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OLG Hamburg: Erteilung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel über das Internet ohne vorherigen persönlichen Kontakt von Arzt und Patient unzulässig

OLG Hamburg
Beschluss vom 15.08.2023
5 U 93/22


Das OLG Hamburg hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass die Erteilung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel über das Internet ohne vorherigen persönlichen Kontakt von Arzt und Patient unzulässig ist.

Aus dem Hinweisbeschluss:
Im Streitfall besteht - wie vom Landgericht zu Recht angenommen - der antragsgegenständliche Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 3 der Berufsordnung für Ärzte in Hamburg.

aa. Die antragsgegenständliche Erteilung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch Ärzte, die den Patienten zuvor nicht behandelt haben, verstößt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - gegen ärztliche Berufspflichten, wie sie in § 7 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärzte in Hamburg niedergelegt sind. Nach § 7 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärzte in Hamburg beraten und behandeln Ärztinnen und Ärzte Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird. Danach verstößt die hier gegenständliche Erteilung eines „Folgerezeptes“ für das verschreibungspflichtige Medikament „C.“ gegen die ärztliche Sorgfalt, weil nicht sichergestellt ist, dass der Zweck der Verschreibungspflicht gewahrt wird. Insoweit kann bei einem Folgerezept zwar auch eine telefonische Rezeptanforderung ausreichen. Jedoch ist es hierbei notwendig, dass der das Rezept ausstellende Arzt den Patienten bereits zuvor behandelt hat und daher über seinen Gesundheitszustand und die Notwendigkeit der Verordnung dieses Arzneimittels orientiert ist. Der Arzt muss auch bei Folgeverordnungen in gewissen Abständen bestimmte Untersuchungen des Patienten veranlassen, wie etwa beim antragsgegenständlichen Medikament „C.“ Blutdruckmessungen. Gegen diese zutreffenden landgerichtlichen Wertungen bringt die Berufung der Beklagten spezifiziert nichts vor.

bb. Es liegt eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG vor, da sich in der vorgenannten Konstellation der Arzt nicht allein von medizinischen Erwägungen mit Blick auf das Patientenwohl, sondern von sachfremden wirtschaftlichen Eigeninteressen leiten lässt. Regelungen, die dieser Gefahr vorbeugen, sind Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.132 m.w.N.)

cc. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung geltend macht, sie könne nicht gegen ärztliche Berufspflichten verstoßen, weil sie den Arztberuf nicht ausübe und lediglich eine Softwareplattform betreibe, so steht dies ihrer Passivlegitimation nicht entgegen. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte im Hinblick auf den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch unmittelbar verantwortlich ist, indem sie in Kenntnis des Sachverhalts das antragsgegenständliche Geschäftsmodell über ihre Internetpräsenz angeboten und verbreitet hat. Auch wer selbst nicht Normadressat ist, aber gesetzesunterworfene Dritte dazu anstiftet oder sie dabei unterstützt, gegen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG zu verstoßen, um damit den Absatz seines eigenen Unternehmens zu fördern (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG), handelt unlauter i.S.v. § 3a UWG (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.50 m.w.N.). Insoweit ist Vorsatz erforderlich (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.50 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagten ist zumindest bedingter Vorsatz anzulasten.

d. Entgegen dem Einwand der Berufung liegt in der antragsgegenständlichen Konstellation auch ein Verstoß gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen nach § 9 HWG vor und es besteht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 8, 3a UWG, 9 HWG.

aa. Die Regelung des § 9 HWG ist dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln i.S.v. § 3a UWG (Senat GRUR-RS 2020, 37127 Rn. 34 - Online-Erkältungsdiagnose; BGH GRUR 2022, 399 Rn. 20 – Werbung für Fernbehandlung).

bb. Nach § 9 Satz 1 HWG ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden unzulässig, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Gem. § 9 Satz 2 HWG ist Satz 1 nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Dass die Ausstellung des Folgerezepts in der antragsgegenständlichen Konstellation eine Fernbehandlung i.S.v. § 9 Satz 1 HWG darstellt, nimmt auch die Beklagte nicht in Abrede. Eine persönliche Wahrnehmung des Patienten durch den behandelnden Arzt erfolgt nicht, weil eine solche nur dann vorliegt, wenn die bei gleichzeitiger physischer Präsenz von Arzt und Patient in einem Raum möglichen ärztlichen Untersuchungsmethoden angewandt werden können (vgl. BGH GRUR 2022, 399 Rn. 29 – Werbung für Fernbehandlung). Dies ist unstreitig vorliegend nicht der Fall.

cc. Entgegen der Ansicht der Beklagten greift im Streitfall der Ausnahmetatbestand von § 9 Satz 2 HWG nicht ein.

Dass in der antragsgegenständlichen Konstellation die Ausstellung eines Folgerezepts für „C.“ dem allgemeinen fachlichen Standard i.S.v. § 630a BGB entspricht, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch im Berufungsverfahren schon nicht dargetan (vgl. zur Beweislast: BGH GRUR 2022, 399 Rn. 65 - Werbung für Fernbehandlung; OLG Köln GRUR 2022, 1353 Rn. 41ff.).

Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe das Mittel „C.“ aus dem Programm genommen, so führt diese Änderung der tatsächlichen Verhältnisse entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr. Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügen weder der bloße Wegfall der Störung noch die Zusage des Verletzers, von Wiederholungen künftig Abstand zu nehmen (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.49). Die Wiederholungsgefahr wird auch nicht dadurch beseitigt, dass der Gläubiger - wie hier - bereits eine gleichlautende einstweilige Verfügung erwirkt hat, solange der Schuldner nicht eine durch Vertragsstrafe gesicherte Unterlassungserklärung oder eine Abschlusserklärung abgegeben hat (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.49). Generell gilt, dass eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse die Wiederholungsgefahr nicht berührt, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.51). Demgemäß ist der Umstand, dass die Beklagte - wie sie unwidersprochen behauptet - inzwischen „C.“ aus dem Programm genommen habe, nicht relevant, da die Beklagte einen entsprechenden Rezept-Service - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - jederzeit wieder anbieten könnte. Antragsgegenständlich ist das verschreibungspflichtige Medikament „C.“, so dass die Beklagte insoweit ein Handeln nach „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ darlegen und beweisen muss, woran es fehlt. Die Ausführungen der Berufung zu „Alltagskrankheiten“ sind für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz.

e. Offenbleiben kann, ob nach dem Vorgenannten auch ein Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt i.S.v. § 3 Abs. 2 UWG vorliegt und sich auch aus diesem Gesichtspunkt ein klägerischer Unterlassungsanspruch ergibt.

Nach § 3 Abs. 2 UWG sind geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Im Hinblick auf den vorliegenden Streitgegenstand liegt - wie ausgeführt - sowohl ein Verstoß gegen ärztliche Berufspflichten als auch gegen § 9 HWG vor. Von der Beklagten als Unternehmerin wird i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG erwartet, dass sie einen bestimmten „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt“ in ihrem „Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern“ einhält (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3 Rn. 3.21). Bezogen auf den hiesigen Streitgegenstand hat die Beklagte der ihr obliegenden unternehmerischen Sorgfalt nicht genügt.

f. Soweit die Beklagte einwendet, sie treffe keine Verantwortung (mehr), weil sie die streitgegenständlichen Internetseiten bereits im Dezember 2021 auf eine pakistanische Firma übertragen habe, so bleibt auch dieser Einwand ohne Erfolg. Es handelt sich um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die nicht zu einem Wegfall der durch den Verstoß im November 2021 gegenüber der Beklagten begründeten Wiederholungsgefahr führt. Denn es ist nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine (Wieder-)Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch die Beklagte beseitigt worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte den gegenständlichen Rezept-Service in Zukunft wiederaufnehmen wird. Vielmehr muss jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt worden sein (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.51). Dies lässt sich vorliegend - ohne Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung bzw. ohne Abgabe einer Abschlusserklärung - nicht feststellen. Demnach fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

g. Der Abmahnkostenerstattungsanspruch ergibt sich - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - aus § 13 Abs. 3 UWG und der darauf bezogene Zinsanspruch aus §§ 286, 288, 291 BGB. Hiergegen bringt die Berufung der Beklagten auch spezifiziert nichts vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Verbot von DocMorris-Gewinnspiel zur Förderung des Verkaufs von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit Art 34 AEUV vereinbar

BGH
Urteil vom 18.11.2021
I ZR 214/18
Gewinnspielwerbung II
Richtlinie 2001/83/EG Art. 86 Abs. 1; UWG § 3a; HWG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13; AMG § 78 Abs. 1 Satz 1; AMPreisV § 1, § 3; SGB V § 129 Abs. 3 Satz 2 und 3


Der BGH hat entschieden, dass das Verbot von DocMorris-Gewinnspielen zur Förderung des Verkaufs von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit Art 34 AEUV vereinbar.

Leitsätze des BGH:

a) Eine Werbung, die nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel abzielt, sondern auf das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel, das von einer Apotheke angeboten wird, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Titels VIII der Richtlinie 2001/83/EG (Anschluss an EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-190/20, GRUR 2021, 1325 Rn. 21 und 22 - DocMorris).

b) Der Begriff der "Werbung für Arzneimittel" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG stimmt nicht mit dem Begriff der "Werbung für Arzneimittel" im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG überein (Aufgabe BGH, Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 95/05, GRUR 2008, 1014 Rn. 21 - Amlodipin), sondern geht darüber hinaus und erfasst auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment der Apotheke (Festhaltung BGH, Urteil vom 24. November 2016 - I ZR 163/15, GRUR 2017, 635 Rn. 31 - Freunde werben Freunde; Urteil vom 29. November 2018 - I ZR 237/16, GRUR 2019, 203 Rn. 19 - Versandapotheke; Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 206/17, GRUR 2019, 1071 Rn. 22 - Brötchen-Gutschein).

c) Die Werbung mit der Veranstaltung eines Gewinnspiels zur Förderung des Verkaufs von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln kann sowohl als Ankündigung einer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG unzulässigen Werbegabe als auch als Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV, § 129 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB V) verboten werden.

d) Das Verbot der Veranstaltung eines solchen Gewinnspiels kann auch gegenüber einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Versandapotheke verhängt werden, weil es sich dabei nicht um eine nach Art. 34 AEUV verbotene Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit handelt, sondern um eine Verkaufsmodalität, die nicht geeignet ist, den Zugang von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat zum inländischen Markt zu versperren oder stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse (Anschluss an EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-190/20, GRUR 2021, 1325 Rn. 35 - DocMorris, mwN).

BGH, Urteil vom 18. November 2021 - I ZR 214/18 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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EuGH: Verbot von DocMorris-Gewinnspiel unionsrechtskonform - Teilnahme durch Einsendung eines Rezepts zur Bestellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel

EuGH
Urteil vom 15.07.2021
DocMorris NV gegen Apothekerkammer Nordrhein

C‑190/20

Der EuGH hat entschieden, dass das Verbot eines DocMorris-Gewinnspiel, bei dem die Teilnahme durch Einsendung eines Rezepts zur Bestellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel erfolgt, unionsrechtskonform ist.

Tenor der Entscheidung:

1. Die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie auf eine nationale Regelung, die es einer Apotheke, die Arzneimittel im Versandhandel verkauft, verbietet, eine Werbeaktion in Form eines Gewinnspiels durchzuführen, bei dem die Teilnehmer Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die keine Arzneimittel sind, gewinnen können und die Teilnahme die Einsendung der Bestellung eines verschreibungspflichtigen Humanarzneimittels und des entsprechenden Rezepts voraussetzt, nicht anwendbar ist.

2. Art. 34 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer solchen nationalen Regelung nicht entgegensteht.


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OVG Münster: Apotheke darf keine Rezept-Sammelbox für verschreibungspflichtige Medikamente im Supermarkt aufstellen

OVG Münster
Urteil vom 02.07.2018
13 A 2289/16


Das OVG Münster hat entschieden, dass eine Apotheke keine Rezept-Sammelbox für verschreibungspflichtige Medikamente in einem Supermarkt aufstellen darf.

Apotheke darf keine Rezepte in einem Supermarkt sammeln

Eine Apothekerin aus Herne darf keine Box zum Sammeln von Rezepten in einem nahegelegenen Supermarkt aufstellen und die bestellten Arzneimittel den Kunden nach Hause liefern. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute entschieden.

Die Apothekerin betreibt im Eingangsbereich eines Supermarkts, der wenige Kilome­ter von ihrer Apotheke entfernt liegt, eine Sammelbox, in die Kunden Rezepte und Bestellscheine für Arzneimittel einwerfen können. Nach dem Einsammeln der Ver­schreibungen und Bestellungen durch die Mitarbeiter der Apothekerin werden die Medikamente innerhalb des Herner Stadtgebiets durch einen kostenlosen Boten­dienst nach Hause geliefert, außerhalb des Stadtgebiets erhalten die Kunden die Arzneimittel durch einen Logistikdienstleister gegen Versandkosten. Die Stadt Herne untersagte der Apothekerin das Betreiben der Sammeleinrichtung. Die hiergegen gerichtete Klage der Apothekerin wies das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ab. Diese Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht nun bestätigt.

Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt: Nach den apothekenrechtlichen Vor­schriften sei zwischen der Abgabe von Arzneimitteln unmittelbar an Kunden in Prä­senzapotheken und dem Versand von Arzneimitteln zu unterscheiden. Andere Abga­bemöglichkeiten sehe der Gesetzgeber nicht vor. Die Sammelvorrichtung in dem Su­permarkt sei nicht als eine einer Präsenzapotheke zugeordnete sogenannte Rezept­sammelstelle ausnahmsweise zulässig, weil die Rezeptsammlung nicht zur Versor­gung eines abgelegenen Ortsteils erforderlich sei. Die Sammelbox sei auch nicht von der der Klägerin erteilten Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln umfasst. Das praktizierte Vertriebskonzept stelle sich unter den konkreten Umständen des Falls wegen der engen räumlichen Bindung an die Präsenzapotheke nicht als Versand­handel dar. Das Bestellsystem der Klägerin richte sich zielgerichtet und nahezu aus­schließlich an Kunden des Supermarkts bzw. Einwohner der Stadt Herne, die dem räumlichen Einzugsgebiet der Präsenzapotheke zugeordnet werden könnten. Zudem würden die Arzneimittel an diese Kunden ausnahmslos durch das Personal der Apo­thekerin ausgeliefert.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Aktenzeichen: 13 A 2289/16 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 19 K 5025/15)



LG Wuppertal: Werbung einer Apotheke mit Rezepteinlösung und Beratung in unserem diskreten Beratungsbereich stellt keine wettbewerbswidrige Werbung mit Selbstverständlichkeiten dar

LG Wuppertal
Urteil vom 06.20.2015
1 O 51/15


Das LG Wuppertal hat entschieden, dass die Werbung einer Apotheke mit "Rezepteinlösung und Beratung in unserem diskreten Beratungsbereich“ keine wettbewerbswidrige Werbung mit Selbstverständlichkeiten darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Ein Unterlassungsanspruch aus § 8 I 1 UWG liegt mangels Verstoß gegen die §§ 3, 5 UWG nicht vor. Die Beklagte wirbt nämlich nicht mit einer Selbstverständlichkeit. Der von ihr angebotene „diskrete Beratungsbereich“ stellt einen Vorzug der easyApotheke gegenüber ihren Mitbewerbern dar. Dem steht auch nicht entgegen, dass jede Apotheke so ausgestaltet ist, dass die Vertraulichkeit der Beratung weitestgehend gewahrt wird, vgl. § 4 IIa ApoBetrO. Das Angebot der Beklagten geht über diesen Mindeststandard hinaus. Sie stellt ihren Kunden ein zusätzliches, räumlich abgeschlossenes Zimmer für Beratung und Rezepteinlösung zur Verfügung. Kunden, deren Anliegen in besonderer Weise die Privat- oder Intimsphäre berühren, können auf Wunsch vom normalen Verkaufsbereich in diesen Raum wechseln. Nicht von Belang ist dabei, ob der Raum vollkommen schalldicht ist. Denn jedenfalls bietet er gegenüber dem öffentlich zugänglichen Einzelverkaufstresen ein gesteigertes Maß an Diskretion. So sind durch Wände und Türen ein vollständiger Sichtschutz und zumindest ein erhöhter Schallschutz gewährleistet. Eine solche Besonderheit darf die Beklagte ohne weiteres bewerben.

An dieser Einordnung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beratungsraum unter anderem mit einem Kopiergerät und Wandregalen eingerichtet ist. Der Raum mag auch anderen Zwecken als der Beratung dienen. Dies macht ihn aber nicht als Beratungsraum ungeeignet, zumal die für ein vertrauliches Gespräch förderliche Ausstattung, insbesondere Tisch und Stühle, vorhanden ist. Es kann nicht verlangt werden, einen Beratungsraum nur dann als solchen bewerben zu dürfen, wenn er ausschließlich zu diesem Zweck genutzt wird. Im Übrigen kann die Einrichtung mit Wandregalen der Wahrung der Diskretion sogar dienlich sein, da Produkte, die Kunden sich nur ungern vor den Augen der Öffentlichkeit übergeben lassen, direkt dort gelagert werden können. So ist auf den Bildern B4, Bl. 51 ff. zu erkennen, dass in dem Regal im Beratungsraum Windeln bzw. Inkontinenzeinlagen aufbewahrt werden.

Die Beklagte erweckt mit der Werbung auch nicht den Eindruck, eine diskrete Beratung sei nur bei ihr, nicht aber in anderen Apotheken möglich. Insbesondere wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass in allen Apotheken im normalen Verkaufsbereich das gesetzlich vorgeschriebene Maß an Vertraulichkeit eingehalten wird. Der gegenteilige Vorhalt ist schon nicht am Wortlaut der Werbung festzumachen. Das Adjektiv „diskret“ bezieht sich nämlich nicht auf eine Beratung- weder auf die eigene noch auf die anderer, sondern allein auf den „Beratungsbereich“ der Beklagten.

Ebenso liegt kein Verstoß gegen § 3 III i.V.m. Nr. 10 des Anhangs zu § 3 III UWG vor. Denn die Beklagte bewirbt gerade nicht das, wozu sie gesetzlich ohnehin verpflichtet ist, sondern ein darüber hinausgehendes Angebot. § 4 IIa ApoBetrO schreibt ein Mindestmaß an Vertraulichkeit für die Offizin und insbesondere die Stellen, an denen Arzneimittel an Kunden abgegeben werden, mithin den Verkaufsbereich, vor, vgl. § 4 IIa 3 ApoBetrO. Für die notwendige Diskretion am Verkaufstresen macht die Beklagte aber keine Werbung.


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BGH-Entscheidung zur Wettbewerbswidrigkeit der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente durch einen Apotheker ohne Vorlage eines Rezepts liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 08.01.2015
I ZR 123/13
Abgabe ohne Rezept
UWG § 4 Nr. 11; ArzneimittelG § 48 Abs. 1; AMVV § 4 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente durch einen Apotheker ohne Vorlage eines Rezepts wettbewerbswidrig" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Das in § 48 AMG geregelte Verbot der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Verschreibung ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.

b) Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 AMVV erfordert eine eigene Therapieentscheidung des behandelnden Arztes auf der Grundlage einer vorherigen, regelgerechten eigenen Diagnose, die der Verschreibung vorausgeht. Daran fehlt es, wenn ein Apotheker einen Arzt, der den Patienten nicht kennt und insbesondere zuvor nicht untersucht hat, um Zustimmung zur Abgabe eines Medikaments bittet.

c) Falls auf andere Art und Weise eine erhebliche, akute Gesundheitsgefährdung des Patienten nicht abzuwenden ist, kann die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments durch den Apotheker im Einzelfall in analoger Anwendung von § 34 StGB in Betracht kommen, obwohl ihm weder ein Rezept vorgelegt wird noch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AMVV erfüllt
sind.

BGH, Urteil vom 8. Januar 2015 - I ZR 123/13 - OLG Stuttgart - LG Ravensburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamm: Apotheke darf keine Rezept-Sammelbox für verschreibungspflichtige Medikamente im Supermarkt aufstellen

OLG Hamm
Urteil vom 12.05.2015
4 U 53/15


Das OLG Hamm hat entschieden, dass es einer Apotheke nicht gestattet ist, eine Rezept-Sammelbox für verschreibungspflichtige Medikamente im Supermarkt aufzustellen. Die so bestellten Medikamente wurden dann per Bote geliefert oder konnten in der Apotheke abgeholt werden. Das Gericht sah in diesem Geschäftsmodell mehrere Verstöße gegen die Apothekenbetriebsordnung und damit zugleich einen Wettbewerbsverstoß.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

"Oberlandesgericht Hamm untersagt das Sammeln von Rezepten im Eingangsbereich eines Lebensmittelmarktes

Ein Apotheker darf im Eingangsbereich eines Lebensmittelmarktes keine Einrichtung zum Einsammeln von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel unterhalten und für diese werben, wenn so bestellte Arzneimittel in der Apotheke abgeholt oder durch einen Boten der Apotheke ausgeliefert werden sollen. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.05.2015 unter Erlass einer einstweiligen Verfügung entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Bochum abgeändert.

Die klagende Apothekeninhaberin aus Herne verlangt von ihrer Konkurrentin, ebenfalls Inhaberin von Apotheken in Herne, es zu unterlassen, im Eingangsbereich eines Lebensmittelmarktes in Herne eine Einrichtung zum Sammeln von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu unterhalten und für diese zu werben. Bei der mit einer Werbetafel und Werbeflyern beworbenen Sammelstelle der Beklagten können Kunden Rezepte in Umschlägen in eine Sammelbox einwerfen.
Dabei können die Kunden wählen, ob sie die Arzneimittel in der Apotheke der Beklagten selbst abholen oder durch einen Boten der Apotheke ausgeliefert erhalten wollten.

Die Klägerin hat gemeint, dass die Beklagte eine nach der Apothekenbetriebsordnung unzulässige und zudem behördlich nicht genehmigte Rezeptsammelstelle unterhalte. Im Wege der einstweiligen Verfügung hat sie verlangt, der Beklagten das Unterhalten und Bewerben der Sammelstelle im Bereich des Lebensmittelmarktes zu untersagen. Die Beklagte, die über eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln verfügt, hat demgegenüber gemeint, die Sammelstelle
als Teil des ihr erlaubten Versandhandels betreiben zu dürfen.

Der Verfügungsantrag der Klägerin war erfolgreich. Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat der Beklagten das Unterhalten und Bewerben der infrage stehenden Einrichtung zum Einsammeln von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt. Mit der Sammelstelle unterhalte die Beklagte eine Rezeptsammelstelle im Sinne der Apothekenbetriebsordnung und betreibe nicht lediglich den ihr erlaubten Versandhandel mit Arzneimitteln. Über die Sammelstelle biete sie nämlich das Abholen oder Ausliefern der bestellten Medikamente in einer Weise an, für die die Apothekenbetriebsordnung Regeln aufstelle. Dabei stelle die Sammelstelle auch nicht lediglich eine “PickUp-Stelle“
im Sinne der apothekenrechtlichen Rechtsprechung dar, weil sie keine Stelle zum Abholen von Medikamenten sei.
Mit dem Betrieb der Rezeptsammelstelle verstoße die Beklagte gegen die Apothekenbetriebsordnung. Über die nach der Apothekenbetriebsordnung notwendige Erlaubnis für den Betrieb einer Rezeptsammelstelle, verfüge sie nicht. Zudem dürfe nach der Apothekenbetriebsordnung eine Rezeptsammelstelle nicht in einem Gewerbebetrieb unterhalten werden. Auch dagegen verstoße die Rezeptsammelstelle der Beklagten, die in einem Lebensmittelsupermarkt und mithin in einem
Gewerbebetrieb im Sinne der Apothekenbetriebsordnung platziert worden sei.

Rechtskräftiges Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.05.2015 (4 U 53/15)"



BGH: Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente durch einen Apotheker ohne Vorlage eines Rezepts wettbewerbswidrig

BGH
Urteil vom 08.01.2015
I ZR 123/13
Abgabe ohne Rezept


Der BGH hat entschieden, dass die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente durch einen Apotheker ohne Vorlage eines Rezepts wettbewerbswidrig ist.

Die Ausnahmeregelung in § 4 AMVV für Eilfälle ist eng auszulegen und ein Verstoß wettbewerbswidrig. Regelmäßig ist es einem Patienten zuzumuten, einen notärztlichen Dienst zur Ausstellung eines Rezepts aufzusuchen.


Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne Rezept

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments durch einen Apotheker ohne Vorlage eines Rezepts wettbewerbsrechtlich unzulässig ist.

Die Parteien betreiben Apotheken. Der Kläger beanstandet, dass die Beklagte einer Patientin ein verschreibungspflichtiges Medikament ohne ärztliches Rezept ausgehändigt hat. Er sieht hierin einen Verstoß gegen § 48 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG), wonach verschreibungspflichtige Medikamente nicht ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen. Der Kläger hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen. Die Beklagte hat eingewandt, sie habe aufgrund der telefonisch eingeholten Auskunft einer ihr bekannten Ärztin davon ausgehen dürfen, zur Abgabe des Medikaments ohne Vorlage eines Rezepts berechtigt zu sein.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Abmahnkosten stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Beklagte sei zwar nicht zur Abgabe des Arzneimittels ohne Rezept berechtigt gewesen, weil kein dringender Fall im Sinne von § 4 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) vorgelegen habe. Der einmalige Gesetzesverstoß der Beklagten sei aber aufgrund der damaligen besonderen Situation, insbesondere wegen eines geringen Verschuldens der Beklagten, nicht geeignet gewesen, Verbraucherinteressen spürbar zu beeinträchtigen.

Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung der Beklagten nach dem erstinstanzlichen Urteil wiederhergestellt. Die Verschreibungspflicht gemäß § 48 AMG dient dem Schutz der Patienten vor gefährlichen Fehlmedikationen und damit gesundheitlichen Zwecken. Durch Verstöße gegen das Marktverhalten regelnde Vorschriften, die den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung bezwecken, werden die Verbraucherinteressen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets spürbar beeinträchtigt.

Die Beklagte war auch nicht aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls gemäß § 4 AMVV ausnahmsweise zur Abgabe des Arzneimittels ohne Rezept berechtigt. Zwar kann der Apotheker sich grundsätzlich auf eine Entscheidung des Arztes über die Verordnung des verschreibungspflichtigen Medikaments verlassen. Die Ausnahmevorschrift des § 4 AMVV setzt aber eine Therapieentscheidung des behandelnden Arztes aufgrund eigener vorheriger Diagnose voraus. In dringenden Fällen reicht es allerdings aus, wenn der Apotheker über die Verschreibung telefonisch unterrichtet wird. An der erforderlichen Therapieentscheidung fehlt es, wenn ein Apotheker einen Arzt zu einer Verschreibung für einen dem Arzt unbekannten Patienten bewegt. Da zum Zeitpunkt des Besuchs der Apotheke der Beklagten keine akute Gesundheitsgefährdung bestand, war der Patientin auch zuzumuten, den ärztlichen Notdienst im Nachbarort aufzusuchen.

Urteil vom 8. Januar 2015 - I ZR 123/13 - Abgabe ohne Rezept

LG Ravensburg – Urteil vom 15. November 2012 – 7 O 76/11 KfH 1

OLG Stuttgart – Urteil vom 13. Juni 2013 – 2 U 193/12

Karlsruhe, den 8. Januar 2015

§ 4 AMVV lautet:

(1) Erlaubt die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub, kann die verschreibende Person den Apotheker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten. Der Apotheker hat sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit zu verschaffen. Die verschreibende Person hat dem Apotheker die Verschreibung in schriftlicher oder elektronischer Form unverzüglich nachzureichen.


OLG Frankfurt: Keine Rubbellose in der Apotheke - Verstoß gegen Arzneimittelpreisbindung, wenn Kunden für Einlösung von Kassenrezepten Rubellose erhalten

OLG Frankfurt
Urteil vom 10.07.2014
6 U 32/14


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung vorliegt, wenn Kunden für die Einlösung von Kassenrezepten Rubbellose erhalten. Kunden konnten mit den Rubbellosen Einkaufsgutscheine über 1 EURO gewinnen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Aushändigung eines Loses, dessen Gewinn in einem Einkaufsgutschein über 1,- € besteht, anlässlich der Abgabe eines rezeptpflichtigen, preisgebundenen Arzneimittels verstößt gegen § 78 II 2, 3, III 1 AMG, § 3 AMPreisV.

Die genannten Bestimmungen des Arzneimittelpreisrechts sollen die Einhaltung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises sichern, d.h. jeden Preiswettbewerb zwischen Apotheken beim Verkauf preisgebundener Arzneimittel verhindern. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2013, 1264 - RezeptBonus, juris-Tz. 13; GRUR 2010, 1136 - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, juris-Tz. 17 ff.; MPR 2010, 204 - Bonussystem, juris-Tz. 14) liegt ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung daher auch vor, wenn dem Kunden gekoppelt mit dem Erwerb des - zum festgesetzten Preis abgegebenen - Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn - was hier allerdings nicht in Rede steht - der Vorteil auch aus einem anderen Grund, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss, gewährt wird (vgl. BGH - RezeptBonus a.a.O.). Als unzulässige wirtschaftliche Vorteile kommen dabei grundsätzlich auch Prämien oder Gutscheine von geringem Wert in Betracht (im Fall „Bonussystem“ a.a.O. in Höhe von 0,40 €), solange sie nur geeignet sind, den unerwünschten Preiswettbewerb zwischen Apotheken zu beeinflussen, weil der Verbraucher veranlasst werden kann, sich künftig erneut für die Apotheke zu entscheiden, von der er den Vorteil erhalten hat.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung zu bejahen. Der Wert des dem Kunden gewährten Einkaufsgutscheins von 1,- € liegt als solcher über der Grenze, die den Preiswettbewerb beeinflussen kann. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Antragsgegnerin diesen Einkaufsgutschein nicht „offen“, sondern als Gewinn innerhalb eines überreichten „Rubbelloses“ gewährt. Auch wenn der Kunde erst nach dem „Freirubbeln“ des Loses erfährt, dass sein Gewinn in einem Einkaufsgutschein besteht, kann ihn dies veranlassen, sich bei nächster Gelegenheit zur Einlösung eines Rezepts wiederum an die Apotheke der Antragsgegnerin zu wenden, weil er hofft, dass auch der Gewinn des nächsten Loses wiederum in einem solchen Einkaufsgutschein oder in einem sonstigen wirtschaftlichen Vorteil von gleichem Wert besteht. Auf die Frage, wie hoch die Gewinnchance dabei tatsächlich ist, kommt es nicht an. Denn gerade wenn der Kunde bereits einen Einkaufsgutschein gewonnen hat, wird er die - ihm nicht bekannte - Gewinnchance nicht so gering einschätzen, als dass seine künftige Kaufentscheidung davon unbeeinflusst bliebe.

2. In der Verletzung der genannten arzneimittelpreisrechtlichen Bestimmungen liegt zugleich ein unlauteres Verhalten nach § 4 Nr. 11 UWG, da es sich bei diesen Vorschriften um Marktverhaltensregeln handelt (vgl. BGH - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, a.a.O., juris-Tz. 22).

Das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin ist auch im Sinne von § 3 I UWG geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

Bei Anwendung der insoweit anzustellenden allgemeinen Erwägungen ist die Spürbarkeitsgrenze des § 3 I UWG angesichts der bestehenden Nachahmungsgefahr und im Hinblick darauf überschritten, dass wegen der vorgeschriebenen strikten Preisbindung schon geringfügige Durchbrechungen dieses Gebots beträchtliche Auswirkungen auf den Markt haben können (vgl. hierzu die - insoweit auch vom Bundesgerichtshof nicht beanstandeten - Ausführungen des erkennenden Senats in dem der „Bonussystem“-Entscheidung vorausgegangenen Berufungsurteil vom 5.6.2008 - 6 U 118/07, juris-Tz. 22).

b) Allerdings hat der Bundesgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung die Gewährung von Einkaufsgutscheinen im Wert von bis zu 1,-- € deshalb als unterhalb der Spürbarkeitsgrenze des § 3 I UWG liegend angesehen, weil die Gewährung derartiger Vorteile mit § 7 I 1 Nr. 1 Fall 2 HWG a.F. vereinbar war (vgl. BGH - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, a.a.O. juris-Tz. 24; BGH - Bonussystem, a.a.O. juris-Tz. 20, 21; BGH - RezeptBonus, a.a.O., juris-Tz. 20). Dieser besonderen, der Vermeidung von Wertungswidersprüchen dienenden Beurteilung ist jedoch die Grundlage entzogen, nachdem der Gesetzgeber mit der Änderung von § 7 I 1 Nr. 1 HWG in der seit dem 13.8.2013 geltenden Fassung die heilmittelrechtliche Zulässigkeit von Zuwendungen verschärft und im letzten Halbsatz ausdrücklich geregelt hat, dass derartiger Zuwendungen stets unzulässig sind, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten. Diese Gesetzesänderung diente nach der Entwurfsbegründung (Bundestagsdrucksache 17/13770, S. 21) erklärtermaßen dazu, als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Einheitlichkeit der Rechtsordnung wiederherzustellen. Unter diesen Umständen kann auch im vorliegenden Fall die Spürbarkeit im Sinne von § 3 I UWG nicht mehr unter Hinweis auf den Wertungswiderspruch verneint werden, der sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den unterschiedlichen Regelungen im Arzneimittelrecht und im Heilmittelwerberecht in der bis zum 12.8.2013 geltenden Fassung ergab (ebenso LG Berlin, Urteil vom 16.1.2014 - 52 O 272/13, juris-Tz. 72).

Die zur Aufhebung des zuvor bestehenden Wertungswiderspruchs führende Änderung des § 7 I 1 Nr. 1 HWG ist auch mit dem Unionsrecht vereinbar; insbesondere widerspricht sie nicht der Richtlinie 2001/83/EG. Die vorgenommene Verschärfung des Heilmittelwerberechts beschränkt sich - wie bisher bereits die Vorschrift des § 7 I 1 Nr. 2 HWG - auf die Regelung von Sachverhalten, die unter die arzneimittelrechtlichen Preisbestimmungen fallen. Damit fällt diese Änderung von § 7 I 1 Nr. 1 HWG - ebenso wie die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften selbst - unter die Bereichsausnahme des Art. 4 III der Richtlinie (ebenso LG Berlin a.a.O., juris-Tz. 75)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Anspruch auf rechtliches Gehör und fehlende Auseinandersetzung mit Einwänden des Beklagten zur Störerhaftung in Entscheidungsgründen - (vorerst) kein Schadensersatz von 19250 € für 127 Lic

BGH
Beschluss vom 18.04.2013
I ZR 107/12


Der BGH hat eine Entscheidung des OLG Hamburg (Urteil vom 02.05.2012 - 5 U 144/09 ) aufgehoben, in welchem dem Betreiber einer Kochbuchseite Schadensersatz in Höhe 19250 € für 127 Lichtbilder und 2 Kochrezepte zugesprochen war. Der BGH hat die Entscheidung wegen einer Verletzung des Rechts rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) des Beklagten an das OLG Hamburg zurückverwiesen, da nicht alle Einwände der Beklagten zur Störerhaftung und Verantwortlichkeit entsprechend vom OLG Hamburg in den Entscheidungsgründen gewürdigt wurden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Berufungsgericht hat, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 19.250 € für die unberechtigte öffentliche Zugänglichmachung von 127 Lichtbildern und zwei Rezepten der Internetseite "M. Kochbuch" zu.
Die Beklagte zu 1 habe die Dateien mit den Lichtbildern und Rezepten öffentlich zugänglich gemacht, weil sie sich unstreitig auf Internetseiten der Beklagten befunden hätten, über die Suchmaschine Google auffindbar gewesen seien und von Internetnutzern hätten heruntergeladen werden können.
[...]
3. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, weil es entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beklagten übergangen hat.
[...]
c) Der Gehörsverstoß des Berufungsgerichts ist auch entscheidungserheblich. War die Beklagte zu 1 über den Zeugen S. berechtigt, die Rezepte und Lichtbilder auf ihre Internetseite einzustellen, kann eine Urheberrechtsverletzung durch die Beklagten nicht allein damit begründet werden, dass sich die Rezepte auf den Internetseiten der Beklagten zu 1 fanden, über die Suchmaschine Google auffindbar waren und von Internetnutzern heruntergeladen werden konnten. Es ist unaufgeklärt geblieben, wie und warum die Rezepte und Bilder auf den Seiten der Beklagten zu 1 über die Suchmaschine Google
ins allgemein zugängliche Internet gelangten. Die Beklagte zu 1 hatte ausführlich zu den von ihr verwendeten Kontrollmaßnahmen vorgetragen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen unter diesen Umständen nicht aus, um eine Haftung der Beklagten zu 1 als Täter oder Teilnehmer zu begründen.

Ebenso denkbar ist es nach dem Vorbringen der Beklagten, dass die allgemeine Abrufbarkeit der Dateien allein durch einen von der Beklagten zu 1 ungewollten und unbemerkten Vorgang ermöglicht worden ist - etwa dadurch, dass ein Mitarbeiter der Beklagten ein Rezept aus "M. Kochbuch" per E-Mail an einen Dritten verschickt hat, der dieses Rezept dann ins Internet hochgeladen und damit der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat. Der bloße Umstand, dass die fraglichen Dateien öffentlich zugänglich gemacht worden sind, lässt für sich genommen keinen Schluss auf unzureichende Vorsorgemaßnahmen der Beklagten zu 1 zu."

Der BGH hat die Sache an das OLG Hamburg zurückverwiesen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: