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LG Braunschweig: Schadensersatzklage des Legal-Tech-Anbieters Financialright Gmbh - myRight gegen VW wegen Verstoßes gegen Rechtsdienstleistungsgesetz abgewiesen

LG Braunschweig
Urteil vom 30.04.2020
11 O 3092/19

Das LG Braunschweig hat entschieden, dass eine Schadensersatzklage des Legal-Tech-Anbieters Financialright Gmbh - myRight gegen VW im Zusammenhang mit der Dieselaffäre wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz abzuweisen ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Schadensersatzklage des Rechtsdienstleisters Financialright gegen VW

Die 11. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig hat mit Urteil vom 30.04.2020 (Az. 11 O 3092/19) die Schadensersatzklage der Financialright GmbH gegen die Volkswagen AG abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens war der fiduziarisch abgetretene Anspruch eines einzelnen Schweizer Autokäufers, der in der Schweiz ein Fahrzeug der Beklagten mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 gekauft haben soll. Dieser Anspruch war zuvor aus Praktikabilitätsgrün-den aus der Ende Dezember 2017 eingegangenen „Sammelklage“, mit der die Klägerin Ansprüche von insgesamt 2004 Schweizern mit einem Streitwert von mehr als 800.000 Euro im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht hatte (Az. 11 O 3136/17), abgetrennt worden.

Nach den Ausführungen der Kammer sei die Klägerin – ihre Darlegungen zum Kauf des Fahrzeugs und zur Abtretung unterstellt - nicht aktivlegitimiert, weil die streitgegenständliche Abtretung wegen Verstoßes gegen § 3 RDG (Rechtsdienstleistungsgesetz) gemäß § 134 BGB nichtig sei. Mit dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell überschreite die Klägerin die Befugnisse zur Erbringung von Inkassodienstleistungen. Als Folge führe dies zur Nichtigkeit der Abtretung.

Die Klägerin verfüge über eine deutsche Inkassoerlaubnis und sei entsprechend seit dem 23.10.2014 in Deutschland im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen.

Die Erbringung von Rechtsdienstleistungen im ausländischen – Schweizer – Recht durch die Klägerin führe nach Ansicht der Kammer zu einem Wertungswiderspruch, der in der Annahme der Überschreitung der Dienstleistungsbefugnis münde. Im Rahmen des Registrierungsvorganges seien Kenntnisse im Schweizer Recht nicht abverlangt, geprüft und für genügend befunden worden. Dennoch erbringe die Klägerin im Rahmen ihres streitgegenständlichen Geschäftsmodells Rechtsdienstleistungen im Schweizer Recht. Jedenfalls auf die seitens der Klägerin primär (wenn nicht gar ernsthaft ausschließlich) verfolgten deliktischen Ansprüche sei schweizerisches Recht anzuwenden.

Die Kammer führt weiter aus, dass die vorgenannte Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis gem. § 134 BGB zur Nichtigkeit der Abtretung führe. Zwar habe nicht ohne weiteres bereits jede auch geringfügige Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis stets auch die Nichtigkeit der auf die Verletzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes gerichteten Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB zur Folge. So könne es Fälle geben, bei denen die Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis so geringfügig sei, dass noch nicht einmal ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliege. Daneben könne es Fälle geben, bei denen ein solcher Verstoß zwar vorliege, aber aufgrund einer verfassungsgemäßen Auslegung und Anwendung des § 134 BGB jedenfalls eine Nichtigkeit der diesem Verstoß zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht angenommen werden könne. Selbst wenn eine eindeutige, nicht nur geringfügige Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis vorliege, sei eine Nichtigkeit gem. § 134 BGB – bei objektiver Betrachtung – schließlich nur in der Regel anzunehmen.

Die Kammer geht davon aus, dass der vorliegende Verstoß einen schwerwiegenden Verstoß im Sinne der Rechtsprechung darstelle, weil gegen das „Grundprinzip“ des RDG - „Befugnis besteht nur, soweit Kenntnisse verlangt, überprüft und für genügend befunden wurden“ – verstoßen worden sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann binnen eines Monats Berufung beim Oberlandesgericht Braunschweig einlegen.



LG Braunschweig: Klage der Erbin eines Konstrukteurs gegen VW auf Zahlung einer Urheberrechtsentschädigung nach § 32 UrhG für den VW-Beetle abgewiesen

LG Braunschweig
Urteil vom 19.06.2019
9 O 3006/17


Das LG Braunschweig hat die Klage der Erbin eines Konstrukteurs gegen VW auf Zahlung einer Urheberrechtsentschädigung für den VW-Beetle abgewiesen. Die Klägerin konnte das Bestehen der Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 32a UrhG nicht hinreichend nachweisen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Keine Urheberrechtsentschädigung für VW-Beetle - Klage der Tochter und Erbin eines Konstrukteurs abgewiesen

Mit Urteil vom 19.06.2019 (Az. 9 O 3006/17) hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig (Kammer für Gewerblichen Rechtsschutz) die Klage der Erbin eines als Konstrukteur an der Entwicklung des ersten Käfers beteiligten Angestellten abgewiesen. Die Klägerin hat gegenüber dem in Wolfsburg ansässigen Autobauunternehmen geltend gemacht, dass ihr Vater (der 1966 verstorbene Österreicher Erwin Franz Komenda), der ab 1931 bei Porsche gearbeitet hat, der Schöpfer des Ur-Käfers sei und sich sein Werk heute noch in dem VW-Beetle fortsetze. Ihr stehe daher wegen des großen Verkaufserfolges eine weitere Vergütung nach § 32a Urhebergesetz (Fairnessausgleich) zu. Aus Verjährungsgründen hat die Klägerin die Klage zuletzt auf die ab 2014 gebauten Fahrzeuge beschränkt.

Die Beklagte hat unter anderem die Urheber-/Miturheberschaft des Vaters in Abrede gestellt. Sie ist der Ansicht, dass der Ur-Käfer keinen Urheberschutz genieße, da dessen Gestaltung technisch bedingt gewesen sei und auf bekannten Vorbildern aufbaue. Ferner sei die Vorschrift des § 32a UrhG nicht auf Altverträge (d.h. vor Inkrafttreten des UrhG im Jahr 1966) anwendbar.

Das Landgericht hat die nach österreichischem Recht zu prüfende Erbenstellung und Berechtigung der Klägerin, urheberrechtliche Ansprüche geltend zu machen, bejaht. Die Kammer hat auch die grundsätzliche Anwendbarkeit des erst 2002 in das Gesetz aufgenommenen § 32a UrhG auf Werke aus den 1930er Jahren angenommen und festgestellt, dass diese Vorschrift auch für Angestellte gelte, die im Rahmen ihres Arbeitsvertrages Werke schaffen.

Für die Frage, ob überhaupt ein nach dem Urheberrecht schutzfähiges Werk vorliegt, hat die Kammer zwei Zeichnungen aus dem Jahre 1934 untersucht, die nach Auffassung der Klägerin von ihrem Vater stammen. Unter Beachtung der damals maßgeblichen strengen Prüfungsmaßstäbe für angewandte Kunst hat die Kammer die Urheberrechtsfähigkeit der Zeichnungen des Ur-Käfers als Werk der angewandten Kunst verneint.

Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass es zur Zeit der Anfertigung der Zeichnungen bereits zahlreiche Entwürfe gab, die das Konzept des Fahrzeuges mit Heckmotor in stromlinienförmiger Karosse mit herabgezogener Fronthaube und dem in die herabgezogene Motorhaube übergehenden Heck vorweggenommen hatten (Tatra V570, Mercedes Typ 130). Zudem habe die Klägerin auch nicht nachweisen können, dass ihr Vater an dem Entwurf in dem früher von Ferdinand Porsche überreichten Exposé für einen Volkswagen (KdF-Wagen) beteiligt gewesen ist.

Die Kammer hat zusätzlich geprüft, ob bei unterstellter Schutzfähigkeit der Zeichnungen und des Ur-Käfers der ab 2014 gebaute VW- Beetle eine Bearbeitung (§ 23 UrhG) oder eine freie Benutzung (§ 24 UrhG) dieser aus den 1930er Jahren stammenden Modelle darstellt. Wegen der erheblichen Unterschiede in dem Design hat das Gericht einen übereinstimmenden Gesamteindruck verneint und ist von einer zulässigen freien Benutzung ausgegangen.

Gegen das Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden.

Hintergrund:

Der sogenannte Fairnessparagraf (§ 32 a UrhG) wurde im Jahr 2002 eingeführt und trat an die Stelle des Bestsellerparagrafen (§ 36 aF UrhG). Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass der Urheber im Falle einer unerwartet erfolgreichen Verwertung seines Werkes an dem wirtschaftlichen Erfolg in Form einer zusätzlichen Vergütung Teilhabe hat.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 32a UrhG Weitere Beteiligung des Urhebers

(1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.

LG Braunschweig: Unterlassungsanspruch gegen Arztbewertungsportal wenn Portalbetreiber sich bei negativer Bewertung nicht durch Krankenkassenbescheinung Behandlungskontakt bestätigen lässt

LG Braunschweig
Urteil vom 28.11.2018
9 O 2616/17


Das LG Braunschweig hat entschieden, dass sich ein Arztbewertungsportal bei negativer Bewertung eines Arztes durch einen angeblichen Patienten ggf. durch Vorlage einer Krankenkassenbescheinung des Verfassers der Bewertung bestätigen lassen muss, dass der bewertete Behandlungskontakt tatsächlich stattgefunden hat. Andernfalls haftet der Portalbetreiber als mittelbarer Störer auf Unterlassung.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1 i. V. m. § 1004 Abs. 1 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG Anspruch darauf, es zu unterlassen, den im Klageantrag zu 1) wiedergegebenen Beitrag auf ihrer Website j..de zu verbreiten.

Die Beklagte haftet hinsichtlich der streitgegenständlichen Bewertung zumindest als mittelbare Störerin. Sie ist der ihr obliegenden Prüfpflicht, ob der streitgegenständlichen Bewertung ein Behandlungskontakt zugrunde lag, nicht ausreichend nachgekommen.

a) Es kann im Ergebnis offenbleiben, ob die Beklagte zugleich unmittelbare Störerin ist. Hostprovider wie die Beklagte werden als unmittelbarer Störer angesehen, wenn es sich bei der angegriffenen Bewertung um einen eigenen Inhalt des Hostproviders handelte, wobei zu den eigenen Inhalten eines Portalbetreibers auch solche Inhalte gehören, die zwar von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu Eigen gemacht hat (vgl. Urteil des BGH vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15 - jameda.de II Rn. 17 m. w. N.). Zu-Eigen-Machen bedeutet, dass der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Inhalte übernommen hat. Dabei ist bei der Annahme der Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (BGH a. a. O.).

Nach diesen Maßstäben käme es vorliegend darauf an, ob die Beklagte die streitgegenständliche Bewertung nach inhaltlicher Überprüfung als eigene präsentiert. Gegen diese Annahme spricht die Darstellung im Internet. Inhalt und Gestaltung des Bewertungsportals einschließlich der streitgegenständlichen Bewertung lassen für einen Nutzer des Bewertungsportals nicht erkennen, dass sich die Beklagte mit dem fremden Inhalt identifiziert und die inhaltliche Verantwortung für die auf ihrer Internetseite veröffentlichten Inhalte übernimmt. Die streitgegenständliche Bewertung steht nach Abschluss der Überprüfung durch die Beklagte wieder in ihrer ursprünglichen Gestalt im Netz. Es gibt weder eine redaktionelle Anmerkung der Beklagten noch sonst einen Hinweis darauf, dass die Bewertung ein individuelles Prüfverfahren durchlaufen hat. Das von der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz dargestellte, anfänglich nach Behauptung der Beklagten automatisiert ablaufende Prüfverfahren dient der Einhaltung eigener Rechtspflichten als Diensteanbieter gemäß § 2 Nr. 1, 7 ff.TMG (vgl. BGH, Urteil v. 19.03.2015, I ZR 94/13 - Hotelbwertungsportal - Rn. 28, zitiert nach juris). Daher ist mit dem Verfahren nicht per se eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung auf Vollständigkeit und Richtigkeit verbunden.

Andererseits hat die Beklagte hier nach eigener Überprüfung vorübergehend zwei streitige Tatsachenbehauptungen entfernt, nämlich die Aussagen, dass die Behandlung keine fünf Minuten gedauert habe und dass der Patient nicht untersucht worden sei (vgl. Anlage K 6) und diese Aussagen später wieder zugänglich gemacht. Durch dieses Verhalten hat die Beklagte auf den Inhalt der Bewertung Einfluss genommen. Sie hat nämlich selbständig ohne Zustimmung des Bewertenden entschieden, welche Äußerungen sie abändert oder entfernt und welche sie beibehält bzw. wieder ins Netz stellt. Damit hat sie die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive redaktionelle Rolle übernommen (vgl. dazu BGH, Urteil v. 04.04.2017 - VI ZR 123/16, Rn. 20 zitiert nach juris). Für eine Identifikation der Beklagten mit den Inhalten der Bewertung spricht auch die E-Mail vom 20.06.2017 (Anlage K 9). Hierin teilt eine Mitarbeiterin der Beklagten dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass sie die Patienteneigenschaft des Verfassers der streitgegenständlichen Bewertung durch die Rückmeldung des Patienten als ausreichend nachgewiesen ansehe. An der Aussage wird deutlich, dass die Überprüfung nicht lediglich der Einhaltung der Nutzungsrichtlinien der Beklagten dienen und rechtlichen Vorgaben des Bundesgerichtshofs genügen sollte. Die Beklagte stellt sich vielmehr einseitig und aktiv auf die Seite der Bewertenden, indem sie Anleitungen zur möglichst unangreifbaren Formulierung von Bewertungen bereitstellt (vgl. S. 5 unten der Klageschrift) und im Rahmen des Prüfverfahrens den Bewertenden wiederholt mitteilt, sich für den Erhalt der Bewertungen einsetzen zu wollen. Das ergibt sich aus dem mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.10.2018 dargestellten Prüfverfahren und den dort abgedruckten Anschreiben an den Verfasser der Bewertung.

Unbeachtlich dürfte sein, dass die aktive Rolle der Beklagten dem nicht eingeweihten Durchschnittsnutzer, der das Portal nicht fortlaufend nach neuen Einträgen über den Kläger absucht, verborgen geblieben sein dürfte. Es genügt vielmehr, dass die Beklagte dem Kläger als Betroffenem ihren Umgang mit der Bewertung kundgetan hat (vgl. BGH, Urteil v. 04.04.2017 - VI ZR 123/16, Rn. 21 zitiert nach juris), wie es mit den als Anlagen K 1, 4, 6 f. und K 9 erfolgt ist.

Eine etwaige Einflussnahme der Beklagten auf die Meinungsbildung der Nutzer über Premiummitgliedschaften braucht hier nicht geklärt zu werden.

b) Die Beklagte ist jedenfalls mittelbare Störerin.

Als mittelbarer Störer ist verpflichtet, wer ohne unmittelbarer Störer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urteil v. 28.07.2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425Rn. 34; v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219Rn. 21 mwN - Blog-Eintrag).

Die Haftung als mittelbarer Störer setzt die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (BGH, Urteil v. 01.03.2016 - VI ZR 34/15, Rn. 22 m. w. N.). Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern (BGH a. a. O. Rn. 23).

Diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt.

aa) Die Beklagte hat durch einen schriftlichen Hinweis des Klägers im November 2016 Kenntnis von einer möglichen Rechtsverletzung erlangt (abgedruckt auf S. 2 der Klageerwiderung, Bl. 24 d. A.). Der Kläger beanstandet darin die streitgegenständliche Bewertung. Zur Begründung führt er an, dass er den Verfasser der Bewertung nicht behandelt haben könne und die Angaben zur unterbliebenen Untersuchung und zur Dauer der Behandlung nicht der Wahrheit entsprächen.

Die Behauptung des Klägers, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, war hinreichend konkret. Dem steht nicht entgegen, dass es sich letztlich um eine Mutmaßung des Klägers handelte. Denn diese leitet sich aus der konkreten Behauptung ab, dass der Kläger jeden seiner Patienten untersuche und es 5-Minuten-Aufenthalte in seiner Praxis nicht gebe.

bb) Auf der Grundlage der Beanstandung des Klägers war der Rechtsverstoß unschwer zu bejahen.

Die beanstandete Bewertung greift in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Betroffen sind die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bewertung seiner im Rahmen einer (behaupteten) Behandlung erbrachten Leistungen in den Kategorien „Aufklärung", „Vertrauensverhältnis" „Genommene Zeit“ und „Wartezeit Termin“ mit der Note 6 und damit als „ungenügend" sowie in der Kategorie „Behandlung“ mit der Note 4 bringt zum Ausdruck, dass der Kläger in zentralen Bereichen des Behandlungsgeschehens den an ihn gestellten Anforderungen aus Sicht des die Behandlung bewertenden Patienten nicht gerecht geworden ist. Die Kundgabe dieser Bewertung ist geeignet, sich abträglich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken.

Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch rechtswidrig. Denn wenn der angegriffenen Bewertung kein tatsächlicher Behandlungskontakt zugrunde liegt, überwiegt das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs)Ehre die von Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geschützten Interessen des Bewertenden an der Äußerung der dargestellten Meinung im Portal der Beklagten und der Beklagten an der Kommunikation dieser Meinung. Bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (BGH, Urteil v. 01.03.2016 - VI ZR 34/15 jameda.de II, Rn. 36 zitiert nach juris m. w. N.). Im Streitfall ist der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaut, unwahr, wenn der behauptete Behandlungskontakt nicht bestand. Ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten, ist nicht ersichtlich; entsprechendes gilt für das Interesse der Beklagten, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Behandlung zu kommunizieren.

cc) Die Beklagte ist ihrer durch den konkreten Hinweis auf eine unschwer zu bejahende Rechtsverletzung ausgelösten Prüfungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Die Beklagte durfte die Angaben des Bewertenden nicht als wahr unterstellen und die Bewertung wieder veröffentlichen, weil der Kläger auf ihre per Email vom 07.02.2017 (Anlage K 4) gesetzte Frist, der Beklagten bis zum 01.03.2017 eine „substantiierte Stellungnahme“ zukommen zu lassen, zunächst nicht reagiert hat. Die Fristsetzung begründet keine Ausschlussfrist, weil sie fortbestehende Verstöße nicht ausräumen kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die Prüfpflichten der Beklagten strenge Anforderungen zu stellen (BGH a. a. O. Rn. 39 ff.). Denn der Betrieb eines Ärztebewertungsportals bringt von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsverletzungen mit sich. Der Portalbetreiber muss daher auf entsprechende Beanstandungen eingerichtet sein. Die mit dem Portalbetrieb eröffneten Missbrauchsgefahren werden dadurch verstärkt, dass die Bewertungen - rechtlich zulässig - verdeckt abgegeben werden können, was es den betroffenen Ärzten zusätzlich erschwert, unmittelbar gegen den Bewertenden vorzugehen. Rein reaktive Prüfpflichten, um die es hier geht, gefährden den Betrieb der Beklagten weder wirtschaftlich noch erschweren sie ihn unverhältnismäßig. Die von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich gewünschte Funktion von Arztbewertungsportalen wird hierdurch nicht beeinträchtigt.

Aus der vorzunehmenden Interessenabwägung folgt, dass der Hostbetreiber ohne Gefährdung der Anonymität des Bewertenden ernsthaft versuchen muss, die Berechtigung der Beanstandung zu klären. Dazu hat er den Bewertenden aufzufordern, den Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und Belege zu übermitteln (BGH a. a. O. Rn. 42 f.). Konkret hat der Bundesgerichtshof die bloße Bitte der Beklagten, die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen, nicht ausreichen lassen (BGH, a. a. O. Rn. 43). Der Portalbetreiber hat sich die Behandlung durch objektive Beweismittel in Form von Rechnungen, Terminkarten, Bonusheften, Rezepten o. ä. nachweisen zu lassen.

Vorliegend kann dahinstehen, ob das Prüfverfahren so abgelaufen ist, wie es die Beklagte vorträgt. Denn selbst wenn die Kammer das mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 04.10.2018 geschilderte Vorgehen als wahr unterstellt, hat die Beklagte nicht das Erforderliche unternommen, um einen hinreichenden Nachweis über den Behandlungskontakt zu erlangen. Die Beklagte durfte sich nicht mit der Antwort des Bewertenden zufriedengeben, dass die Krankenkasse keine Arztbesuche registriere. Denn es ist schlechterdings nicht denkbar, dass kassenärztliche Leistungen ohne Registrierung der Behandlungsdaten abgerechnet werden. Ohne Angaben zu Zeit und Ort der Behandlung wäre es der Krankenkasse unmöglich, den Vergütungsanspruch des Arztes zu überprüfen und die von dem Behandler abgerechneten Leistungen korrekt zuzuordnen. Als angeblicher Kassenpatient hat der Verfasser der Bewertung auch einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse, den er hätte geltend machen können. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 305 SGB V. Hierauf hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung am 26.09.2018 ausdrücklich hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist auch erörtert worden, dass die Behandlungsdaten infolge des Abrechnungsverfahrens erst zeitversetzt bei der Krankenkasse eingehen und welche Auswirkungen das auf den Auskunftsanspruch des Versicherten haben könnte. Gleichwohl ist die Beklagte in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 04.10.2018 an keiner Stelle auf den Auskunftsanspruch des Patienten eingegangen.

Neben der Möglichkeit, die Krankenkasse zu konsultieren, hätte die Beklagte dem Bewertenden auch vorschlagen können, einen Beleg über den Arztbesuch direkt in der Praxis anzufordern. Das hat sie nicht getan. Es dürfte nicht ungewöhnlich sein, dass Patienten derartige Nachweise z. B. für ihren Arbeitgeber benötigen, so dass eine dahingehende Bitte des Patienten die Anonymität der Bewertung nicht gefährden dürfte.

Soweit die Beklagte argumentiert, der Patient habe anstelle eines Behandlungsbelegs die in das Verfahren eingeführte Praxisbeschreibung geliefert, war diese Angabe erkennbar nicht geeignet, einen Behandlungsnachweis zu ersetzen. Denn der Portalnutzer teilt keine Kenntnisse mit, die nur ein Patient des Klägers haben kann. Die Wegbeschreibung zur Praxis lässt sich von der Homepage der Praxis abrufen oder der Bewertende könnte die Örtlichkeiten als Begleitperson eines Patienten kennengelernt haben. Die Beschreibung des Empfangsbereichs ist nichtssagend, weil die Angaben auf eine unbestimmte Vielzahl von Praxen zutreffen.

Dass die Beklagte den Tag der Behandlung mit der Anwesenheit des Klägers in seiner Praxis abgeglichen habe, reicht ebenfalls als Bemühen um einen geeigneten Behandlungsnachweis nicht aus. Denn dem Kläger ist es aufgrund des Geheimhaltungsanspruchs des Portalnutzers aus § 12 Abs. 1 TMG unmöglich, diese Angabe zu widerlegen.

dd) Dass der streitgegenständlichen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde lag, ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten. Zwar ist der Kläger nach allgemeinen Regeln für das Fehlen des Behandlungskontaktes darlegungs- und beweisbelastet. Die Beklagte trifft allerdings eine sekundäre Darlegungslast, wenn dem Kläger eine nähere Darlegung nicht möglich ist und er keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat (BGH, Urteil v. 01.03.2016 - VI ZR 34/15 jameda.de II, Rn. 46 ff. zitiert nach juris m. w. N.). Das ist hier der Fall.

Der Kläger hat im Rahmen seiner primären Darlegungslast ausreichend vorgetragen, dass er in dem angegebenen Behandlungszeitraum keinen Patienten behandelt habe, auf den die bekannten Merkmale zuträfen. Eine nähere Darlegung kann von ihm nicht verlangt werden, weil zur Verifizierung der Fehlanzeige eine Vielzahl geheimhaltungspflichtiger sensibler Patientendaten offengelegt werden müssten. Wegen des Behandlungsschwerpunktes des Klägers im Bereich Multipler Sklerose ist zudem davon auszugehen, dass er in dem betroffenen Zeitraum nur wenige Patienten mit HWS-Beschwerden behandelt hat, zumal sich die Suche weiter danach eingrenzen ließ, dass der Patient erstmalig zur Behandlung erschien. Es ist demnach unwahrscheinlich, dass der Kläger den betreffenden Patienten schlicht übersehen hat. Plausibel ist auch, dass der behauptete Behandlungsvorlauf von vier Monaten keinen Anhalt bietet, weil diese Daten in der Praxis nicht registriert werden.

Hingegen hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Das Geschäftsmodell der Beklagten ist darauf angelegt, die Anonymität des Bewertenden sicherzustellen und zu schützen. Die Beklagte kann es dem Kläger deshalb nicht mit Erfolg zum Vorwurf machen, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, den Verfasser der streitgegenständlichen Bewertung anhand der ihm zugänglichen Informationen zu identifizieren. Die Beklagte hat nach den vorstehenden Ausführungen die sie treffende Obliegenheit verletzt, von dem Bewertenden aussagekräftige Belege zu dem angeblichen Behandlungskontakt einzuholen. Die Zumutbarkeit der Recherche folgt aus der Prüfobliegenheit der Beklagten. Dieser Obliegenheit ist sie nicht ausreichend nachgekommen.

ee) Eine Wiederholungsgefahr ist gegeben, weil die Bewertung weiterhin auf dem Portal abrufbar ist und hierdurch einen Dauerverstoß begründet."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Braunschweig: Ärztebewertungsportal haftet als mittelbarer Störer für negative Bewertung wenn Portalbetreiber nicht prüft ob Verfasser tatsächlich beim Arzt in Behandlung war

LG Braunschweig
Urteil vom 28.11.2018
9 O 2616/17


Das LG Braunschweig hat entschieden, dass ein Ärztebewertungsportal als mittelbarer Störer für negative Bewertungen haftet, wenn der Portalbetreiber nicht prüft, ob der Verfasser der Bewertung tatsächlich beim Arzt in Behandlung war.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Beklagte haftet hinsichtlich der streitgegenständlichen Bewertung zumindest als mittelbare Störerin. Sie ist der ihr obliegenden Prüfpflicht, ob der streitgegenständlichen Bewertung ein Behandlungskontakt zugrunde lag, nicht ausreichend nachgekommen.

a) Es kann im Ergebnis offenbleiben, ob die Beklagte zugleich unmittelbare Störerin ist. Hostprovider wie die Beklagte werden als unmittelbarer Störer angesehen, wenn es sich bei der angegriffenen Bewertung um einen eigenen Inhalt des Hostproviders handelte, wobei zu den eigenen Inhalten eines Portalbetreibers auch solche Inhalte gehören, die zwar von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu Eigen gemacht hat (vgl. Urteil des BGH vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15 – jameda.de II Rn. 17 m. w. N.). Zu-Eigen-Machen bedeutet, dass der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Inhalte übernommen hat. Dabei ist bei der Annahme der Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (BGH a. a. O.).
Nach diesen Maßstäben käme es vorliegend darauf an, ob die Beklagte die streitgegenständliche Bewertung nach inhaltlicher Überprüfung als eigene präsentiert. Gegen diese Annahme spricht die Darstellung im Internet. Inhalt und Gestaltung des Bewertungsportals einschließlich der streitgegenständlichen Bewertung lassen für einen Nutzer des Bewertungsportals nicht erkennen, dass sich die Beklagte mit dem fremden Inhalt identifiziert und die inhaltliche Verantwortung für die auf ihrer Internetseite veröffentlichten Inhalte übernimmt. Die streitgegenständliche Bewertung steht nach Abschluss der Überprüfung durch die Beklagte wieder in ihrer ursprünglichen Gestalt im Netz. Es gibt weder eine redaktionelle Anmerkung der Beklagten noch sonst einen Hinweis darauf, dass die Bewertung ein individuelles Prüfverfahren durchlaufen hat. Das von der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz dargestellte, anfänglich nach Behauptung der Beklagten automatisiert ablaufende Prüfverfahren dient der Einhaltung eigener Rechtspflichten als Diensteanbieter gemäß § 2 Nr. 1, 7 ff.TMG (vgl. BGH, Urteil v. 19.03.2015, I ZR 94/13 – Hotelbwertungsportal – Rn. 28, zitiert nach juris). Daher ist mit dem Verfahren nicht per se eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung auf Vollständigkeit und Richtigkeit verbunden.
Andererseits hat die Beklagte hier nach eigener Überprüfung vorübergehend zwei streitige Tatsachenbehauptungen entfernt, nämlich die Aussagen, dass die Behandlung keine fünf Minuten gedauert habe und dass der Patient nicht untersucht worden sei (vgl. Anlage K 6) und diese Aussagen später wieder zugänglich gemacht. Durch dieses Verhalten hat die Beklagte auf den Inhalt der Bewertung Einfluss genommen. Sie hat nämlich selbständig ohne Zustimmung des Bewertenden entschieden, welche Äußerungen sie abändert oder entfernt und welche sie beibehält bzw. wieder ins Netz stellt. Damit hat sie die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive redaktionelle Rolle übernommen (vgl. dazu BGH, Urteil v. 04.04.2017 – VI ZR 123/16, Rn. 20 zitiert nach juris). Für eine Identifikation der Beklagten mit den Inhalten der Bewertung spricht auch die E-Mail vom 20.06.2017 (Anlage K 9). Hierin teilt eine Mitarbeiterin der Beklagten dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass sie die Patienteneigenschaft des Verfassers der streitgegenständlichen Bewertung durch die Rückmeldung des Patienten als ausreichend nachgewiesen ansehe. An der Aussage wird deutlich, dass die Überprüfung nicht lediglich der Einhaltung der Nutzungsrichtlinien der Beklagten dienen und rechtlichen Vorgaben des Bundesgerichtshofs genügen sollte. Die Beklagte stellt sich vielmehr einseitig und aktiv auf die Seite der Bewertenden, indem sie Anleitungen zur möglichst unangreifbaren Formulierung von Bewertungen bereitstellt (vgl. S. 5 unten der Klageschrift) und im Rahmen des Prüfverfahrens den Bewertenden wiederholt mitteilt, sich für den Erhalt der Bewertungen einsetzen zu wollen. Das ergibt sich aus dem mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.10.2018 dargestellten Prüfverfahren und den dort abgedruckten Anschreiben an den Verfasser der Bewertung.

Unbeachtlich dürfte sein, dass die aktive Rolle der Beklagten dem nicht eingeweihten Durchschnittsnutzer, der das Portal nicht fortlaufend nach neuen Einträgen über den Kläger absucht, verborgen geblieben sein dürfte. Es genügt vielmehr, dass die Beklagte dem Kläger als Betroffenem ihren Umgang mit der Bewertung kundgetan hat (vgl. BGH, Urteil v. 04.04.2017 – VI ZR 123/16, Rn. 21 zitiert nach juris), wie es mit den als Anlagen K 1, 4, 6 f. und K 9 erfolgt ist.

Eine etwaige Einflussnahme der Beklagten auf die Meinungsbildung der Nutzer über Premiummitgliedschaften braucht hier nicht geklärt zu werden.

b) Die Beklagte ist jedenfalls mittelbare Störerin.
Als mittelbarer Störer ist verpflichtet, wer ohne unmittelbarer Störer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urteil v. 28.07.2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425Rn. 34; v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219Rn. 21 mwN - Blog-Eintrag).

Die Haftung als mittelbarer Störer setzt die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (BGH, Urteil v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15, Rn. 22 m. w. N.). Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern (BGH a. a. O. Rn. 23).

Diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt.

aa) Die Beklagte hat durch einen schriftlichen Hinweis des Klägers im November 2016 Kenntnis von einer möglichen Rechtsverletzung erlangt (abgedruckt auf S. 2 der Klageerwiderung, Bl. 24 d. A.). Der Kläger beanstandet darin die streitgegenständliche Bewertung. Zur Begründung führt er an, dass er den Verfasser der Bewertung nicht behandelt haben könne und die Angaben zur unterbliebenen Untersuchung und zur Dauer der Behandlung nicht der Wahrheit entsprächen.

Die Behauptung des Klägers, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, war hinreichend konkret. Dem steht nicht entgegen, dass es sich letztlich um eine Mutmaßung des Klägers handelte. Denn diese leitet sich aus der konkreten Behauptung ab, dass der Kläger jeden seiner Patienten untersuche und es 5-Minuten-Aufenthalte in seiner Praxis nicht gebe.

bb) Auf der Grundlage der Beanstandung des Klägers war der Rechtsverstoß unschwer zu bejahen.

Die beanstandete Bewertung greift in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Betroffen sind die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bewertung seiner im Rahmen einer (behaupteten) Behandlung erbrachten Leistungen in den Kategorien „Aufklärung", „Vertrauensverhältnis" „Genommene Zeit“ und „Wartezeit Termin“ mit der Note 6 und damit als „ungenügend" sowie in der Kategorie „Behandlung“ mit der Note 4 bringt zum Ausdruck, dass der Kläger in zentralen Bereichen des Behandlungsgeschehens den an ihn gestellten Anforderungen aus Sicht des die Behandlung bewertenden Patienten nicht gerecht geworden ist. Die Kundgabe dieser Bewertung ist geeignet, sich abträglich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken.

Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch rechtswidrig. Denn wenn der angegriffenen Bewertung kein tatsächlicher Behandlungskontakt zugrunde liegt, überwiegt das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs)Ehre die von Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geschützten Interessen des Bewertenden an der Äußerung der dargestellten Meinung im Portal der Beklagten und der Beklagten an der Kommunikation dieser Meinung. Bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (BGH, Urteil v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15 jameda.de II, Rn. 36 zitiert nach juris m. w. N.). Im Streitfall ist der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaut, unwahr, wenn der behauptete Behandlungskontakt nicht bestand. Ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten, ist nicht ersichtlich; entsprechendes gilt für das Interesse der Beklagten, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Behandlung zu kommunizieren.

cc) Die Beklagte ist ihrer durch den konkreten Hinweis auf eine unschwer zu bejahende Rechtsverletzung ausgelösten Prüfungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Die Beklagte durfte die Angaben des Bewertenden nicht als wahr unterstellen und die Bewertung wieder veröffentlichen, weil der Kläger auf ihre per Email vom 07.02.2017 (Anlage K 4) gesetzte Frist, der Beklagten bis zum 01.03.2017 eine „substantiierte Stellungnahme“ zukommen zu lassen, zunächst nicht reagiert hat. Die Fristsetzung begründet keine Ausschlussfrist, weil sie fortbestehende Verstöße nicht ausräumen kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die Prüfpflichten der Beklagten strenge Anforderungen zu stellen (BGH a. a. O. Rn. 39 ff.). Denn der Betrieb eines Ärztebewertungsportals bringt von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsverletzungen mit sich. Der Portalbetreiber muss daher auf entsprechende Beanstandungen eingerichtet sein. Die mit dem Portalbetrieb eröffneten Missbrauchsgefahren werden dadurch verstärkt, dass die Bewertungen – rechtlich zulässig – verdeckt abgegeben werden können, was es den betroffenen Ärzten zusätzlich erschwert, unmittelbar gegen den Bewertenden vorzugehen. Rein reaktive Prüfpflichten, um die es hier geht, gefährden den Betrieb der Beklagten weder wirtschaftlich noch erschweren sie ihn unverhältnismäßig. Die von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich gewünschte Funktion von Arztbewertungsportalen wird hierdurch nicht beeinträchtigt.

Aus der vorzunehmenden Interessenabwägung folgt, dass der Hostbetreiber ohne Gefährdung der Anonymität des Bewertenden ernsthaft versuchen muss, die Berechtigung der Beanstandung zu klären. Dazu hat er den Bewertenden aufzufordern, den Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und Belege zu übermitteln (BGH a. a. O. Rn. 42 f.). Konkret hat der Bundesgerichtshof die bloße Bitte der Beklagten, die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen, nicht ausreichen lassen (BGH, a. a. O. Rn. 43). Der Portalbetreiber hat sich die Behandlung durch objektive Beweismittel in Form von Rechnungen, Terminkarten, Bonusheften, Rezepten o. ä. nachweisen zu lassen.

Vorliegend kann dahinstehen, ob das Prüfverfahren so abgelaufen ist, wie es die Beklagte vorträgt. Denn selbst wenn die Kammer das mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 04.10.2018 geschilderte Vorgehen als wahr unterstellt, hat die Beklagte nicht das Erforderliche unternommen, um einen hinreichenden Nachweis über den Behandlungskontakt zu erlangen. Die Beklagte durfte sich nicht mit der Antwort des Bewertenden zufriedengeben, dass die Krankenkasse keine Arztbesuche registriere. Denn es ist schlechterdings nicht denkbar, dass kassenärztliche Leistungen ohne Registrierung der Behandlungsdaten abgerechnet werden. Ohne Angaben zu Zeit und Ort der Behandlung wäre es der Krankenkasse unmöglich, den Vergütungsanspruch des Arztes zu überprüfen und die von dem Behandler abgerechneten Leistungen korrekt zuzuordnen. Als angeblicher Kassenpatient hat der Verfasser der Bewertung auch einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse, den er hätte geltend machen können. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 305 SGB V. Hierauf hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung am 26.09.2018 ausdrücklich hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist auch erörtert worden, dass die Behandlungsdaten infolge des Abrechnungsverfahrens erst zeitversetzt bei der Krankenkasse eingehen und welche Auswirkungen das auf den Auskunftsanspruch des Versicherten haben könnte. Gleichwohl ist die Beklagte in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 04.10.2018 an keiner Stelle auf den Auskunftsanspruch des Patienten eingegangen.

Neben der Möglichkeit, die Krankenkasse zu konsultieren, hätte die Beklagte dem Bewertenden auch vorschlagen können, einen Beleg über den Arztbesuch direkt in der Praxis anzufordern. Das hat sie nicht getan. Es dürfte nicht ungewöhnlich sein, dass Patienten derartige Nachweise z. B. für ihren Arbeitgeber benötigen, so dass eine dahingehende Bitte des Patienten die Anonymität der Bewertung nicht gefährden dürfte.

Soweit die Beklagte argumentiert, der Patient habe anstelle eines Behandlungsbelegs die in das Verfahren eingeführte Praxisbeschreibung geliefert, war diese Angabe erkennbar nicht geeignet, einen Behandlungsnachweis zu ersetzen. Denn der Portalnutzer teilt keine Kenntnisse mit, die nur ein Patient des Klägers haben kann. Die Wegbeschreibung zur Praxis lässt sich von der Homepage der Praxis abrufen oder der Bewertende könnte die Örtlichkeiten als Begleitperson eines Patienten kennengelernt haben. Die Beschreibung des Empfangsbereichs ist nichtssagend, weil die Angaben auf eine unbestimmte Vielzahl von Praxen zutreffen.

Dass die Beklagte den Tag der Behandlung mit der Anwesenheit des Klägers in seiner Praxis abgeglichen habe, reicht ebenfalls als Bemühen um einen geeigneten Behandlungsnachweis nicht aus. Denn dem Kläger ist es aufgrund des Geheimhaltungsanspruchs des Portalnutzers aus § 12 Abs. 1 TMG unmöglich, diese Angabe zu widerlegen.

dd) Dass der streitgegenständlichen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde lag, ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten. Zwar ist der Kläger nach allgemeinen Regeln für das Fehlen des Behandlungskontaktes darlegungs- und beweisbelastet. Die Beklagte trifft allerdings eine sekundäre Darlegungslast, wenn dem Kläger eine nähere Darlegung nicht möglich ist und er keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat (BGH, Urteil v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15 jameda.de II, Rn. 46 ff. zitiert nach juris m. w. N.). Das ist hier der Fall.

Der Kläger hat im Rahmen seiner primären Darlegungslast ausreichend vorgetragen, dass er in dem angegebenen Behandlungszeitraum keinen Patienten behandelt habe, auf den die bekannten Merkmale zuträfen. Eine nähere Darlegung kann von ihm nicht verlangt werden, weil zur Verifizierung der Fehlanzeige eine Vielzahl geheimhaltungspflichtiger sensibler Patientendaten offengelegt werden müssten. Wegen des Behandlungsschwerpunktes des Klägers im Bereich Multipler Sklerose ist zudem davon auszugehen, dass er in dem betroffenen Zeitraum nur wenige Patienten mit HWS-Beschwerden behandelt hat, zumal sich die Suche weiter danach eingrenzen ließ, dass der Patient erstmalig zur Behandlung erschien. Es ist demnach unwahrscheinlich, dass der Kläger den betreffenden Patienten schlicht übersehen hat. Plausibel ist auch, dass der behauptete Behandlungsvorlauf von vier Monaten keinen Anhalt bietet, weil diese Daten in der Praxis nicht registriert werden.

Hingegen hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Das Geschäftsmodell der Beklagten ist darauf angelegt, die Anonymität des Bewertenden sicherzustellen und zu schützen. Die Beklagte kann es dem Kläger deshalb nicht mit Erfolg zum Vorwurf machen, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, den Verfasser der streitgegenständlichen Bewertung anhand der ihm zugänglichen Informationen zu identifizieren. Die Beklagte hat nach den vorstehenden Ausführungen die sie treffende Obliegenheit verletzt, von dem Bewertenden aussagekräftige Belege zu dem angeblichen Behandlungskontakt einzuholen. Die Zumutbarkeit der Recherche folgt aus der Prüfobliegenheit der Beklagten. Dieser Obliegenheit ist sie nicht ausreichend nachgekommen.

ee) Eine Wiederholungsgefahr ist gegeben, weil die Bewertung weiterhin auf dem Portal abrufbar ist und hierdurch einen Dauerverstoß begründet."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Braunschweig: Keine Verwechslungsgefahr zwischen Unionsbildmarke mit Bestandteil e*message und iMessage von Apple

LG Braunschweig
Urteil vom 21.11.2018
9 O 1818/17


Das LG Braunschweig hat entschieden, dass zwischen der Unionsbildmarke mit Bestandteil "e*message" und "iMessage" von Apple keine Verwechslungsgefahr besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

"Klage eines Funkrufdienstunternehmens gegen Apple-Konzerntöchter abgewiesen

Mit dem am 21.11.2018 verkündeten Urteil, Aktenzeichen 9 O 1818/17, hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig die Klage gegen drei Unternehmen der Apple-Gruppe abgewiesen. Die Klägerin erbringt Telekommunikationsleistungen im Bereich Funkruf, Pager- und Textübermittlungsdienste. Seit ihrer Gründung firmiert die Klägerin unter der Bezeichnung „e*Message Wireless Information Services Deutschland GmbH“. Die Konzernmutter der Klägerin ist Inhaberin einer im Jahr 2011 eingetragenen Unionsbildmarke ebenfalls mit der Bezeichnung „e*Message“. Die drei beklagten Unternehmen gehören zum Apple-Konzern, der unter anderem Computer, Tablets und Mobiltelefone anbietet. Ein Teil des mitgelieferten Betriebssystems iOS ist eine Nachrichten-App, in der eine Funktion mit der Bezeichnung „iMessage“ verwendet wird. Die Klägerin hat die vorrangig auf Unterlassung gestützte Klage ( im Übrigen: Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung) damit begründet, dass durch die Verwendung der Bezeichnung „iMessage“ ihre Rechte am Unternehmenskennzeichen verletzt würden. Zwischen den Zeichen „iMessage“ und „e*Message“ bestehe Verwechslungsgefahr. Ferner stützt sich die Klägerin zur Begründung ihrer Ansprüche auf die in Lizenz genutzte Unionsbildmarke mit dem Wortbestandteil „e*Message“.

Die Beklagten berufen sich auf die fehlende Unterscheidungskraft des Unternehmenskennzeichens der Klägerin. Zudem verweisen sie darauf, dass die Zeichen nicht verwechslungsfähig seien.

Die Kammer hat sowohl einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 5, 15 Abs.4 MarkenG als auch gem. Art. 9 ,130 UMV (Unionsmarkenverordnung) verneint. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass die Klägerin nicht über ein schutzfähiges Unternehmenskennzeichen verfüge. Bei der Beurteilung der Frage der Unterscheidungskraft des Zeichens sei auf den nicht beschreibenden Teil der klägerischen Unternehmensbezeichnung, nämlich „e*Message“ abzustellen. Die Bezeichnung „e*Message“ beschreibe den Geschäftsgegenstand der Klägerin. „E“ stehe wie bei e-book oder e-cash für elektronisch. Das englische Wort „Message“ sei bekannt in der Bedeutung im Sinne einer Nachricht. Da der Geschäftsgegenstand der Klägerin auf elektronische Messaging-Dienste gerichtet sei, werde damit die Geschäftstätigkeit beschrieben. Ein weiterer Aspekt für die Schutzunfähigkeit des Zeichens sei die Freihaltebedürftigkeit des Begriffes „e*Message“ für elektronische Nachrichten auch für andere Unternehmen. Vor dem Hintergrund seien auch andere Marken, die sich aus dem Buchstaben „e“ und einem beschreibenden Begriff zusammensetzen, als nicht unterscheidungskräftig bzw. freihaltebedürftig angesehen und daher nicht eingetragen worden (wie z. B.E-Book, E-Lotto).

Eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüber stehenden Zeichen „e*Message“ und „iMessage“ bestehe nicht, weil die Tätigkeitsfelder, in denen die Zeichen verwendet werden, nur gering ähnlich seien. Während sich das Unternehmenskennzeichen der Klägerin und auch deren Endgeräte an ein Fachpublikum wie Ärzte, Feuerwehrleute etc. richte, wende sich das angegriffene Zeichen, welches eine Software (App) auf einem Smartphone bezeichne, an Endverbraucher. Die Zeichen „e*Message“ und „iMessage“ seien in klanglicher Hinsicht verschieden, weil die Nutzer an die unterschiedliche englische Aussprache ( Aussprache bei „e*Message*“ als i und bei „iMessage“ als ai) am Anfang des Zeichens gewöhnt seien.

Einen möglichen Unterlassungsanspruch nach der UMV hat die Kammer wegen der fehlenden Verwechslungsgefahr zwischen der Unionsbildmarke mit dem Bestandteil e*message und dem angegriffenen Zeichen iMessage ebenfalls verneint. Gegen das Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden."




LG Braunschweig: Internetmarktplätze müssen Auskunft über Herkunft und Vertriebswege von Markenfälschungen von Nutzern geben - New Yorker ./. Amazon

LG Braunschweig
Urteil vom 21.09.2017
22 O 1330/17


Das LG Braunschweig hat entschieden, dass Internetmarktplätze müssen Auskunft über Herkunft und Vertriebswege von Markenfälschungen von Nutzern geben. Vorliegend stritten der Bekleidungshersteller New Yorker und Amazon.

Internet-Marktplatz muss Auskunft über Markenfälschungen durch Dritte geben

Mit Urteil vom 21.09.2017, Aktenzeichen 22 O 1330/17, hatte die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Braunschweig die Betreiberin eines sogenannten Marktplatzes im Internet und die dazugehörige technische Servicegesellschaft nach mündlicher Verhandlung im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Erteilung der Auskunft über Herkunft und Vertriebswege von markenverletzender Ware verurteilt. Die Auskunftsverpflichtung umfasst u.a. auch die namentliche Nennung von Herstellern, Lieferanten sowie Mengenangaben über die markenverletzende Ware.

Die Klägerin, ein in Braunschweig ansässiges Bekleidungsunternehmen, ist Inhaberin einer Marke „B. S.", eingetragen für die Warenklasse Bekleidungsstücke. Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, nachdem sie am 13.05.2017 bemerkt hatte, dass eine ausländische Firma über den von der Beklagten zu 2) betriebenen Marktplatz T-Shirts zum Verkauf anbot, die auf der Rück- und Vorderseite die Aufschrift " B. S. „ trugen, aber nicht von der Klägerin stammten.

In der Begründung verweist das Gericht darauf, dass es sich unstreitig nicht um Originalware, sondern um Fälschungen gehandelt habe, da diese nicht mit Zustimmung der Klägerin in den Verkehr gebracht worden sei. Wegen der Verwendung des identischen Zeichens für identische Waren (Bekleidung) liege eine Verwechslungsgefahr vor. Die Schriftzeichen „B. S." auf der Vorderseite und Rückseite des T-Shirts dienten nicht rein dekorativen Zwecken, sondern würden eine markenmäßige Benutzung darstellen. Die Markenrechtsverletzung sei auch offensichtlich, da die Bewertung als Markenrechtsverletzung eindeutig und eine Fehlentscheidung des Gerichts daher kaum möglich sei. Da beide Beklagte in gewerblichem Ausmaß Dienstleistungen für die (markenverletzende) Firma erbringen, seien sie zur Auskunft gem. § 19 Abs.2 Nr.3 MarkenG verpflichtet. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass bei Zurverfügungstellung eines derartigen Marktplatzes Internetserviceprovider und Internetauktionshäuser Dienstleistungen für Rechtsverletzer erbringen. Das Betreiben der Website sei mit der Dienstleistung der Zurverfügungstellung des Marktplatzes derart eng verknüpft, dass auch die Beklagte zu 1) als technische Servicegesellschaft der Website verantwortlich sei.

Die Auskunftserteilung sei auch nicht unverhältnismäßig, da nicht ersichtlich sei, dass die Erteilung der Auskunft einen übermäßigen Aufwand erfordere.

Der Umstand, dass der Markenverletzer der Klägerin bekannt sei, führe nicht zur Unverhältnismäßigkeit. Zum einen sei nicht gewährleistet, dass der Markenverletzer alle erforderlichen Auskünfte erteile. Zum anderen könne anhand der in diesem Verfahren zu erteilenden Auskünfte die Richtigkeit der Angaben des Markenverletzers überprüft werden. Der Auskunftsanspruch gem. § 19 Abs. 2 Markengesetz sei nicht subsidiär gegenüber dem Auskunftsanspruch gegen den Markenverletzer gem. § 19 Abs.1 MarkenG, sondern bestehe unabhängig davon.

Die von Beklagtenseite eingelegte Berufung gegen dieses Urteil hat das Oberlandesgericht Braunschweig als unzulässig verworfen, weil der Beschwerdewert nicht über 600 € liege.Der Beschwerdewert berechne sich nach dem Kosten- und Zeitaufwand , der für die Auskunftserteilung benötigt werde. Nach Verwerfung der Berufung ist das einstweilige Verfügungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen.

Hintergrund:

Die Auskunftsansprüche bei Markenverletzungen sind in § 19 MarkenG geregelt. Während in § 19 Abs.1 MarkenG ein Auskunftsanspruch gegen den Markenverletzer geregelt ist, sieht § 19 Abs. 2 Markengesetz in Fällen offensichtlicher Markenverletzungen einen Auskunftsanspruch auch gegen Dritte, z.B. gegen Personen, die in gewerblichen Ausmaß Dienstleistungen für rechtsverletzende Tätigkeiten in Anspruch nehmen, vor. Der Umfang der Auskunftsverpflichtung ergibt sich aus § 19 Abs. 3 Markengesetz. Ferner steht der Anspruch unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, § 19 Abs. 4



LG Braunschweig: Keine Verwechslungsgefahr zwischen Marke OCHSENBROT und Bezeichnung Oxbrot für Brot und andere Backwaren

LG Braunschweig
Urteil vom 15.11.2017
9 O 869/17


Das LG Braunschweig hat enschieden, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen der Marke OCHSENBROT und der Bezeichnung Oxbrot für Brot und andere Backwaren besteht. Verbraucher sind - so das Gericht - daran gewöhnt, dass es eine Vielzahl von Brotsorten mit ähnlichen Bezeichnungen gibt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der Benutzung des Zeichens „Oxbrot“ für Brote und andere Backwaren aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, 5 MarkenG.

Zwischen den Zeichen „OCHSENBROT“ und „Oxbrot“ besteht keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Die Frage der Markenähnlichkeit ist nach dem Gesamteindruck der einander gegenüber stehenden Zeichen unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu beurteilen (st. Rspr., u. a. BGH WRP 2002, 987 - Festspielhaus). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den maßgeblichen Faktoren der Warenidentität oder -ähnlichkeit, der Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Klagemarke in dem Sinne, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen und/oder eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke aufgewogen wird und umgekehrt (vgl. BGH, Urteil v. 05.04.2001 - I ZR 168/98 - Marlboro-Dach; BGH, Urteil v. 09.02.2012 - I ZR 100/10 - pjur/pure, Rn. 25 - zitiert nach juris).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt:

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1. Es liegt Warenidentität vor. Sowohl die Klagemarke „OCHSENBROT“ als auch die angegriffene Bezeichnung „Oxbrot“ dienen im Rahmen des Produktabsatzes der Unterscheidung von Brotsorten und anderer Backwaren.

2. Die Wortmarke Nr. 302009049741 „OCHSENBROT“ verfügt über eine allenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Unter Kennzeichnungskraft versteht man die Eignung eines Zeichens, sich dem Publikum aufgrund seiner Eigenart und seines ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Marke einzuprägen, d. h. als Herkunftshinweis erkannt, in Erinnerung behalten und wiedererkannt zu werden (Ingerl/Rohnke, MarkenG3, § 14 Rn. 497).

Die Kennzeichnungskraft der Marke „OCHSENBROT“ ergibt sich nicht aus ihrer Bekanntheit, denn „OCHSENBROT“ ist keine geläufige Brotsorte. Die Klägerin trägt zum Umfang der Markennutzung nichts vor. Über den geographischen Verbreitungsgrad, Absatz- und Umsatzzahlen sowie die Werbeaufwendungen lassen sich anhand des Akteninhalts keine Aussagen treffen. Abzustellen ist deshalb allein auf die Wortschöpfung „Ochsenbrot“ als Zusammensetzung aus einem Tiernamen und der beschreibenden Endsilbe „brot“. Mangels eines originären Bezugs zwischen „Ochsen“ und „Brot“ eignet sich die Wortkombination generell zur Unterscheidung von anderen Broten. Die Klagemarke hat in der Gesamtheit keine beschreibenden Anklänge. Denn anders als bei vergleichbaren Wortverbindungen wie „Entenbrot“ oder „Schweinebrot“, die Brotreste bezeichnen, die an Tiere verfüttert werden, weiß ein durchschnittlicher Verbraucher, dass Brot kein (übliches) Futtermittel für Ochsen ist und Ochsenbrot deshalb nur ein zum Verzehr durch Menschen bestimmtes Lebensmittel sein kann. Andererseits handelt es sich um keinen besonders einleuchtenden Namen für ein Brot.

3. Zwischen der Klagemarke „OCHSENBROT“ und der angegriffenen Bezeichnung „Oxbrot“ besteht nur eine geringe Zeichenähnlichkeit. Die Ähnlichkeit von Wortzeichen untereinander ist anhand ihres Klangs, Schriftbilds und Sinngehalts zu ermitteln (Ingerl/Rohnke, MarkenG3, § 14 Rn. 863 ff. m. zahlr. N.).

a) Eine klangliche Übereinstimmung zwischen den Wortanfängen „Ochsen“ und „Ox“ besteht nur dann, wenn man den Mittelteil der Klagemarke „en“ weglässt. Die in Süddeutschland gebräuchliche Kurzform „Ochs“ für Ochse wird genauso gesprochen wie „Ox“ als Vorsilbe des Wortes „Oxbrot“. Angesichts der zusammenhängenden Schreibweise von „Oxbrot“ gibt das Schriftbild keinen Anlass für eine andersartige Aussprache etwa als „O-X-Brot“ oder gar „O-Ten-Brot“ (abgeleitet von der römischen Ziffer X). Auf die phonetische Ähnlichkeit der Wortanfänge kommt es indes nicht entscheidend an. Denn als Wortmarke geschützt ist „OCHSENBROT“, nicht „OCHSBROT“. Das geschützte Wort hat eine Silbe mehr als „Ochs“. Durch das verlängernde „en“ in der Wortmitte der Klagemarke entsteht beim Sprechen ein abweichender Rhythmus, der auch nicht entfällt, wenn man den Mittelvokal weitgehend „verschluckt“.

Überdies prägt der Klang das Erinnerungsbild eines durchschnittlichen Brotkäufers nicht maßgeblich. Größeres Gewicht hat die Schreibweise, weil es in Bäckereien üblich ist, die Brotregale mit Schildern zu versehen, auf denen Name und Preis des jeweiligen Brotes deutlich ablesbar sind. Ein Kunde, der nicht ohnehin schon weiß, was er nehmen möchte, orientiert sich an dieser Beschilderung, um dem Verkaufspersonal sagen zu können, was er haben möchte.

b) Bei der Schreibweise besteht eine Übereinstimmung nur hinsichtlich des Anfangsbuchstabens „O“. Das identische Wortende „brot“ ist wegen seines rein beschreibenden Charakters nicht prägend.

c) Eine Bedeutungsähnlichkeit ist nicht hinreichend sicher daraus abzuleiten, dass „ox“ das englische Wort für Ochse ist. Denn diese Vokabel zählt nicht ohne weiteres zum Grundwortschatz der angesprochenen Verkehrskreise, wenn man davon ausgeht, dass Brot zu den Grundnahrungsmitteln gehört und von Menschen aller Bildungsschichten gekauft wird. Einem durchschnittlichen Verbraucher dürfte sich die Übersetzung zwar über die phonetische Ähnlichkeit zu „Ochs“ erschließen, in der Gegenüberstellung zu dem maßgeblichen Wort „Ochsen“ drängt sie sich hingegen nicht auf. Das gilt umso mehr, weil es im Deutschen eher unüblich ist, ein englisches und ein deutsches Wort zu einem neuen Begriff zusammenzuziehen (z. B. „Weltcup“).

Die Vorsilbe „Ox“ lässt anders als „Ochsen“ für den unbefangenen Kunden verschiedene Bedeutungsvarianten zu. Neben dem englischen Wort für Ochse könnte sich die Namensgebung genauso gut an die englische Universitätsstadt Oxford anlehnen. Bei „Oxford“ und „Oxbrot“ bestünde zugleich eine Zeichenähnlichkeit hinsichtlich des Wortteils „brot“. Eine andere Deutungsmöglichkeit ist der von der Beklagten in Anspruch genommene Hinweis auf den Oxidationsprozess bei der Mehlreifung. Insoweit ist zwar zu unterstellen, dass der durchschnittliche Kunde keine Vorstellung von den chemischen Prozessen bei der Brotherstellung hat. Indes liegt eine Verbindung der Vorsilbe „Ox“ zu chemischen Begriffen wie Oxid, Oxidation oder Oxygen nicht fern. Aus der Werbung ist der Begriff „Antioxidantien“ bekannt und positiv belegt. Mit Rücksicht auf die fehlende Bekanntheit der Klagemarke erscheint es jedenfalls nicht wahrscheinlicher, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei der Vorsilbe „Ox“ an einen Ochsen denken als dass sie anderweitige Bezüge herstellen.

4. In der Gesamtschau der gegeneinander abzuwägenden Merkmale ist der bei Warenidentität einzuhaltende erhebliche Abstand zwischen der Klagemarke und dem angegriffenen Zeichen gewahrt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es in Deutschland traditionell eine große Vielfalt an Brotsorten gibt. Das Brotregister des Deutschen Brotinstituts verzeichnet unstreitig über 3.200 Brotsorten (Stand März 2015). Der Verbraucher ist angesichts dieser Vielfalt daran gewöhnt, auf geringe Unterschiede im Namen zu achten. Nach dem Vorstehenden bestehen sowohl im Klang als auch im Schriftbild und im Sinngehalt klare Unterschiede.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Braunschweig: Wilkinson darf keine Ersatzklingen für Gillette Mach 3 anbieten - Patentverletzung durch Nachahmung der Rasierklingeneinheiten

LG Braunschweig
Urteil vom 29.09.2017
9 O 1362/17


Das LG Braunschweig hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden, dass Wilkinson keine Ersatzklingen für Gillette Mach 3 anbieten darf. Das Gericht sieht eine Patentverletzung durch Nachahmung der Rasierklingeneinheiten. Das anhängige Patentnichtigkeitsverfahren rechtfertigt nach Ansicht des LG Braunschweig keine andere Entscheidung. Das Gericht geht davon aus, dass das Patent Bestand haben wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Klingen vor Gericht - Urteil in dem Rechtsstreit über Klingen für den Nassrasierer „Mach 3"

Die Kammer für Patentstreitsachen des Landgerichts Braunschweig hat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit Urteil vom 29.09.2017 (Aktenzeichen 9 O 1362/17) einem Konkurrenzkonzern auf Antrag des Unternehmens „The Gillette Company", verboten, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland Klingeneinheiten anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, die mit dem Nassrasierersystem "Mach 3" kompatibel sind. Sofern die beklagten Unternehmen, darunter auch die „Wilkinson Sword GmbH", dagegen verstoßen, droht ihnen u. a. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €. Das Gericht hat überdies angeordnet, entsprechende Rasierklingeneinheiten an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben. Dem weiteren Antrag der Klägerin, die bereits ausgelieferten Produkte zurückrufen zu lassen, ist das Gericht nicht nachgekommen.

Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP 1 306 172 B1, welches dem Schutz von Teilen des Nassrasierers „Mach 3" dient. Dabei steht insbesondere die Verbindung der Klingen mit dem Handgriff des Rasierers im Vordergrund. Die beklagten Unternehmen haben Rasierklingenköpfe auf den Markt gebracht, die ebenfalls mit dem Handgriff des Nassrasierers „Mach 3" kompatibel sind. Die Klingen werden u. a. von großen Drogerieketten deutlich günstiger angeboten.

Das Gericht hat entschieden, dass das Produkt der Beklagten das Schutzrecht der Klägerin verletze. Die Rasierklingeneinheit weise die in dem Patent beschriebenen Merkmale auf. Dem Erlass einer einstweiligen Verfügung stehe auch nicht entgegen, dass derzeit eine Nichtigkeitsklage beim Bundespatentamt anhängig sei, mit dem Ziel das streitige Patent zu vernichten. Daraus folge zwar, dass die Kammer sich im Hinblick auf die weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen der nunmehr vorläufig getroffenen Entscheidung mit der Frage auseinander setzen müsse, ob das Patent Bestand habe. Jedoch sieht das Gericht entgegen dem Vorbringen der Beklagten keine Anhaltspunkte, die das Vertrauen in den Rechtsbestand des geprüften Schutzrechts erschüttern. Es hat sich insbesondere mit den einzelnen Entgegenhaltungen auseinandergesetzt und auch hervorgehoben, dass dieses Patent seit 19 Jahren Bestand habe.

Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden.

Zusatzinformation:

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren wird eine vorläufige Regelung bis zu einer endgültigen Entscheidung beantragt. Die antragstellende Partei kann auf diesem Weg seine Ansprüche bereits zu einem früheren Zeitpunkt durchsetzen. Sie ist nicht darauf angewiesen, das oftmals langwierigere Hauptsacheverfahren abzuwarten. Es werden jedoch verschiedene Voraussetzungen an ein solches Verfahren geknüpft. Insbesondere muss das Gericht davon überzeugt sein, dass ein dringendes Bedürfnis besteht, eine Regelung zu treffen. Das Gericht hat die Möglichkeit eine einstweilige Entscheidung im Beschlusswege oder nach einer mündlichen Verhandlung durch Urteil zu erlassen.




LG Braunschweig: Adidas verstößt mit Stan Smith Boost Sneaker nicht gegen EU-Geschmacksmuster von PUMA

Das LG Braunschweig hat im Rahmen einer mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit der Sportartikelhersteller Adidas und PUMA ausgeführt, dass Adidas mit seinen "Stan Smith Boost"- Sneaker nicht gegen ein EU-Geschmacksmuster von PUMA verstößt.

Die Pressemitteilung des LG Braunschweig:

Rechtsstreit zwischen zwei Sportartikelherstellern durch Rücknahme beendet

Die Klägerin hat in der heutigen mündlichen Verhandlung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen.

Die Klägerin hatte die Verletzung ihrer europäischen Geschmacksmuster durch das Schuhmodell „Stan Smith Boost" geltend gemacht. Der Antrag zielte darauf ab, u. a. den Vertrieb des Schuhs durch die Beklagte zu untersagen.

In der mehrstündigen mündlichen Verhandlung hat die zuständige Kammer des Landgerichts Braunschweig mit den Parteien die einzelnen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtert. Dabei hat das Gericht das streitige Schuhmodell der Beklagten auch in Augenschein genommen und mit dem hinterlegten Bild des Geschmacksmusters verglichen.

Nach vorläufiger Beratung hat die Kammer mitgeteilt, dass das angegriffene Schuhmodell die europäischen Geschmacksmuster der Klägerin nicht verletze. Es seien aus Sicht der Kammer bei diesem Modell wesentliche Unterschiede zu den Geschmacksmustern zu erkennen.


LG Braunschweig: Vergibt ein Markeninhaber eine Herstellungslizenz und bringt der Lizenznehmer die Ware weisungswidrig in den Verkehr, so tritt markenrechtliche Erschöpfung ein

LG Braunschweig
Urteil vom 03.04.2014
22 O 334/14


Das LG Braunschweig hat entschieden, dass auch dann markenrechtliche Erschöpfung eintritt, wenn der Markeninhaber eine Herstellungslizenz vergibt und der Lizenznehmer die Ware weisungswidrig in den Verkehr bringt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Wenn der Markeninhaber - wie hier - eine Herstellungslizenz vergibt, ist für den Eintritt der Erschöpfung entscheidend, wo der Hersteller ansässig ist:

Wenn der Hersteller - wie hier - im europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist, tritt Erschöpfung ein (Ingerl/Rohnke, aaO., § 24 Rdnr. 36, Fezer, MarkenG, 4. Auflg., § 24 Rn 34).

a.) Dies gilt auch dann, wenn nicht die Markeninhaberin selbst die Ware in den Verkehr gesetzt hat sondern der Hersteller, der dazu keine Erlaubnis erteilt hatte. Insoweit muss sich der Markeninhaber bei einer Auftragsproduktion rechtlich so behandeln lassen, als ob er die Ware selbst in Verkehr gesetzt hätte (BGH GRUR 1984, 545, 547 - „Schamotte-Einsätze“). Insoweit liegt die Sache nicht anders, als wenn der Markeninhaber die Kennzeichnung innerhalb seines eigenen Unternehmens vorgenommen hätte und dort infolge eines betrieblichen Organisationsfehlers die Ware weisungswidrig ausgeliefert worden wäre (BGH, aaO.)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Braunschweig: EHEC-Warnung vor Sprossen durch Bundesamt für Verbraucherschutz zulässig - Kein Schadensersatz für Unternehmen, die Sprossen und Sprossenprodukte vertreiben

LG Braunschweig
Urteil vom 20.05.2014
7 O 372/12


Das LG Braunschweig hat entschieden, dass die EHEC-Warnungen vor Sprossen durch das Bundesamt für Verbraucherschutz zulässig war. Das Gericht wies die Klage eines Unternehmens, welches Sprossen und Sprossenprodukte vertreibt, ab.

Dies Pressemitteilung des LG Braunschweig:

"Urteil im sogenannten Sprossenprozess

Ein Hamburger Unternehmen, das die Anzucht und den Vertrieb von Sprossen betreibt, verklagt vor dem Landgericht Braunschweig die Bundesrepublik, vertreten durch das Amt für Verbraucherschutz auf einen hohen sechsstelligen Betrag im Wege einer Staatshaftungsklage (7 O 372/12).

Hintergrund der Klage ist eine Verbraucherwarnung, die im Jahre 2011 durch das Bundesamt für Verbraucherschutz im Benehmen mit verschiedenen anderen Behörden veröffentlicht worden ist. Es war zu Keimbefall von Sprossenprodukten gekommen. Verschiedene Verbraucher erlitten teilweise sehr schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Ein wissenschaftlich exakter Zusammenhang zwischen Keimbefall und Erkrankung war im Zeitpunkt der Warnmeldung nicht sicher festzustellen. Es lag aber nach Auffassung des Bundesamtes eine hinlängliche Verdachtslage vor.

Das Hamburger Unternehmen sieht seine wirtschaftlichen Belange bei der Veröffentlichung der Warnmeldung nicht ausreichend beachtet und begehrt für erlittenen Gewinnendgang vom Bund Schadenersatz.

Die Kammer hat die Klage abgewiesen. Bei der Prüfung hat die Kammer im vorliegenden Einzelfall die Verbraucherbelange höher bewertet und auch in dem Fall, in dem ein wissenschaftlich exakter Zusammenhang zwischen Erkrankung und Produktbeschaffenheit nicht sicher festzustellen ist, angenommen, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz berechtigt gewesen ist, eine Verbraucherwarnung herauszugeben. Darüber hinaus hat die Kammer zur Begründung der Klagabweisung angeführt, dass der kausale Zusammenhang zwischen dem geltend gemacht entgangenen Gewinn und der Verbraucherwarnung nicht hinlänglich festzustellen gewesen wäre."


LG Braunschweig: Capri-Sonne obsiegt mit Klage gegen Mitbewerber - Markenrechtlicher Schutz des als 3D-Marke geschützten und zugleich bekannten Standbodenbeutels

LG Braunschweig
Urteil vom 20.12.2013
22 O 1917/13


Die Pressemitteilung des LG Braunschweig:

"Entscheidung in dem Markenrechtsstreit wegen der Verwendung von Standbodenbeuteln für Fruchtsaftgetränke

Mit Urteil vom 20.12.2013 hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Braunschweig (Az.: 22 O 1917/13) der Unterlassungsklage wegen Verwendung von sogenannten Standbodenbeuteln zur Abfüllung von Fruchtsaftgetränken stattgegeben.
Das klägerische Unternehmen stellt seit den 60er-Jahren das Kinder-Fruchtsaftgetränk mit der Bezeichnung „Capri-Sonne" her und vertreibt es in sogenannten Standbodenbeuteln. Sie verfügt diesbezüglich über eine im Jahr 1996 eingetragene dreidimensionale Marke. Das beklagte Unternehmen mit Sitz in Rinteln zählt zu den großen Fruchtsaftherstellern Europas. Die Beklagte lieferte u.a. an einen großen Lebensmitteldiscounter in den Niederlanden Fruchtsaftgetränke in Standbeuteln und 10er-Boxen. Dieser Export von Fruchtsaftgetränken in Standbeuteln ins Ausland ist Gegenstand der Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte durch die Lieferung von Fruchtsaftgetränken in Standbeuteln ihre Markenrechte verletze. Sie sei das einzige Unternehmen welches derartige Standbeutel als Getränkeverpackung in Deutschland verwende. Ferner verweist die Klägerin -unter Vorlage von Umfrageergebnissen- auf die Bekanntheit ihres Produkts.

Die Beklagte stellt die Bekanntheit des Produkts in Abrede. Die Umfragen seien nicht verwertbar, da der Fragenkatalog unvollständig sei. Da die Standbeutel von der Beklagten nur als Behälter für die Flüssigkeit verwendet würden, liege keine markenmäßige Benutzung vor. Eine Verwechslungsgefahr liege nicht vor, weil die Beklagte die Standbeutel mit eigenen Markenbezeichnungen versehe.

In der Urteilsbegründung führt die Kammer aus, dass der Export der mit Fruchtsaft gefüllten Standbeutel eine Markenverletzung darstelle. Durch die jahrelange Abfüllung ihres Getränks im Standbeutel habe die Klägerin eine Sonderstellung und somit eine Bekanntheit bei den Verbrauchern erlangt. Die Bekanntheit sei nicht auf die Bezeichnung des Produkts mit Capri-Sonne zurückzuführen, sondern auf die besondere Gestaltung der Getränkeverpackung. Diese gehe aus den Umfrageergebnissen hervor. Wegen der nahezu identischen Formen und übereinstimmenden Größenverhältnisse der Standbeutel der Parteien sei eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, die Verwendung von Standbeuteln für Fruchtsaftgetränke zu unterlassen. Ferner hat das Gericht die Unterlassung auch auf die von der Beklagten verwendeten Verpackungskartons erstreckt, die Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt und die Verpflichtung zur Schadensersatzleistung festgestellt.
Gegen das Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden."


LG Braunschweig: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen FahrlG durch Führerscheinpauschalpaket auf einer Gutscheinplattform

LG Braunschweig
Urteil vom 08.11.2012
22 O 211/12


Das LG Braunschweig hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 19 Abs. 1 Ziffer 2 FahrlG vorliegt, wenn eine Fahrschule auf einer Gutscheinplattform für ein Führerscheinpaket zu einem Pauschalpreis wirbt. Nach § 19 Abs. 1 Ziffer 2 FahrlG ist das Entgelt stundenbezogen für eine Fahrstunde im praktischen Unterricht und für die Unterweisung am Fahrzeug zu jeweils 45 Minuten anzugeben. Zudem rügte das Gericht, dass der "Gutschein" nur eine Geltungsdauer von 24 Monate hatte.

Die Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale finden Sie hier: