 3a Anbieter sozialer Netzwerke dazu, Inhalte, die ihnen im Rahmen einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte (sog. NetzDG-Beschwerde) gemeldet worden sind und welche sie entfernt oder zu denen sie den Zugang gesperrt haben, auf das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bestimmte Straftatbestände zu überprüfen. Liegen solche Anhaltspunkte vor, müssen die Inhalte zusammen mit bestimmten Nutzerangaben an das Bundeskriminalamt übermittelt werden. § 3b NetzDG verpflichtet die Anbieter sozialer Netzwerke dazu, ein Gegenvorstellungsverfahren in Bezug auf Entscheidungen über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt einzuführen. In § 4a NetzDG wird das Bundesamt für Justiz als für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des NetzDG zuständige Behörde bestimmt.

Die in Irland niedergelassenen Anbieter der sozialen Netzwerke Youtube (Google), Facebook und Instagram (beide Meta) haben mit ihren Eilanträgen jeweils die Feststellung beantragt, dass sie nicht den neu geschaffenen Pflichten des NetzDG unterliegen. Zur Begründung machten sie Verstöße gegen Unionsrecht sowie nationales Verfassungsrecht geltend.

Dem ist das Gericht teilweise gefolgt. Beide Eilverfahren seien nur zum Teil zulässig. Soweit sie sich auch auf die Pflicht bezögen, ein Gegenvorstellungsverfahren in Bezug auf Entscheidungen über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt einzuführen, denen keine NetzDG-Beschwerde zugrunde liege, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit müssten sich die Antragstellerinnen auf den Rechtsschutz gegen etwaige aufsichtsbehördliche Verfügungen verweisen lassen.

In der Sache hat das Gericht entschieden, der Gesetzgeber habe bei der Einführung des § 3a NetzDG gegen das Herkunftslandprinzip der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (ECRL) verstoßen. Nach diesem Prinzip richten sich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedsstaat der EU niedergelassenen Anbieter elektronischer Dienste nach dem Recht seines Sitzstaates. Die Antragsgegnerin könne sich nicht auf Ausnahmen von diesem Prinzip berufen, da der Gesetzgeber weder das für Ausnahmen vorgesehene Konsultations- und Informationsverfahren durchgeführt habe noch die Voraussetzungen eines Dringlichkeitsverfahrens vorgelegen hätten.

§ 4a NetzDG, der nur im Verfahren von Google Streitgegenstand war, verstoße gegen die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die auf Videosharingplattform-Dienste Anwendung finde. Diese statuiere den Grundsatz der rechtlichen und funktionellen Unabhängigkeit der zur Überwachung der Pflichtenerfüllung der Diensteanbieter zuständigen Medienbehörden. Da das als Bundesoberbehörde eingerichtete Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz unterstehe und von diesem Weisungen entgegennehme, könne von der von der Richtlinie geforderten Staatsferne beim Bundesamt für Justiz keine Rede sein.

Im Verfahren der Meta Platforms Ireland Limited hat das Gericht den Antrag in Bezug auf das mit § 3b Abs. 1 NetzDG eingeführte Gegenvorstellungsverfahren nach Entscheidungen über NetzDG-Beschwerden abgelehnt. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Vorschrift sei von der Befugnis der EU-Mitgliedstaaten zur Festlegung von Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr (Art. 14 Abs. 3 ECRL) gedeckt. Auch ein Verstoß gegen die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistete unternehmerische Freiheit oder nationales Verfassungsrecht sei nicht gegeben.

Die gerichtlichen Beschlüsse wirken nur zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten.

Gegen die Beschlüsse können die Beteiligten jeweils Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde.

Az.:
6 L 1277/21 (Google Ireland Ltd.)
6 L 1354/21 (Meta Platforms Ireland Limited)




OLG Schleswig-Holstein: Kein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß wenn Preisauszeichnung einer gültigen nationalen aber europarechtswidrigen Vorschrift entspricht

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 30.07.2020
6 U 49/19


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass kein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn die Preisauszeichnung von Waren einer gültigen nationalen aber europarechtswidrigen Vorschrift entspricht

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Gesonderte Ausweisung von "Pfand": Kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch bei einer Preisauszeichnung, die einer gültigen nationalen, jedoch europarechtswidrigen Vorschrift entspricht

Entspricht die Preisauszeichnung für Waren in Pfandbehältnissen einer gültigen nationalen Vorschrift, so kann die Werbung mit einer solchen Preisauszeichnung auch dann nicht verboten werden, wenn die nationale Vorschrift europarechtswidrig ist und deshalb nicht mehr angewendet werden darf. Das hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in der letzten Woche entschieden.

Zum Sachverhalt: Der Kläger ist ein Verein, der die Einhaltung der Wettbewerbsregeln überwacht. Die Beklagte vertreibt Lebensmittel. In einer Werbebroschüre bewarb sie im Herbst 2018 u. a. Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Das Pfand war in die angegebenen Preise nicht eingerechnet, sondern mit dem Zusatz "zzgl. … € Pfand" angegeben. Der Kläger hält dies für unzulässig. Er meint, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Preisangabenverordnung (PAngV) müsse der Gesamtpreis angegeben werden. Er nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung der beanstandeten Werbung in Anspruch. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und verweist auf die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV, wonach das Pfand gesondert ausgewiesen werden muss. Das Landgericht Kiel hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten vor dem Oberlandesgericht hatte Erfolg. Der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat die Klage abgewiesen.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nicht zu. Die Werbung mit der beanstandeten Preisauszeichnung ist nicht wettbewerbswidrig. Sie entspricht der Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV. Hierauf kann sich die Beklagte auch berufen, obwohl § 1 Abs. 4 PAngV europarechtswidrig ist und deshalb nicht mehr angewendet werden darf.

Es kann offenbleiben, ob das Pfand überhaupt ein Bestandteil des nach § 1 Abs. 1 PAngV anzugebenden Gesamtpreises ist. Selbst wenn das so wäre, kann sich die Beklagte für ihre Preisauszeichnung auf § 1 Abs. 4 PAngV berufen. Die Vorschrift verstößt zwar gegen Europarecht, denn nationale Vorschriften zu Preisangaben müssen mit den Vorgaben aus EU-Richtlinien in Einklang stehen. § 1 Abs. 4 PAngV kann jedoch weder auf die europäische Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken noch auf die europäische Preisangaben-Richtlinie zurückgeführt werden. § 1 Abs. 4 PAngV ist deshalb richtlinienwidrig, was zur Folge hat, dass ein Gericht die Vorschrift nicht mehr anwenden darf. Gleichwohl ist sie geltendes Recht und deshalb für den Einzelnen bindend und von ihm zu beachten. Die Preisauszeichnung der Beklagten entspricht somit dem, was das Recht von ihr verlangt. Ein rechtlich gebotenes Verhalten kann aber niemals die Grundlage für eine Verurteilung sein, in der unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, dieses Verhalten zu unterlassen. Eine solche Verurteilung wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, denn wer sich rechtstreu verhält, muss die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden. Die Folge des Widerspruchs zwischen der Nichtanwendbarkeit und der Gültigkeit des § 1 Abs. 4 PAngV kann deshalb nur die Abweisung der Unterlassungsklage sein.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30. Juli 2020, Az. 6 U 49/19, Revision wurde zugelassen)




VG Köln: Vorratsdatenspeicherung in §§ 113a und b TKG europarechtswidrig - Deutsche Telekom muss Telekommunikationsverbindungsdaten ihrer Kunden nicht speichern

VG Köln
Urteil vom 20.04.2018
9 K 7417/17


Das VG Köln hat entschieden, dass die Deutsche Telekom keine Telekommunikationsverbindungsdaten ihrer Kunden speichern muss. Die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung in §§ 113a und b TKG sind - so das Gericht - europarechtswidrig

Keine Pflicht für Telekommunikationsunternehmen zur Vorratsdatenspeicherung

Mit Urteil vom heutigen Tag hat das Verwaltungsgericht Köln festgestellt, dass die Deutsche Telekom nicht verpflichtet ist, im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung die Telekommunikationsverbindungsdaten ihrer Kunden zu speichern.

Mit ihrer Klage machte die Deutsche Telekom geltend, für sie bestehe keine Pflicht zur Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten. Die §§ 113a und b Telekommunikationsgesetz (TKG), die diese Speicherpflicht anordnen, seien mit europäischem Recht nicht vereinbar.

Dem folgte das Gericht und schloss sich damit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an. Dieses hatte bereits im Juni 2017 in einem Eilverfahren entschieden, dass die den Telekommunikationsunternehmen durch § 113a Absatz 1 in Verbindung mit § 113b TKG auferlegte Pflicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten mit Unionsrecht nicht vereinbar sei. Jene Pflicht verletze die betreffenden Unternehmen jedenfalls in ihrer unternehmerischen Freiheit, die durch Artikel 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt sei (OVG NRW, Beschluss vom 22.06.2017 – 13 B 238/17 –).

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Artikel 15 Absatz 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (RL 2002/58/EG in der durch RL 2009/136/EG geänderten Fassung) einer nationalen Regelung entgegenstehe, die für Zwecke der Bekämpfung von Straftaten eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und registrierten Nutzer in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel vorsehe (EuGH, Urteil vom 21.12.2016 – C-203/15 und C-698/15 –). Das Verwaltungsgericht hat im Anschluss an das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, auch die nationalen Vorschriften des § 113a Absatz 1 in Verbindung mit § 113b TKG ordneten eine solche allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung an. Daher seien sie europarechtlich nicht zulässig. Angesichts der vom Europäischen Gerichtshof am Beispiel der schwedischen und britischen Rechtslage festgestellten Unionsrechtswidrigkeit derartiger Regelungen sei auch das klagende Telekommunikationsunternehmen nicht zur Speicherung der Telekommunikationsverbindungsdaten seiner Kunden verpflichtet. Denn wegen des Vorrangs des Unionsrechts seien die Vorschriften des § 113a Absatz 1 in Verbindung mit § 113b TKG nach allgemeinen Grundsätzen unanwendbar und demnach von der Deutschen Telekom nicht zu befolgen.

Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet. Alternativ kann – im beiderseitigen Einvernehmen der Beteiligten – Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.



Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: PKW-Maut auch in der aktuell geplanten Fassung europarechtswidrig

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt zu dem zutreffenden Ergebnis, dass die geplante PKW-Maut auch in der aktuell geplanten Fassung europarechtswidrig ist:
Gutachten zur Vereinbarkeit des Infrastrukturabgabengesetzes und des Zweiten Verkehrssteueränderungsgesetzes
in der Fassung der von der Bundesregierung beschlossenen Änderungsgesetze mit dem Unionsrecht


Die Zusammenfassung des Gutachtens:

"Die Einführung einer Infrastrukturabgabe gemäß § 1 Abs. 1 InfrAG bei gleichzeitiger Vermeidung einer Doppelbelastung für in Deutschland Kfz-Steuerpflichtige durch Einführung eines Steuerentlastungsbetrags im Rahmen der Kfz-Steuer bewirkt ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Be- und Entlastungsentscheidungen mit divergierenden rechtlichen Prämissen, das das unionsrechtliche Verbot der mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit wahren muss. In diesem rechtlich komplexen Systemzusammenhang spricht die objektiv gebotene Gesamtbetrachtung der im InfrAG und im 2. VerkehrStÄndG vorgesehenen Maßnahmen auch unter Berücksichtigung der projektierten Änderungen im InfrAG-E und KraftStG-E dafür, dass die Maßnahmenkombination in ihrem Gesamtkonzept aufgrund der kompensatorischen Wirkung des Steuerentlastungsbetrags zugunsten von im Inland Kfz-Steuerpflichtigen eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zulasten der nicht in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Fahrzeughalter und Nutzer der deutschen Bundesfernstraßen aus anderen Mitgliedstaaten bewirkt, die sich nicht auf unionsrechtlich anerkannte Rechtfertigungsgründe stützen lässt. Ausgehend von den Feststellungen des EuGH in der Rs. C-195/90
Kommission/Deutschland) führt die Einführung einer Infrastrukturabgabe zudem zu einer potenziellenBeeinträchtigung von Verkehrsunternehmern im Sinne von Art. 92 AEUV"


EuGH: Deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist europarechtswidrig - Behinderung ausländischer Versandapotheken und des freien Warenverkehrs

EuGH
Urteil vom 19.10.2016
C-148/15
Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. / Zentrale zur Bekämpfung unlauteren
Wettbewerbs e. V.


Der EuGH hat entschieden, dass die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel europarechtswidrig ist. Es liegt eine nicht gerechtfertigte Behinderung ausländischer Versandapotheken und des freien Warenverkehrs vor. Durch die Preisbindung wird zudem der Preiswettbewerb zu Lasten der Verbraucher behindert.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die deutsche Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verstößt gegen das Unionsrecht

Die „Deutsche Parkinson Vereinigung“ ist eine Selbsthilfeorganisation, die die Lebensumstände von Parkinson-Patienten und deren Familien verbessern möchte. Sie hat mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris ein Bonussystem ausgehandelt, das ihre Mitglieder in Anspruch nehmen können, wenn sie bei dieser Apotheke verschreibungspflichtige, nur über Apotheken erhältliche Parkinson-Medikamente kaufen. Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist in Deutschland nicht mehr verboten.

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ist der Auffassung, dass dieses Bonussystem gegen die deutsche Regelung verstößt, die einen einheitlichen Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel vorsieht Auf Antrag dieses Vereins untersagte das Landgericht Düsseldorf der Deutschen Parkinson Vereinigung, das Bonussystem bei ihren Mitgliedern zu bewerben. Diese wandte sich daraufhin an das Oberlandesgericht Düsseldorf, das seinerseits den Gerichtshof mit der Frage befasst hat, ob die Festlegung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel mit dem freien Warenverkehr vereinbar ist.

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die betreffende Regelung eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellt. Die Festlegung einheitlicher Abgabepreise wirkt sich nämlich auf in anderen Mitgliedstaaten
ansässige Apotheken stärker aus, so dass der Zugang zum deutschen Markt für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse. Hierzu führt der Gerichtshof erstens aus, dass der Versandhandel für ausländische Apotheken ein wichtigeres bzw. eventuell sogar das einzige Mittel darstellt, um einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. Zweitens kann der Preiswettbewerb für Versandapotheken ein
wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein als für traditionelle Apotheken, die besser in der Lage sind, Patienten durch Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen.

Grundsätzlich kann zwar eine Beschränkung des freien Warenverkehrs mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden, doch ist die betreffende Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht geeignet. Es wurde insbesondere nicht nachgewiesen, inwiefern durch die Festlegung einheitlicher Preise eine bessere geografische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland sichergestellt werden kann. Im Gegenteil legen einige eingereichte Unterlagen nahe, dass mehr
Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern würde, da Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten. Zudem liegen dem Gerichtshof keine Belege dafür vor, dass sich die Versandapotheken ohne die betreffende Regelung einen Preiswettbewerb liefern könnten, so dass wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr zu gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsenzapotheken in der Folge verringern würde. Andere Wettbewerbsfaktoren wie die individuelle Beratung der Patienten durch Personal vor Ort könnten den traditionellen Apotheken nämlich eventuell dabei helfen, konkurrenzfähig zu bleiben.

Es könnte sich auch herausstellen, dass für die traditionellen Apotheken, wenn sie sich einem Preiswettbewerb der Versandapotheken gegenübersehen, sogar ein Anreiz dazu bestünde, mehr Leistungen im Allgemeininteresse wie die Herstellung von Rezepturarzneimitteln anzubieten. Ein Preiswettbewerb könnte auch den Patienten Vorteile bringen, da er es gegebenenfalls ermöglichen würde, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland zu günstigeren Preisen
anzubieten als sie derzeit festgelegt werden.

BGH: Keine Amtshaftung und keine Schadensersatzansprüche wegen europarechtswidriger Untersagung von Sportwettenvermittlung

BGH
Urteile vom 16.04.2015
III ZR 204/13
III ZR 333/13


Der BGH hat entschieden, dass keine Amtshaftungs- und keine Schadensersatzansprüche wegen der europarechtswidrigen Untersagung von Sportwettenvermittlung in den Jahren 2006 und 2007.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Keine Schadensersatzansprüche wegen der Untersagung der Sportwettenvermittlung

Der unter anderem für Ersatzansprüche gegen die öffentliche Hand zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Abweisung der Klagen von zwei Gewerbetreibenden bestätigt, denen in den Jahren 2006 und 2007 auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Lotteriestaatsvertrags die Vermittlung von Sportwetten untersagt worden war. Beklagte waren zwei nordrhein-westfälische Städte, die entsprechende Verbote ausgesprochen hatten, und das Land Nordrhein-Westfalen, dessen Innenministerium nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 mit einem an die Bezirksregierungen gerichteten Erlass vom 31. März 2006 um die konsequente Durchsetzung des seinerzeitigen staatlichen Sportwettenmonopols ersucht hatte. Die Kläger haben Ersatzansprüche mit der Begründung geltend gemacht, das Monopol habe gegen europäisches Recht verstoßen, so dass die Untersagungsverfügungen rechtswidrig gewesen seien.

Der III. Zivilsenat hat entschieden, dass die Klagen unbegründet sind. Zwar haben sich die Verfügungen als rechtswidrig herausgestellt, weil das Sportwettenmonopol gegen das Recht der Europäischen Union verstieß. Jedoch war die Rechtslage bis zu den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 8. September 2010 unklar. Erst aus diesen Entscheidungen ergab die Unzulässigkeit des deutschen staatlichen Sportwettenmonopols zweifelsfrei. Deshalb fiel den Behörden weder ein für einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch notwendiger qualifizierter Rechtsverstoß noch ein für einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. BGB, Art. 34 Satz 1 GG notwendiges Verschulden zur Last. Für die Zeit danach kam ein Ersatzanspruch nicht in Betracht, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die Kläger die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis für ihr Gewerbe erfüllten, und es nach den Entscheidungen des EuGH weiterhin zulässig ist, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter einen Erlaubnisvorbehalt zu stellen.

Der Senat hat auch einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch aus § 39 Abs. 1 Buchst. b des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen verneint. Diese Vorschrift erfasst nach gefestigter Rechtsprechung nicht Schäden, die durch mit der Verfassung unvereinbare Gesetze und deren Vollzug verursacht werden (legislatives Unrecht). Dies gilt, wie der Senat in seinen heutigen Entscheidungen ausgeführt hat, gleichermaßen, wenn nationale Gesetze (hier die Bestimmungen über das Sportwettenmonopol) gegen Unionsrecht verstoßen. Auch das Unionsrecht fordert keine verschuldensunabhängige Haftung für legislatives Unrecht. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass auch in diesen Fällen eine Haftung nur unter den – hier nicht erfüllten – Voraussetzungen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen EU-Recht geboten ist.

BVerfGE 115, 276 ff.

Carmen Media (NVwZ 2010, 1422), Stoß u.a. (NVwZ 2010, 1409) und Winner Wetten (NVwZ 2010, 1419).

"Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen."

""Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht."

""Ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, ist zu ersetzen, wenn er



b) durch rechtswidrige Maßnahmen, gleichgültig, ob die Ordnungsbehörden ein Verschulden trifft oder nicht, entstanden ist."

Urteile vom 16. April 2015

III ZR 204/13

LG Bochum - 5 O 5/11 – Entscheidung vom 9. September 2011

OLG Hamm - I-11 U 88/11 – Entscheidung vom 3. Mai 2013

und

III ZR 333/13

LG Bochum - 5 O 156/10 – Entscheidung vom 9. September 2011

OLG Hamm - I-11 U 89/11 – Entscheidung vom 14. Juni 2013"



EuGH: Erlöschen des Widerrufsrechts bei Versicherungsverträgen ein Jahr nach erster Prämienzahlung ohne ordungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht europarechtskonform

EuGH
Urteil vom 19.12.2013
C‑209/12
Walter Endress
gegen
Allianz Lebensversicherungs AG


Tenor der Entscheidung:
Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG in der durch die Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 31 der Richtlinie 92/96 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Sportwettenanbieter haben keinen Anspruch aus Staatshaftung wegen europarechtswidrigem deutschem Verbot

BGH
Urteile vom 18.10.2012
III ZR 196/11
III ZR 197/11

Der BGH hat entschieden, dass Sportwettenanbieter keinen Anspruch aus Staatshaftung gegen den Staats wegen europarechtswidriger Untersagungsverfügungen haben.

Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Die Vorinstanzen haben einen unionsrechtlichen Schadensersatzanspruch verneint. Dies hat der III. Zivilsenat bestätigt. Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass die betreffende öffentliche Körperschaft in "hinreichend qualifizierter" Weise gegen Unionsrecht verstoßen hat. Hierfür sind unter anderem entscheidend das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie die Fragen, ob der Verstoß vorsätzlich begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist. Dass die Behörden und die Gerichte in Bayern aufgrund des in dem seinerzeit gültigen Staatsvertrag geregelten Sportwettenmonopols die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers der Klägerin unterbanden und der bayerische Gesetzgeber das Monopol aufrecht erhielt, stellte hiernach keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar. "


Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:



"BGH: Sportwettenanbieter haben keinen Anspruch aus Staatshaftung wegen europarechtswidrigem deutschem Verbot" vollständig lesen

BGH-Entscheidungen zum Verbot von Sportwetten und Glücksspielen im Internet liegen im Volltext vor

Die Entscheidungen des BGH zum Verbot von Gewinnspielen im Internet liegen im Volltext vor (siehe auch "BGH: Verbot privater Sportwetten und anderer Glücksspiele im Internet ist wirksam und nicht europarechtswidrig"):

BGH, Urteil vom 28.09.2011 - I ZR 30/10
BGH, Urteil vom 28.09.2011 - I ZR 43/10
BGH, Urteil vom 28.09.2011 - I ZR 93/10

Leitsatz der Entscheidung I ZR 93/10
Poker im Internet
UWG § 4 Nr. 11; GlüStV § 3 Abs. 1
Ob ein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV vorliegt, beurteilt sich nach den durchschnittlichen Fähigkeiten eines Spielers; unerheblich ist, ob professionelle Spieler oder geübte Amateure, die sich gegebenenfalls auch Lehrbuchwissen angeeignet haben, ihre Erfolgschancen steigern können.

EuGH: Internetprovider dürfen nicht dazu verpflichtet werden, den Netzverkehr präventiv zu filtern und zu sperren - Verstoß gegen Europarecht

EuGH
Urteil vom 24.11.2011
C‑70/10
Scarlet Extended SA ./. SABAM


Der EuGH hat entscheiden, dass Internetprovider nicht per Gesetz dazu verpflichtet werden dürfen, den Netzverkehr präventiv zu filtern und ggf. zu sperren. Eine derartige Regelung ist - so der EuGH völlig zu Recht - unter Beachtung der berührten Grundrechte und Auslegung der einschlägigen EU-Richtlinien europarechtswidrig. Damit wird den Zensurbestrebungen der Unterhaltungsindustrie hoffentlich ein Riegel vorgeschoben.

Die Entscheidung des EuGH:

"Die Richtlinien

– 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr),
– 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
– 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums,
– 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und
– 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation),

in Verbindung miteinander und ausgelegt im Hinblick auf die sich aus dem Schutz der anwendbaren Grundrechte ergebenden Anforderungen, sind dahin auszulegen, dass sie der Anordnung an einen Anbieter von Internetzugangsdiensten entgegenstehen, ein System der Filterung

– aller seine Dienste durchlaufenden elektronischen Kommunikationen insbesondere durch die Verwendung von „Peer-to-Peer“-Programmen,
– das unterschiedslos auf alle seine Kunden anwendbar ist,
– präventiv,
– auf ausschließlich seine eigenen Kosten und
– zeitlich unbegrenzt

einzurichten, das in der Lage ist, im Netz dieses Anbieters den Austausch von Dateien zu identifizieren, die ein Werk der Musik, ein Filmwerk oder audiovisuelles Werk enthalten, an denen der Antragsteller Rechte zu haben behauptet, um die Übertragung von Dateien, deren Austausch gegen das Urheberrecht verstößt, zu sperren."


Die vollständige Entscheidung finden Sie hier:


Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier:

"EuGH: Internetprovider dürfen nicht dazu verpflichtet werden, den Netzverkehr präventiv zu filtern und zu sperren - Verstoß gegen Europarecht" vollständig lesen

BGH: Verbot privater Sportwetten und anderer Glücksspiele im Internet ist wirksam und nicht europarechtswidrig

BGH
Urteil vom 28.09.2011
I ZR 92/09
Sportwetten im Internet II


Der BGH hat entschieden, dass das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele und Sportwetten im Internet nach § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrags vom 1. Januar 2008 (GlüStV) wirksam ist und auch nicht gegen europarechtliche Vorgaben verstößt.

Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Das Verbot von Glücksspielen im Internet gem. § 4 Abs. 4 GlüStV stellt zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs in der Europäischen Union dar. Die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Ziele wie Suchtbekämpfung, Jugendschutz und Betrugsvorbeugung können aber Beschränkungen der Spieltätigkeit rechtfertigen. Wegen der größeren Gefahren des Internets, insbesondere Anonymität, fehlende soziale Kontrolle und jederzeitige Verfügbarkeit, darf dieser Vertriebsweg stärker als herkömmliche Absatzwege eingeschränkt werden."


Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

"BGH: Verbot privater Sportwetten und anderer Glücksspiele im Internet ist wirksam und nicht europarechtswidrig" vollständig lesen

EuGH: Ein staatliches Monopol für Internet-Glücksspiele ist nur gestattet, wenn das Monopol allein dazu dient, ein besonders hohes Schutzniveau der Verbraucher zu gewährleisten

EuGH
Urteil vom 15.09.2011
C‑347/09
Staatliches Glückspielmonpol


Die Entscheidung des EuGH:

1. Das Unionsrecht und insbesondere Art. 49 EG stehen einer Regelung, die den Verstoß gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehene Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele unter Strafe stellt, entgegen, wenn eine solche Regelung nicht mit den Bestimmungen dieses Rechts vereinbar ist.

2. Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer

– sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV-Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat und

– EDV-Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen Verbrauchern zu erbringen, die ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässig sind.

3. Art. 49 EG ist dahin auszulegen,

a) dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen;

b) dass, um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen, eine nationale Regelung, mit der ein Glücksspielmonopol errichtet wird, das dem Inhaber des Monopols ermöglicht, eine Expansionspolitik zu verfolgen,

– auf der Feststellung beruhen muss, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte, und

– nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken;

c) dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben kann, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Werbung im Internet, Fernsehen, Rundfunk und per Telefon für öffentliches Glücksspiel weiterhin verboten

OLG Köln
Urteil vom 19.11.2010
6 U 38/10


Auch nach der EuGH-Entscheidung, wonach das deutsche staatliche Glücksspielmonopol (EuGH Urteil 08.09.2010 - C-409/06) europarechtswidrig ist, bleibt - so das OLG Köln - die Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet, Fernsehen, Rundfunk und per Telefon verboten.

In der Pressemitteilung des OLG Köln heißt es dazu:

"Das Oberlandesgericht nimmt einen Verstoß der Werbung gegen das Werbeverbot aus § 5 Abs. 3 GlüStV an. Für den der Entscheidung zugrunde liegenden Fall stellt sich die Frage der Vereinbarkeit des Werbeverbots aus § 5 Abs. 3 GlüStV mit dem europäischen Gemeinschaftsrechts (Art. 49 des EG-Vertrages: Freiheit des Dienstleistungsverkehrs oder Art. 43 des EG-Vertrages: Niederlassungsfreiheit) nicht, weil es in Bezug auf die angegriffene Werbung der Beklagten an einem grenzüberschreitenden Sachverhalt fehlt. Nach Auffassung des Senats ist das Verhalten der Beklagten allein nach den für Inländer geltenden Regeln und damit nach § 5 Abs. 3 GlüStV zu beurteilen.

Unabhängig davon bejaht das Oberlandesgericht eine Vereinbarkeit des Verbots, für öffentliches Glücksspiel im Internet und Fernsehen sowie über Telekommunikationsanlagen zu werben (§ 5 Abs. 3 GlüStV), mit europäischem Recht. Für den 6. Zivilsenat folgt aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 08.09.2010 (Winner Wetten, Markus Stoß u.a. und Carmen Media) nicht, dass das deutsche Glücksspielrecht insgesamt europarechtswidrig und fortan öffentliches Glücksspiel und die Werbung dafür in Deutschland unbeschränkt zulässig wäre."



Die Pressemitteilung des OLG Köln finden Sie hier:



"OLG Köln: Werbung im Internet, Fernsehen, Rundfunk und per Telefon für öffentliches Glücksspiel weiterhin verboten" vollständig lesen

EuGH: Deutsches Glücksspielmonopol ist europarechtswidrig

EuGH
Urteil vom 08.09.2010
C-409/06


Der EuGH hat heute entschieden, dass das deutsche staatliche Glücksspiel- und Wettmonopol europarechtswidrig ist.

Die Begründung ist einfach und einleuchtend: Zwar kann ein solches Monopol aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie der Bekämpfung der Spielsucht gerechtfertigt sein. Da in Deutschland die Inhaber der staatlichen Monopole massiv Werbung für ihre Angebote betreiben, darf anderen Anbietern das Betreiben von Glücksspielen nicht verboten werden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier

Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier: "EuGH: Deutsches Glücksspielmonopol ist europarechtswidrig" vollständig lesen