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OLG Stuttgart: Regelung in SWR-Rundfunkbeitragssatzung zum Ausschluss der Barzahlung des Rundfunkbeitrags rechtmäßig

OLG Stuttgart
Beschluss vom 08.07.2017
19 VA 17/16


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Regelung in der SWR-Rundfunkbeitragssatzung zum Ausschluss der Barzahlung des Rundfunkbeitrags rechtmäßig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Die SWR-Rundfunkbeitragssatzung schließt in wirksamer Weise eine Barzahlung des Rundfunkbeitrags aus

Der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz von Achim Späth hat durch Beschluss vom 8. Juni 2017 entschieden, dass § 10 der SWR-Rundfunkbeitragssatzung in wirksamer Weise eine Barzahlung des Rundfunkbeitrags ausschließt.

Die Antragstellerin möchte ihren Rundfunkbeitrag in bar entrichten. § 10 der SWR-Rund-funkbeitragssatzung, der Zahlung auf ein Beitragsabwicklungskonto bestimmt, verstoße nach ihrer Auffassung gegen höherrangiges Recht. Die Antragstellerin sieht den SWR im Annahmeverzug und möchte das Geld daher nach § 372 Satz 1 BGB hinterlegen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. August 2016 hat das Amtsgericht Reutlingen die Annahme eines Betrages von 60,98 € zurückgewiesen, da die gesetzlichen Voraussetzungen der Hinterlegung, insbesondere Gläubigerverzug, nicht erfüllt seien. Die Antragstellerin hat dagegen am 14. September 2016 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der genannte Betrag befindet sich in vorläufiger Verwahrung bei der Landesoberkasse.

Der Senat hat entschieden, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig, aber nicht begründet ist. Der SWR sei gemäß § 10 seiner Rundfunkbeitragssatzung berechtigt, die Beitragszahlungen nur in Form von Buchgeld anzunehmen und Barzahlungen auszuschließen.

Diese Satzungsregelung verstoße nicht gegen übergeordnetes Recht. Die von der Antragstellerin angeführten Art. 128 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bzw. § 14 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (BBankG) beträfen das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Euro-Banknoten zu regeln bzw. diese auszugeben. Damit solle aber nicht etwa eine Erfüllung von Forderungen durch Überweisungen verboten oder auch nur ein Vorrang von Barzahlungen begründet werden. Nichts anderes folge – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – aus der Empfehlung der Kommission vom 22. März 2010 (2010/191/EU) über den Geltungsbereich und die Auswirkungen des Status der Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliche Zahlungsmittel. Denn diese unverbindliche Regelung beschäftige sich nicht mit dem Verhältnis von Bar- und Buchgeld, sondern ausschließlich mit dem Status des gesetzlichen Zahlungsmittels und lasse selbst dort Ausnahmen von der Annahmepflicht bei Barzahlungen in bestimmten Fällen zu.

Auch ein Verstoß der Satzungsregelung gegen Grundrechte, insbesondere Freiheitsrechte aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, liegt nicht vor. In der Abwägung der individuellen Rechte mit den Organisationsrechten, die aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag folgen, zeige sich die Regelung des § 10 der SWR-Rundfunkbeitragssatzung als zweckmäßig, verhältnismäßig und angemessen, um das Massengeschäft der Beitragseinziehung zu organisieren.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof hat der Senat nicht zugelassen. Auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung hielt der Senat nicht für angezeigt, da die Vorlagepflicht unter anderem dann entfalle, wenn die richtige Auslegung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt.


Aktenzeichen

19 VA 17/16 - Oberlandesgericht Stuttgart
HL 66/16 - Amtsgericht Reutlingen

Relevante Normen

§ 10 der SWR-Rundfunkbeitragssatzung
(1) Der Beitragsschuldner hat die Rundfunkbeiträge auf seine Gefahr auf das Beitragsabwicklungskonto ARD/ZDF/Deutschlandradio bei Banken oder Sparkassen zu leisten.
(2) Der Beitragsschuldner kann die Rundfunkbeiträge nur bargeldlos mittels folgender Zahlungsformen entrichten:
1. Ermächtigung zum Einzug mittels SEPA-Basislastschrift,
2. Einzelüberweisung,
3. Dauerüberweisung.
(3) Die Kosten der Zahlungsübermittlung einschließlich eventueller Rücklastschriftkosten hat der Beitragsschuldner zu tragen.
(4) Der Beitragsschuldner ist verpflichtet, die von ihm zu Lasten seines Bankkontos geleisteten Zahlungen der Rundfunkbeiträge zu überprüfen und etwaige Einwendungen geltend zu machen.

§ 372 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten kann der Schuldner bei einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle für den Gläubiger hinterlegen, wenn der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.



BGH: Wettbewerbswidrige Mitwirkung der ARD an Zeitschrift ARD Buffet des Burdaverlags - Verstoß gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ist nach § 3a UWG unlauter

BGH
Urteil vom 26.01.2016
I ZR 207/14
ARD Buffet


Der BGH hat entschieden, dass die Mitwirkung der ARD an der Zeitschrift ARD Buffet des Burdaverlags wettbewerbswidrig ist. Es liegt ein Verstoß gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV, da diese Vorschrift ein Verbot enthält, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen. Diese Vorschrift ist eine Marktverhaltensregelung nach § 3a UWG, so dass ein Verstoß zugleich unlauter ist.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Mitwirkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei der Herausgabe von Programmzeitschriften - ARD Buffet

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wettbewerbsrechtlich unlauter handelt, wenn sie einem Verlag das Recht einräumt, für ihre Sendungen geschützte Marken zur Bezeichnung eines von dem Verlag angebotenen Druckwerks zu benutzen.

Der Kläger, der Bauer Verlag, verlegt zahlreiche Publikumszeitschriften, unter anderem Koch- und Lebensart-Magazine. Der Beklagte zu 1, der Südwestrundfunk, ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD). Die Beklagte zu 2 ist eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft des Beklagten zu 1. Der Beklagte zu 1 produziert seit dem Jahr 1998 die Sendung "ARD Buffet", zu deren wesentlichen Elementen eine Koch-Show und eine Deko-Rubrik sowie ein Ratgeberbeitrag gehören. Er ist (Mit-)Inhaber der Marken "ARD Buffet", "ARD" und "Das Erste". Seit 2005 publiziert der Burda Verlag die Zeitschrift "ARD Buffet - das monatliche Magazin zur erfolgreichen TV-Sendung", in der Inhalte der Sendungen aufgegriffen werden. Die Beklagte zu 2 hat dem Burda Verlag das Recht zur Verwendung der Marken des Beklagten zu 1 zur Bezeichnung der Zeitschrift "ARD Buffet" eingeräumt. Die Zeichen sind sowohl auf der Titelseite als auch im Heftinnern abgedruckt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten verstießen gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV, wonach der öffentlich-rechtliche Rundfunk programmbegleitend Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt anbieten kann. Er ist der Auffassung, ein Verstoß gegen diese Bestimmung sei wettbewerbswidrig, weil es sich dabei um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handele. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Unterlassung des Angebots des Druckwerks "ARD Buffet" in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt. Die Revision hatte Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat - anders als das Berufungsgericht - angenommen, dass es sich bei § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 3a UWG handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV hat den Zweck, die Betätigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf dem Markt der Druckwerke zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann daher wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern begründen.

Aus § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ergibt sich zunächst das an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtete Verbot, Druckwerke (selbst) anzubieten oder - was dem gleichsteht - (durch Dritte) anbieten zu lassen, wenn es sich dabei nicht um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt. Gegen dieses Verbot haben die Beklagten - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - schon deshalb nicht verstoßen, weil sie nicht Anbieter der Zeitschrift "ARD Buffet" sind. Die wirtschaftliche und die publizistische Verantwortung für die Zeitschrift "ARD Buffet" liegt nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bei den Beklagten, sondern beim Burda Verlag.

Aus § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV lässt sich darüber hinaus das an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtete Verbot entnehmen, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen. Nach ihrem Wortlaut gestattet die Bestimmung dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein das (eigene) Angebot von Druckwerken. Einer erweiternden Auslegung dieses Wortlauts dahin, dass die Bestimmung dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch die Förderung des Angebots von Druckwerken durch Dritte erlaubt, steht entgegen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk beim Angebot von Druckwerken nicht stärker als zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig in die Pressefreiheit eingreifen darf. Das ist aber dann der Fall, wenn er das Druckwerk nicht selbst anbietet, sondern die Veröffentlichung des Druckwerks durch einen Dritten unterstützt, weil er damit in das Konkurrenzverhältnis der Anbieter von Druckwerken eingreift und dem von ihm unterstützten Dritten Vorteile im Wettbewerb verschafft. Gegen dieses Verbot haben die Beklagten dadurch verstoßen, dass die Beklagte zu 2 dem Burda Verlag das Recht zur Verwendung der Marken des Beklagten zu 1 zur Bezeichnung der Zeitschrift "ARD Buffet" eingeräumt hat.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er konnte in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden, weil der vom Kläger gestellte Unterlassungsantrag nicht hinreichend bestimmt war. Der Kläger hat nunmehr Gelegenheit, sein Unterlassungsbegehren in einen Antrag zu fassen, der dem Bestimmtheitsgebot entspricht.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 19. September 2011 - 315 O 410/10, ZUM 2012, 609
OLG Hamburg - Urteil vom 15. August 2014 - 5 U 229/11

Karlsruhe, den 26. Januar 2017

§ 11a Abs. 1 Satz 2 RStV

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann programmbegleitend Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt anbieten.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.




VG Hannover: TV-Programmhinweise im Werbeblock ohne Zäsur sind nicht gestattet - RTL gegen Niedersächsische Landesmedienanstalt

VG Hannover
Urteile vom 17.11.2016
7 A 430/16
7 A 280/15


Das VG Hannover hat entschieden, dass TV-Programmhinweise im Werbeblock ohne Zäsur nicht gestattet sind.

Die Pressemitteilung des VG Hannover:

TV-Programmhinweise im Werbeblock ohne Zäsur unzulässig
7. KAMMER HAT MIT URTEILEN VOM 17.11.2016 ZWEI KLAGEN VON RTL GEGEN BEANSTANDUNGSVERFÜGUNGEN DER NIEDERSÄCHSISCHEN LANDESMEDIENANSTALT ABGEWIESEN.

Im ersten Fall hatte RTL innerhalb eines gekennzeichneten Werbeblocks einen Programmhinweis auf das Jugendformat „Toggo" in dem zur Senderfamilie gehörenden Programm Super RTL ausgestrahlt, sog. Cross-Promotion. Werbung muss nach § 7 Abs. 3 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) als solches leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein (Erkennungs- und Trennungsgebot). Programmhinweise zählen jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Programm und nicht zur Werbung. Sie werden nach § 45 Abs. 2 RStV auch nicht auf die zulässige Dauer der Fernsehwerbung angerechnet. Der Zuschauer muss klar erkennen können, wann auf Programm wieder Werbung folgt. Folgt auf einen Programmhinweis ohne Zäsur (Werbelogo) erneut kommerzielle Werbung, wird das Trennungsgebot von Werbung und redaktionellem Inhalt verletzt.

Aktenzeichen: 7 A 430/16

Im zweiten Fall hatte RTL innerhalb eines gekennzeichneten Werbeblocks einen Programmhinweis auf die Sendung „Yps" in dem zur Senderfamilie gehörenden Programm RTLNITRO ausgestrahlt und diesen Hinweis mit einem kommerziellen Werbespot für eine Programmzeitschrift verbunden, sog. Kombispot. Auch hier erkannte das Gericht einen Verstoß gegen das Trennungsgebot von Werbung und Programm. Ein sog. Kombispot trägt den Verstoß bereits in sich. Er ist regelmäßig unzulässig. Lässt sich der Kombispot in Programmhinweis und Werbung trennen, muss auch hier ein Werbelogo platziert werden. Das Gericht hat in diesem Fall wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Berufung zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen.

Aktenzeichen: 7 A 280/15



OLG Köln: Tagesschau-App der ARD in der Fassung 2011 aufgrund des presseähnlichen Charakters unzulässig - Verstoß gegen § 11d RStV

OLG Köln,
Urteil vom 30.09.2016
6 U 188/12

Das OLG Köln hat entschieden, dass die Tagesschau-App der ARD in der Fassung vom Juni 2011 unzulässig war. Diese hatte- so das Gericht - einen presseähnlichen Charakter auf und war damit nach § 11d RStV unzulässig.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Tagesschau App unzulässig

Die „Tagesschau App“ ist, so wie sie am 15. Juni 2011 abrufbar war, unzulässig. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Hubertus Nolte heute entschieden und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten untersagt, die App in dieser Form zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Damit hat die Unterlassungsklage von elf führenden deutschen Verlagshäusern weitgehend Erfolg.

Die Klage war darauf gestützt, dass die „Tagesschau App“ gegen eine Regelung im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) verstoße. Nach § 11d RStV ist es den öffentlich-rechtlichen Anbietern untersagt, „nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote“ in Telemedien zu verbreiten. Das Verbot hat zumindest auch den Zweck, die Presseverlage vor weitgreifenden Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet schützen.

Zunächst hatte das Oberlandesgericht Köln die Klage abgewiesen, weil der Rundfunkrat des federführenden NDR in einem Telemedienkonzept die „Tagesschau App“ als nicht presseähnlich eingestuft und freigegeben hatte (Urteil vom 20.12.2013 – Az. 6 U 188/12 – unter www.nrw.de veröffentlicht). Der Bundesgerichtshof hatte die Bindungswirkung der Entscheidung des Rundfunkrates verneint und dem Oberlandesgericht Köln sodann aufgegeben, selbst zu überprüfen, ob das Angebot der App „presseähnlich“ sei (vgl. Pressemitteilung Nr. 75/2015 des BGH). Dabei dürfe, so der Bundesgerichtshof, das Angebot der App nicht durch „stehende“ Texte und Bilder geprägt sein, sondern müsse den Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung haben.

Diese Überprüfung hat der Senat nunmehr vorgenommen und die Pressähnlichkeit der App bejaht. Dabei hatte der 6. Zivilsenat nur darüber zu entscheiden, ob das Angebot der „Tagesschau App“ am 15. Juni 2011 als „presseähnlich“ einzustufen war. Denn nur der Inhalt dieses Tages ist von den Klägern zum Streitgegenstand gemacht worden. Der Senat hat auch die von den Klägern in Papierform vorgelegte Dokumentation dieses Angebots als ausreichend angesehen, um die vom Bundesgerichtshof geforderte Überprüfung vornehmen zu können. Der Senat hat dabei die Gesamtheit der nichtsendungsbezogenen Inhalte bewertet. Schon die Start- und Übersichtsseiten der App, die den Nutzern bestimmungsgemäß als erste gegenübertreten, bestünden ausschließlich aus Text und Standbildern und sie enthielten überwiegend Verweise auf - ggf. bebilderte - Textseiten. Auch auf den nachgelagerten Ebenen sei die Gestaltung der dokumentierten Beiträge mit wenigen Ausnahmen dadurch geprägt, dass es sich um in sich geschlossene Nachrichtentexte handelte, die aus sich heraus verständlich und teilweise mit Standbildern illustriert seien. Insgesamt stünden Texte und Standbilder bei der Gestaltung im Vordergrund. Dies sei nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs als presseähnlich zu qualifizieren.

Die Revision wurde nicht zugelassen, da nach der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof nunmehr nur die die konkreten Umstände des Einzelfalles zu würdigen waren.



OLG Köln: Gladbecker Geiseldrama darf gegen den Willen eines Geiselgangsters verfilmt werden - Meinungs- und Kunstfreiheit überwiegt dabei das allgemeine Persönlichkeitsrecht

OLG Köln
Beschluss vom 21.07.2016
15 W 42/16


Das OLG Köln hat entschieden, dass das Gladbecker Geiseldrama auch gegen den Willen eines Geiselgangsters verfilmt werden darf. Die Meinungs- und Kunstfreiheit überwiegt dabei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des klagenden Geiselnehmers. Die Namen der Geiselnehmer sind der Öffentlichkeit bekannt und - so das Gericht - für die Öffentlichkeit untrennbar mit dem Ereignis verbunden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Oberlandesgericht Köln: Beschwerde gegen Spielfilm über Gladbecker Geiseldrama ohne Erfolg

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat die sofortige Beschwerde eines der Täter des "Gladbecker Geiseldramas" im Jahr 1988 zurückgewiesen. Dieser hatte Prozesskostenhilfe für ein Gerichtsverfahren begehrt, um einen geplanten Spielfilm über die Ereignisse verbieten zu lassen. Das Landgericht Aachen hatte den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts bestätigt.

Prozesskostenhilfe gibt es nach dem Gesetz (§ 114 ZPO) nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung hat aber nach der das Landgericht bestätigenden Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller hat zunächst schon nicht glaubhaft gemacht, in welcher Weise er in dem beabsichtigten Spielfilm dargestellt werden soll, so dass eine ihm drohende konkrete Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht festzustellen ist. Unabhängig davon hat der Antragsteller keinen Anspruch darauf, einen Film über die Tat und deren Umstände zu verbieten. Dies gilt auch, wenn in dem Film der Name des Antragstellers genannt und seine Tatbegehung durch einen Schauspieler dargestellt wird. Dabei hat der Senat eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers und der Meinungs- und Kunstfreiheit der Filmgesellschaft (Antragsgegnerin) vorgenommen.

Das Persönlichkeitsrecht bietet zwar Schutz vor einer zeitlich unbeschränkten Befassung der Medien mit der Person eines Straftäters und mit seiner Privatsphäre. Nach einer Verurteilung lassen sich wiederholte Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Täters im Hinblick auf seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung) nicht ohne weiteres rechtfertigen. Allerdings führt auch die Verbüßung der Strafhaft nicht dazu, dass der Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat "allein gelassen zu werden".

Bei der Abwägung hat der Senat berücksichtigt, dass es um eine spektakuläre, in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aufgrund deren Umstände einzigartige Straftat geht. Diese Tat ist untrennbar mit der Person und dem Namen der Täter verbunden. Sie ist der Öffentlichkeit nicht nur wegen der Straftat selbst, sondern insbesondere wegen der Einbeziehung der Medien in Erinnerung geblieben und ist so auch in öffentlich zugänglichen Archiven unter Namensnennung dokumentiert. Außerdem haben der Antragsteller und sein Strafverteidiger die Straftat selbst dadurch in Erinnerung gerufen, dass sie öffentlich zum weiteren Vollzug der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sowie der anschließenden Sicherungsverwahrung Stellung genommen haben. Daher ist der Antrag unbegründet, auch wenn die Tat schon 28 Jahre zurückliegt.

Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist nicht gegeben.

Landgericht Aachen: Beschluss vom 24.05.2016, Az. 8 O 168/16

Nichtabhilfebeschluss vom 12.07.2016, Az. 8 O 168/16

Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 21.07.2016, Az. 15 W 42/16


BGH-Entscheidung zur Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung über eine Organentnahme liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 12.04.2016
VI ZR 505/14
BGB § 823


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Zur Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung über eine Organentnahme - BGH bekräftigt Meinungsfreiheit und Pressefreiheit" über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Zu der zutreffenden Sinndeutung einer Äußerung und zu den Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung (hier: Pressebericht über eine Organentnahme).

BGH, Urteil vom 12. April 2016 - VI ZR 505/14 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zur Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung über eine Organentnahme - BGH bekräftigt Meinungsfreiheit und Pressefreiheit

BGH
Urteil vom 12.04.2016
VI ZR 505/14


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung zur Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung über eine Organentnahme geäußert und die Bedeutung der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit bekräftigt. Eine Verdachtsberichterstattung war in diesem Fall nach Durchführung einer Abwägung durch die Wahrnehmung berechtigter Informationsinteressen der Öffentlichkeit gerechtfertigt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung über eine Organentnahme

Die Klägerin ist die bundesweite Koordinierungsstelle für postmortale Organspenden gemäß § 11 Transplantationsgesetz. Sie nimmt die Beklagten, die Verlegerin einer Tageszeitung und eine Journalistin, wegen der Veröffentlichung eines Artikels vom 8. Mai 2012 auf Unterlassung in Anspruch. In dem Artikel befasst sich die Beklagte zu 2 kritisch mit dem damaligen Medizinischen Vorstand der Klägerin sowie einer am 8./9. Dezember 2005 erfolgten Organentnahme. Er lautet in Auszügen wie folgt:

"(…) Die Herausnahme der Organe (…) sollte beginnen. Der junge Kollege, der die hierfür nötigen Formalitäten überprüfen musste, war damals noch nicht lange Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation (…). Aber das kleine Einmaleins der Hirntoddiagnostik (…) kannte er. Er wurde stutzig. Es fehlte nicht bloß irgendeine Unterschrift. Es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll, jenes Dokument also, das hätte bestätigen müssen, dass bei dem Mann (…) der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen nicht bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden war. Sondern dass der Hirntod nach einem gewissen zeitlichen Abstand erneut und von einem zweiten Mediziner nachgewiesen worden war, um wirklich jeden Zweifel auszuschließen. Der Verdacht lag nahe, dass diese zweite Diagnostik schlicht vergessen worden war.

(…) Kaum eine medizinische Prozedur ist so verbindlich geregelt wie die Hirntoddiagnostik. Seit 1997 besteht hierzu eine quasi gesetzliche Regelung durch das Transplantationsgesetz. Danach müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander den Hirntod zweimal bestimmen - und dies auch zweimal dokumentieren, und zwar schriftlich. Die Düsseldorfer Organentnahme hätte unter diesen Umständen nicht stattfinden dürfen.

Dass sie trotzdem erfolgte, geschah mit Billigung und unter der Verantwortlichkeit des Mannes, der damals wie heute an der Spitze der DSO steht: [K.], (…), Medizinischer Vorstand der DSO - und damit qua Amt der Monopolist für Leichenorgane in Deutschland. Wie weit [K.s] Macht reicht, macht der weitere Verlauf des Düsseldorfer Hirntod-Dramas deutlich: Eine Mitarbeiterin aus dem nordrhein-westfälischen DSO-Team, die sich für eine Klärung des Falls starkgemacht hatte, bekam die fristlose Kündigung zugestellt - per Bote um Mitternacht.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung der Äußerungen "es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll" und/oder "der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden" und/oder "der Verdacht lag nahe, dass diese zweite Diagnostik schlicht vergessen worden war" (…) und "Wie weit K."s Macht reicht, macht der weitere Verlauf des Düsseldorfer Hirntod-Dramas deutlich: Eine Mitarbeiterin aus dem Nordrhein-Westfälischen DSO-Team, die sich für eine Klärung des Falls stark gemacht hatte, bekam die fristlose Kündigung zugestellt - per Bote um Mitternacht" (...) in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die vom Senat zugelassene Revision hat zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage geführt, weil das Berufungsgericht den Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen hat. In ihrer zutreffenden Sinndeutung sind sie zulässig, da entweder wahr oder in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt (Art. 5 Abs. 1 GG, § 193 StGB):

Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Beklagten die Aussage, der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden, in Bezug auf den Betroffenen und die streitgegenständliche Organentnahme nicht getätigt, so dass sie nicht verboten werden kann.

Dagegen beeinträchtigen die Aussagen, die Klägerin habe im Fall des betroffenen Organspenders eine gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG unzulässige Organentnahme zugelassen, weil dabei keine durch einen zweiten Mediziner erfolgte schriftliche Feststellung des Hirntodes vorgelegen habe, sowie, es bestehe der Verdacht, dass diese zweite Diagnostik vergessen worden sei, sowie, die Klägerin habe auf das Klärungsverlangen einer Mitarbeiterin mit einer fristlosen Kündigung reagiert, zwar das Ansehen und den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin. Die Äußerungen waren aber zulässig.

Bei der beanstandeten Äußerung "es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll" handelt es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung, an deren Unterlassung ein anerkennenswertes Interesse der Klägerin nicht erkennbar ist. Der unbefangene Durchschnittsleser muss die Darlegungen im Artikel so verstehen, dass damit die schriftlich dokumentierte Feststellung des Hirntodes des Betroffenen durch einen zweiten Mediziner gemeint ist. Dass dieses Dokument bei der streitgegenständlichen Organentnahme nicht vorlag, ist von dem Berufungsgericht festgestellt.

Die Aussage, es bestehe der Verdacht, dass die zweite Diagnostik vergessen worden sei, stellt eine Verdachtsbehauptung mit Meinungsbezug dar, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfällt. Die damit nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung vorzunehmende Abwägung (§ 193 StGB, Art. 5 Abs. 1 GG), geht für den maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels zu Lasten der Klägerin aus. Die Berichterstattung war durch die Wahrnehmung berechtigter Informationsinteressen der Öffentlichkeit gerechtfertigt. Es bestand ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprachen. Die Behauptung, die abschließende Diagnose eines zweiten Mediziners habe (gar) nicht vorgelegen, wird in dem Artikel nicht als wahr hingestellt. Die Beklagte zu 2 hatte dem Medizinischen Vorstand der Klägerin zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und hat auch die Position der Klägerin - es habe eine schriftliche Diagnose eines zweiten Mediziners gegeben, das Schriftstück habe aber nicht mehr aufgefunden werden können - wiedergegeben. Schließlich ist der Gegenstand des Berichts von erheblichem öffentlichem Interesse und in Wahrnehmung der originären Aufgabe der Beklagten, der Kontrollfunktion der Presse, erfolgt.

Die Aussage, die Klägerin habe auf ein Verlangen nach Klärung durch eine Mitarbeiterin mit deren fristlosen Kündigung reagiert, ist als Meinungsäußerung zu qualifizieren, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfällt. Sie enthält nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Lesers eine subjektive Wertung in Bezug auf die hinter der Kündigung stehende Motivation der für die Klägerin handelnden Personen. An der Äußerung der Schlussfolgerungen und Wertungen, die die Beklagten aus dem im Kern wahren Sachverhalt in Bezug auf die Frage ableiten, mit welcher Motivation die Kündigung erfolgte und ob sie berechtigt war, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit ein schützenswertes Interesse, Art. 5 Abs. 1 GG.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main - Urteil vom 31. Oktober 2013 - 2-03 O 363/12

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 6. November 2014 - 16 U 218/13

Karlsruhe, den 12. April 2016

Art. 5 Abs. 1 GG lautet:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

§ 193 StGB lautet:

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

§ 3 des Transplantationsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 5. November 1997 lautete:

(1) Die Entnahme von Organen ist, soweit in § 4 nichts Abweichendes bestimmt ist, nur zulässig, wenn 1. der Organspender in die Entnahme eingewilligt hatte, 2. der Tod des Organspenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist und 3. der Eingriff durch einen Arzt vorgenommen wird.

(2) Die Entnahme von Organen ist unzulässig, wenn 1. die Person, deren Tod festgestellt ist, der Organentnahme widersprochen hatte, 2. nicht vor der Entnahme bei dem Organspender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist.

(3) Der Arzt hat den nächsten Angehörigen des Organspenders über die beabsichtigte Organentnahme zu unterrichten. Er hat Ablauf und Umfang der Organentnahme aufzuzeichnen. Der nächste Angehörige hat das Recht auf Einsichtnahme. Er kann eine Person seines Vertrauens hinzuziehen.


VG Köln: Fernsehsender VOX muss Trailer für Live-Tournee des Moderators der Sendungen Der V.I.P. Hundeprofi und Der Hundeprofi unterwegs als Werbung kennzeichnen

VG Köln
Urteil vom 31.03.2016
6 K 4476/14


Das VG Köln hat enstschieden, dass der Fernsehsender VOX Trailer für eine Live-Tournee des Moderators der Sendungen "Der V.I.P. Hundeprofi" und "Der Hundeprofi unterwegs" als Werbung kennzeichnen muss.

Die Pressemitteilung des VG Köln:

VOX muss Trailer für Live-Tourneen des Hundeprofis Martin Rütter als Werbung kennzeichnen

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit einem heute verkündeten Urteil die Klage des Fernsehsenders VOX gegen eine Beanstandung der beklagten Landesanstalt für Medien abgewiesen. Diese hatte zwei von VOX ausgestrahlte Trailer mit der Begründung beanstandet, in ihnen sei für Live-Tourneen von Martin Rütter geworben worden, ohne dies – wie im Rundfunkstaatsvertrag vorgeschrieben – als Werbung zu kennzeichnen.

Die beanstandeten Trailer wurden 2013/2014 im Programm von VOX im Umfeld der von Martin Rütter moderierten Sendungen „Der V.I.P. Hundeprofi“ und „Der Hundeprofi unterwegs“ ausgestrahlt. Die ca. 15-sekündigen Trailer zeigten u.a. kurze Dialoge mit Martin Rütter. Eingeblendet war u.a. auch eine Telefonnummer für „Tickets und Infos“. Die Beklagte beanstandete mit Entscheidung vom 17. Juli 2014 die mangelnde Kennzeichnung der Trailer als Werbung.

Die für Medienrecht zuständige 6. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die dagegen gerichtete Klage des Senders VOX abgewiesen. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass beide Trailer sich nicht auf kennzeichnungsfreie programmbegleitende Hinweise beschränkten, sondern in der gebotenen Gesamtwürdigung kennzeichnungspflichtige Werbung für die Tourneen von Martin Rütter seien. Dafür spreche die eingeblendete Hotline für Tickets und Infos. Das Gericht wies auch darauf hin, dass die Trailer nicht innerhalb eines Werbeblocks ausgestrahlt worden seien. Für den durchschnittlichen Zuschauer sei der Werbeblock jeweils nach den Programmhinweisen auf weitere VOX-Sendungen und mit Einblendung des Senderlogos beendet gewesen. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, Ausstrahlungen anderer Sender seien möglicherweise ebenfalls nicht hinreichend als Werbung gekennzeichnet worden.

Gegen das Urteil kann ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.


BGH-Entscheidung zum Zitatrecht bei Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 17.12.2015
I ZR 69/14
Exklusivinterview
UrhG §§ 50, 51 Satz 1, § 87 Abs. 1 Nr. 2, § 96 Abs. 1, § 97 Abs. 1 und 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders kann vom Zitatrecht gedeckt sein" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Die Sendung von Teilen eines zuvor durch ein anderes Sendeunternehmen ausgestrahlten Interviews stellt eine Verletzung der Rechte des erstausstrahlenden Sendeunternehmens dar, seine Sendungen aufzuzeichnen und später zu verbreiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, § 96 Abs. 1 UrhG).

b) Eine solche Verwendung von Interviewteilen ist keine Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG, weil die Bestimmung zwischen dem Tagesereignis und der im Verlauf dieses Ereignisses wahrnehmbar erdenden urheberrechtlich geschützten Leistung unterscheidet. Das übernommene Bildmaterial ist keine urheberrechtlich geschützte Leistung, die
im Verlaufe eines Tagesereignisses, über das berichtet worden ist, wahrnehmbar geworden ist.

c) Die Anwendung der Schutzschranke gemäß § 51 UrhG setzt nicht voraus, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt.

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - I ZR 69/14 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Hannover: Unzulässige Werbung durch Produktplatzierung im RTL-Dschungelcamp 2014 - Bahlsen Leibniz Pick up

VG Hannover
Urteil vom 18.02.2016
7 A 13293/15

Das VG Hannover hat entschieden, dass die Werbung für den Keksriegel Leibniz Pick up von Bahlsen durch Produktplatzierungen im RTL Dschungelcamp 2014 - "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" unzulässig war.

Die Pressemitteilung des VG Hannover:

Zu starke Kekspräsentation im „Dschungelcamp“ 2014 - 7. Kammer weist Klage des Senders RTL gegen Beanstandungsverfügung ab

Die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) hatte die Produktplatzierung des Schokoladengebäcks „Leibniz Pick up" in einer im Jahr 2014 von RTL ausgestrahlten Folge der Fernsehreihe „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" (Dschungelcamp) als unzulässig beanstandet. Produktplatzierung ist die „gekennzeichnete Erwähnung oder Darstellung u. a. von Waren in Sendungen gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung mit dem Ziel der Absatzförderung". Der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) erlaubt die Produktplatzierung u. a. in Sendungen der leichten Unterhaltung (§ 44 RStV), wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt werden. Eine diese Voraussetzungen ist, dass das Produkt nicht „zu stark" herausgestellt wird (§ 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 RStV).

In der beanstandeten, ca. eineinhalb Minuten dauernden Sequenz war den Teilnehmern der Sendung als „Preis" für eine erfolgreich absolvierte „Prüfung" eine Metallkiste gefüllt mit einer Großpackung „Pick up" überlassen worden. Nach Öffnen der Truhe wurde die Packung sichtbar in die Höhe gehalten. Die Akteure reagierten mit Jubel. In Einzeleinstellungen wurde gezeigt, wie die Teilnehmer lustvoll das Gebäck verzehrten. In weiteren Äußerungen einzelner Teilnehmer in einer Interviewkabine („Dschungeltelefon") bzw. "aus dem Off" wurde auf das Produkt lobend Bezug genommen.
Nach Inaugenscheinnahme der beanstandeten Sequenz in der mündlichen Verhandlung hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts die Einschätzung der NLM, das Produkt sei in unzulässiger Weise hervorgehoben worden, bestätigt. Zwar erlaube der RStV im vorliegenden Zusammenhang die Produktplatzierung sogar im Sinne einer starken Hervorhebung. Unzulässig sei jedoch eine „zu starke" Hervorhebung, damit eine Abgrenzung zur Werbung erkennbar bleibe. Eine Herausstellung sei „zu stark", wenn der Werbezweck das Sendungsgeschehen dominiere und der natürliche Handlungsablauf ihm gegenüber in den Hintergrund gerückt sei.
Die ersten Szenen der Produktplatzierung hätten den programmatisch-dramaturgischen Zusammenhang noch gewahrt. Dies gelte für die Verwendung des Produkts als Belohnung für die hungrigen Kandidaten ebenso wie für den Jubel der Akteure bei Öffnung der Truhe. Auch die Einzelaufnahmen der Kandidaten beim "genüsslichen" Verzehr der Kekse hätten noch nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Die Grenze zur unzulässigen Produktplatzierung sei jedoch mit den nachfolgenden Äußerungen einzelner Kandidaten zum Produkt in der Interviewkabine („Dschungeltelefon") und „aus dem Off" überschritten worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der eigentliche Handlungsstrang abgeschlossen gewesen. Mit den Sätzen: „Man weiß gar nicht, wie man wirklich diese kleinen Dinge im Leben jetzt auf einmal zu schätzen weiß. Das ist eine Geschmacksbombe", „Die süße Schokolade war absolut ein Traum. Ich hätte gern alle fünf Riegel auf einmal gegessen, muss ich gestehen", „Hammer, krass, lecker, yummi", „Geil", „War echt traumhaft. Ich möchte einfach mehr", „Das hat wirklich alles: Karamell, Schokolade und Keks. Was will man mehr?", „Kannst Du Dich auch vermehren?" sei nach Abschluss des Handlungsstrangs ausschließlich auf das Produkt Bezug genommen worden. Liege ohne weitere Handlung eine übertriebene verbale Lobpreisung des Produkts durch Akteure in der Sendung vor, sei das Produkt „zu stark" hervorgehoben und die Produktplatzierung unzulässig. Bei den zitierten Einzeläußerungen der Akteure habe der Werbezweck dominiert.
Gegen das Urteil steht RTL der Antrag auf Zulassung der Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu. Az. 7 A 13293/15


BGH: Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders kann vom Zitatrecht gedeckt sein

BGH
Urteil vom 17.12.2015
I ZR 69/14
Exklusivinterview

Der BGH hat entschieden, dass die Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders vom Zitatrecht gedeckt sein kann.

DIe Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Übernahme von Exklusivinterviews in Fernsehsendungen

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Zulässigkeit der Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders entschieden.

Die Parteien sind private Fernsehunternehmen. Die Klägerin führte Exklusivinterviews mit Liliana M. über sich und ihre Ehe mit dem ehemaligen Fußballnationalspieler Lothar M. Die Klägerin strahlte die Interviews am 26. Juli 2010 sowie am 2. August 2010 in ihrer Sendung "STARS & Stories" aus. Nachdem die Beklagte sich zuvor jeweils vergeblich bei der Klägerin um eine Zustimmung zu der Nutzung dieser Interviews bemüht hatte, verwendete sie daraus verschiedene Ausschnitte unter Angabe der Quelle am 1. und 3. August 2010 in ihrer Sendung "Prominent".

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Schutzrechte als Sendeunternehmen. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die gegen das Urteil des Oberlandesgerichts eingelegte Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die Beklagte durch die Übernahme von Teilen der von der Klägerin in den Sendungen "STARS & stories" ausgestrahlten Interviews in das der Klägerin als Sendeunternehmen zustehende Leistungsschutzrecht eingegriffen hat. Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen jedoch nicht seine Annahme, die Eingriffe in das Leistungsschutzrecht der Klägerin habe die Beklagte widerrechtlich vorgenommen.

Allerdings kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die urheberrechtliche Schrankenregelung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) berufen. Diese Schrankenregelung soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechteinhabers noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Nutzung geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Im Streitfall war es der Beklagten jedoch möglich und zumutbar, vor der Übernahme des in Rede stehenden Bildmaterials um die Zustimmung der Klägerin nachzusuchen. Zudem erlaubt § 50 UrhG keine Berichterstattung, die die urheberrechtlich geschützte Leistung - hier die Interviewsendungen der Klägerin - selbst zum Gegenstand hat. Die Leistung muss vielmehr bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten.

Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beklagte auf das Zitatrecht (§ 51 UrhG) berufen kann. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es für das Eingreifen dieser Schutzschranke nicht erforderlich, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt. Es reicht aus, dass das fremde Werk als Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint. Dies ist im Streitfall zu bejahen, weil die Sendungen der Beklagten die Selbstinszenierung von Liliana M. in den Medien zum Gegenstand hatten und die übernommenen Interviewausschnitte hierfür als Beleg verwendet wurden. Die weitere Annahme des Oberlandesgerichts, das Eingreifen des Zitatrechts scheide außerdem aus, weil die Beklagte die Schlüsselszenen der Interviews übernommen und daher die Möglichkeit der Klägerin wesentlich erschwert habe, die ihr exklusiv gewährten Interviews kommerziell umfassend auszuwerten, wird durch die Feststellungen, die das Oberlandesgericht getroffen hat, nicht getragen. Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen das Oberlandesgericht die übernommenen Szenen als den für die nachfolgende Verwertung maßgeblichen Kern der Interviews beurteilt hat. Das Oberlandesgericht hat außerdem keinen Feststellungen dazu getroffen, ob und wenn ja aus welchen Gründen der Fernsehzuschauer die von der Beklagten übernommenen Sequenzen als Schlüsselszenen der von der Klägerin geführten Interviews erkennen und aus diesem Grund sein Interesse an der Wahrnehmung der vollständigen Interviews auf dem Sender der Klägerin verlieren wird. Die Sache ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden, das die notwendigen Feststellungen nachholen muss.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 13. September 2011 - 310 O 480/10

OLG Hamburg - Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 U 225/11

Karlsruhe, den 17. Dezember 2015

* § 50 UrhG lautet:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

** § 51 UrhG lautet:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. ...



VG Kassel: Sat1 ist weiterhin zur Ausstrahlung des Regionalfensters in Hessen verpflichtet

VG Kassel
1 K 618/13,KS
Urteil vom 01.12.2015


Das VG Kassel hat entschieden, dass Sat1 weiterhin zur Ausstrahlung des Regionalfensters in Hessen verpflichtet ist.

Die Pressemitteilung des VG Kassel:

Die 1. Kammer des VG Kassel hat eine Klage u.a. der Veranstalterin des Fernsehprogramms Sat.1 gegen einen Genehmigungsbescheid der Hessischen Landesmedienanstalt abgewiesen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Unternehmen aus Rheinland-Pfalz produziert seit März 1990 das 30-minütige werktägliche regionale Fernsehprogramm für Hessen und Rheinland-Pfalz im Prgramm von Sat.1. Im Januar 2012 beantragte dieses Unternehmen bei der Hessischen Landesmedienanstalt in Kassel die Verlängerung der entsprechenden rundfunkrechtlichen Zulassung, die im November 2012 erteilt wurde. Hiergegen legte Sat.1 Widerspruch ein, der jedoch zurückgewiesen wurde. Im Mai 2013 hat Sat.1 Klage erhoben und diese im Wesentlichen damit begründet, dass der Genehmigungsbescheid an einer Reihe von formellen und materiellen Rechtsfehlern leide. So habe es die Hessische Landesmedienanstalt versäumt, das Regionalfenster von Sat.1 auszuschreiben. Es bestünden auch Bedenken, ob die einschlägige Vorschrift des Rundfunkstaatsvertrages, wonach u.a. Sat.1 ein regionales Fernsehprogramm anbieten müsse, mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, vor allem der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, in Einklang stehe.

Die 1. Kammer teilte diese Bedenken nicht. Der angefochtene Genehmigungsbescheid sei, so der Vorsitzende in einer kurzen mündlichen Begründung, weder aus formellen Gründen noch materiell rechtlich zu beanstanden. Die Berufung zum Hess. VGH ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.

Das Aktenzeichen des Verfahrens lautet 1 K 618/13.KS.


EuGH: Kurze Videos mit kurzen Beiträgen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung auf der Website einer Zeitung sind audiovisuelle Mediendienste

EuGH
Urteil vom 21.10.2015
C‑347/14
New Media Online GmbH gegen Bundeskommunikationssenat


Der EuGH hat entschieden, dass kurze Videos mit kurzen Beiträgen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung auf der Website einer Zeitung audiovisuelle Mediendienste sind, so dass die entsprechenden rechtlichen Vorgaben einzuhalten sind.

Tenor der Entscheidung:

1. Der Begriff „Sendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) ist dahin auszulegen, dass er die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst.

2. Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2010/13 ist dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der betreffenden Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerwG: Unzureichende Trennung von Werbung und Programm bei Sat. 1 - dominierender Programmhinweis überwiegt Schriftzug Werbung

Bundesverwaltungsgericht
Ur­teil vom 14.10.2015
6 C 17.14


Das BVerwG hat entschieden, dass der Fernsehsender Sat 1 von der zuständigen Landesmedienanstalt zu Recht gerügt wurde, da der Sender Werbung und Programm unzureichend getrennt hatte.

Die Pressemitteilung des BVerwG:

"Unzureichende Trennung von Werbung und Programm bei Sat.1 zu Recht beanstandet

Ein Fern­seh­ver­an­stal­ter ver­stößt gegen das Gebot des Rund­funk­staats­ver­trags, Wer­bung ein­deu­tig von an­de­ren Sen­dungs­tei­len ab­zu­set­zen, wenn vor Be­ginn der Wer­bung in einen noch lau­fen­den Pro­gramm­hin­weis zwar der Schrift­zug „Wer­bung“ ein­ge­blen­det wird, der wei­ter lau­fen­de Pro­gramm­hin­weis je­doch den Bild­schirm op­tisch do­mi­niert. Dies hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heute ent­schie­den.

Die Klä­ge­rin ver­an­stal­tet das Fern­seh­pro­gramm Sat.1. Wäh­rend der Un­ter­bre­chung der Serie „Anna und die Liebe“ wurde ein Pro­gramm­hin­weis auf die Über­tra­gung eines Box­kamp­fes aus­ge­strahlt. Zu sehen war zu­nächst für etwa zwei Se­kun­den ein den ge­sam­ten Bild­schirm aus­fül­len­der bren­nen­der Box­ring und in der rech­ten Bild­schirm­hälf­te der Boxer Felix Sturm. Wäh­rend die­ser sich auf die Ka­me­ra zu­be­weg­te, er­schie­nen in der Mitte des Bil­des in einem schwar­zen Kreis die Buch­sta­ben „FR“ und links da­ne­ben der Hin­weis „HEUTE 22.15 STURM VS. MUR­RAY“. Nach die­sen zwei Se­kun­den ver­wan­del­te sich der schwar­ze Kreis mit den Buch­sta­ben „FR“ zu einem dre­hen­den far­bi­gen Ball, dem so ge­nann­ten Sat.1-Ball. Gleich­zei­tig wurde der Schrift­zug „WER­BUNG“ ein­ge­blen­det. Diese Ein­blen­dung dau­er­te wie­der­um ca. zwei Se­kun­den. Im An­schluss daran be­gann der erste Wer­be­spot. In ver­gleich­ba­rer Weise wurde am sel­ben Tag wäh­rend der Un­ter­bre­chung der Serie „K 11“ in eine Pro­gramman­kün­di­gung für die Show „The Voice of Ger­ma­ny“ vor dem nach­fol­gen­den Wer­be­block der Schrift­zug „WER­BUNG“ ein­ge­blen­det. Durch den an­ge­foch­te­nen Be­scheid be­an­stan­de­te die be­klag­te Lan­des­me­di­en­an­stalt in die­sen bei­den Fäl­len einen Ver­stoß gegen das rund­funk­recht­li­che Gebot einer Tren­nung von Wer­bung und Pro­gramm. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Neu­stadt an der Wein­stra­ße hat die hier­ge­gen er­ho­be­ne Klage ab­ge­wie­sen, das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ko­blenz hat die Be­ru­fung der Klä­ge­rin zu­rück­ge­wie­sen.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat auch die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin zu­rück­ge­wie­sen: Nach der hier ein­schlä­gi­gen Be­stim­mung des Rund­funk­staats­ver­trags muss Wer­bung dem Me­di­um an­ge­mes­sen durch op­ti­sche oder akus­ti­sche Mit­tel oder räum­lich ein­deu­tig von an­de­ren Sen­dungs­tei­len ab­ge­setzt sein. An­de­re Sen­dungs­tei­le im Sinne die­ser Be­stim­mung sind auch Hin­wei­se auf ei­ge­ne spä­te­re Sen­dun­gen. Um die hier aus­ge­strahl­ten Pro­gramm­hin­wei­se von der nach­fol­gen­den Wer­bung ab­zu­set­zen, hat die Klä­ge­rin als op­ti­sches Mit­tel die Ein­blen­dung des Schrift­zugs „WER­BUNG“ in den Pro­gramm­hin­weis ver­wandt. Zwar ver­langt der Rund­funk­staats­ver­trag nicht, dass das op­ti­sche Mit­tel zur Tren­nung von Pro­gramm und Wer­bung nach dem letz­ten Bild des Pro­gramms und vor dem ers­ten Bild der Wer­bung ein­ge­setzt wird. Je­doch war diese Ein­blen­dung an­ge­sichts der hier von der Klä­ge­rin ge­wähl­ten Ge­stal­tung nicht ge­eig­net, die nach­fol­gen­de Wer­bung, wie vom Rund­funk­staats­ver­trag ver­langt, ein­deu­tig von dem Pro­gramm­hin­weis ab­zu­set­zen. Die sehr kurze Ein­blen­dung des Schrift­zugs „WER­BUNG“ reich­te wegen der op­ti­schen Do­mi­nanz des wei­ter­lau­fen­den Pro­gramm­hin­wei­ses nicht aus, dem durch­schnitt­lich auf­merk­sa­men Zu­schau­er hin­rei­chend deut­lich zu ma­chen, dass un­mit­tel­bar da­nach Wer­bung be­ginnt.

BVerwG 6 C 17.14 - Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2015


BGH-Entscheidung zur Zulässigkeit der Tagesschau-App liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 30.04.2015
I ZR 13/14
Tagesschau-App
ZPO § 50; UWG § 4 Nr. 11; RStV § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3, § 11f


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Tagesschau-App unzulässig, wenn Angebot in der Gesamtheit als presseähnlich einzustufen ist - OLG Köln muss diesen Aspekt erneut prüfen" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) ist in Rechtsstreitigkeiten, die die Erfüllung der den Rundfunkanstalten zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben betreffen (hier die Bereitstellung eines Telemedienangebots), nicht gemäß § 50 ZPO parteifähig.

b) Die Vorschrift des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote in Telemedien untersagt, ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

c) Die Beurteilung eines Telemedienkonzepts als nicht presseähnlich durch das zuständige Gremium (§ 11f Abs. 4 bis 6 RStV) und die Freigabe dieses Telemedienkonzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde (§ 11f Abs. 7 RStV) entfalten keine Tatbestandswirkung für die Beurteilung der Presseähnlichkeit eines konkreten Telemedienangebots.

d) Unter einem Angebot im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, dessen Presseähnlichkeit zu beurteilen ist, ist grundsätzlich das gesamte Telemedienangebot zu verstehen, das auf einem entsprechenden Telemedienkonzept beruht. Besteht ein Telemedienangebot sowohl aus nichtsendungsbezogenen als auch aus sendungsbezogenen Inhalten, ist bei der Prüfung der Presseähnlichkeit allein auf die Gesamtheit der nichtsendungsbezogenen Beiträge abzustellen. Stehen bei einem Telemedienangebot „stehende“ Texte und Bilder deutlich im Vordergrund,
deutet dies auf die Presseähnlichkeit des Angebots hin.

BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: