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LG Frankfurt: NetzDG nicht anwendbar bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen über Facebook-Messenger zwischen nur zwei Personen

LG Frankfurt
Beschluss vom 30.04.2018
2-03 O 430/17


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass das NetzDG bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen über den Facebook-Messenger zwischen nur zwei Personen keine Anwendung findet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Antrag der Antragstellerin, der darauf gerichtet ist, es der Beteiligten gemäß § 14 Abs. 3 TMG zu gestatten, Auskunft über Bestands- und Verkehrsdaten einzelner Nutzer zu erteilen, war zurückzuweisen.

Es fehlt an einem Anspruch auf Gestattung, denn für die hier streitgegenständliche Nutzung der Dienste der Beteiligten ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 NetzDG ("soziale Netzwerke") nicht eröffnet.

1. Die Antragstellerin stützt sich auf § 14 Abs. 3 TMG, der in seiner Neufassung lautet:

"(3) Der Diensteanbieter darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist."

§ 1 des dort in Bezug genommenen NetzDG lautet:

(1) Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.

(2) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist von den Pflichten nach den §§ 2 und 3 befreit, wenn das soziale Netzwerk im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer hat.

(3) Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/13013, S. 18 f.) führt zum Anwendungsbereich aus:

"Durch das Abstellen auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch sowie die Klarstellung in Satz 3 wird im Gesetzestext deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Anbieter von Plattformen, die darauf angelegt sind, dass nur spezifische Inhalte verbreitet werden, nicht unter die Regelungen des NetzDG fallen. Daher fallen z. B. berufliche Netzwerke, Fachportale, Online-Spiele, Verkaufsplattformen nicht in den Anwendungsbereich.

Durch das Streichen des Wortes "auszutauschen" sowie die Klarstellung in Satz 3 wird im Gesetzestext deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Dienste der Individualkommunikation (z.B. E-Mail- oder Messengerdienste) nicht unter das Gesetz fallen. Dies ergibt sich auch aus dem eingrenzenden Tatbestandsmerkmal des Betreibens von "Plattformen". Denn der Begriff der Plattform verweist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auf Kommunikationsräume, wo sich Kommunikation typischerweise an eine Mehrzahl von Adressaten richtet bzw. zwischen diesen stattfindet."

2. Die Auslegung des Anwendungsbereichs des NetzDG in § 1 Abs. 1 NetzDG ist unklar und daher auslegungsbedürftig.

a. Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich ermitteln, dass das NetzDG bestimmte "Telemediendiensteanbieter" erfassen soll. Es könnte vor diesem Hintergrund bereits fraglich sein, ob das Angebot von Telekommunikationsdiensten, die nach § 1 Abs. 1 S. 1 TMG nicht unter das TMG fallen sollen, überhaupt von der Norm erfasst ist (so Guggenberger, NJW 2017, 2577, 2578). Als solche Telekommunikationsdienste werden nach h.M. auch sogenannte "Over-the-Top"-Dienste wie Messenger (z.B. Skype oder Whatsapp) gezählt (vgl. insoweit OVG Münster, Beschl. v. 26.02.2018 - 13 A 17/16, BeckRS 2018, 3494; VG Köln MMR 2016, 141 [VG Köln 11.11.2015 - 21 K 450/15]; Grünwald/Nüßling, MMR 2016, 91 m.w.N.; Spindler/Schmitz, TMG, 2. Aufl. 2018, § 1 Rn. 26 m.w.N.). Zu beachten ist insoweit jedoch, dass der Gesetzgeber offenkundig davon ausgeht, dass § 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG auch auf Messenger Anwendung finden kann, ansonsten hätte es der Ausnahme in § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG nicht bedurft. Daher dürfte - auch nach dem Schutzzweck von § 14 Abs. 3 TMG - der Anwendungsbereich für diese Norm nach § 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG bestimmt werden und nicht nach § 11 Abs. 3 TMG. Ansonsten ergäbe die Ausnahme von Individualkommunikation keinen Sinn.

b. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist somit, ob die Ausnahme in § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG auch für die hier streitgegenständlichen Nachrichten gilt, ob also der Facebook "Messenger" ein "soziales Netzwerk" (im Sinne einer "Plattform im Internet, die dazu bestimmt ist, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen") ist, oder aber eine "Plattform, die zur Individualkommunikation dient". Nach der Gesetzesbegründung fallen jedenfalls E-Mail(Plattformen) nicht unter das NetzDG.

Das Bundesamt für Justiz hält bei "Messengerdiensten" den Anwendungsbereich nicht für eröffnet (NetzDG-Bußgeldleitinien, 22.03.2018, Anlage B5, S. 3 f.; vgl. auch https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/NetzDG/Fragen/1.html), ohne jedoch auf die hier zwischen den Parteien aufgeworfenen Abgrenzungsfragen einzugehen.

In der Literatur wird diskutiert, ob unter die Ausnahme nach § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG neben E-Mail- auch Messenger-Dienste wie z.B. Skype und Whatsapp fallen. Die Abgrenzung von Massen- und Individualkommunikation sei keinesfalls eindeutig. Einige der Dienste böten nämlich verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten in bzw. mit (großen) Gruppen und damit "Kommunikationsräume" (Spindler/Schmitz-Liesching, a.a.O., § 1 NetzDG Rn. 48; Spindler, K&R 2017, 533, 534; Spindler, GRUR 2018, 365, 367). Teilweise wird vertreten, dass, soweit bei solchen Plattformen eine Unterscheidung sinnvollerweise möglich sei, jedenfalls nur die Komponente der Massenkommunikation dem NetzDG unterfalle (Guggenberger, NJW 2017, 2577, 2578). Demgegenüber wird in der Kritik an der Gesetzesregelung teilweise ganz konkret nicht auf die Plattform an sich, sondern an die jeweilige Kommunikation abgestellt. Große WhatsApp-Gruppen könnten kaum noch als "nicht-öffentlich" bezeichnet werden, während kleine Twittergruppen bzw. "Follower" den sozialen Netzwerken zuzuschlagen sein könnten (Spindler, GRUR 2018, 365, 367; Spindler/Schmitz-Liesching, a.a.O., § 1 NetzDG Rn. 48, 61).

c. Problematisch ist mit Blick auf den Wortlaut der Regelung vorliegend, dass der Gesetzgeber bei der Unterscheidung der sozialen Netzwerke und der Dienste zur Individualkommunikation von "Plattformen" spricht und hierbei davon auszugehen scheint, dass diese Plattformen unproblematisch voneinander zu trennen seien. Dies ist jedoch in der Praxis nicht der Fall. Dies zeigt einerseits die oben angeführte Literatur. Aber auch der hiesige Sachverhalt offenbart, dass die Trennung im Einzelfall kaum möglich ist.

Die Beteiligte zieht sich insoweit darauf zurück, dass ihr "Messenger" eine "separate Plattform" sei. Der Kammer ist jedoch bekannt - und dies ergibt sich auch aus den Hilfestellungen der Beteiligten ("Du kannst Deine Nachrichten auch weiterhin auf der Facebook-Webseite sehen.") -, dass der "Messenger" der Beteiligten auch über die Webseite www.facebook.com genutzt werden kann. Die Funktion der Übersendung von nicht-öffentlichen Nachrichten unter Nutzern der "Plattform Facebook" war bis vor wenigen Jahren vollständig, auch bei der mobilen Nutzung, integriert. Die Beteiligte hat mittlerweile eine Trennung durchgeführt, die nach ihrem Vortrag technisch vollständig sein soll. Da allerdings die Funktionen des "Messenger" auch über die Webseite www.facebook.com genutzt werden können, ist jedenfalls insoweit aus Sicht der Nutzer die Messenger-Funktion auch als ein Teil der "Plattform Facebook" anzusehen. Hieraus folgt, dass im hiesigen Fall die "Plattform Facebook" und die "Plattform Individualkommunikation" gerade nicht trennscharf unterschieden werden können. Dies untermauert auch die Beteiligte, indem sie u.a. den "Messenger" als "Teil des Facebook-Benutzererlebnisses" bezeichnet, während sie andere ihrer Dienste als "unabhängigere Erlebnisse" ansieht (s. https://de-de.facebook.com/help/1561485474074139). Eine "Plattform" im Sinne des NetzDG kann daher sowohl der Definition des "sozialen Netzwerks" unterfallen, weil dort Inhalte mit anderen Nutzern geteilt werden können, als auch gleichzeitig und bestimmungsgemäß Indivualkommunikation ermöglichen. Dementsprechend ist die Bestimmung des Anwendungsbereichs über den Wortlaut "Plattform" in § 1 Abs. 1 S. 1 und 3 NetzDG nicht hilfreich.

d. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Anwendungsbereich in § 1 Abs. 1 NetzDG im Wege einer "Regel/Ausnahme"-Regelung definiert wird. Um dem Ziel des Gesetzes, einer wirksamen Bekämpfung von persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten, zu genügen, ist daher nach der Gesetzessystematik der Anwendungsbereich des "sozialen Netzwerks" nach § 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG eher weit, die Ausnahme nach § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG tendenziell eher eng zu fassen.

e. Nach Auffassung der Kammer sollen - unter Berücksichtigung der oben dargestellten Gesichtspunkte sowie Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte der Regelung - durch das NetzDG jedenfalls Tathandlungen wie hier, die nicht öffentlich erfolgt sind, vom Anwendungsbereich des NetzDG nicht erfasst sein. Dies ergibt sich zum einen (indiziell) aus dem Wortlaut, der "Plattformen, die zur Individualkommunikation bestimmt sind", ausnehmen soll. Aus der Gesetzesbegründung des NetzDG und der Gesetzgebungshistorie ergibt sich weiter, dass nur "Kommunikation, [die sich] typischerweise an eine Mehrzahl von Adressaten richtet bzw. zwischen diesen stattfindet" nicht in den Anwendungsbereich fallen soll.

Nach der Gesetzesbegründung war Anlass für die Schaffung des NetzDG u.a. eine "Veränderung des gesellschaftlichen Diskurses im Netz und insbesondere in den sozialen Netzwerken" (BT-Drs. 18/12356, S. 11). Die Debattenkultur im Netz sei oft aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt. Hassrede und rassistische Hetze könnten jede und jeden aufgrund der Meinung, Hautfarbe oder Herkunft, der Religion, des Geschlechts oder der Sexualität diffamieren. Auch "Fake News" sollten bekämpft werden können (BT-Drs. 18/12356, S. 11). Hiervon erfasst sein sollten sowohl der "Austausch von Inhalten mit anderen Nutzern in einer geschlossenen Netzgemeinschaft ("gated community") als auch die Verbreitung von Inhalten in der Öffentlichkeit" (BT-Drs. 18/12356, S. 12).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass das NetzDG auch und insbesondere geschaffen wurde, um Inhalte "löschen" zu können, in der Regel binnen 24 Stunden (BT-Drs. 18/12356, S. 12). Auch dies spricht dafür, dass es sich bei den betroffenen, zu löschenden Nachrichten um solche handelt, die an eine bestimmte Öffentlichkeit gerichtet sind. Denn jedenfalls Nachrichten, die nur zwischen zwei Personen im Wege der "Individualkommunikation" ausgetauscht werden, können in der Regel auch vom Empfänger gelöscht werden. Von ihnen geht anschließend - über den ursprünglichen Gehalt hinaus - keine weitere persönlichkeitsrechtsverletzende Wirkung aus. Anders ist dies bei Nachrichten, die vom Betroffenen nicht gelöscht werden können, so dass sich die Persönlichkeitsrechtsverletzung perpetuiert. Nur für diese besteht daher ein Bedarf an der Löschung.

f. Im vorliegenden Fall geht es um Rechtsverletzungen, die jeweils durch den "Messenger" der Beteiligten nur zwischen jeweils zwei Personen begangen wurden. Eine über dieses Verhältnis von Sender und Empfänger hinausgehende Wirkung, die eine "Öffentlichkeit" im oben dargestellten Sinn begründen würde, ist nicht erkennbar. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin an der jeweiligen Individualkommunikation nicht beteiligt war.

Die Kammer verkennt insoweit nicht, dass die hier verfahrensgegenständlichen Nachrichten durchaus die übrigen Voraussetzungen insbesondere von § 1 Abs. 3 NetzDG i.V.m. den dort in Bezug genommenen Strafvorschriften erfüllen können und daher eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Antragstellerin außer Frage stehen dürfte. Es besteht vor diesem Hintergrund für die Antragstellerin durchaus der Bedarf, die Identität der Absender der Nachrichten ermitteln und so gegen die Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorgehen zu können. Der Gesetzgeber hat sich jedoch offenkundig dazu entschieden, dass in Fällen der Individualkommunikation eine Gestattung der Auskunft nicht verlangt werden kann und so die Möglichkeit des privaten Vorgehens gegen solche Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht ermöglicht bzw. nicht erleichtert werden soll. Der durch solche Äußerungen Betroffene wird daher vom Gesetzgeber (weiterhin) allein auf die Verfolgung durch Einschaltung der Strafbehörden verwiesen (vgl. zur Kritik an § 5 Abs. 2 NetzDG, der die Auskunft der Betreiber von sozialen Netzwerken an Strafverfolungsbehörden regelt, Spindler, K&R 2017, 533, 542).

Nach alledem konnte im Ergebnis offenbleiben, ob Messenger-Dienste wie der der Beteiligten generell oder nur im konkreten Einzelfall vom Anwendungsbereich des NetzDG erfasst sind. Denn jedenfalls die hier betroffenen Kommunikationsvorgänge zwischen lediglich zwei Personen unterfallen dem Anwendungsbereich des NetzDG nicht.

g. Auf die weiteren Fragen, insbesondere, ob die Antragstellerin auch Auskunft über Verkehrsdaten verlangen kann (vgl. insoweit § 15 Abs. 5 S. 4 TMG, der u.a. auf § 14 Abs. 3 TMG verweist) oder ob die der Beteiligten von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Informationen hinreichend zur Erteilung der Auskunft sind, kam es nach alledem nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 4 S. 6 TMG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 3 ZPO."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BVerwG: Bundesministerium des Innern kann Internetknotenpunkt-Betreiberin DE-CIX verpflichten bei Fernmeldeüberwachungsmaßnahmen durch BND mitzuwirken

BVerwG
Urteil vom 30.05.2018
6 A 3.16


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Bundesministerium des Innern die Internetknotenpunkt-Betreiberin DE-CIX verpflichten kann, bei strategischer Fernmeldeüberwachungsmaßnahmen durch BND mitzuwirken.

Klage der DE-CIX Management GmbH erfolglos

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in erster und letzter Instanz auf die Klage einer Internetknotenpunkt-Betreiberin (DE-CIX) entschieden, dass das Bundesministerium des Innern (BMI) sie verpflichten kann, bei der Durchführung strategischer Fernmeldeüberwachungsmaßnahmen durch den Bundesnachrichtendienst (BND) mitzuwirken.

Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) ist der BND im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, auf Anordnung des BMI internationale Telekommunikationsbeziehungen, soweit eine gebündelte Übertragung erfolgt, zu überwachen und aufzuzeichnen. Das BMI legt auf Antrag des BND in der Beschränkungsanordnung die für die Überwachung in Betracht kommenden Übertragungswege sowie den höchst zulässigen Anteil der zu überwachenden Übertragungskapazität fest. Für die Durchführung der Überwachungsmaßnahme kann das BMI nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Art. 10-Gesetz geschäftsmäßige Erbringer von Telekommunikationsdiensten durch Anordnung zur Ermöglichung der Überwachung verpflichten. Ob und in welchem Umfang das verpflichtete Unternehmen Vorkehrungen zu treffen hat, richtet sich letztlich nach § 27 Abs. 2 der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV). Danach hat der Verpflichtete dem BND an einem Übergabepunkt im Inland eine vollständige Kopie der Telekommunikation bereitzustellen, die über die in der Anordnung bezeichneten Übertragungswege übertragen wird. Auf der Grundlage der Beschränkungsanordnung wählt der BND gegenüber dem Telekommunikationsdiensteanbieter diejenigen Übertragungswege aus, die überwacht werden sollen.


Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass ihre Verpflichtung zur Mitwirkung an verschiedenen angeordneten Beschränkungsmaßnahmen in den Jahren 2016 und 2017 und die Auswahl der Übertragungswege durch den BND rechtswidrig sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Feststellungsbegehren als unbegründet angesehen. Prüfungsgegenstand sind lediglich die Anordnungen ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung, deren gesetzliche Grundlagen sich als Berufsausübungsregelungen im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG darstellen. Demgegenüber kann die Klägerin keine gerichtliche Überprüfung auch der ihren Verpflichtungen zugrunde liegenden Beschränkungsanordnungen verlangen. Sie kann sich nicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG berufen. Dieses Grundrecht schützt die Vertraulichkeit der Telekommunikationsverkehre. Darauf kann sich jedoch die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vermittlerin von Telekommunikationsverkehren nicht berufen. Sie trifft keine Verantwortung oder Haftung für die Rechtmäßigkeit der Beschränkungsanordnung; diese trifft allein die beklagte Bundesrepublik Deutschland.


Die gegenüber der Klägerin ergangenen Verpflichtungsanordnungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Sie legen insbesondere in noch hinreichend bestimmter Weise die Verpflichtung zur Bereitstellung der Datenströme fest, die über die in der Beschränkungsanordnung aufgeführten Übertragungswege abgewickelt werden. Mit ihren gegen die Beschränkungsanordnung gerichteten Einwendungen kann sie die Rechtmäßigkeit der Verpflichtungsanordnung nicht in Frage stellen. Schließlich genügen die gesetzlichen Grundlagen der Verpflichtungsanordnungen den an Berufsausübungsregelungen nach Art. 12 Abs. 1 GG zu stellenden Anforderungen.

Das Gericht hat des Weiteren festgestellt, dass der BND gegenüber der Klägerin eine Auswahl der tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege im Rahmen der durch die Beschränkungsanordnung gesetzten Vorgaben verbindlich treffen kann.

Urteil vom 30. Mai 2018 - BVerwG 6 A 3.16 -



OLG Köln: Verbreitung der Kohl-Zitate bleibt im Wesentlichen verboten - Textstellen im Buch Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle dürfen nicht veröffentlicht werden

OLG Köln
Urteil vom 29.05.2018
15 U 65/17


Das OLG Köln hat entschieden, dass die Verbreitung der Kohl-Zitate in dem Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" im Wesentlichen verboten bleibt und diese nicht veröffentlicht werden dürfen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Kohl-Zitate bleiben im Wesentlichen verboten

Im Rechtsstreit um das Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" bleiben die vom verstorbenen Altbundeskanzler bzw. dessen Erbin angegriffenen Textstellen im Wesentlichen verboten. Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts bestätigte mit heute verkündetem Urteil in weiten Teilen die vom Landgericht Köln gegenüber den Buchautoren und dem Verlag ausgesprochene Verpflichtung, einzeln bezeichnete Textstellen nicht zu veröffentlichen.

Bei der Unterlassungsverpflichtung unterschied der Senat im rechtlichen Ansatzpunkt zwischen dem Hauptautor des Buches auf der einen Seite und dem Co-Autor und dem Verlag auf der anderen Seite.

Der Hauptautor darf alle 116 angegriffenen Textstellen nicht weiterverbreiten. Das hatte bereits das Landgericht so entschieden. Der Senat führte aus, der Hauptautor sei als "Ghostwriter" des Altbundeskanzlers aus einem Rechtsverhältnis ähnlich dem Auftragsrecht umfassend zur Verschwiegenheit verpflichtet. Grundlage der mehrjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit sei gewesen, dass dem Verstorbenen ein Letztentscheidungsrecht über etwaige Veröffentlichungen zugestanden habe. Nur vor diesem Hintergrund habe er sich gegenüber dem Hauptautor geöffnet und diesem Zugang zu geschützten Unterlagen wie z.B. seiner Stasi-Akte ermöglicht. Das Letztentscheidungsrecht des Verstorbenen sei bei den ersten - in einem anderen Verlag einvernehmlich veröffentlichten - Bänden der Memoiren auch so gelebt worden. Im Kern habe dies auch der Hauptautor so gesehen, wenn er sich selbst als "schreibender Untertan" bezeichnet habe. Spätestens mit Kündigung der Zusammenarbeit durch den Altbundeskanzler im Jahr 2009 sei klar gewesen, dass dieser nicht mit der Veröffentlichung seiner aufgenommenen Äußerungen einverstanden gewesen sei. Die Verschwiegenheitspflicht ende auch nicht mit dem Tod des Erblassers.

Der Co-Autor und der Verlag dürfen wörtliche Zitate, die in 115 angegriffenen Textstellen enthalten sind, nicht weiterverbreiten. Insoweit wurde das landgerichtliche Urteil in geringem Umfang zu Gunsten der Beklagten abgeändert. Zur Begründung führte der Senat aus, dass der Co-Autor und der Verlag mit dem Altbundeskanzler nicht wie der Hauptautor durch eine Vereinbarung verbunden gewesen seien. Sie treffe aber eine Unterlassungspflicht, weil die angegriffenen Zitate das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verletzten.

Acht Zitate seien schon deshalb verboten, weil der Altbundeskanzler ausweislich der Tonbandaufnahmen bzw. der dazu existierenden Transkripte schon während des Gesprächs gesagt habe, dass die entsprechenden Aussagen nicht veröffentlicht werden sollten ("Sperrvermerkszitate"). Hierzugehören beispielsweise im Buch wiedergegebene Aussagen zu Lady Diana, bei denen der Verstorbene unmittelbar vor dem Zitat gesagt habe "Darüber schreiben wir nichts".

41 Zitate seien unzulässig, weil das Zitat unrichtig oder im Buch der Kontext verfälscht worden sei ("Kontextverfälschungen"). Hierzu zähle beispielswese ein Zitat, wonach Margaret Thatcher auf Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs "gern eingeschlafen" sei. Im Kontext des Buches solle das Zitat belegen, dass der Altbundeskanzler die ehemalige britische Regierungschefin als "sonderbares Exemplar" vorgeführt habe. Aus dem Kontext der Tonbandaufnahmen ergebe sich dagegen, dass der Altbundeskanzler ein konkretes Erlebnis geschildert habe, bei dem es durchaus Grund für Müdigkeit gegeben habe und das Verhalten der englischen Premierministerin eher beiläufig erwähnt habe. Auch ein Zitat betreffend die Tischmanieren der amtierenden Bundeskanzlerin sei in einem verfälschten Kontext dargestellt worden. Während die Einbindung des Zitats im Buch nahelege, der Altbundeskanzler wolle die frühere politische Weggefährtin im Rahmen einer Generalabrechnung abqualifizieren ("King Lear aus der Pfalz hält Gerichtstag über seine missratene Brut"), ergebe sich aus dem Gesamtkontext des Transkriptes - Tonbandaufnahmen hierzu wurden nicht vorgelegt -, dass sich die Aussage auf die elementaren Veränderungen bezog, die die Menschen in den neuen Bundesländern gerade und auch im Hinblick auf die Veränderung der Gesellschafts- und Konfessionsstrukur bewältigen mussten. Die Aussage enthalte in der Zielrichtung keinen Vorwurf gegen die amtierende Bundeskanzlerin, sondern vielmehr gegen die Bevölkerung der alten Bundesländer, die für diese Bewältigung der Veränderungen kein Verständnis aufgebracht hätten.

Weitere 18 Zitate seien unzulässig, weil verschiedene Äußerungen des Altbundeskanzlers, die in unterschiedlichen Kontexten geäußert worden waren, im Buch so aneinandergereiht wurden, dass der unzutreffende Eindruck eines durchgängigen Redeflusses des Verstorbenen entstehe ("Kombizitate"). Beispielsweise seien im Buch zwei nicht zusammenhängende Äußerungen betreffend den ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen innerhalb eines längeren Textes willkürlich kombiniert, ohne dass dies für den Leser erkennbar sei.

Auch die weiteren wörtlichen Zitate seien unzulässig, weil an deren wörtlicher Offenbarung kein überwiegendes Interesse bestanden habe. Dem Co-Autor und dem Verlag sei bekannt gewesen, dass der Hauptautor durch die ungenehmigte Weitergabe der Tonbandaufzeichnungen die ihn treffende Verschwiegenheitsverpflichtung gebrochen habe. Sie hätten die Umstände gekannt, unter denen die Aufzeichnungen entstanden waren und gewusst, dass sie als reine Stoffsammlung für die Lebenserinnerungen des Altbundeskanzlers dienen sollten. Über die schützenswerten Belange des Altbundeskanzlers hätten sich der Co-Autor und der Verlag indes rücksichtslos hinweggesetzt, ohne dass dies durch ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt gewesen wäre. Der im Vorwort des Buches formulierte Wunsch, zu verhindern, dass die zweite Ehefrau des Altbundeskanzlers die von ihr vermeintlich beanspruchte Deutungshoheit über dessen Leben und politisches Wirken erhalte, rechtfertige nicht, dessen wörtliche Äußerungen gegen seinen ausdrücklichen Willen an die Öffentlichkeit zu bringen.

Der Senat führte weiter aus, dass das Landgericht zum damaligen Zeitpunkt - zu Lebzeiten des Altbundeskanzlers - zu Recht die angegriffenen Äußerungen vollumfänglich untersagt habe. Im Berufungsverfahren habe sich die Rechtslage insoweit geändert, als durch den Tod des Altbundeskanzlers dieser in Gestalt des sog. postmortalen Persönlichkeitsrechts nur noch einen schwächeren Schutz genieße als der lebende Mensch. Daher blieben bei 115 der angegriffenen Textstellen nur noch die darin enthaltenen wörtlichen Äußerungen verboten. Zitate seien eine besonders scharfe Waffe im politischen und gesellschaftlichen Meinungskampf, da der Zitierte als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt werde. Dies sei auch bei einem Verstorbenen der Fall, weil dessen Lebensbild ohne eine ausreichende Möglichkeit der Gegenwehr den entsprechenden Auswirkungen in der öffentlichen Meinungsbildung ausgesetzt sei. Eine der Textstellen enthalte kein wörtliches Zitat und sei daher nicht zu untersagen.

Der Senat hat die Revision für den Co-Autor und den Verlag zugelassen, da die Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsschutzes bei ungenehmigter Veröffentlichung wörtlicher Zitate von Tonbandaufzeichnungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher noch nicht geklärt sei. Hinsichtlich der Verurteilung des Hauptautors ist die Revision nicht zugelassen worden, da es sich um eine Frage der Vertragsauslegung im Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung handelt.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 29.05.2018 - Az. 15 U 65/17 -
Urteil des Landgerichts Köln vom 27.04.2017 - Az. 14 O 261/16 -

OLG Köln: Keine Geldentschädigung für Erbin von Helmut Kohl für Kohl-Protokolle - Geldentschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht vererblich

OLG Köln
Urteil vom 29.05.2018
15 U 64/17


Das OLG Köln hat entschieden, dass die Erbin von Helmut Kohl für die Kohl-Protokolle keine Geldentschädigung erhält. Geldentschädigungen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind grundsätzlich nicht vererblich. Vielmehr ist dazu eine rechtskräftige Zuerkennung der Geldentschädigung erforderlich.

Die Pressemitteilung des OLG Köln:
Erbin von Dr. Helmut Kohl erhält keine Geldentschädigung - Anspruch durch Tod des Altbundeskanzlers erloschen

Im Rechtsstreit um das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ erhält seine Erbin keine Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen. Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts änderte mit heute verkündetem Urteil eine zusprechende Entscheidung des Landgerichts Köln ab, weil der Altbundeskanzler im Laufe des Berufungsverfahrens
verstorben ist.

Zur Begründung nahm der Senat auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2017 Bezug, nach der ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung grundsätzlich nicht vererblich sei, auch wenn der Geschädigte erst während des Rechtsstreits versterbe. Tragender Gesichtspunkt dieser Rechtsprechung sei, dass beim Geldentschädigungsanspruch der Genugtuungsgedanke gegenüber dem Präventionsgedanken im Vordergrund stehe. Mit
dem Tod des Verletzten verliere die bezweckte Genugtuung an Bedeutung. Vererblich sei die Rechtsposition erst mit rechtskräftiger Zuerkennung der Geldentschädigung.

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat als Vorfrage untersucht, ob die Verletzungshandlungen ihrer Schwere nach geeignet gewesen wären, für eine lebende Person einen Geldentschädigungsanspruch zu begründen. Der Senat hat ausgeführt, dass die Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Grundsatz geeignet gewesen seien, einen Anspruch auf
eine Geldentschädigung zu begründen. Die Fülle der Fehlzitate und Kontextverfälschungen habe jedenfalls wegen der schieren Masse der Verfälschungen und der groben Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten in diesem Punkt ausgerechnet bei einem mit der besonderen Authentizität werbenden Buch eine geldentschädigungswürdige Schwere und Tiefe der Verletzung erreicht. Es könne aber dahinstehen, ob die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs auf Geldentschädigung vorgelegen hätten und welche Höhe einer Geldentschädigung zu Lebzeiten angemessen gewesen wäre. Durch den Tod des Altbundeskanzlers nach Erlass des nicht rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Urteils sei der nicht
vererbliche Anspruch erloschen.

Der Senat hat außerdem geprüft, ob der vorliegende Fall eine Ausnahme von den durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen der Nichtvererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs rechtfertige. Dies hat er im Ergebnis verneint. Mögliche Ausnahmefallgruppen seien nicht einschlägig wie etwa eine bewusste Prozessverzögerung mit dem Ziel einer Verschleppung einer rechtskräftigen Entscheidung oder eine Berichterstattung zu einem Zeitpunkt, bei dem ein baldiges Ableben des Betroffenen zu erwarten sei („Kalkül mit dem Tod“). Auch sonst sei aus verfassungsrechtlichen Überlegungen eine Vererblichkeit der Geldentschädigung vor rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits nicht geboten.
Der Kern der Menschenwürde des Verstorbenen sei durch die Publikation nicht so schwer verletzt und sein Lebensbild nicht so grob verfälscht, dass ausnahmsweise eine Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs anzunehmen sei.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die möglichen Ausnahmefallgruppen für eine ausnahmsweise anzunehmende Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen noch zu Lebzeiten erfolgter schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzungen von grundlegender Bedeutung und höchstrichterlich noch ungeklärt sind.
Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 29.05.2018 – Az. 15 U 64/17
Urteil des Landgerichts Köln vom 27.04.2017 – Az. 14 O 323/15 -


OLG Köln: Autor des Buches Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle muss Erbin Auskunft über Anzahl und Verbleib von Kopien der Originaltonbänder erteilen

OLG Köln
Urteil vom 29.05.2018
15 U 66/17


Das OLG Köln hat entschieden, dass der Autor des Buches "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" der Erbin Auskunft über Anzahl und Verbleib von Kopien der Originaltonbänder erteilen muss.

Die Pressemitteilung des OLG Köln:

Tonbandaufnahmen von Dr. Helmut Kohl: Autor muss Auskunft über Anzahl und Verbleib der Tonbandkopien geben

Im Rechtsstreit um das Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" muss der Hauptautor des Buches der Erbin des Altbundeskanzlers Auskunft über Anzahl und Verbleib von Kopien der Originaltonbänder erteilen. Weitere Auskunftsansprüche sind verjährt. Dies entschied der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts mit heute verkündetem Urteil. Der Senat änderte insoweit eine Entscheidung des Landgerichts Köln in einem Teilbereich zu Gunsten des Beklagten ab und wies im Übrigen die Berufungen beider Seiten zurück.

Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Altbundeskanzler waren jedenfalls in der Zeit von 1999 bis 2002 an über 100 Tagen während über 600 Stunden 200 Tonbänder aufgezeichnet worden. Der Verstorbene sprach sehr ausführlich sein gesamtes Leben auf Band, insbesondere aus den 16 Jahren, in denen er das Amt des Bundeskanzlers ausgeübt hatte. Der Beklagte nahm die Originaltonbänder zur Vorbereitung von geplanten Buchveröffentlichungen jeweils mit nach Hause und ließ die auf Tonband aufgezeichneten Gespräche in Form von Transkripten niederschreiben.

Unter Verwendung dieser Informationen erschienen im Einvernehmen der Beteiligten u.a. mehrere Bände der Memoiren des Verstorbenen. Nach dem Zerwürfnis der Parteien wurde der Beklagte mit durch Entscheidung des Bundesgerichtshofes bestätigtem Urteil zur Herausgabe der Originaltonbänder verurteilt. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung gab der Beklagte im März 2014 insgesamt 200 Tonbänder an den beauftragten Gerichtsvollzieher heraus, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob und - wenn ja, aus welchem Grunde - auf ca. 4/5 dieser Originaltonbänder die Stimme des Verstorbenen nicht mehr zu hören ist. Im Oktober 2014 erschien das streitgegenständliche Buch. Im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bucherscheinung erklärte der Beklagte öffentlich, dass es "jede Menge Kopien" der Tonbänder gebe, die "verstreut in deutschen Landen und auch im Ausland" seien.

Der Senat bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, dass der Beklagte der Erbin des Verstorbenen Auskunft darüber zu erteilen hat, in welchem Umfang er die Originaltonbandaufnahmen in digitaler oder sonstiger Form vervielfältigt hat und deren Verbleib anzugeben hat. Dies ergebe sich aus der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung ähnlich dem Auftragsrecht. Danach sei der Beklagte wie ein Beauftragter verpflichtet, dem Auftraggeber Auskunft zu erteilen und nach Ausführung des Auftrags Rechenschaft zu abzulegen.

Soweit die Klägerin auch Auskunft über Art und Weise der Vervielfältigung der Originaltonbänder in schriftlicher Form (Transkripte) beantragt hat, hat der Senat die Klage - anders als das Landgericht - wegen Verjährung abgewiesen. Dieser Anspruch sei spätestens im Jahr 2010 entstanden und die dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen gewesen, als der Verstorbene im September 2014 Klage bei Gericht erhoben hatte.

Ebenfalls verjährt sei der Anspruch auf Auskunft über die Frage, welche weiteren Unterlagen der Beklagte aus der Zuarbeit für den Erblasser im Rahmen der Erstellung der Memoiren in seinem Besitz habe. Der Erblasser habe aus der Zusammenarbeit mit dem Beklagten in den Jahren 1999 bis 2009 gewusst, dass dieser im Rahmen der Stoffsammlung umfangreiche Einsicht in Unterlagen über ihn gehabt habe. Dem Verstorbenen müsse daher auch bewusst gewesen sein, dass der Beklagte nach Aufkündigung der Zusammenarbeit möglicherweise weiterhin im Besitz solcher Unterlagen gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus der Korrespondenz der Parteien. Der im Jahr 2016 erstmals gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Auskunft hinsichtlich weiterer Unterlagen sei daher verjährt.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil keine höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfragen grundsätzlicher Natur zur Entscheidung anstanden, die über den konkreten Einzelfall von Interesse sein könnten.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 29.05.2018 - Az. 15 U 66/17 -
Urteil des Landgerichts Köln vom 27.04.2017 - Az. 14 O 286/14 -




OLG Frankfurt: Falsche Angabe des Künstlers einer Tuschezeichnung in Katalogbeschreibung rechtfertigt Rücktritt vom Kaufvertrag

OLG Frankfurt
Urteil vom 03.05.2018
19 U 188/15

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass falsche Angabe des Künstlers einer Tuschezeichnung in der Katalogbeschreibung einen Gewährleistungsfall darstellt und den Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Zu Unrecht hat das Landgericht einen dem Kläger gemäß § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1 S. 2, 326 Abs. 5 BGB zustehenden Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der streitgegenständlichen Zeichnung verneint.

a) Die Zeichnung, die der Kläger aufgrund Kaufvertrags mit der Beklagten im Sommer 2008 erwarb und am 19.10.2008 übergeben erhielt, ist mangelhaft, weil sie entgegen der Katalogbeschreibung der Beklagten nicht der Hand Carl Philipp Fohrs zuzuschreiben ist.

aa) Ob die Klausel

Die Katalogbeschreibungen erfolgten nach bestem Wissen und Gewissen, sie sind keine Garantien im Rechtssinne.

trotz § 305c BGB überhaupt Vertragsbestandteil geworden ist, ihr angesichts der für die streitgegenständliche Zeichnung konkret verwendeten Katalogbeschreibung

Vgl. Carl Rottmann, Ausst.-Kat. Museum2 Stadt1, 1997/98, S. 12, Abb. 3 (dort fälschlich Carl Rottmann zugeschrieben).

der Vorrang der Individualabrede entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.1980, VIII ZR 26/79, Rn. 24 - hier wie im Folgenden zitiert nach juris), sie lediglich eine Garantie im Sinne von § 443 BGB ausschließen soll oder auch eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB und sie einer hiernach ggf. greifenden Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhielte, kann auf sich beruhen. Denn jedenfalls nicht berührt werden von der Klausel die Anforderungen an eine nicht vereinbarte Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Das gilt bereits aufgrund des Wortlauts der Klausel, der für einen gegenteiligen Erklärungswillen der Beklagten keinen Anhalt gibt, jedenfalls aber aufgrund des aus § 305c Abs. 2 BGB folgenden Gebots kundenfreundlichster Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2013, VIII ZR 224/12, Rn. 14).

bb) Die Echtheit eines Kunstwerks im Sinne seiner Herkunft aus der Hand eines konkreten Künstlers bestimmt maßgeblich die Eignung eines Kunstwerks als Sammlerstück und Wertanlage (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2013, VIII ZR 224/12, Rn. 13, vom 13.02.1980, VIII ZR 26/79, Rn. 29, und vom 15.01.1975, VIII ZR 80/73, Rn. 13) und bildet daher regelmäßig dessen zentrale Eigenschaft für seine - im Rahmen eines Kaufvertrags der hier vorliegenden Art sowohl vorausgesetzte wie gewöhnliche - Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 BGB).

Dieser rechtlichen Beurteilung steht nicht entgegen, dass es sich bei der vorliegenden Zeichnung um ein innerhalb der Fachwelt längere Zeit streitig zugeordnetes Kunstwerk handelt und gar nur einer bestimmten Stilepoche oder Malerklasse statt einem konkreten Künstler zuzurechnen wäre. Denn die seitens der Beklagten verwendete Katalogbeschreibung übt sich gerade nicht in Zurückhaltung der vorgenannten Art, sondern benennt einen konkreten Künstler und bezeichnet die alternativ in Betracht gezogene Urheberschaft Carl Rottmanns ausdrücklich als "fälschlich [...] zugeschrieben".

cc) Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur freien Überzeugung des Senats fest (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass "Bildtitel1" nicht der Hand Carl Philipp Fohrs entstammt.

Die richterliche Überzeugung erfordert auch im hier eröffneten Anwendungsbereich des § 286 ZPO keine - ohnehin nicht erreichbare - absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit, auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.10.2017, VIII ZR 32/16, Rn. 14; Zöller-Greger, 32. Aufl. 2018, § 286 Rz. 19). Unter Anlegung dieses Maßstabs besteht für den Senat kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Zuordnung des Werks zu Carl Philipp Fohr unrichtig ist.

(1) Der Sachverständige schließt sich hinsichtlich der Einordnung der Zeichnung als stilistische Spätform - nämlich als ein eher in die 1790er Jahre zu datierendes, von einem empfindsamen ausklingenden Hollandismus im Sinne des endenden deutschen Louis-Seize-Stils bestimmtes Blatt -, die der Schülerschaft von (sehr) jungen Nachwuchskräften bei Friedrich Rottmann entstammt, der aus seiner Sicht plausiblen Einschätzung anderen Experten - namentlich SV4, SV5, SV2 und SV1 - an (Bl. 436 d.A.). Hiermit stimme auch die auf der Zeichnung aufgebrachte Datierung "1812" überein (Bl. 435, 534 d.A.), die sich materialorientiert jedenfalls insoweit bestätigen ließe, als das verwendete Velinpapier in Deutschland erstmals 1783 Verwendung gefunden habe und zu Beginn des 19. Jahrhunderts dann von mehr Firmen produziert worden sei; darüber hinaus sei die Datierung "1812" unter Verwendung derselben Rußtusche geschrieben worden, die auch für die Zeichnung verwendet worden sei (Bl. 435 d.A.).

Eine nachvollziehbare Übereinstimmung mit dem Jugendwerk Carl Philipp Fohrs vermochte der Sachverständige demgegenüber in stilistischer Hinsicht überzeugend nicht zu erkennen. Für Fohr sei es kennzeichnend, dass er die überkommene akademische Zeichenweise origineller, differenzierter und innovativer, ästhetisch "sperriger" weiterentwickelt habe, so dass in grundlegender Weise typisch für ihn - auf die aus seiner Sicht prägnante Ausdrucksweise SV2s zurückgreifend - ein "Detailreichtum" sei, das auf einer "höchst variablen Linienführung" beruhe, im Unterschied zur "durchgehenden Schraffurtechnik" Carl Rottmanns. Auch bei der vorliegenden Zeichnung sei aber eine bloße Homogenität der Strichführung augenfällig, die gerade nicht vergleichbar mit Fohrs "höchst sensibler, ungemein detailreicher, mit feinsten Mischungen der Tusche arbeitenden Zeichenweise" sei, die bei seinen frühen Zeichnungen generell zu erkennen sei (Bl. 436 f. d.A.).

Bei der Zeichnung handele es sich, wie aus der Zeichenweise folge, auch nicht um eine Kopie, sondern um eine Originalzeichnung, bei der der Künstler zunächst eine freie Vorzeichnung in Graphitstift vorgenommen und darüber, vergleichbar flüssig, in grauschwarzer Tusche mit Feder die Zeichnung ausgeführt habe - wobei im Vergleich von Vorzeichnung und Überzeichnung auch von ein und demselben Künstler auszugehen sei (Bl. 435 d.A.).

Die gegen diese fundierte und wenngleich eher knapp, so doch prägnant und anhand gezielter Details begründete, insgesamt überzeugende Einschätzung vorgebrachten Einwände der Beklagten hat der Sachverständige stichhaltig zu entkräften vermocht. Insbesondere hat er zunächst die Kürze seiner stilistischen Einschätzung erläutert, die zum einen seinem Verweis auf die grundlegenden Beschreibungen durch SV2 geschuldet war, nicht zuletzt aber auch dem Umstand, dass "Kennerschaft bei Zuschreibungsfragen der vorliegenden Art sprachlich diffizil zu formulieren" und für Außenstehende - wie Juristen - oft schwierig in "Argumentationsketten zu übersetzen" seien. Wenn die Beklagte daher meint, dass nach wie vor "das sprachliche Feuerwerk" des Sachverständigen nicht von einer "Stellungnahme zur eigentlichen Sachfrage begleitet" werde, geht dies an der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den jeweiligen Stilbeschreibungen zu Fohr und Rottmann auf der Grundlage einer Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Zeichnung und der hierbei festzustellenden Zeichenweise durch das kunsthistorisch geschulte Auge des Sachverständigen vorbei.

Soweit die Beklagte auf ein von ihr eingeholtes Schriftgutachten (Bl. 487 ff. d.A.) verweist, wies der Sachverständige zutreffend darauf hin, dass der auf der Zeichnung befindliche Text "Bildtitel1. September 1812." ausweislich des Privatgutachtens zum einen schon gar nicht sicher Carl Philipp Fohr zuzuordnen sei, zum anderen aber auch ergänzend bemerkt, dass derartige Beschriftungen gar nicht stets durch den Urheber der jeweiligen Zeichnung erfolgt seien (Bl. 535 d.A.), weshalb für den Senat weder Existenz noch Inexistenz einer solchen Beschriftung höherer auch nur indizieller Beweiswert zukommt, der innerhalb der Beweiswürdigung gegenüber dem Zeichenstil durchgreifende Bedeutung beigemessen werden könnte.

Auch die weiteren, gegen die Sachkunde des Sachverständigen gerichteten Einwände greifen nicht durch. Wie durch diesen ergänzend dargelegt und von der Berufung im Nachgang hierzu auch nicht weiter angegriffen, wurde seine online erhältliche Publikationsliste seit einigen Jahren nicht mehr aktualisiert. Tatsächlich umfassten die Graphischen Sammlungen der ...stiftung Stadt3, die der Sachverständige betreue, aber auch Werke Stadt1 Romantiker und spezifisch auch solche von Carl Philipp Fohr, weshalb der Sachverständige zum stilkritischen Vergleich vor Ort auf altbekannte Bestände habe zurückgreifen können, die er entgegen den Einwänden der Beklagten nicht vollständig im Einzelnen aufzuführen hatte. Auf dieser Grundlage habe er überdies auch, unter Angabe der Fundstelle näher dargelegt, konkret zu Carl Philipp Fohr publiziert (Bl. 534 d.A., Bl. 555 d.A.).

(2) Es kommt hinzu, dass es sich bei der Beurteilung durch den Sachverständigen, was ihre Überzeugungskraft eigenständig stützt, auch nicht etwa um eine singuläre Einschätzung handelt, der maßgebliche Forschung entgegenstünde, und die daher noch ausführlicherer Begründung bedürfte. Vielmehr verweist der Sachverständige im Gegenteil nachvollziehbar auf andere Stimmen der Fachliteratur, die seine Einschätzung sowohl im Hinblick auf das generelle stilistische Verhältnis Fohr - Rottmann teilen, wie auch im Hinblick auf die konkrete Herkunftszuordnung der "Bildtitel1".

So beschrieb in einem 1998 publizierten Beitrag (Bl. 38 ff. d.A.) SV2 die Zeichenweise Rottmanns als stark von der Fohrs beeinflusst, wie u.a. die Zeichnung "Bildtitel1" zeige - die bei SV2 als Abbildung 3 mit "Carl Rottmann, Bildtitel1, 1812" beschrieben wird (Bl. 40 f. d.A.). SV2 bezieht sich im Zusammenhang hiermit auf einen Beitrag SV5s, die - hinsichtlich einer anderen Zeichnung, jedoch übereinstimmend mit der vergleichenden Kennzeichnung des stilistischen Vermögens beider Künstler durch SV2 - von 'gewissen Schwächen gegenüber der Fohr-Zeichnung' sprach, aufgrund derer sie vermutetet, dass es sich bei dieser anderen Zeichnung "um eine Kopie Rottmanns nach Fohr" handele (Bl. 41 d.A.). Konkret wiederum bezogen auf die "Bildtitel1" macht SV2 dann "eine gröbere, ungelenkere und damit frühere zeichnerische Stufe" noch innerhalb des Jugendwerks Rottmanns selbst aus (Bl. 42 d.A.). Dieses Gefälle im künstlerischen Vermögen beider Maler weiterhin betonend, bewertet SV2 denn auch die weitere Entwicklung in Rottmans Werk als eine Umdeutung von 'Fohrs höchst sensibler, ungemein detailreicher, mit feinsten Mischungen der Tusche arbeitenden Zeichenweise', bei der "Fohrs Detailreichtum" verloren gehe (Bl. 43 d.A.).

Nicht anders als SV2 beschrieb dann auch SV1 in einem 2001 erschienen Beitrag (Bl. 19 ff. d.A.) Fohr als den begabteren der beiden Künstler, an dem sich Rottmann orientierte, dessen Strichbild gegenüber dem lebendigen Strichbild bei Fohr geradezu schematisch und starr anmute, während Fohr über eine differenzierte, in Richtung und Stärke wechselnde Federführung verfüge, die in einzelnen Motiven lebhaftes Licht- und Schattenspiel entstehen lasse, wo Rottmann mit schematisch fortfahrender Schraffur arbeite. Was die Einordnung konkret des streitgegenständlichen Werks betrifft, ist zwischen den Parteien darüber hinaus unstreitig, dass es schließlich auch durch SV1 Fohr zugeordnet wurde, auch wenn SV1 seine Einschätzung nicht publiziert, sondern schriftlich nur durch Schreiben an den Kläger vom 27.06.2015 (Bl. 208 f. d.A.) geäußert hat, dies jedoch eigenen Angaben zufolge als Ergebnis intensiver Diskussionen mit SV2 bereits 1998, nachdem SV1 zunächst - etwa 1995 - mündlich einen anderen Standpunkt vertreten hatte. Übereinstimmend hiermit gelangte schließlich denn auch SV6 zu der Einschätzung, dass es sich bei der "Bildtitel1" nicht um ein Werk Fohrs handelte.

Weshalb und auf welcher fachlichen Grundlage abweichend hiervon SV4 die Zuordnung der Zeichnung zu Rottmann bei SV2 für ein Versehen befunden haben soll, erschließt sich dem Senat nicht, muss mangels hierzu vorgetragener Anknüpfungstatsachen sowie des Umstands, dass SV4 verstorben ist, aber auch auf sich beruhen. Soweit die Beklagte darüber hinaus hinsichtlich der Einordnung der "Bildtitel1" als Zeichnung Fohrs auf SV7 verweist, hat der Sachverständige - im Nachgang unwidersprochen - klargestellt, dass die entsprechende Textpassage im Katalog "Natur als Kunst" von 2013 (Bl. 216 d.A.) nicht von SV7, sondern von SV8 stammt, der zwar eine Zuordnung der "Bildtitel1" zu Fohr vornimmt, dies jedoch lediglich auf der Grundlage des Katalogs der Beklagten von 2008.

Bestanden bei dieser Sachlage aber insgesamt keine Zweifel an dem Urteil des Sachverständigen, war weder die Einholung eines ergänzenden oder eines weiteren Gutachtens geboten noch auch nur die mündliche Anhörung des Sachverständigen - die denn auch seitens der Parteien nicht beantragt wurde.

b) Einer Fristsetzung zur ordnungsgemäßen Erfüllung des abgeschlossenen Kaufvertrages bedurfte es nicht, da Übergabe und Übereignung der vorliegenden Zeichnung als einer solchen von Carl Philipp Fohr bereits bei Vertragsschluss unmöglich war, §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB.

c) Einem Rücktritt des Klägers stand eine Verjährung seiner Mängelansprüche nicht entgegen, da sich diese im vorliegenden Fall nach § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB richtet und die deshalb gemäß § 195 BGB drei Jahre betragende Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Schluss des Jahres 2011 zu laufen begann, aufgrund am 19.12.2014 unter Gerichtskostenvorschusszahlung eingereichter, aufgrund Verfügung vom 13.01.2018 am 22.01.2015 und damit "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO zugestellter Klage jedoch in ihrem Ablauf gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt wurde.

aa) Die Beklagte muss sich hinsichtlich der unrichtigen Zuordnung der Zeichnung zu Fohr arglistiges Handeln im Rechtssinne vorhalten lassen (§ 438 Abs. 3 S. 1 BGB), das nicht erst bei betrügerischer Vorgehensweise vorliegt, sondern bereits dann, wenn der Erklärende die Unrichtigkeit seiner Erklärung für möglich hält und an dieser dennoch ohne Anmeldung eines Vorbehalts festhält, die Unrichtigkeit seiner Äußerung mithin billigend in Kauf nimmt.

Zwar handelt mangels Vorsatzes grundsätzlich, wie die Berufung im Ausgangspunkt zutreffend ausführt, nicht arglistig, wer gutgläubig unrichtige Angaben macht, mag auch der gute Glaube auf Fahrlässigkeit oder selbst auf Leichtfertigkeit beruhen. Zur Arglist ist umgekehrt aber auch nicht notwendig das Wissen erforderlich, dass die angegebene Tatsache nicht der Wahrheit entspricht. Arglist ist vielmehr schon dann anzunehmen, wenn der Verkäufer ohne tatsächliche Grundlage unrichtige Angaben über die Mängelfreiheit oder über wesentliche Eigenschaften der Kaufsache macht, die geeignet sind, den Kaufentschluss des Käufers mit zu beeinflussen (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 18.03.1981, VIII ZR 44/80, Rn. 13, vom 27.09.2017, VIII ZR 271/16, Rn. 46, und vom 22.04.2016, 22.04.2016, V ZR 23/15, Rn. 21 f.). Denn in diesem Fall erübrigt sich aus der Sicht des Käufers eine weitere Überprüfung, weil er davon ausgehen darf, dass der Verkäufer seine Erklärungen nicht "ins Blaue hinein" abgibt. Der die Arglist begründende Vorwurf gegenüber dem Verkäufer liegt in einem solchen Fall mithin in dem Umstand, dass der Erklärende, obschon ihm bewusst ist, dass ihm die zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlt, diesen Umstand gleichwohl gegenüber dem anderen Teil verschweigt (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.1981, VIII ZR 44/80, Rn. 14).

Eben dies muss sich die Beklagte entgegenhalten lassen. Ihr Geschäftsführer hat eingeräumt, dass ihm die Zuordnung zu Rottmann durch SV2, wie die Angaben im Verkaufskatalog auch bestätigen, bekannt war. Ebenso war dem Geschäftsführer der Beklagten bekannt, dass es sich bei SV2 um einen Fohr-Experten handelte. Dann aber durfte die Beklagte auf der Grundlage ihres eigenen Vorbringens und der ihr danach zur Verfügung stehenden weiteren (mündlichen) Expertisen dessen Auffassung nicht apodiktisch als falsch darstellen und gegenüber dem Leser ihres Katalogs den hierdurch vermittelten Anspruch erheben, das Werk kraft vorhandener Sachkunde zweifelsfrei Fohr zuschreiben zu können.

Bei den Mitteilungen des für den einreichenden Eigentümer handelnden Kunsthändlers A über die Begutachtung des Blattes durch SV1 und SV2 handelte es sich, wie die Beklagte wusste, um bloße Begutachtungen vom Hörensagen, die von vornherein nur sehr eingeschränkt belastbar waren und von ihr gleichwohl keine adäquaten Überprüfung zugeführt wurden - obschon dies angesichts des danach bestehenden Widerspruchs in der Zuschreibung durch SV2 ersichtlich geboten war. Zugleich sprachen die potentielle Fehlerträchtigkeit einer Weitergabe mündlicher Informationen sowie ein zumindest in Betracht zu ziehendes Eigeninteresse des Eigentümers zusätzlich für die Notwendigkeit einer adäquaten Überprüfung.

Von Relevanz für die Beklagte konnten daher allein ihre eigene Expertise bzw. diejenige der Kunsthistoriker SV4, SV5 und SV7 - mit Rücksicht auf die Ausführungen des Sachverständigen gemeint wohl SV8, mit dem die Beklagte allerdings gesprochen zu haben selbst nicht behauptet - sein, was aber nichts daran ändert, dass rein mündliche Expertisen aus den dargelegten Gründen ersichtlich unzureichende Grundlagen für die Katalogbeschreibung der Beklagten waren, die die Urheberschaft Fohrs demgegenüber aber nicht nur als "möglich" oder "wahrscheinlich" bezeichnete, sondern als völlig fraglos darstellte. Dass es sich bei der publizierten Zuordnung zu Fohr durch SV2 gar um ein unplausibles Fehlurteil handelte, wie die Beklagte mit der SV4 zugeschriebenen Formulierung "Versehen" Glauben machen will, ist gerade nicht ersichtlich; vielmehr bezieht sich auch der Sachverständige weiterhin auf dessen Einschätzungen als bis heute "grundlegend".

Der Senat verkennt bei dieser Beurteilung nicht, dass ein Kunsthändler hinsichtlich der Echtheit der von ihm angebotenen Kunstwerke typischerweise ein erhebliches Risiko trifft, weil er regelmäßig schon angesichts eines häufigen Eigentumswechsels gar nicht in der Lage ist, durch zumutbare eigene Nachforschungen Sicherheit über die Echtheit des Werks zu erlangen (vgl. bereits BGH, Urteil vom 15.01.1975, VIII ZR 80/73, Rn. 15; ferner BGH, Urteil vom 13.02.1980, VIII ZR 26/79, Rn. 20 ff.). Dass weitergehende Nachforschungen auch im vorliegenden nicht zumutbar gewesen seien, behauptet die Beklagte indes selbst nicht; ihr eigenes Verhalten vor Erstellung des Katalogs spricht denn auch dagegen. Entscheidend ist jedoch, dass selbst derjenige, der keine hinlängliche Gewissheit haben kann, eine solche Gewissheit gegenüber seinen Kaufinteressenten auch nicht vorgeben darf. Eben dies hat die Beklagte jedoch mit ihrer apoditkischen Formulierung "dort fälschlich Carl Rottmann zugeschrieben" getan und dies mit ihrem allgemeinen Hinweis, ihre Katalogbeschreibung "nach bestem Wissen und Gewissen" erstellt zu haben, zusätzlich verstärkt.

bb) Begründete Zweifel des Klägers an der Zuordnung zu Fohr erlangte der Kläger frühestens im Dezember 2011 aufgrund der Einschätzung von SV1, das Blatt stamme eher von Rottmann, so dass die Verjährung frühestens mit Ablauf dieses Jahres einsetzte. Eine vorherige Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers ist weder nachvollziehbar vorgetragen noch ersichtlich, weshalb Ansprüche des Klägers zugleich nicht an § 442 Abs. 1 BGB scheitern. Insbesondere musste die Angabe im Verkaufskatalog der Beklagten den Kläger nicht veranlassen, nähere Erkundigungen zur Urheberschaft einzuholen. Denn im Katalog war die Zuschreibung zu Rottmann für einen Leser eindeutig als "fälschlich" deklariert worden.

Erhebliches Fachwissen des Klägers hat die Beklagte zwar behauptet, aber weder substantiiert dargetan noch auch nur konkrete Anknüpfungstatsachen benannt, aufgrund derer der Kläger zu einer vergleichbaren wissenschaftlichen Einschätzung hätten gelangen können bzw. auch nur die Fehlerhaftigkeit der - kunsthistorische Absicherung in Anspruch nehmenden - Katalogbeschreibung hätte erkennen müssen. Die vage gehaltene Formulierung, der Kläger besitze eine 'beachtliche Bibliothek zu Kunstwerken der deutschen Romantik', reduziert sich bei dieser Sachlage auf eine bloße Vermutung 2008 bereits vorhandenen Fachwissens, die zudem allgemein gehalten bleibt und sich nicht auf die konkrete Zeichenweise von Fohr einerseits und Rottmann andererseits bezieht."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Bei Markenrechtsverletzung kein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung nach § 15c MarkenG wenn keine nennenswerte Verletzungshandlung in letzten Jahren

OLG Frankfurt
Urteil vom 15.03.2018
6 U 143/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei einer Markenrechtsverletzung kein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung nach § 15c MarkenG besteht, wenn keine nennenswerte Verletzungshandlung in letzten Jahren erfolgt sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

"6. Ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung (§ 19 c MarkenG) steht der Klägerin ebenfalls nicht zu (Antrag zu VI). Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch dürfen zwar nicht überspannt werden (Senat, GRUR 2014, 296, Rn. 20 - Sportreisen). Das Gericht muss jedoch die Interessen der Parteien umfassend abwägen und prüfen, ob die Veröffentlichung erforderlich und geeignet ist, um einen durch die Kennzeichenverletzung eingetretenen Störungszustand zu beseitigen. Darüber hinaus muss das Ziel berücksichtigt werden, mit einer etwaigen Veröffentlichung potentielle Verletzer abzuschrecken und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und damit der Generalprävention zu dienen (Senat, aaO, Rn. 21). Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte seit 2014 keine rechtsverletzende Ware in größerem Umfang mehr ausliefert. Eine Marktverwirrung dürfte damit Anfang 2018 kaum noch bestehen. Die Beklagte hat zwar nicht mitgeteilt, wann genau sie die Belieferung des Handels mit rechtsverletzender Ware eingestellt hat. Die Klägerin hat jedoch keine weiteren Verletzungsfälle mehr vorgetragen. Es kann damit angenommen werden, dass seit 2014 jedenfalls keine großen Einzelhandelsunternehmen mehr beliefert werden. Auch insoweit war das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Bundesnetzagentur untersagt wegen betrügerischer Ping-Anrufe Rechnungslegung und Inkassierung für Verbindungen zu mehreren weißrussischen Rufnummern

Die Bundesnetzagentur hat wegen betrügerischer Ping-Anrufe die Rechnungslegung und Inkassierung für Verbindungen zu mehreren weißrussischen Rufnummern untersagt. Wer bereits auf einen Ping-Anruf hereingefallen ist, sollte auf keinen Fall zahlen.

Die Pressemitteilung der Bundesnetzagentur

Bundesnetzagentur verfolgt harte Linie gegen Ping-Anrufe

Homann: "Maßnahmen der Bundesnetzagentur sind erfolgreich"

Die Bundesnetzagentur ist erneut gegen Ping-Anrufe vorgegangen und hat die Rechnungslegung und Inkassierung für Verbindungen zu mehreren weißrussischen Rufnummern untersagt.

„Wir gehen weiterhin konsequent gegen Ping-Anrufe vor. Der Schutz der Verbraucher vor telefonischer Belästigung hat für uns Priorität“, erklärt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. „Der deutliche Rückgang der Beschwerden über Ping-Anrufe zeigt, dass unsere Maßnahmen erfolgreich sind. Gerade die Preisansageverpflichtung hat Wirkung gezeigt.“

Rückruf kostet mehrere Euro pro Minute
Ping-Anrufe sind Lockanrufe, die einen kostenpflichtigen Rückruf provozieren wollen.

Wenn Mobilfunkkunden die Nummer zurückrufen, erreichen sie häufig Bandansagen, die mehrere Euro pro Minute kosten. Die Bandansagen reichen von unverständlichen Ansagen in ausländischer Sprache bis hin zu Gewinnspielen, Erotikansagen oder angeblichen Paketzustellungen.

Ziel der Betrüger ist es, dass die Anrufer möglichst lange in der Leitung bleiben. Die Verursacher profitieren von den generierten Verbindungsentgelten.
Knapp 300 Verbraucher hatten sich bei der Bundesnetzagentur über die Anrufe beschwert.

Verbot der Rechnungslegung und Inkassierung
Die Bundesnetzagentur hat zu den weißrussischen Rufnummern verfügt, dass Mobilfunknetzbetreiber Verbrauchern die Kosten, die durch die Anwahl dieser Rufnummern entstanden sind, nicht mehr in Rechnung stellen dürfen.

Falls Verbraucher bereits Rechnungen erhalten haben, dürfen die Netzbetreiber diese Forderungen nicht mehr eintreiben. Haben Verbraucher bereits Rechnungen bezahlt, sollten sie mit Unterstützung der Verbraucherzentralen versuchen, das Geld zurückzufordern.

Durch das Verbot der Abrechnung dieser Verbindungen wird das rechtswidrige Geschäftsmodell der Täter wirtschaftlich unattraktiv.

Weißrussische Nummern ähneln lokaler Vorwahl in Sachsen
Die weißrussischen Nummern haben Ähnlichkeit mit Vorwahlen in Sachsen. Die Mobilfunkkunden gehen davon aus, dass sie einen Anruf von einer deutschen Ortsnetzrufnummer erhalten haben und rufen zurück.
Die Vorwahl von Weißrussland ähnelt der deutschen Vorwahl 0375. Unter der Vorwahl 0375 sind die Städte Lichtentanne, Sachs, Oelsnitz/Erzgebirge, Steinpleis, Stenn, Wilkau-Haßlau und Zwickau erreichbar.

Beschwerdeentwicklung und Maßnahmen
Erreichten die Bundesnetzagentur in den Monaten Oktober bis Dezember 2017 noch 61.000 Beschwerden, sind die Beschwerden in der Zwischenzeit deutlich zurückgegangen. Knapp 8.000 Beschwerden sind von Januar bis Ende April 2018 eingegangen.

Die Bundesnetzagentur hatte angeordnet, dass in Mobilfunknetzen eine kostenlose Preisansage für bestimmte internationale Vorwahlen geschaltet werden muss. Der Anrufer erfährt so zu Beginn des Telefonats, dass er eine hochpreisige ausländische Rufnummer anwählen wird.

Unabhängig davon rät die Bundesnetzagentur Verbrauchern davon ab, ausländische Rufnummern zurückzurufen, wenn kein Anruf aus den entsprechenden Ländern erwartet wird.

Vorfälle bei der Bundesnetzagentur melden

Einen Überblick über Rufnummern, deren Abschaltung von der Bundesnetzagentur angehordnet wurden, finden Sie unter www.bundesnetzagentur.de/massnahmenliste.

Verbraucher, die ebenfalls von Ping-Anrufen betroffen sind, können sich unter www.bundesnetzagentur.de/rufnummernmissbrauch bei der Bundesnetzagentur melden.


Abmahnung DSGVO - Rechtsanwalt Marcus Beckmann im Online-Artikel der Internet World Business - DSGVO: Das große Chaos beginnt

Im Rahmen des Online-Beitrags DSGVO: Das große Chaos beginnt der Internet World Business von Frank Kemper erschienen einige Statements von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zur Datenschutzgrundverordnung ( DSGVO ) . Schwerpunkt ist dabei insbesondere das Thema Abmahnung wegen Verstößen gegen die DSGVO.


LG Köln: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "größter Zweiradfachmarkt" und "größtes Bike Center" im Gebiet wenn Verkaufsfläche von Mitbewerber geringfügig größer ist

LG Köln
Urteil vom 08.05.2018
31 O 178/17


Das LG Köln hate entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn mit den Aussagen "größter Zweiradfachmarkt" und "größtes Bike Center" im Gebiet geworben wird, wenn die Verkaufsfläche eines Mitbewerbers geringfügig größer ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Eine Spitzen- bzw. Alleinstellungsbehauptung ist grundsätzlich zulässig, wenn sie wahr ist. Entscheidend für die Anwendung des § 5 UWG ist die Frage, ob das, was in einer Werbeaussage nach Auffassung der Umworbenen behauptet wird, sachlich richtig ist. Hierfür genügt es bei einer Alleinstellung nicht, dass der Werbende einen nur geringfügigen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern hat. Vielmehr erwartet der Verbraucher eine nach Umfang und Dauer wirtschaftlich erhebliche Sonderstellung. Der Werbende muss einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern haben, und der Vorsprung muss die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bieten (BGH, GRUR 1991, 850 (851) – Spielzeug-Autorennbahn; BGH, GRUR 1992, 404 – Systemunterschiede; BGH, GRUR 1996, 910 (911) – Der meistverkaufte Europas; BGH, GRUR 1998, 951 – Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung; BGH, GRUR 2002, 182 (184) – Das Beste jeden Morgen; BGH, GRUR 2003, 800 (802) – Schachcomputerkatalog; BGH GRUR 2004, 786 – Größter Online-Dienst).

Allgemeine Hinweise auf die Größe eines Unternehmens werden im Verkehr als ernst zu nehmende Aussagen verstanden, die auf ihre objektive Richtigkeit hin nachprüfbar sind (BGH, GRUR 1969, 415 (416) – Kaffeerösterei). Beispielhaft kann auf die hierzu ergangene Rechtsprechung verwiesen werden: „Werkstatt und Betrieb, die größte Fachzeitschrift ihrer Art“ (BGH GRUR 1963, 34 – Werkstatt und Betrieb); „Flug-Revue International – die größte unabhängige Luftfahrtzeitschrift“ (BGH GRUR 1968, 440 – Luftfahrt-Fachzeitschrift); „Größtes Teppichhaus der Welt“ (BGH GRUR 1985, 140 – Größtes Teppichhaus der Welt); „Größtes Fachgeschäft am Platze“ (LG Köln WRP 1955, 23); „Deutschlands größte Illustrierte“ (LG München GRUR 1955, 594); „Oldenburgs größtes Schuhhaus“ (OLG Oldenburg GRUR 1962, 530); „Bielefelds größtes Maklerbüro“ (OLG Hamm GRUR 1968, 150); „Hamburgs größter Halbleiter-Sortimenter“ (OLG Hamburg WRP 1972, 534).

Welche tatsächlichen Umstände vorliegen müssen, damit sich ein Unternehmen als „größtes“ oder als „eines der größten“ bezeichnen darf, hängt davon ab, welchen Sinn ein erheblicher Teil des Verkehrs der Größenbehauptung im Einzelfall beimißt.

2.

Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze sind die Werbeaussagen der Beklagten:

„größter Zweiradfachmarkt im T-Kreis“;

„größtes Bike Center im T-Kreis“

schon deshalb als irreführend anzusehen, weil die Beklagte unstreitig über eine (geringfügig) kleinere Verkaufsfläche als die Klägerin verfügt. Die Beklagte hat nach ihrer eigenen Berechnung zugestanden, daß die Klägerin eine Verkaufsfläche von insgesamt 1.122 m2 habe, sie selbst indes nur 1.077 m2 (Bl. 128 d.A.). Soweit die Beklagte angibt, sie plane konkret eine Erweiterung um 500 m2, kann dies eine aktuelle oder in der Vergangenheit liegende Werbung nicht rechtfertigen, da die Verkehrserwartung auf den gegenwärtigen Zustand und nicht auf einen zukünftig avisierten Zustand gerichtet ist.

Für die Größe eines Unternehmens werden häufig mehrere Faktoren als bestimmend angesehen. Dann ist die Größenbehauptung schon unzulässig, wenn einer dieser Faktoren, den der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher aufgrund der Werbeaussage als gegeben erachtet, mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht.

Wird ein Unternehmen als das „größte“ bezeichnet, so stellt sich das Publikum vor, daß es seine Mitbewerber im Umsatz und im Warenangebot (merklich) überragt (BGH, GRUR 1991, 850 (851); BGH, GRUR 1996, 910 (911) – Der meistverkaufte Europas; BGH, GRUR 1998, 951 – Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung; BGH, GRUR 2012, 1053, Rn. 17 – Marktführer Sport). Je nach Branche können aber auch andere Gesichtspunkte von Bedeutung sein, z.B. die räumliche Ausdehnung des Geschäfts, die Betriebsgebäude, die betriebliche Organisation, die Zahl der Beschäftigten, die Verkehrslage und der Lagerbestand. Dagegen pflegt man die „Größe“ eines Unternehmens nicht danach zu messen, ob es auch qualitativ bessere Leistungen und besondere Preisvorteile bietet. Hierauf wird jedoch vielfach auf Grund der Größe des Unternehmens geschlossen (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2002, 73 zur Angabe „Europas größter Onlinedienst“, vgl. dazu auch (BGH, GRUR 2004, 786 (788) – Größter Online-Dienst).


Im Fahrradsektor spielt die zur Verfügung stehende Verkaufsfläche neben Sortimentsbreite und Umsatz jedenfalls eine gleichgewichtige Rolle. Es entspricht der Branchenübung, daß Zweiräder in Räumlichkeiten präsentiert werden, die eine umfassende Begutachtung und ein Probefahren ermöglichen. Dies wird vom Verkehr erwartet und ist für die Auswahl eines Zweirades zentral. Der Größe der Verkaufsfläche kommt daher eine erhebliche Bedeutung in diesem Markt- und Produktbereich zu.

Bei einem Möbelgeschäft, das mit der Bezeichnung „Die größte Wohnwelt im Bodenseeraum“ wirbt, ist die räumliche Ausdehnung der Verkaufs- und Ausstellungsfläche als das entscheidende Merkmal für die „Größe“ angesehen worden (OLG Karlsruhe, WRP 1985, 357). Dies läßt sich auf den Zweiradbereich übertragen. Somit reicht es für die Annahme einer Irreführung bereits aus, daß die Verkaufsfläche der Beklagten nicht die Größte im streitgegenständlichen geographischen Bereich ist. Darauf, ob die Angaben zum Umsatz und zur Sortimentsbreite zutreffend sind, kommt es danach nicht mehr an. Die Auffassung der Beklagten, der Jahresumsatz sei der wesentliche Faktor für die Bemessung der Unternehmensgröße ist unzutreffend. Vorliegend ist nämlich nicht der Umsatz Gegenstand der angegriffenen Werbung, sondern diese nimmt bildlich in erster Linie auf den Verkaufsstandort konkret Bezug, indem das Eingangsportal, eine Regalreihe mit Fahrradhelmen sowie Fahrräder und Fahrradoberbekleidung werbewirksam präsentiert werden. Damit werden Lage, Fläche, Gestaltung und Anordnung der Verkaufsflächen sowie deren Größe bewußt besonders herausgestellt. Der Eindruck und die Wahrnehmung durch den Verbraucher sind daher ihrerseits auf diese Elemente fokussiert. Eine wahrheitswidrige Aussage in diesem besonders betonten und herausgestellten Bereich wirkt sich daher vorliegend bereits unabhängig von den übrigen Bemessungsfaktoren für die Größe irreführend aus.

Die angegriffenen Aussagen sind auch durchaus geeignet, eine wirtschaftliche Auswahlentscheidung des Verbrauchers maßgeblich zu beeinflussen.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr besteht fort und ist insbesondere nicht dadurch entfallen, daß die Beklagte behauptet, eine deutliche Vergrößerung der eigenen Verkaufsfläche zu planen.

Der Schriftsatz der Beklagtenseite vom 07.05.2018 gibt keinen Anlaß zu einer abweichenden Bewertung oder zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, da die Abmahnung berechtigt war.

Der geltend gemachte Betrag in Höhe von 1.531,90 € entspricht einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß 2300 RVG-VV i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 13 RVG aus einem Gebührenstreitwert von 50.000,00 € zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale i.H.v. 20,00 € gemäß 7002 RVG-VV sowie Mehrwertsteuer in Höhe von 19 %.

Der Ansatz eines Streitwertes von 50.000,00 € ist für den geltend gemachten Verstoß und dessen Gewicht angemessen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt."




Bundesnetzagentur: Abschaltung von insgesamt 220 Mobilfunkrufnummern die für illegale Werbe-SMS verwendet wurden

Die Bundesnetzagentur hat insgesamt 220 Mobilfunkrufnummern, die für illegale Werbe-SMS verwendet wurden, abgeschaltet. Dies ist leider nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Die Pressemitteilung der Bundesnetzagentur:

Bundesnetzagentur geht gegen SMS-Werbung für pornographische Internetseiten vor Homann: "Unerwünschte SMS-Werbung wird nicht toleriert"

Die Bundesnetzagentur hat die Abschaltung von insgesamt 220 Mobilfunkrufnummern angeordnet. Über die Rufnummern wurden Werbe-SMS versandt.

"Verbraucher sollten auf Werbe-SMS von unbekannten Absendern nicht reagieren. Das gilt auch für vermeintlich persönliche Inhalte oder Gewinnversprechen", mahnt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. "Wir werden auch weiterhin gezielt Maßnahmen anordnen, um die Menschen vor telefonischer Belästigung zu schützen."

SMS bewerben kostenpflichtige Abos
Die Kurznachrichten versprachen angebliche Gewinne, enthielten vermeintliche persönliche Nachrichten oder Informationen über vorgeblich verfügbare Kredite. Jede SMS enthielt einen Kurzlink, der auf eine Internetseite mit pornographischen Angeboten führte.

Öffnet der Nutzer diese Seite, wird er zum Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements zu Preisen von 2,99 Euro bis 4,99 Euro pro Woche für das Herunterladen von pornographischen Filmen und Bildern aufgefordert.

Mehrere hundert Verbraucherinnen und Verbraucher hatten sich bei der Bundesnetzagentur über die Werbe-SMS beschwert.

Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
SMS-Werbung ist gesetzlich verboten, wenn der Adressat dem vorher nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Fehlt diese Einwilligung, handelt es sich um unerlaubte Werbung, die gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstößt.

Wenn Verbraucher einen solchen Vertrag, wie das oben genannte Abonnement, unbeabsichtigt eingegangen sind, können sie sich zivilrechtlich zur Wehr setzen und die Verbraucherzentralen um Unterstützung bitten.

Vorfälle bei der Bundesnetzagentur melden
Einen Überblick über Rufnummern, deren Abschaltung von der Bundesnetzagentur angehordnet wurden, finden Sie unter www.bundesnetzagentur.de/rufnummernmissbrauch.

Unter obigem Link können sich Verbraucher, die ebenfalls von Werbe-SMS betroffen sind, bei der Bundesnetzagentur melden.


OLG Frankfurt: Originäre Kennzeichnungskraft der Marke "Home Company" im Bereich Immobiliendienstleistungen ist gering - beschreibende Anklänge und unauffällige grafischen Gestaltung

OLG Frankfurt
Urteil vom 08.03.2018
6 U 221/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die originäre Kennzeichnungskraft der Marke "Home Company" im Bereich Immobiliendienstleistungen gering ist. Dies folgt daraus, dass die Marke beschreibende Anklänge und eine unauffällige grafischen Gestaltung hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"bb) Die originäre Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist aufgrund ihres beschreibende Anklänge aufweisenden Wortbestandteils (vgl. unten cc) und der eher unauffälligen grafischen Gestaltung unterdurchschnittlich. Sie ist auch nicht durch Benutzung gesteigert worden. Grundsätzlich kann die Kennzeichnungskraft einer Wort-Bildmarke dadurch gesteigert sein, dass ihr Wortbestandteil dem angesprochenen Verkehr - etwa als Unternehmenskennzeichen - bekannt ist (BGH GRUR 2014, 382 [BGH 22.01.2014 - I ZR 71/12] Rn. 21 - REAL-Chips). Der Beklagte hat erhebliche Benutzungshandlungen sowohl hinsichtlich der Klagemarken als auch des Wortzeichens "Homecompany" über einen längeren Zeitraum vorgetragen. In die Prüfung sind auch die Benutzungshandlungen der Mitglieder einzubeziehen. Für den Rechtserhalt genügt nach § 26 II MarkenG die Benutzung der Marke mit Zustimmung des Inhabers. Nichts anderes kann bei der gesteigerten Kennzeichnungskraft gelten. Der Beklagte war ein Verband. Die Immobiliendienstleistungen vor Ort werden von seinen Mitgliedern angeboten. Der Beklagte erlaubt seinen Mitgliedern, die Bezeichnung "stadtname@homecompany.de" als Domain zu verwenden. Ferner hat er Werbematerialien (Anlage B3), Flyer, Briefbögen, Angebote, Verträge (Anlagen B4-B11, B22, 23, B 63), Screenshots, Facebookeinträge (Anlagen B45-B50, B 55-62), Fotos von Geschäftsräumen (Anlagen B 51-53) und Auszüge aus Internetauftritten (Anlage B54) vorgelegt. Die vorgetragenen Benutzungshandlungen reichen dennoch nicht aus, um die schwache originäre Unterscheidungskraft des Wortbestandteils zu steigern. Die vorgelegten Unterlagen stützen nicht die Annahme, dass einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, der sich für die angebotenen Dienstleistungen, insbesondere für das "Wohnen auf Zeit" als klassisches Angebot von Mitwohnzentralen interessiert, der Wortbestandteil "Homecompany" in welcher Schreibweise auch immer geläufig ist. Trotz zahlreicher Ansichtsbeispiele fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten über den Verbreitungsumfang. Der Umstand, dass der Verband deutschlandweit mit über 50 Büros vertreten war (vgl. Bl. 572 d.A.), spricht noch nicht für eine "flächendeckende Nutzung". Entsprechenden Vortrag können auch die angebotenen Zeugen- und Sachverständigen-Beweisantritte nicht ersetzen (vgl. Bl. 572 d.A.).

cc) Es ist von einem mindestens durchschnittlichen Grad an Zeichenähnlichkeit auszugehen.

(1) Der Gesamteindruck der Klagemarke wird durch ihren Wortbestandteil "Home Company" geprägt. Der Senat ist als Verletzungsgericht an die Eintragung der Marke gebunden. Er darf ihr deshalb nicht jegliche Kennzeichnungskraft und damit die Schutzfähigkeit absprechen (vgl. BGH, GRUR 2009, 672 [BGH 02.04.2009 - I ZR 78/06] Tz. 17- OSTSEE-POST). Wort-/Bildmarken werden - zumindest in klanglicher Hinsicht - regelmäßig durch ihren Wortbestandteil geprägt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Wortbestandteil unterscheidungskräftig ist. Wäre dies nicht der Fall, müsste angenommen werden, dass sich der Schutz der Klagemarke auf ihre grafischen Bestandteile, im Streitfall die Unterstreichung und den Bogen über dem Schriftzug, beschränkt (vgl. BGH GRUR 2008, 710 Rn. 20 - VISAGE; WRP 2016, 336 [BGH 14.01.2016 - I ZB 56/14], Rn. 31 - BioGourmet). Die angesprochenen Verkehrskreise - Verbraucher, die sich für Wohnangebote "auf Zeit" interessieren - sehen in dem Markenwort "Home Company" jedoch keine glatt beschreibende Angabe für die in Rede stehenden Dienstleistungen der Wohnraumvermittlung. Die Verbraucher verstehen zwar die zum englischen Grundwortschatz gehörenden Begriffe "Home" und "Company" im Sinne von "Heim" und "Unternehmen". Sie sehen in dem Begriff daher einen Hinweis darauf, dass sich das Unternehmen mit Wohnimmobilien im weitesten Sinne befasst. Gleichwohl handelt es sich nicht um einen Begriff, der die Dienstleistung der Wohnraumvermittlung glatt beschreibt oder in ganz naheliegender Weise darauf hindeutet.

(2) Die Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen dürfen nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden (BGH GRUR 2009, 949 [BGH 22.01.2009 - I ZB 34/08] Rn. 12 - My World). Indizien für die Eignung, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein (BGH aaO). Die Begriffskombination "Home Company" erscheint kurz, prägnant und griffig. Sie ist geeignet, die Vermittlungsleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen zu unterscheiden. Dieser Beurteilung steht auch nicht die Entscheidung "DeutschlandCard" des BGH entgegen. Danach kommt einer Sachangabe nicht allein deshalb Unterscheidungskraft zu, weil sie allgemein gehalten und deshalb mit einer gewissen begrifflichen Unbestimmtheit verbunden ist (BGH GRUR 2009, 952 [BGH 22.01.2009 - I ZB 52/08] Rn. 15 - DeutschlandCard). Im Streitfall kann von einer bloßen Sachangaben nicht ausgegangen werden. Anders als der Begriff "Mitwohnzentrale", bei dem es sich um eine Gattungsbezeichnung handelt (vgl. BGH GRUR 2001, 1061 - Mitwohnzentrale.de), kann der Bezeichnung "Home Company" eine gewisse Originalität nicht abgesprochen werden. Der Beklagte hat auch zu Recht darauf hingewiesen, der Verkehr im Bereich der Immobilienvermittlung an "sprechende", also an beschreibende Begriffe angelehnte Bezeichnungen gewöhnt ist (z.B. "ImmoScout"; "Home Scout").

(3) Für die Bestimmung des Gesamteindrucks der Wort-/Bildmarken durch den Senat kommt es nicht maßgeblich darauf an, dass das DPMA die am 28.04.2009 angemeldete Wortmarke "HomeCompany Immobilien" nicht eingetragen hat, weil es die Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 II Nr. 1 MarkenG) und der beschreibenden (freihaltebedürftigen) Angabe (§ 8 II Nr. 2 MarkenG) bejaht hat (Anlage K9). Diese Bewertung des Amtes, die eine andere Marke betrifft, ist für das Verletzungsgericht nicht bindend.

(4) Die angegriffenen Kombinationszeichen werden ebenfalls durch den Bestandteil "Home Company" geprägt, wobei es für den Gesamteindruck auf die Schreibweise (zusammen oder auseinander; Groß- oder Kleinschreibung) nicht ankommt (vgl. EuGH GRUR 2011, 1124Rn. 33 - Interflora; BGH GRUR 2015, 607 [BGH 12.03.2015 - I ZR 188/13] Rn. 22- Uhrenankauf im Internet). Der Rechtsformzusatz (GbR) und die Ortsbezeichnung (Wiesbaden) in der Firma der Klägerin sind beschreibend. Der Bestandteil "HC24" stellt als Akronym lediglich eine Abkürzung von "HomeCompany" und einen Hinweis auf die ganztägige Verfügbarkeit dar. Bei dem Begriff "Mitwohnzentrale" handelt es sich um einen reinen Gattungsbegriff.

cc) Die Gesamtabwägung führt dazu, dass trotz der schwachen Kennzeichnungskraft der Klagemarke aufgrund der Dienstleistungsidentität und der mindestens durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich sämtlicher angegriffener Bezeichnungen zu bejahen ist."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamburg: Tagesschau genießt Werktitelschutz mit starker Kennzeichnungskraft - Nachrichtenportal Tagesumschau unter Domain tagesumschau.de verletzt Kennzeichenrechte

OLG Hamburg
Urteil vom 01.03.2018
3 U 167/15


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Tagesschau Werktitelschutz mit starker Kennzeichnungskraft genießt und das Nachrichtenportal Tagesumschau unter der Domain tagesumschau.de die Kennzeichenrechte verletzt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der aufgrund der Ermächtigungen der Intendanten der Rundfunkanstalten aktivlegitimierten Klägerin stehen gegen die Beklagten auch Unterlassungsansprüche aus § 15 Abs. 2, 4 MarkenG zu.

a. Die Bezeichnung einer Nachrichtensendung (sowie auch einer zugehörigen Internetseite) stellt einen schutzfähigen Werktitel im Sinne von § 5 Abs. 3 MarkenG dar.

Werktitel werden nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG geschützt. Gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG sind schutzfähige Werktitel die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. Dabei gilt ein gegenüber dem Urheberrecht eigenständiger kennzeichenrechtlicher Werkbegriff. Werke im kennzeichenrechtlichen Sinne sind alle immateriellen Arbeitsergebnisse, die als Gegenstand des Rechts- und Geschäftsverkehrs nach der Verkehrsanschauung bezeichnungsfähig sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1997, I ZR 44/95, BGHZ 135, 278, 280 - PowerPoint; Urteil vom 22. März 2012, I ZR 102/10, GRUR 2012, 1265Rn. 13 - Stimmt's?, mwN). Eine Nachrichtensendung fällt hierunter.

b. Die Bezeichnung „Tagesschau“ hat auch eine hinreichende originäre Unterscheidungskraft.

Unterscheidungskraft bezeichnet die Eignung eines Titels, ein Werk als solches zu individualisieren und von einem anderen zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2003, I ZR 171/00, GRUR 2003, 440, 441 - Winnetous Rückkehr; BGH, Urteil vom 22. März 2012, I ZR 102/10, GRUR 2012, 1265Rn. 19 - Stimmt's?). Sie fehlt, wenn sich der Titel nach Wortwahl, Gestaltung und vom Verkehr zugemessener Bedeutung in einer werkbezogenen Inhaltsbeschreibung erschöpft (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012, I ZR 102/10, GRUR 2012, 1265Rn. 19 - Stimmt's?).

Hinsichtlich der Bezeichnung „Tagesschau“ für eine Nachrichtensendung ist eine hinreichende Unterscheidungskraft zu bejahen. Bei Titeln von Rundfunk- und Fernsehsendungen sind keine hohen Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 13.05.1993, I ZR 113/91, GRUR 1993, 769, 770 - Radio Stuttgart). Dies gilt in gesteigertem Maße für die Titel von Nachrichtensendungen. Sie werden im Allgemeinen so gewählt, dass dem Titel der Charakter der Sendung ohne weiteres entnommen werden kann. Insofern hat sich der Verkehr hier - ähnlich wie bei Zeitungs- und Zeitschriftentiteln (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.1998, I ZR 6/96, GRUR 1999, 235, 237 - Wheels Magazine, m.w.N.; ferner BGH, GRUR 2000, 70, 72 - SZENE; Urt. v. 22.09.1999, I ZR 50/97, GRUR 2000, 504, 505 - FACTS) - an Titel gewöhnt, die sich an beschreibende Angaben anlehnen und nur eine geringe Unterscheidungskraft aufweisen.

Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass an der Bezeichnung "Tagesschau" ein allgemeines Freihaltebedürfnis besteht. Denn es handelt sich bei dem Titel "Tagesschau" um eine im Verkehr durchgesetzte Bezeichnung. Das Schutzhindernis eines bestehenden Freihaltebedürfnisses kann mit Hilfe einer Durchsetzung des Kennzeichens innerhalb der angesprochenen Verkehrskreise überwunden werden (vgl. BGHZ 4, 167, 169 - DUZ; BGH, Urt. v. 15.06.1956, I ZR 105/54, GRUR 1957, 29, 31 - Der Spiegel; Urt. v. 11.07.1958, I ZR 187/56, GRUR 1959, 45, 47 - Deutsche Illustrierte; Urt. v. 15.11.1967, Ib ZR 119/66, GRUR 1968, 259 - NZ; Urt. v. 12.11.1987, I ZR 19/86, GRUR 1988, 638, 639 - Hauer's Auto-Zeitung; BGHZ 74, 1, 6 f. - RBB/RBT).

Schließlich kann die Schutzfähigkeit des Titels auch nicht mit dem Argument verneint werden, es bestehe wegen der Nähe zu beschreibenden Angaben die Gefahr, dass aus dem geschützten Werktitel "Tagesschau" gegen rein beschreibende oder aus anderen Gründen freizuhaltende Bezeichnungen vorgegangen werden könnte. Denn dieser Gefahr kann bei der Bemessung des Schutzumfangs Rechnung getragen werden (vgl. BGH, Urt. v. 17.01.1985, I ZR 172/82, GRUR 1985, 461, 462 - Gefa/Gewa; vgl. zum Markenrecht BGH, Urt. v. 18.06.1998 , I ZR 25/96, GRUR 1999, 238, 240 - Tour de Culture; Beschl. v. 18.03.1999, I ZB 27/96, GRUR 1999, 988, 990 - HOUSE OF BLUES).“

c. Titelschutz entsteht, wenn der Titel für ein bestehendes Werk im geschäftlichen Verkehr benutzt wird.

Dass der Titel „Tagesschau“ zur Bezeichnung der ARD-Nachrichtensendung verwendet wird, haben die Beklagten nicht substantiiert bestritten. Das Zeichen wird auch in Alleinstellung verwendet; insoweit ist auf die überzeugenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.

Es handelt sich hierbei auch um eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr. Ein Zeichen wird im geschäftlichen Verkehr benutzt, wenn die Benutzung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit erfolgt. Abgesehen von der Zeichenverwendung im privaten Bereich fehlt es an einer Verwendung im geschäftlichen Verkehr auch bei der Betätigung der öffentlichen Hand im hoheitlichen Bereich und der Kennzeichenverwendung im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung (Hacker in Hacker/Ströbele/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 14 Rn. 65f.). Der Begriff des geschäftlichen Verkehrs stimmt im Wesentlichen überein mit dem gleichlautenden Tatbestandsmerkmal im UWG a.F. (Hacker, a.a.O. Rn. 48).

Mit dem an die Allgemeinheit gerichteten Angebot der Nachrichtensendung „Tagesschau“ handeln die Klägerin bzw. die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten nicht hoheitlich bzw. öffentlich-rechtlich. Hoheitlich handelt eine Behörde, wenn sie einseitig-diktierend im Über-/Unterordnungsverhältnis kraft hoheitlicher Gewalt auftritt; auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts handelt eine Behörde, wenn die angewandte Rechtsnorm dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, das heißt, wenn sie einen Träger hoheitlicher Gewalt einseitig berechtigt oder verpflichtet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. Februar 2017, I-20 U 139/15 -, juris). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr treten die Klägerin und die übrigen Landesrundfunkanstalten mit dem Angebot ihrer Fernsehnachrichtensendung in Wettbewerb mit privaten Anbietern von Nachrichten- und Informationsdienstleistungen.

d. Die Beklagte zu 1) verwendet die angegriffene Bezeichnung „Tagesumschau“ auch titelmäßig.

Ein Zeichen wird dann titelmäßig verwendet, wenn es nach Anschauung eines nicht unerheblichen Teils des Verkehrs der Bezeichnung eines Werks zur Unterscheidung von einem anderen Werk dient. Dies kann auch durch die Benutzung eines Domainnamens erfolgen, nämlich dann, wenn der Verkehr in dem Domainnamen bei einem Werktitel ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werks von einem anderen und nicht nur eine Adressbezeichnung sieht (BGH, GRUR 2016, 939, Rn. 24ff, 38 - wetter.de; OLG München GRUR 2001, 522, 524; Hacker, a.a.O., § 5 Rn. 108).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte zu 1) hat den Begriff „Tagesumschau“ zur Unterscheidung ihres Nachrichtenportals von anderen Werken in Benutzung genommen, indem sie ihre Nachrichten- und Informationsdienstleistungen unter der Domain www.tagesumschau.de angeboten und im Rahmen des Internetauftritts, wie aus der Anlage K 4 ersichtlich, ihre Inhalte unter der Überschrift „Tagesumschau“ präsentiert hat. Darauf, dass nicht sie, sondern die Internet Leasing GmbH Inhaberin der Domain www.tagesumschau.de ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil dies, wie bereits dargelegt, nicht Gegenstand des Angriffs der Klägerin ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten wird von der Beklagten zu 1) insoweit auch nicht lediglich das Gesamtzeichen „Tagesumschau Einfach Schneller Informiert“ verwendet. Die Worte „Einfach Schneller Informiert“ werden vom angesprochenen Verkehr nicht als Bestandteil des Titels aufgefasst, sondern als eine auf die unter „Tagesumschau“ angebotenen Informations- und Nachrichtendienstleistungen bezogene beschreibende Sachangabe bzw. eine Anpreisung allgemeiner Art (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2000, I ZB 34/98, GRUR 2001, 735, 736 - Test it.).

e. Zwischen den Werktiteln „Tagesschau“ und „Tagesumschau“ besteht auch Verwechslungsgefahr.

Werktitel im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG dienen grundsätzlich nur der Unterscheidung eines Werkes von anderen, ohne einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zu enthalten. Sie sind daher in der Regel nur gegen die Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung im engeren Sinne geschützt (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004, I ZR 181/02, GRUR 2005, 264, 265 f. - Das Telefon-Sparbuch, mwN). Eine solche Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung liegt dann vor, wenn aufgrund der Benutzung des angegriffenen Titels die Gefahr besteht, dass der Verkehr den einen Titel für den anderen hält (BGH, Urteil vom 1. März 2001, I ZR 211/98, BGHZ 147, 56, 64 f. - Tagesschau). In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass der Verkehr mit bekannten Werktiteln häufig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbindet (vgl. BGHZ 102, 88, 91 f. - Apropos Film; 120, 228, 230 - Guldenburg; BGH, Urt. v. 12.11.1998, I ZR 84/96, GRUR 1999, 581, 582 - Max).

Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist auch beim Werktitelschutz auf drei Faktoren abzustellen, zwischen denen eine Wechselwirkung besteht: auf die Kennzeichnungskraft des Titels, für den Schutz begehrt wird, auf die Identität oder Ähnlichkeit der Werke sowie auf die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Werktitel (vgl. zu Unternehmenskennzeichen BGH, Urt. v. 21.11.1996, I ZR 149/94, GRUR 1997, 468, 470 - NetCom; Urt. v. 28.1.1999, I ZR 178/96, GRUR 1999, 492, 494 - Altberliner).

(1) Dem Werktitel „Tagesschau“ ist überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft beizumessen.

Der Begriff "Tagesschau“ ist als Titel einer Nachrichtensendung von Haus aus unterscheidungskräftig und daher auch ohne den Nachweis der Verkehrsgeltung bereits vom Zeitpunkt seiner Ingebrauchnahme an nach § 15 Abs. 1 und 2 sowie § 5 Abs. 3 MarkenG schutzfähig. An die Unterscheidungskraft von Zeitschriftentiteln werden nur geringe Anforderungen gestellt, weil auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt seit jeher Zeitungen und Zeitschriften unter mehr oder weniger farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden (BGH, GRUR 02, 176 - Auto Magazin; BGH, GRUR 99, 235, 237 - Wheels Magazine). Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt der Titel "Tagesschau". Der Titel "Tagesschau“ bezeichnet von Haus aus nicht zwingend eine Nachrichtensendung. Er weist damit ein Mindestmaß an Individualität auf, welches dem Verkehr eine Unterscheidung von anderen Nachrichtensendungen ermöglicht.

Dem Werktitel "Tagesschau“ kommt ferner eine durch Benutzung erheblich gesteigerte Kennzeichnungskraft zu, und zwar bereits zum Zeitpunkt der Registrierung der Domain www.tagesumschau.de im Februar 2014. Es ist anerkannt, dass eine Kennzeichnungskraft durch Verkehrsbekanntheit gesteigert werden kann (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 181). Der für die gesteigerte Kennzeichnungskraft erforderliche Bekanntheitsgrad des Zeichens ist keine feste Größe, sondern von der jeweiligen Marktbedeutung für die tatsächlich benutzten Waren abhängig. Maßgebend sind die Einzelfallumstände (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 222), namentlich der Marktanteil, die Intensität, die geographische Ausdehnung und die Dauer der Benutzung des Zeichens sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zur Förderung der Marke getätigt hat (vgl. zu Art. 5 Abs. 2 MarkenRL EuGH, Urt. vom 14.09.1999, Rs. C-375/97, EuZW 2000, 56, 57 f. - Chevy; zu § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG BGH, GRUR 2002, 340, 341 - Fabergé; BGH, WRP 2003, 647, 653 - BIG BERTHA).

Die Sendung „Tagesschau“, welche sich als Nachrichtensendung an den allgemeinen Verkehr wendet, wird seit 1952 ausgestrahlt, u.a. von dem Sender „Das Erste“ (welcher umgangssprachlich nach wie vor ganz überwiegend als „ARD“ bezeichnet wird); dass sich dieses Format in der Folgezeit zu einer überaus bekannten Sendung mit hohen Einschaltquoten entwickelt hat, lässt sich den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in den am 01.03.2011 ergangenen Entscheidungen Tagesschau“ (I ZR 211/98, juris) und „Tagesreport“ (I ZR 205/98, juris) entnehmen; insoweit wird auch auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer 2 f. (4) verwiesen. Auch die Tatsache, dass die Wortmarke der Klägerin „Tagesschau“ 1984 als verkehrsdurchgesetzte Marke beim DPMA eingetragen wurde, belegt die besondere Bekanntheit des Titels. Darüber hinaus ist auch zu sehen, dass die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten seit dem Jahr 1996 das Online-Portal „tagesschau.de“ betreiben und darüber hinaus seit dem 21. Dezember 2010 die Applikation „Tagesschau-App“ für Smartphones und Tabletcomputer anbieten; dies lässt sich der Entscheidung „Tagesschau-App“ des Bundesgerichtshofes entnehmen. Auch wenn den Beklagten zuzugeben ist, dass sich die Medienkonsumgewohnheiten auch in Bezug auf den Bereich „Nachrichten“ seit 2001 deutlich verändert haben, bestehen keine Zweifel an einer ganz erheblichen Steigerung der Kennzeichenkraft des Werktitels „Tagesschau“ durch Verkehrsbekanntheit.

(2) Die Werkkategorien „Nachrichtensendung“ und „Internetnachrichtenportal“ sind sich ähnlich. Beide werden vom Verkehr genutzt, um sich über aktuelle Ereignisse zu informieren. Der Verkehr ist ferner auch daran gewöhnt, dass es flankierende Internetangebote zu Fernsehangeboten gibt. Dies gilt, wie beispielsweise das Beispiel des zur Sendung „Tagesschau“ zugehörigen Internetportals www.tagesschau.de belegt, gerade auch für den Nachrichtenbereich.

(3) Die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen - "Tagesschau" und "Tagesumschau“ - weisen eine starke Ähnlichkeit auf. Der Anfangsbestandteil "Tages-" ist identisch. Die inhaltliche Bedeutung weist hier wie dort auf eine Zusammenfassung der Geschehnisse des Tages hin. Die Bezeichnungen unterscheiden sich ferner auch in ihrem zweiten, gleichermaßen prägenden Bestandteil ("-schau" und "-umschau“) nur geringfügig.

(4) Bei Berücksichtigung dieser den Schutzumfang der in Rede stehenden Werktitel näher bestimmenden Umstände ist eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Insoweit kann dahinstehen, ob erhebliche Teile des Verkehrs den Titel "Tagesumschau" mit "Tagesschau" verwechseln. Hiergegen dürfte allerdings sprechen, dass - gerade weil die Titel von Nachrichtenangeboten (sowohl im Fernsehen als auch im Internet) im allgemeinen stark beschreibende Anklänge aufweisen - eine Übereinstimmung in der inhaltlichen Bedeutung eher die Regel als die Ausnahme und der Verkehr - ähnlich wie bei Zeitungs- und Zeitschriftentiteln (BGH, Urt. v. 06.12.1990, I ZR 27/89, GRUR 1991, 331, 332 - Ärztliche Allgemeine; Urt. v. 27.02.1992, I ZR 103/90, GRUR 1992, 547, 549 - Morgenpost; Urt. v. 10.04.1997, I ZR 178/94, GRUR 1997, 661, 663 - B.Z./Berliner Zeitung) - daran gewöhnt ist, die bestehenden Unterschiede zu beachten.

Jedoch besteht ein Werktitelschutz auch im Hinblick auf eine mittelbare Verwechslungsgefahr, wenn von einer über die normale Werktitelfunktion hinausgehenden Kennzeichnungskraft auszugehen ist, was grundsätzlich bei bekannten Titeln in Betracht kommt (BGH, WRP 1999, 186, 188 - Wheels Magazine) und vorliegend in Bezug auf den streitgegenständlichen Werktitel „Tagesschau“ zu bejahen ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 16.07.1998 (Az.: 3 U 76/95, juris Rn. 60ff.) in Bezug auf die streitgegenständliche Fernsehnachrichtensendung „Tagesschau“ ausgeführt:

„1.) Es ist insbesondere durch das in dem Rechtsstreit 3 U 132/96 (der hiesigen Klägerin gegen die SAT.1 Satelliten Fernsehen GmbH wegen "Tagesreport") eingeholten Sachverständigengutachten vom Juni 1994 (betreffend "Tagesschau" und "Tagesthemen"), das die Klägerin unbeanstandet als Anlage K 17 vorliegend zur Akte gereicht hat, festzustellen, daß der Sendetitel "Tagesschau" berühmt ist und daher einen besonders weiten Schutzumfang genießt.

(a) Das Gutachten des B. B. (Anlage K 17) hat ergeben, daß die Sendung "Tagesschau" die für den Schutz einer berühmten Marke erforderliche Verkehrsbekanntheit erreicht und sogar den höchstmöglichen Schutzumfang beanspruchen kann.

Auf die offene Frage nach bekannten Nachrichtensendungen nennen spontan 87,9 % der Befragten die "Tagesschau", die ...-Sendung "heute" 69,0 % und "Tagesthemen" 36,2 % der Befragten (Anlage K 17, Seite 5). Andere Titel, insbesondere Nachrichtensendungen der privaten Sender, werden selten genannt. Die gestützte Bekanntheit der Sendung "Tagesschau" erreicht sogar 98,7 % (Anlage K 17, Seite 5); das ist ein Wert, den die berühmtesten Marken erreichen können. Dem entspricht die nahezu vollständig richtige Zuordnung des Titels zur Klägerin bzw. zur ... (eine falsche Zuordnung erfolgt nur bei 2,9 %; vgl. das Anlage K 17, Seite 6).

(b) Auch die Einschaltquoten belegen durchgängig, daß die "Tagesschau" die bei weitem meistgesehene Nachrichtensendung, oftmals die Sendung mit der höchsten Einschaltquote und mit dem höchsten Marktanteil überhaupt im Deutschen Fernsehen ist. So betrug die Zuschauerzahl der "Tagesschau" in 1987 9,36 (Millionen Zuschauer), 1988 8,82, 1989 8,42, 1990 8,25 (Anlage K 1, dort ASt 3, Seite 182; vgl. auch Anlage K 1 mit Schriftsatz vom 15. Juli 1991). Die Reichweite der "Tagesschau" betrug in 1987 27 %, 1988 26 %, 1989 25 %, 1990 24 % (Anlage K 1, dort ASt 3, Seite 182). Diese Reichweiten sind seit Jahren in ähnlicher Größenordnung erzielt worden, in den Jahren 1979 und 1980 erreichten die 20-Uhr-Ausgabe der "Tagesschau" und die Sendung "Tagesthemen" zusammen 40 % der Haushalte (Anlage K 1, dort ASt 4). Im Jahre 1997 betrug -- wie die Klägerin in der Berufungsverhandlung aus einer Mitteilung im Hamburger Abendblatt vom 3. Januar 1998 unwidersprochen vorgetragen hat -- der Marktanteil der "Tagesschau" 33 %.“

Der Bundesgerichtshof hat in der nachfolgend ergangenen Entscheidung „Tagesschau“ vom 01.03.2001 (I ZR 211/98, juris Rn. 27) sowie in seiner am selben Tag ergangenen Entscheidung „Tagesreport“ (I ZR 205/98 - juris Rn. 28) ausgeführt:

„Aufgrund der jahrzehntelangen Benutzung und aufgrund der durch hohe Einschaltquoten belegten Aufmerksamkeit des Verkehrs zeichnen sich die Titel "Tagesschau" und "Tagesthemen", die der Kläger für seine Nachrichtensendungen verwendet, durch eine starke Kennzeichnungskraft aus. Zwar dienen Werktitel nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG im allgemeinen nur der Unterscheidung eines Werkes von einem anderen, ohne einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zu geben (vgl. BGH, Urt. v. 26.5.1994 - I ZR 33/92, GRUR 1994, 908, 910 = WRP 1994, 743 - WIR IM SÜDWESTEN; GRUR 1999, 235, 237 - Wheels Magazine, m.w.N.). In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, daß der Verkehr mit bekannten Werktiteln häufig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbindet (vgl. BGHZ 102, 88, 91 f. - Apropos Film; 120, 228, 230 - Guldenburg; BGH, Urt. v. 12.11.1998 - I ZR 84/96, GRUR 1999, 581, 582 = WRP 1999, 519 - Max; GRUR 2000, 504, 505 - FACTS). So verhält es sich im Streitfall: Nach den getroffenen Feststellungen weisen die beiden Titel nicht nur einen überaus hohen Bekanntheitsgrad auf, sondern werden vom Verkehr auch weitgehend - im Falle der "Tagesschau" sogar fast durchweg - zutreffend der ARD zugeordnet.“

Da der mittlerweile als „Das Erste“ bezeichnete Fernsehsender, auf dem die Tagesschau u.a. ausgestrahlt wird, umgangssprachlich nach wie vor als „ARD“ bezeichnet wird und die Beklagten nicht konkret zu einer Schwächung der Herkunftshinweisfunktion des Titels im Nachgang zu den BGH-Entscheidungen „Tagesschau“ und „Tagesreport“ vorgetragen haben, ist nach wie vor nicht nur von einer gesteigerten Bekanntheit des Titels, sondern auch von einer über die normale Werktitelfunktion hinausgehenden Kennzeichnungskraft auszugehen, auch wenn die den zitierten Entscheidungen zu Grunde liegenden Gutachten aus dem Jahr 1994 stammen. Insoweit hat der Senat insbesondere auch berücksichtigt, dass der Zeitraum, in dem die Sendung „Tagesschau“ täglich ausgestrahlt worden ist, mittlerweile noch deutlich länger ist als zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die ARD der Veränderung der Medienkonsumgewohnheiten dadurch Rechnung getragen hat, dass es, wie bereits dargelegt, mittlerweile seit dem Jahr 1996 das Online-Portal „tagesschau.de“ gibt und seit Dezember 2010 die Applikation „Tagesschau-App“ für Smartphones. Auch richtet, wie dem Senat aufgrund der eigenen Sehgewohnheiten bekannt ist und die als Anlagenkonvolut K 20 eingereichten Fernsehzeitschriften belegen, der ganz überwiegende Teil der deutschsprachigen Fernsehsender das tägliche Abendprogramm zeitlich auf die Ausstrahlung der 20:00-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ aus, indem der Beginn der Ausstrahlung von Filmen, Serien und Shows auf 20:15 Uhr gelegt wird. Dies belegt die nach wie vor ganz erhebliche Bekanntheit und Bedeutung der Nachrichtensendung „Tagesschau“.

Aufgrund der starken Ähnlichkeit bleibt es auch nicht dabei, dass der Verkehr lediglich eine gedankliche Verbindung zwischen "Tagesschau" und „Tagesumschau“ im Sinne einer bloßen Assoziation herstellt. Vielmehr geht das Publikum aufgrund der vorhandenen Übereinstimmungen von einer organisatorischen und/oder wirtschaftlichen Identität bzw. jedenfalls einer entsprechenden Verbindung zwischen den Herstellern der beiden Werke aus und nimmt an, es handele sich bei dem Informations- und Nachrichtenportal „Tagesumschau“ um eine noch über das Angebot www.tagesschau.de hinausgehende Erweiterung des Nachrichtenangebotes der in der ARD zusammengefassten Landesrundfunkanstalten im Internet. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Internetauftritt der Beklagten zu 1) Gestaltungsmerkmale aufweist, die nicht mit den die Nachrichtensendung „Tagesschau“ sowie der Internetseite www.tagesschau.de prägenden Elementen übereinstimmenden. Der Aufbau und das Farbschema des unter www.tagesumschau.de abrufbaren Nachrichtenangebotes (Anlage K 4) entspricht dem typischen Aufbau derartiger Seiten mit verschiedenen Rubriken wie „Politik“, „Sport“, „Unterhaltung“ etc. und Fotografien mit Bezug zu aktuellen Geschehnissen. Auch die verwendeten Farbtöne - vorrangig Rot, Schwarz, Blau und Weiß - fallen nicht aus dem Rahmen dessen heraus, an das der Verkehr bei derartigen Angeboten gewöhnt ist. Es besteht somit die Gefahr, dass ein Verbraucher, der mit dem streitgegenständlichen Portal konfrontiert wird, sich in erster Linie an dem Titel orientiert und das Angebot unter www.tagesumschau.de der ARD zuordnet, jedenfalls dergestalt, dass er von einer vertraglichen Verbindung zwischen ihr und dem für die Inhalte unter www.tagesumschau.de Verantwortlichen ausgeht. Auch dass die Nutzer eines Internetportals nach der Lebenserfahrung in aller Regel wissen, wessen Informationsangebot sie gerade in Anspruch nehmen (BGH, Urteil vom 22. März 2012, I ZR 102/10, juris - Stimmt`s?), ändert nichts daran, dass vorliegend insbesondere aufgrund der erheblich gesteigerten Bekanntheit des Werktitels „Tagesschau“ und der Ähnlichkeit der bezeichneten Inhalte der Verbraucher, dem bewusst ist, dass es Kooperationen im Nachrichtenbereich gibt, diese aber nicht im Einzelnen kennt, jedenfalls von einer organisatorischen und/oder wirtschaftlichen Verbindung zwischen der ARD und dem Ersteller des unter www.tagesumschau.de abrufbaren Inhalte ausgeht.

f. Die Beklagte zu 1) haftet der Klägerin auf Unterlassung, weil sie ihre Nachrichten- und Informationsdienstleistungen unter dem Werktitel „Tagesumschau“ sowie unter der Second-Level-Domain www.tagesumschau.de angeboten hat. Der Beklagte zu 2) haftet als alleiniger Vorstand der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu 1).


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BVerfG: Anspruch auf Gegendarstellung auch wenn trotz Anfrage keine Stellungnahme zur geplanten Berichterstattung abgegeben wurde

BVerfG
Beschluss vom 09.04.2018
1 BvR 840/15


Das Bundesverfassungsgericht hat entscheiden, dass ein Anspruch auf Gegendarstellung auch dann besteht, wenn trotz Anfrage keine Stellungnahme zur geplanten Berichterstattung abgegeben wurde.

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Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

"Anspruch auf Gegendarstellung trotz unterlassener Stellungnahme im Vorfeld einer Berichterstattung

Der Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung besteht auch dann, wenn die betroffene Person zuvor keine Stellungnahme zu einer geplanten Berichterstattung abgegeben hat, obwohl der Redakteur ihr eine solche Möglichkeit eingeräumt hat. Eine unterlassene Erklärung begründet grundsätzlich keine Obliegenheitsverletzung, welche einen Gegendarstellungsanspruch entfallen ließe. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde eines Nachrichtenmagazins nicht zur Entscheidung angenommen, in der dieses die Verletzung der Presse- und Meinungsfreiheit rügt, nachdem es zum Abdruck einer Gegendarstellung verurteilt wurde.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist Verlegerin eines Nachrichtenmagazins und veröffentlichte im Februar 2013 einen Bericht über Schleichwerbungsvorwürfe gegen einen bekannten Fernsehmoderator (Antragsteller des Ausgangsverfahrens), welcher in Fernsehsendungen versteckt Werbung für Produkte verschiedener Firmen gemacht habe. Vor der Veröffentlichung konfrontierte der Redakteur den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit der geplanten Berichterstattung und forderte zur Stellungnahme auf. Der Prozessbevollmächtigte wies die Vorwürfe telefonisch zurück, äußerte, dass keine Erklärung abgegeben werde, und teilte mit, dass der Inhalt des Gesprächs für die geplante Berichterstattung nicht verwendet werden dürfe. Nach der Veröffentlichung des Berichts forderte der Antragsteller die Beschwerdeführerin zum Abdruck einer Gegendarstellung auf, was diese zurückwies. Das Landgericht erließ daraufhin eine einstweilige Anordnung, wonach die Beschwerdeführerin zum Abdruck der beantragten Gegendarstellung verurteilt wurde. Der dagegen gerichtete Widerspruch blieb ebenso erfolglos wie die vor dem Oberlandesgericht erhobene Berufung. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, da sie zu Unrecht zu einer Gegendarstellung verpflichtet worden sei. Sie begründet dies damit, dass der Antragsteller durch die unterlassene vorherige Stellungnahme seinen Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung verloren habe.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die angegriffenen Entscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und stellen keine Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit der Beschwerdeführerin dar.

Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der Normen zum Gegendarstellungsrecht eine Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen und der Pressefreiheit vorzunehmen und dabei unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen zu vermeiden. Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Entscheidungen der Fachgerichte in verfassungskonformer Art und Weise ergangen.

Es besteht keine Obliegenheit, sich im Vorfeld einer geplanten Berichterstattung zu dieser zu äußern und Stellung zu beziehen. Die Gründe, von einer Stellungnahme abzusehen, können vielfältig sein. Die Annahme einer Obliegenheit zur Stellungnahme würde zu einer Verpflichtung erwachsen, auch an einer gegen den eigenen Willen geplanten Berichterstattung mitzuwirken, nur um den Anspruch auf Gegendarstellung zu behalten. Im Übrigen hätte sie zur Folge, dass sich Medienunternehmen Gegendarstellungsansprüchen entziehen könnten, indem sie den Betroffenen vorab um Stellungnahme bitten. Dies würde das Gegendarstellungsrecht entwerten.

Die Fachgerichte haben die unterschiedliche publizistische Wirkung einer vom Betroffenen selbst verfassten Gegendarstellung und einer unter Umständen nur kurzen Erwähnung des eigenen Standpunkts im ursprünglichen Artikel in der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte in verfassungskonformer Weise berücksichtigt. Das Gegendarstellungsrecht soll Betroffenen die Möglichkeit einräumen, Tatsachenbehauptungen entgegen zu treten und damit deren Wahrheitsgehalt in Frage zu stellen. Der Schutzzweck reichte weiter als lediglich die nachträgliche Möglichkeit zu Wort zu kommen, falls dies in der Erstberichterstattung nicht ausreichend geschehen ist. Wird der vom Betroffenen geäußerte Standpunkt neutral dargestellt, entfällt zwar in der Regel der spätere Gegendarstellungsanspruch. Ein grundsätzlicher Verlust des Gegendarstellungsanspruchs bei unterlassener Stellungnahme würde dem Schutzzweck jedoch nicht gerecht.

Es ist nicht erforderlich, zur Entscheidung über einen Gegendarstellungsanspruch eine einzelfallbezogene Grundrechtsabwägung zu treffen. Vielmehr tragen die Pressegesetze der Länder sowie der Rundfunkstaatsvertrag dem Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung. Eine Einzelfallabwägung würde dazu führen, dass die generellen Voraussetzungen des Gegendarstellungsanspruchs aus § 11 Hamburgisches Pressegesetz, die den verfassungsgemäßen Ausgleich der betroffenen Grundrechtspositionen gewährleisten, unterlaufen würden. Besonderheiten des Einzelfalls können über das Kriterium des „berechtigten Interesses“ des § 11 HbgPrG auf ausreichend berücksichtigt werden. Zudem ermöglicht § 11 Abs. 3 HbgPrG es dem Medienunternehmen, eine Anmerkung zu der Gegendarstellung zu veröffentlichen und damit faktisch das „letzte Wort“ zu haben. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dadurch in der Regel gewahrt."



OLG Karlsruhe: Online-Shop oder Versandhändler darf Zahlungen von einem ausländischen Konto im SEPA-Raum nicht ablehnen

OLG Karlsruhe
Urteil vom 23.05.2018
4 U 120/17


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Online-Shop oder Versandhändler darf Zahlungen von einem ausländischen Konto im SEPA-Raum nicht ablehnen. Dies folgt - so das Gericht - aus Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung. Diese Vorschrift ist zugleich eine Norm, die dem Verbraucherschutz dient.