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Bundeskabinett beschließt u.a. Verbot der Vernichtung von Retouren und Warenüberhängen durch Hersteller und Händler

Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie beschlossen. Darin ist u.a. ein Verbot der Vernichtung von Retouren und Warenüberhängen durch Hersteller und Händler enthalten.

Die Pressemitteilung des BMU:

Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes legt Grundlagen für weniger Abfall und mehr Recycling

Abfallwirtschaft - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie

Mit der Novelle will die Bundesregierung die Abfallvermeidung verbessern und das Recycling verstärken. Neu ist die sogenannte "Obhutspflicht" bei der Hersteller und Händler in die Verantwortung genommen werden.

Das Bundeskabinett hat heute auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Gesetzesentwurf zur Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung will damit die Abfallvermeidung verbessern und das Recycling verstärken.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes legt die Grundlagen für wichtige Fortschritte auf dem Weg hin zu weniger Abfall und mehr Recycling. Mit drei zentralen Maßnahmen nehmen wir den Bund, aber auch Hersteller und Händler stärker als bisher in die Verantwortung: Recycelte Produkte bekommen Vorrang in der öffentlichen Beschaffung. Mit der neuen ‚Obhutspflicht‘ hat der Staat in Zukunft erstmals rechtliche Handhabe gegen die Vernichtung von Neuware oder Retouren. Wer Einwegprodukte, wie To-Go-Becher oder Zigarettenkippen in Verkehr bringt, muss sich an den Reinigungskosten von Parks und Straßen beteiligen."

Die neuen Regeln zur öffentlichen Beschaffung zielen darauf, die Nachfrage nach recyceltem Material zu erhöhen. Denn für sogenannte Rezyklate gibt es häufig noch keinen ausreichend großen Markt. Darum nimmt sich die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf selbst in die Pflicht. Künftig sollen die 6.000 Beschaffungsstellen in Bundesbehörden sowie bundeseigenen und vom Bund beherrschten Unternehmen Produkte aus Recycling gegenüber Neuanfertigungen bevorzugen. Auf Grundlage des neuen Gesetzes müssen sie – sofern keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen – beim Einkauf Produkte bevorzugen, die rohstoffschonend, abfallarm, reparierbar, schadstoffarm und recyclingfähig sind.

Ein neues Element in der Produktverantwortung ist die sogenannte "Obhutspflicht". Mit ihr nimmt die Bundesregierung Hersteller und Händler stärker in die Verantwortung. "Mit der Obhutspflicht schafft der Bund erstmals eine gesetzliche Grundlage, um der Vernichtung von Retouren und Warenüberhängen einen Riegel vorzuschieben. Damit sind wir in der Europäischen Union die ersten", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. In den Bereichen öffentliche Beschaffung und Obhutspflicht geht die Bundesregierung damit deutlich über das hinaus, was EU-weit vereinbart wurde.

Um das bisher sehr intransparente Vorgehen mancher Händler systematisch auszuleuchten, erarbeitet das Bundesumweltministerium derzeit eine Transparenzverordnung. Die dafür nötige gesetzliche Grundlage enthält das novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz. Hersteller und Händler müssen dann deutlich nachvollzierbar dokumentieren, wie sie mit nicht verkauften Waren umgehen. Eine Möglichkeit ist, diese Produkte günstiger zu verkaufen oder zu spenden.

Für die Reinigung von Parks und Straßen kommen bislang allein die Bürgerinnen und Bürger über kommunale Gebühren auf. Das soll sich mit dem neuen Gesetz ändern. Hersteller und Vertreiber von Einweg-Produkten aus Kunststoff sollen sich künftig an den Kosten für die Säuberung des öffentlichen Raums beteiligen. "Das Ziel ist klar: Wir wollen eine saubere Umwelt, in der weder Müll und noch giftige Kippen rumliegen", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

Neben diesen drei zentralen Maßnahmen enthält der Gesetzentwurf weitere Anforderungen der EU-Abfallrahmenrichtlinie und teilweise bereits der EU-Einwegkunststoff-Richtlinie.

Nach der heutigen Kabinettentscheidung wird das parlamentarische Verfahren eingeleitet. Parallel erfolgt die sogenannte Notifizierung des Entwurfs bei der Europäischen Kommission.



OLG Hamm: Onlinehändler muss über Herstellergarantie informieren auch wenn damit nicht geworben wird - Nachforschungspflicht des Onlinehändlers über Bestehen einer Garantie

OLG Hamm
Urteil vom 26.11.2019
4 U 22/19


Das OLG Hamm hat entschieden, dass Onlinehändler über Herstellergarantien informieren müssen auch wenn damit nicht geworben wird. Insofern besteht auch eine Nachforschungspflicht des Online-Händlers. Dieser muss sich über das Bestehen etwaiger Herstellergarantien informieren.

Aus den Entscheidungsgründen:

"II. Die Klage ist auch begründet.

1. Es kann dahinstehen, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit der – als Marktverhaltungsregelung iSd § 3a UWG zu qualifizierenden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 05.12.2012 – I ZR 88/11 – [Werbung mit Herstellergarantie bei eBay] , Rdnrn. 7 ff.; Senat, Urteil vom 05.04.2011 – 4 U 221/10 - , Rdnr. 34; Senat, Urteil vom 25.08.2016 – 4 U 1/16, Rdnr. 60) – Bestimmung des § 479 Abs. 1 BGB (vormals § 477 Abs. 1 a.F. BGB) zusteht.

a) § 479 Abs. 1 BGB stellt inhaltliche Anforderungen an Garantieerklärungen auf. Es spricht vieles dafür, dass täterschaftlich nur derjenige gegen diese Vorschrift verstoßen kann, der – sei es nun im eigenen Namen, sei es als Erklärungsvertreter oder sei es als Erklärungsbote (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 05.12.2012 – I ZR 88/11 – [Werbung mit Herstellergarantie bei eBay] , Rdnr. 13) – selbst eine Garantieerklärung abgibt, d.h. im Falle einer – hier vorliegenden – Erklärung in Textform diese Erklärung entweder selbst formuliert hat oder sich eine von einem Dritten formulierte Erklärung zu eigen gemacht hat. Die hier in Rede stehende Garantieerklärung im Hinblick auf die „X-Garantie“ hat die Beklagte unstreitig nicht selbst formuliert. Ob sie sich die in dem verlinkten Produktinformationsblatt enthaltene Garantieerklärung zu eigen gemacht hat, ist zumindest fraglich. Die Überschrift „Weitere technische Informationen“ über dem Hyperlink zu der „Betriebsanleitung“ spricht eher dafür, dass die Beklagte sich allenfalls die in dem verlinkten PDF-Dokument enthaltenen technisch-praktischen Angaben zu eigen machen wollte und nicht die rechtliche Erklärung zu der Garantie.

b) Für eine Gehilfenhaftung der Beklagten bedürfte es eines Gehilfenvorsatzes. Fraglich ist aber insbesondere, ob die Beklagte hinsichtlich der etwaigen Rechtswidrigkeit der Haupttat, d.h. hinsichtlich eines Verstoßes des Verfassers der Garantieerklärung gegen die Vorgaben des § 479 Abs. 1 BGB, vorsätzlich gehandelt hat.

2. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage aber jedenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit der – ebenfalls als Marktverhaltensregelung anzusehenden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 25.08.2016 – 4 U 1/16, Rdnr. 52) – Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB.

a) Nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB ist der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen u.a. verpflichtet, den Verbraucher über das Bestehen und die Bedingungen von Garantien zu informieren. Eine gleichlautende Verpflichtung enthält die – allgemein für Verbraucherverträge geltende – Regelung in § 312a Abs. 2 Satz 1 BGB iVm Art. 246 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB. Aus § 312a Abs. 2 Satz 3 BGB folgt indes, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen die Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB die speziellere und vorrangige Regelung ist. Gegen diese Regelung hat die Beklagte verstoßen.

aa) Die Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB knüpft (allein) an die Existenz einer Garantieerklärung (des Produktverkäufers oder eines Dritten) an (vgl. Senat, Urteil vom 25.08.2016 – 4 U 1/16, Rdnr. 58).

Eine besondere werbliche Hervorhebung der Garantie ist weder nach dem Wortlaut der Regelung noch nach ihrem Sinn und Zweck, nämlich der möglichst umfassenden Information des Verbrauchers über das Für und Wider eines Vertragsschlusses (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 25.08.2016 – 4 U 1/16, Rdnr. 57), erforderlich, um den Anwendungsbereich der vorbezeichneten Regelung zu eröffnen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vorzitierten Entscheidung des Senats: Dort hat der Senat lediglich ausgeführt, dass die Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB auch dann gilt, wenn es sich bei den zu beurteilenden Angaben (nur) um bloße Werbung mit einer Garantie handelt (Senat, Urteil vom 25.08.2016 – 4 U 1/16, Rdnr. 56); eine Beschränkung des Anwendungsbereiches der Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB auf besondere werbliche Hervorhebungen von Garantien lässt sich den Ausführungen in der genannten Senatsentscheidung nicht entnehmen.

Es kann dahinstehen ob § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB den Verkäufer einer Ware in jedem Falle verpflichtet, aktiv nach dem Bestehen von (Hersteller-)Garantien für die angebotene Ware zu forschen, um seine Kunden sodann näher über diese Garantien informieren zu können. Die Informationspflicht des Verkäufers greift indes nach ihrem Sinn und Zweck jedenfalls dann ein, wenn das Warenangebot – wie im vorliegenden Falle – einen Hinweis (in welcher Form auch immer) auf das Bestehen einer Garantie enthält.

bb) Zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB kann auf den Regelungsgehalt des § 479 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden. Mit der letztgenannten Vorschrift hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, welche Informationen im Zusammenhang mit Garantien aus seiner Sicht für eine adäquate Information des Verbrauchers erforderlich sind. Diese Wertungen sind zur Vermeidung nicht gerechtfertigter Widersprüche und Diskrepanzen zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB zu übernehmen. Damit ist auch im Rahmen der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen sowie darüber zu informieren, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden (vgl. § 479 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), sowie der räumliche Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben (vgl. § 479 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Entsprechende Informationen enthält das hier zu beurteilende „amazon“-Produktangebot nicht. Es ist auch weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Verbraucher diese Informationen zu einem späteren Zeitpunkt eines etwaigen Bestellprozesses erhält.

b) Der Verstoß ist spürbar im Sinne des § 3a UWG. Die Beklagte hat nicht konkret darlegen können, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltenen Informationen für seine Entscheidung nicht benötigte und dass das Vorenthalten der Informationen den Verbraucher nicht zu einer anderen Entscheidung veranlassen konnte, sondern hierzu lediglich pauschale und letztlich substanzlose Ausführungen gemacht.

c) Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Frankfurt: Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung nach § 140 Abs. 3 MarkenG wenn sich Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände geradezu aufdrängte

OLG Frankfurt
Urteil vom 05.12.2019
6 U 151/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Dringlichkeitsvermutung nach § 140 Abs. 3 MarkenG widerlegt werden kann, wenn sich die Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände geradezu aufdrängte und länger als 6 Wochen gewartet wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Dringlichkeitsvermutung (§ 140 Abs. 3 MarkenG) widerlegt ist. Die Antragstellerin hat sich durch zu langes Zuwarten selbst in Widerspruch zur Eilbedürftigkeit gesetzt.

a) Die Eilbedürftigkeit entfällt, wenn der Antragsteller längere Zeit untätig geblieben ist, obwohl er positive Kenntnis von Tatsachen hatte, die die Markenverletzung begründen, oder sich bewusst dieser Kenntnis verschlossen hat (Senat, WRP 2017, 1392 Rn. 31). Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht in diesem Zusammenhang zwar nicht (vgl. Senat, GRUR-RR 2017, 404; OLG Köln GRUR-RR 2014, 127, Rn. 12 m.w.N.). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Antragstellerin bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Zeichenbenutzung erkennen konnte. Jedoch kann sich die Antragstellerin nicht auf Unkenntnis berufen, wenn sich die Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände nach der Lebenserfahrung geradezu aufdrängte. Für das zu lange Zuwarten gelten keine starren Fristen. Ein Zeitraum von sechs Wochen stellt nach den Gepflogenheiten im hiesigen Gerichtsbezirk einen groben Zeitrahmen dar, an dem sich diese Beurteilung orientieren kann (Senat, GRUR-RR 2019, 63 - Mastschellen).

b) Die angegriffenen angeblichen Markenverletzungen betreffen einen Messeauftritt der Antragsgegner in der Zeit vom 26.4. - 28.4.2019 (Anlage LHR 13). Der Eilantrag wurde am 25.4. eingereicht und - in seiner erlassenen Form - am 26.4. konkretisiert. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin von Benutzungshandlungen der Antragsgegnerin zu 1, wie sie Gegenstand des Eilantrags sind, spätestens seit Januar 2019 Kenntnis haben musste. Mit Anwaltsschreiben vom 10.1.2019 ließ die Antragsgegnerin zu 1 die Klägerin wegen unlauteren Behinderungswettbewerbs im Hinblick auf die angeblich bösgläubige Anmeldung der Verfügungsmarke abmahnen (Anlage LHR 15 der Beiakte …). In dem Schreiben heißt es, die Antragsgegnerin zu 1 stelle Wasserpfeifentabak unter der Bezeichnung „Al Mahmoud“ wie nachstehend wiedergegeben her und beliefere damit Abnehmer in Deutschland, insbesondere Herrn C. Es folgte eine Einblendung eines der Verfügungsmarke des hiesigen Verfügungsantrags weitegehend entsprechenden Zeichens. Bereits mit Schreiben vom 21.12.2018 hatte die Antragstellerin ihrerseits Herrn C abmahnen lassen, wobei das Schreiben Bilder von Tabakdosen beinhaltete, die das fragliche Zeichen zeigten und auch die Antragsgegnerin zu 1 als Herstellerin auswiesen. Bei dieser Sachlage musste der Antragstellerin klar sein, dass die Antragsgegnerin zu 1 Abnehmer in Deutschland mit Tabakwaren beliefert, die in der beanstandeten Art gekennzeichnet sind. Sie kann sich nicht mit Erfolg drauf berufen, sie habe nicht gewusst, ob die Angaben in dem Abmahnschreiben der Antragsgegnerin der Wahrheit entsprechen. Darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass sich die Antragsgegnerin der Handlung berühmt. Der Inhalt des Anwaltsschreibens begründet damit zumindest eine Erstbegehungsgefahr. Die Antragstellerin kann auch nicht damit gehört werden, sie habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Antragsgegnerin das Zeichen selbst in Deutschland nutzt, zum Beispiel auf einem Messestand. Auch darauf kommt es nicht entscheidend an. Für die Dringlichkeit spielt es keine Rolle, ob die Antragsgegnerin Händler in Deutschland mit markenverletzender Ware beliefert oder diese selbst auf Messen anbietet.

c) Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin auf ein Wiederaufleben der Dringlichkeit infolge eines „Qualitätssprungs“. Zwar ist es anerkannt, dass eine neue Dringlichkeit entsteht, wenn eine Verletzungshandlung eine andere Qualität aufweist als frühere, hingenommene Verletzungshandlungen. Ein solcher Qualitätssprung liegt aber nicht schon in der tatsächlichen Begehung einer zunächst nur drohenden Verletzungshandlung. Denn wer keinen Anlass sieht, eine real drohende (konkrete) Gefahr vorbeugend abzuwehren, kann nicht längere Zeit später glaubhaft geltend machen, sein nunmehriges Vorgehen gegen die Realisierung eben dieser Gefahr sei dringlich (Senat, GRUR-RR 2014, 82 Rn. 22 m.w.N.).

d) Die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung gegenüber dem Verhalten der Antragsgegnerin zu 1 wirkt sich auch auf den Eilantrag gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 aus. Unterlässt es der Markeninhaber bewusst, gegen den Hersteller vorzugehen, kann er sich nicht mit Erfolg drauf berufen, das Vorgehen gegen ein Handelsunternehmen sei dringlich (vgl. Senat, GRUR 2015, 279). Zwar mag etwas anderes gelten, wenn ein Hersteller im Ausland ansässig ist und der Markeninhaber keine sicheren Anhaltspunkte dafür hat, dass der Hersteller das markenverletzende Angebot im Inland veranlasst hat (Senat, aaO). Solche Umstände lagen jedoch aus den genannten Gründen nicht vor, zumal auch die Antragsgegnerin zu 2 im Ausland ansässig ist.

e) Im Übrigen hatte die Antragstellerin in dringlichkeitsschädlicher Zeit auch Kenntnis von Umständen, nach denen sich eine Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin zu 2 für die streitgegenständlichen Lieferungen nach Deutschland aufdrängte. In dem beigezogenen Verfahren ließ die Antragstellerin mit einem am 1.3.2019 verfassten Schriftsatz vortragen, Recherchen hätten ergeben, dass die A Handelsgesellschaft mbH (= Antragsgegnerin zu 2) auf der Sisha Messe vom 26.4.2019 Produkte der Marke Karaparsian (= Antragsgegnerin zu 1) ausstellen wird (vgl. Beiakte … Bl. 94). Beigefügt war ein Auszug aus dem Ausstellerverzeichnis der Messe mit entsprechenden Einträgen. Ferner legte sie dar, dass die E GmbH Lieferungen von Al Mahmood-Produkten der Antragsgegnerin zu 1 nach Deutschland abrechnet (Bl. 94, 95 d. Beiakte und Anlage LHR 19, Bl. 136). Aus dem Schriftsatz und der Rechnung nach Anlage LHR 19 geht hervor, dass die E GmbH exakt an der gleichen Adresse wie die Antragsgegnerin zu 2 ansässig ist. Es drängte sich bei dieser Sachlage auf und wäre unschwer zu ermitteln gewesen, dass es sich bei der Antragsgegnerin zu 2 (A mbH) um die umfirmierte E GmbH handelt. Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin daher darauf, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Antragsgegnerin zu 2 gerade Al Mahmood-Produkte auf der Messe ausstellen wird. Dies lag unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ohne weiteres nahe."


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BGH: Rechtsanwalt darf darauf vertrauen dass im Bundesgebiet werktags innerhalb der Briefkastenleerungszeiten eingeworfene Post am nächsten Werktag an Gericht ausgeliefert wird

BGH
Beschluss vom 17.12,2019 - VI ZB 19/19
ZPO § 233 Satz 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Leitsatz des BGH:

Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags - innerhalb der Briefkastenleerungszeiten - aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (Anschluss BGH, Beschluss vom 23. Januar 2019 - VII ZB 43/18, NJW-RR 2019, 500).

BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2019 - VI ZB 19/19 - LG Lüneburg - AG Soltau

Den Volltext er Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Verbot von "UBER Black", "UBER X" und "UBER Van" in München wegen Verstoßes gegen Personenbeförderungsgesetz

LG München
Urteil vom 10.02.2020
4 HK O 14935/16


Das LG München hat entschieden, dass UBER gegen das Personenbeförderungsgesetz verstößt und hat die die Apps "UBER Black", "UBER X" und "UBER Van" in München verboten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht München I verbietet UBER Apps in München

Die unter anderem auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb spezialisierte 4. Handelskammer des Landgerichts München I hat heute die Apps „UBER Black“, „UBER X“ und „UBER Van“ wegen Verstoßes gegen das Personenbeförderungsgesetz in München verboten (Az. 4 HK O 14935/16). Bereits im Jahr 2018 hatte der BGH die App „Uber Black“ in der damaligen Version untersagt (Az. I ZR 3/16). Eine Taxiunternehmerin aus München hat im hier vorliegenden Fall ebenfalls gegen UBER vor dem Landgericht München I geklagt und nun überwiegend Recht bekommen.Nach Auffassung des Landgerichts verstoßen die drei Apps der Beklagten auch zum Zeitpunkt des 02.12.2019 in ihrer dem Verfahren zugrundliegenden Version weiter gegen das Personenbeförderungsgesetz (PBefG).Gemäß & 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG dürfen Mietwagen nur Beförderungsaufträge ausführen, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Den Eingang des Beförderungsauftrags hat der Mietwagenunternehmer buchmäßig zu erfassen; die Aufzeichnung ist ein Jahr aufzubewahren. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten (& 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG).Diverse Zeugen hatten zur Überzeugung der Kammer in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I bestätigt, dass sich die Beklagte faktisch weiterhin nicht an diese Vorgaben hält. Die Beklagte nehme vielmehr mit ihrem jetzigen Modell der Apps zumindest billigend in Kauf, dass ihre Fahrer die Entscheidungshoheit über den jeweiligen Auftrag behielten und gerade nicht der Mietwagenunternehmer, so das Landgericht. Dass die Fahrer der Beklagten potentielle Fahrgäste mittels der App bereits sehen könnten, bevor sich der Mietwagenunternehmer eingeschaltet habe, führe zudem dazu, dass die Fahrer sich - ohne die gesetzlich vorgeschriebene Rückkehrpflicht zu beachten - unmittelbar zu den Fahrgästen begeben würden. Beides stelle einen Verstoß dar.Die Beklagte hatte zur ihrer Verteidigung unter anderem vorgebracht, dass sie ihr Vorgehen mit den zuständigen Ordnungsbehörden abgesprochen habe. Dies reichte dem Landgericht München I jedoch als Rechtfertigung nicht aus, denn eine ausdrückliche Erlaubnis der zuständigen Behörden konnte die Beklagte nicht vorlegen. Lediglich wegen Unbestimmtheit wurde ein Teil der Klageanträge, der behauptete Verwechselungen mit Taxenverkehr betraf und sich gegen die drei UBER-Versionen richtete, abgewiesen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Es ist für die Klägerin jedoch ggf. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 Euro sofort vollstreckbar. Ob diese Sicherheit geleistet wird, entscheidet die Klageseite.

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BGH: Nach dem Muster "Ware aus Ort" gebildete Bezeichnung kann Verletzung einer geschützten Ursprungsbezeichnung sein

BGH
Urteil vom 12. Dezember 2019 - I ZR 21/19
Culatello di Parma
Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b; Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass eine nach dem Muster "Ware aus Ort" gebildete Bezeichnung die Verletzung einer geschützten Ursprungsbezeichnung sein kann.

Leitsätze des BGH:

a) Die Frage, ob gegen die Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung für die Vermarktung eines Erzeugnisses ein Unterlassungsanspruch besteht, ist nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats zu beurteilen, in dem das Erzeugnis vermarktet wird (Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012).

b) Bereits der Umstand, dass eine nach dem Muster "Ware aus Ort" gebildete Bezeichnung (hier: "Culatello di Parma") in der Ortsangabe (hier: "di Parma") mit einer nach demselben Muster gebildeten geschützten Ursprungsbezeichnung (hier: "Prosciutto di Parma") übereinstimmt, kann eine Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 begründen.

BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 - I ZR 21/19 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Durchsetzung von Ansprüchen in Massenschadensfällen durch Legal-Tech-Angebot der Financialright Claims GmbH in "Lkw-Kartell-Fällen" verstößt gegen Rechtsdienstleistungsgesetz

LG München
Urteil vom 07.02.2020
37 O 18934/17


Das LG München hat entschieden, dass die Durchsetzung von Ansprüchen in Massenschadensfällen durch Legal-Tech-Angebot der Financialright Claims GmbH in "Lkw-Kartell-Fällen" verstößt gegen Rechtsdienstleistungsgesetz

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht München I erachtet bestimmte Form des Masseninkasso im Rahmen eines Schadensersatzprozesses zum sogenannten Lkw-Kartell wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz für unrechtmäßig

Die 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit heute verkündetem Urteil die Klage eines auf die IT-basierte Durchsetzung von Massenschadensfällen spezialisierten Rechtsdienstleistungsunternehmens abgewiesen.

Die Klägerin hatte von den Beklagten aus abgetretenem Recht Schadensersatz in Höhe von mindestens 603.125.156 EUR zzgl. Zinsen aufgrund von ihr behaupteter kartellbedingt überhöhter Preise für mittelschwere (zwischen 6 und 16 Tonnen) und schwere (über 16 Tonnen) Lkw verlangt, die nach dem Klägervortrag über 3.000 Kunden der Klägerin in einer Vielzahl europäischer Länder jedenfalls zwischen 17.1.1997 und 31.12.2016 erworben haben sollen. Die Beklagten sind große europäische Lkw-Hersteller bzw. deren deutsche Tochtergesellschaften.

Die Kammer hält die Abtretungen wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) für nichtig. Wie der Bundesgerichtshof Ende November 2019 in seiner Entscheidung zu www.wenigermiete.de bzw. lexfox hervorgehoben hat, hat die Kammer dabei eine am Schutzzweck des RDG ausgerichtete Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen vorgenommen. Das RDG dient dem Schutz der Rechtssuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen.

Die Nichtigkeit ergibt sich nach Überzeugung der Kammer zum einen daraus, dass die Rechtsdienstleistungen der Klägerin von vorneherein nicht auf eine außergerichtliche, sondern ausschließlich auf eine gerichtliche Tätigkeit gerichtet sind. Sie sind daher kein Inkasso im Sinne des RDG. Die Klägerin überschreitet damit ihre Inkassoerlaubnis. Dies folgert die Kammer aus einer Gesamtschau der vertraglichen Regeln, des Auftretens der Klagepartei gegenüber ihren Kunden und der tatsächlichen Durchführung. So sei etwa „das Angebot nach seinem Gesamteindruck auf die Beteiligung an einer Sammelklage gerichtet“. Auch aus dem Internetauftritt der Klägerin folgt, dass die Vertragspflichten der Klagepartei von vorneherein ausschließlich auf die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gerichtet sind. So meldeten sich die Kunden der Klägerin zur Berücksichtigung ihrer Fahrzeugerwerbe in einer Klage an.

Zum anderen verstößt die Rechtsdienstleistung der Klägerin deshalb gegen das RDG, weil die Erfüllung der Pflichten gegenüber den Kunden durch andere Leistungspflichten der Klagepartei unmittelbar beeinflusst und gefährdet wird.

Eine wechselseitige Beeinflussung und Interessengefährdung ergibt sich zum einen im Verhältnis der Klägerin zu ihren jeweils einzelnen Kunden. Die Klägerin hat eine Vielzahl einzelner Rechtsverfolgungsverträge geschlossen, in denen sie sich u.a. zur Bündelung und gemeinsamen Rechtsdurchsetzung verpflichtet hat. „Durch die Bündelung der Ansprüche partizipieren die einzelnen […] [Kunden] – insbesondere diejenigen, deren Erfolgsaussichten grundsätzlich positiv erscheinen – am Risiko, das mit der Erhebung der weniger aussichtsreichen Klagen verbunden ist“, so die Kammer. Eine Beeinträchtigung der Einzelinteressen kann sich insbesondere bei einem etwaigen Vergleich, dem die Kunden der Klägerin nicht zustimmen müssen, auswirken: Die Auszahlung der Vergleichssumme an die einzelnen Kunden erfolgt nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin quotal und unabhängig von den konkreten Erfolgsaussichten. Die Kammer: „Da regelmäßig die Erfolgsaussichten einer Klage […] ein wesentliches Kriterium für die Verhandlungen mit den Beklagten sind, wäre eine Minderung der Vergleichssumme durch wenig aussichtsreiche Klagen eine konkrete Gefahr für diejenigen, deren Ansprüche bessere Erfolgschancen haben.“
Unmittelbarer Einfluss auf die Leistungserbringung und eine Gefährdung ergeben sich auch aus der Prozessfinanzierung. Die Klägerin hat mit einer im Ausland ansässigen Gesellschaft einen Prozessfinanzierungsvertrag abgeschlossen. Darin ist etwa geregelt, dass der Prozessfinanzierer einen bestimmten Anteil an der Erfolgsprovision der Klägerin (letztere beträgt grundsätzlich 33 % zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer der tatsächlich auf die möglichen Kartellschadensersatzansprüche empfangenen Leistungen) erhält. Da die Klägerin nach ihrem Vortrag aufgrund der Prozessfinanzierungsvereinbarung von Kosten des Verfahrens vollständig freigestellt ist, könnten ihr kostenauslösende prozessuale Schritte weitgehend egal sein. An dieser Stelle besteht jedoch die Gefahr, dass die Zweckmäßigkeitserwägungen des Prozessfinanzierers, an den die Klägerin regelmäßig berichten muss, an die Stelle eigener Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der Klägerin treten. Da es sich bei dem Prozessfinanzierer um ein ausländisches Unternehmen mit einer börsennotierten Muttergesellschaft handelt, das unter Beobachtung von Analysten und Presse steht, können hier andere Kriterien maßgeblich sein, als bei einem eigenfinanzierten Prozess. Aus der Abhängigkeit der Klägerin von der Prozessfinanzierung folgt die konkrete Gefahr des Einflusses sachfremder Entscheidungskriterien auf die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung, die den Interessen der Kunden der Klägerin zuwiderläuft. Die Kammer verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ein beträchtliches Eigeninteresse des Prozessfinanzierers an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche der Zedenten begründet. Dies hindert in vorliegendem Fall die Annahme einer Interessenkollision jedoch nicht.

Auch die Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Gesetzes und der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Klägerin sowie der Eigentumsgarantie der Zedenten führt zu einer Bewertung der Dienstleistung als verbotene Rechtsdienstdienstleistung.

Das Urteil (Az. 37 O 18934/17) ist noch nicht rechtskräftig.



LG Frankfurt: Unzulässige Werbung auf Instagram für Brustvergrößerungen und Lippenmodellierungen gegenüber Jugendlichen durch Praxis für ästhetisch-plastische Chirurgie

LG Frankfurt
Anerkenntnisurteil vom 15.01.2020,
2 06 O 360/19


Das LG Frankfurt hat auf eine Klage der Wettbewerbszentrale hin entschieden, dass die Werbung einer Praxis für ästhetisch-plastische Chirurgie für Brustvergrößerungen und Lippenmodellierungen gegenüber Jugendlichen auf Instagram unzulässig ist.


BGH: Kurze Wiedergabe des Inhalts eines Anwaltsschreibens ohne wörtliche Zitate in einer Presseveröffentlichung kann zulässig sein

BGH
Urteil vom 26.11.2019 - VI ZR 20/19
BGB § 823


Der BGH hat entschieden, dass die kurze Wiedergabe des Inhalts eines Anwaltsschreibens ohne wörtliche Zitate in einer Presseveröffentlichung zulässig sein kann.

Leitsätze des BGH:

a) Zur kurzen Wiedergabe des Inhalts eines Anwaltsschreibens ohne wörtliche Zitate in einer Presseveröffentlichung.

b) Zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

BGH, Urteil vom 26. November 2019 - VI ZR 20/19 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Filesharing Abmahnung Waldorf Frommer für Warner Bros - Ruhe bewahren und richtig reagieren

Seit vielen Jahren ein Dauerbrenner in unserer Kanzlei sind Filesharing-Abmahnungen der Rechtsanwälte Waldorf Frommer für Warner Bros . Die Abmahnungen sind auf jeden Fall ernst zu nehmen, da andernfalls noch höhere Kosten drohen. Dabei ist es wichtig richtig auf die Abmahnung zu reagieren und dabei die Besonderheiten des Einzelfalls zu beachten.

BGH: Erfolgt richterlicher Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung muss nach Gewährung von Schriftsatznachlass Schriftsatz berücksichtigt werden

BGH
Beschluss vom 10.12.2019 - VIII ZR 377/18
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 139


Der BGH hat entschieden, dass für den Fall, dass ein richterlicher Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung erfolgt, der nach Gewährung eines Schriftsatznachlass fristgemäß eingereichte Schriftsatz berücksichtigt werden muss.

Leitsatz des BGH:

Erteilt das Gericht einen Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO erst im Termin zur mündlichen Verhandlung und gewährt einen Schriftsatznachlass (§ 139 Abs. 5, § 296a Satz 2 ZPO), ist es verpflichtet, den fristgerecht eingereichten Schriftsatz bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen und gegebenenfalls die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (im Anschluss an BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 - XI ZR 17/03, juris Rn. 13; Beschluss vom 12. September 2019 - V ZR 276/18, juris Rn. 5).

BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 - VIII ZR 377/18 - OLG Brandenburg - LG Potsdam

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OVG Münster: Googles E-Mail-Dienst Gmail ist kein Telekommunikationsdienst - Bundesnetzagentur muss GMail als Telekommunikationsdienst aus öffentlichem Verzeichnis entfernen

OVG Münster
Urteil vom vom 05.02.2020 - 13 A 17/16
Beschluss vom 05.02.2020 - 13 B 1494/19


Das OVG Münster hat in Umsetzung der Entscheidung des EuGH (siehe dazu EuGH: Internetbasierter E-Mail-Dienst Gmail von Google der keinen Internetzugang vermittelt ist kein elektronischer Kommunikationsdienst ) entschieden, dass Googles E-Mail-Dienst Gmail kein Telekommunikationsdienst ist. Die Bundesnetzagentur muss GMail als Telekommunikationsdienst aus dem öffentlich geführten Verzeichnis entfernen.

Die Pressemitteilung des OVG Münster:

GMail ist kein Telekommunikationsdienst

Der E-Mail-Dienst GMail ist kein Telekommunikationsdienst. Dies hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster heute auf eine Klage des US-amerikanischen Unternehmens Google entschieden und ein gegenteiliges Urteil des Verwaltungsgerichts Köln geändert.

Dem Verfahren liegt ein bereits seit mehreren Jahren geführter Rechtsstreit zwischen der für die Aufsicht über den Telekommunikationsmarkt in Deutschland zuständigen Bundesnetzagentur mit Sitz in Bonn und Google zugrunde. Die Behörde ist der Ansicht, dass der von Google bzw. dessen irischer Tochtergesellschaft betriebene E-Mail-Dienst ein Telekommunikationsdienst im Sinne des deutschen Telekommunikationsgesetzes ist und Google daher den dort für Anbieter solcher Dienste geregelten Pflichten unterliegt, zum Beispiel Anforderungen des Datenschutzes oder der öffentlichen Sicherheit. Mit Bescheiden aus Juli 2012 und Dezember 2014 hatte die Bundesnetzagentur Google verpflichtet, Gmail bei ihr als Telekommunikationsdienst anzumelden. Dagegen klagte Google erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Köln und legte anschließend Berufung ein.

Das Oberverwaltungsgericht hat das Berufungsverfahren zunächst ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Klärung ersucht, ob E-Mail-Dienste, die über das offene Internet erbracht werden, ohne den Kunden selbst einen Internetzugang zu vermittteln (sogenannte Webmail-Dienste), Telekommunikationsdienste sind (vgl. Pressemitteilung vom 26. Februar 2018). Nachdem der EuGH am 13. Juni 2019 über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden hat, hat das Oberverwaltungsgericht das Berufungsverfahren fortgesetzt.

Mit dem heute verkündeten Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln geändert und die durch Google angefochtenen Bescheide der Bundesnetzagentur aufgehoben. Dass Google bei dem Versenden und Empfangen von Nachrichten aktiv tätig werde, indem es den E‑Mail-Adressen die IP-Adressen der entsprechenden Endgeräte zuordne, die Nachrichten in Datenpakete zerlege und sie in das offene Internet einspeise oder aus dem offenen Internet empfange, damit sie ihren Empfängern zugeleitet werden, reiche für die Einstufung dieses Dienstes als Telekommunikationsdienst nicht aus. Vielmehr stellten im Wesentlichen die Internetzugangsanbieter der Absender und der Empfänger von E-Mails sowie die Betreiber der verschiedenen Netze, aus denen das offene Internet bestehe, die für das Funktionieren von GMail erforderliche Signalübertragung sicher. Deren Tätigkeit sei Google auch nicht unter funktionalen oder wertenden Gesichtspunkten zurechenbar. Auch der Umstand, dass Google in Deutschland eine mit dem weltweiten Internet verbundene eigene Netzinfrastrukturbetreibe betreibe, ändere an dieser Beurteilung nichts.

Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 13 A 17/16 (I. Instanz: VG Köln 21 K 450/15, EuGH: C-193/18)

Auf Antrag von Google hat das Oberverwaltungsgericht die Bundesnetzagentur mit einem heute verkündeten Beschluss im Eilverfahren zudem angewiesen, eine von Google zunächst unter Vorbehalt veranlasste Meldung von GMail als Telekommunikationsdienst aus dem von der Bundesnetzagentur geführten öffentlichen Verzeichnis wieder zu entfernen.

Aktenzeichen: 13 B 1494/19


BGH: Unterlassungsschuldner hat auch nach einstweiliger Verfügung Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben

BGH
Beschluss vom 17.10.2019
I ZB 19/19


Der BGH hat entschieden, dass der Unterlassungsschuldner auch nach einstweiliger Verfügung eine Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer, streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben, hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"a) Nach der Rechtsprechung des Senats verpflichtet das in einem Unterlassungstitel enthaltene Verbot den Schuldner außer zum Unterlassen weiterer Vertriebshandlungen auch dazu, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die den Weitervertrieb der rechtsverletzend aufgemachten Produkte verhindern. Diese Handlungspflicht des Schuldners beschränkt sich allerdings darauf, im Rahmen des Möglichen, Erforderlichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken. Zudem gelten bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung im Unterschied zur Vollstreckung eines Titels aus einem Hauptsacheverfahren Beschränkungen, die sich aus der Eigenart des Verfügungsverfahrens und aus den engen Voraussetzungen für die Vorwegnahme der Hauptsache sowie aus den im Verfügungsverfahren eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners ergeben (zu allem ausführlich BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 17 ff.).

b) Die vom Beschwerdegericht ausgeführten Einwände veranlassen den Senat nicht, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen.

aa) Ist der Schuldner nach dem Ergebnis der Auslegung des Unterlassungstitels verpflichtet, durch positives Tun Maßnahmen zur Beseitigung des fortdauernden Störungszustands zu ergreifen und dabei auf Dritte einzuwirken, kommt es nicht darauf an, ob er entsprechende Ansprüche gegen die in Betracht kommenden
Dritten hat. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar nicht für das selbständige Handeln Dritter einzustehen. Das entbindet ihn im Rahmen seiner durch Auslegung ermittelten positiven Handlungspflicht aber nicht davon, auf Dritte einzuwirken, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt und bei denen er mit -
gegebenenfalls weiteren - Verstößen ernstlich rechnen muss. Der Schuldner ist daher verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf solche Personen einzuwirken. Mit Blick auf seine Einwirkungsmöglichkeiten auf Dritte kommt es nur darauf an, ob der Schuldner rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten Dritter hat. Es reicht daher aus, wenn ihm eine tatsächliche Einwirkung möglich ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 25).

bb) Die spezialgesetzlich vorgesehenen Rückrufansprüche des Immaterialgüterrechts stehen - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - der Annahme von Beseitigungspflichten im Rahmen der Unterlassungshaftung nicht entgegen, weil diese in Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG ergangenen Vorschriften keinen Vorrang vor anderen Vorschriften beanspruchen (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 29). Im vorliegend betroffenen Fall einer lauterkeitsrechtlichen Unterlassungspflicht kommt eine Sperrwirkung schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer solchen speziellen Regelung fehlt.

cc) Dem Bedenken, die Geltendmachung einer Rückrufpflicht könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen, trägt der Senat Rechnung, indem er den Schuldner ggf. lediglich für verpflichtet hält, Maßnahmen zu treffen, die die Abwehransprüche des Gläubigers sichern, ohne ihn in diesen Ansprüchen abschließend zu befriedigen. Hierzu zählt die Aufforderung an die Abnehmer, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 37 bis 39).

dd) Die Annahme einer positiven Handlungspflicht aufgrund des Unterlassungsgebots verstößt - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG geregelte Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 1654/90, juris; BVerfG, GRUR 2007, 618, 619 [juris Rn. 16 bis 22]; BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 24 mwN).

ee) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts begründet die Annahme einer Pflicht zum Rückruf oder zur Aufforderung der Abnehmer, nicht weiterzuvertreiben, nicht die Besorgnis einer Entwertung des Abschlussverfahrens oder einer gesteigerten Inanspruchnahme der Gerichte. Beschränkt sich die Pflicht des Schuldners auf eine solche Aufforderung, weil andernfalls im Eilverfahren eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vorläge, kann der Gläubiger eine weitergehende Verpflichtung zum Rückruf allein im Hauptsacheverfahren erlangen, sofern sich der Schuldner nicht entsprechend strafbewehrt verpflichtet. Nimmt man mit dem Beschwerdegericht an, von der Pflicht zur Unterlassung sei keinerlei Beseitigungshandlung umfasst, so muss der Gläubiger hierfür auch dann gesonderte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn eine Abschlusserklärung abgegeben wurde.

c) Zur Frage, ob die Schuldnerin im Zeitraum zwischen der Verkündung der Urteilsverfügung und den durch die Gläubigerin veranlassten Testkäufen einen Rückruf oder auch nur eine Aufforderung, nicht weiterzuvertreiben, an ihre Abnehmer gerichtet hat, hat das Beschwerdegericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Darüber hinaus fehlt es an Feststellungen zum Verschulden der Schuldnerin, zur Höhe des wegen des Verstoßes gegen die Schuldnerin festzusetzenden Ordnungsgeldes und zur Dauer der deswegen ersatzweise festzusetzenden Ordnungshaft.


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OLG Köln: Wettbewerbswidrige Irreführung wenn auf Briefbogen einer Rechtsanwaltskanzlei Zweigstellen nicht als solche gekennzeichnet sondern als Kanzleistandorte aufgeführt werden

OLG Köln
Urteil vom 17.01.2020
6 U 101/19


Das OLG Köln hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn auf dem Briefbogen einer Rechtsanwaltskanzlei Zweigstellen nicht als solche gekennzeichnet sondern als Kanzleistandorte aufgeführt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – aus § 8 Abs. 1, 3, §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG.

1. Die Klägerin ist entgegen der Ansicht der Beklagten nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG als Mitbewerberin aktivlegitimiert.

a) Die Beteiligten sind Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, weil sie als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann. Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist daher auch dann anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 94/13GRUR 2015, 1129 – Hotelbewertungsportal).

Nach diesen Maßstäben besteht zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 setzen gleichartige Dienstleistungen an dieselben Endverbraucher ab. Die Angebote der Beteiligten richten sich an deutsche Interessenten für medizinische Studiengänge, die aufgrund einer nicht hinreichenden Abiturnote keinen Studienplatz erhalten würden und bereit sind, für Hilfe bei der Beschaffung eines Studienplatzes zu zahlen. Die Absatzmärkte der Beteiligten sind zwar nicht identisch, überschneiden sich aber: Zumindest einige Kunden der Beklagten zu 1 werden finanziell und nach ihren Sprachkenntnissen in der Lage sein, auch im Ausland zu studieren. Die Beklagte zu 1 und die Klägerin werden in der Regel alternativ und nicht kumulativ mit der „Besorgung“ eines Studienplatzes gegen Entgelt beauftragt. Beide sind bei der Wahl einer geeigneten Universität und dem Bewerbungsverfahren behilflich. Jeder, der sich zunächst an die Beklagte zu 1 wendet und mit ihrer Hilfe erfolgreich einen Studienplatz in Deutschland erhält oder einklagt, ist als potentieller Kunde für die Klägerin verloren. Die Antragstellerin ist insoweit durch das Handeln der Antragsgegnerin in ihrem Absatzerfolg betroffen und nicht nur irgendwie in ihrem Marktstreben.

Die Ansicht der Beklagten, dass ein teures Studium in einer Fremdsprache für Bewerber, die sich für ein Studium an einer gebührenfreien staatlichen deutschen Universität interessierten, keine Alternative darstelle, ist angesichts der Verbreitung der englischen Sprache und der Tatsache, dass zahlreiche Auslandsstudiengänge in englischer Sprache angeboten werden, nicht nachvollziehbar.

Dadurch, dass die Beklagte zu 1 auf ihrer Homepage mit dem Slogan „Auslandsstudium Medizin: Die Ergänzung zur Studienplatzklage“ wirbt, hat die Beklagte zu 1 auch deutlich gemacht, dass sich die Tätigkeitsbereiche auch aus ihrer Sicht überschneiden.

Nicht entscheidend ist, dass sich die Tätigkeiten der Parteien voneinander unterscheiden. Denn letztlich verfolgen beide – wie dargelegt – das Ziel, einem Abiturienten ein Medizinstudium zu ermöglichen, wenn er aufgrund des Abiturschnitts in Deutschland nicht ohne weiteres einen Studienplatz erhält. Damit sind die Leistungen, auch wenn sie in der Sache voneinander abweichen, substituierbar. Es spielt auch keine Rolle, dass die Kosten unterschiedlich ausfallen und für ein Studium im Ausland Sprachkenntnisse erforderlich sind. Denn jedenfalls in weiten Teilen wird sich der Kreis der Interessenten überschneiden (s.o.).

Die Aktivlegitimation der Klägerin ist auch nicht dahingehend beschränkt, dass die Klägerin den Beklagten die Nutzung des Briefkopfes nur untersagen kann, soweit sich die Leistungen der Klägerin und der Beklagte zu 1 an einen übereinstimmenden Kundenkreis (hier insbesondere Studienplatzbewerber) richten. Die Nutzung des Briefkopfes stellt – wie darzulegen ist – eine geschäftliche Handlung dar. Diese kann gegenüber jedem Verbraucher eine werbende Wirkung auch für den übereinstimmenden Tätigkeitsbereich der Parteien beinhalten, so dass das Verbot nicht eingeschränkt werden kann.

b) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Aktivlegitimation der Klägerin nicht durch den Beschluss, dass die Gesellschaft liquidiert werde, entfallen ist.

Zutreffend gehen die Beklagten allerdings davon aus, dass ein Wettbewerbsverhältnis zum Zeitpunkt der verletzenden Handlung und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehen muss (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 8 Rn. 3.29 mwN). Unstreitig war die Klägerin zum Zeitpunkt der angegriffenen Verletzungshandlung auf dem Markt in der beschriebenen Weise tätig. Die Klägerin hat ihren Geschäftsbetrieb auch nicht in einer Form aufgegeben, dass die Aktivlegitimation entfallen würde. Allerdings besteht eine Anspruchsberechtigung nicht mehr, wenn ein Mitbewerber seine Geschäftstätigkeit endgültig aufgegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1995 – I ZR 85/93, GRUR 1995, 697 – FUNNY PAPER; Urteil vom 10.03.2016 – I ZR 183/14, GRUR 2016, 1187 – Stirnlampen, Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 8 Rn.3.29 I in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl., Kap. 18 Rn. 15, jeweils mwN).

Vorliegend hat die Klägerin mit Gesellschafterbeschluss vom 03.07.2018 die Auflösung der Gesellschaft beschlossen und den bisherigen Geschäftsführer zum Liquidator bestellt. Weiter wird in dem Gesellschafterbeschluss aufgeführt, dass der Liquidator berechtigt ist, im Rahmen der Liquidation schwebende Geschäfte zu beenden und auch neue Geschäfte einzugehen. Der Liquidator solle ein Geschäftskonzept entwickeln, welches die Aufrechterhaltung und ggf. Übertragung des Geschäftsbetriebs an Dritte beinhalte. Weiter ist in dem Beschluss festgehalten, dass die Gesellschaft jederzeit fortgeführt werden und die Liquidation aufgehoben werden könne. Im Rahmen der Berufungsbegründung hat die Beklagte (erstmals) ausgeführt, die Klägerin verschicke keine neuen Studienvermittlungsverträge mehr. Messestände seien lediglich von der Klägerin noch angemietet gewesen. Tatsächlich würden diese von der H GmbH betrieben. Die Klägerin werbe keine neuen Kunden mehr und die Klägerin habe im Rahmen eines anderen Verfahrens zwischen den Parteien selbst vorgetragen, dass ein Teil des Geschäftsbetriebs von einem Dritten übernommen worden sei. Unstreitig betreut die Klägerin allerdings weiterhin bestehende Verträge, auch soweit einzelne Kunden der Klägerin, die bereits im Ausland ein Studium aufgenommen haben, einen Wechsel nach Deutschland vornehmen wollen.

Damit besteht weiterhin ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Denn die Klägerin ist auf dem Markt der Vermittlung von Studienplätzen weiterhin tätig. Dies hat die Beklagte – wie dargelegt – nur teilweise bestritten. Solange die Klägerin weiterhin im Ausland studierende Kunden betreut und – insoweit unstreitig – eine mögliche Rückkehr und damit einen Studienplatzwechsel nach Deutschland betreut, kann eine geschäftliche Handlung der Beklagten – wie die Nutzung des Briefkopfes – auch die geschäftliche Tätigkeit der Klägerin beeinträchtigen. Nicht erheblich ist, ob die Klägerin weiterhin aktiv um neue Kunden wirbt, solange die geschäftliche Handlung – wie hier – in die Kundenbeziehungen der Klägerin eingreifen können.

Darauf, ob – mit der Ansicht von I (in Ahrens aaO, Kap. 18 Rn. 15) - angenommen werden kann, dass es ausreichend ist, wenn die Firma noch nicht vollständig abgewickelt ist, weil diese jederzeit ihren Geschäftsbetrieb wieder aufnehmen könnte (zweifelnd: OLG F, Urteil vom 13.06.2019 – 2 U 48/18, juris), kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

Soweit die Beklagten sich darauf berufen, die Klägerin habe in einem anderen Verfahren vorgetragen, ihr Geschäftsbetrieb sei von einem Dritten übernommen worden, so dass die fehlende Tätigkeit der Klägerin deutlich werde, trifft dies in der Sache nicht zu. Denn die Klägerin hat unstreitig ausdrücklich nur vorgetragen, dass ein Teil des Geschäftsbetriebs der Klägerin auf eine andere juristische Person übertragen worden sei. Die entsprechenden Ausführungen der Klägerin in einem anderen Verfahren ermöglichen daher keinen Rückschluss auf die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe ihren Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt.

2. Die Nutzung des Briefbogens stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung im Sinne dieses Gesetzes jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Von einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG kann nur ausgegangen werden, wenn die Handlung bei der gebotenen objektiven Betrachtung dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2016 – I ZR 160/14, GRUR 2016, 710 – Im Immobiliensumpf, mwN). Da das Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Handlung dazu dient, das Lauterkeitsrecht von dem Deliktsrecht abzugrenzen, muss funktional ein objektiver Zusammenhang zwischen der Handlung und einer geschäftlichen Entscheidung eines Verbrauchers bestehen oder die Handlung darauf gerichtet sein, den Absatz von Dienstleistungen des eigenen oder fremden Unternehmens zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2013 – I ZR 190/11, GRUR 2013, 945 – Standardisiere Mandatsbearbeitung).

Die geschäftliche Handlung erfasst auch die kommerzielle Mitteilung. Die kommerzielle Mitteilung umfasst alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes dienen oder das Erscheinungsbild des Unternehmens betreffen. Insoweit kann – bei Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern, eine solche liegt hier vor – auch auf die Definition von Art. 2 lit. d der UGP-RL abgestellt werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 2 Rn. 14). Der BGH hat vorausgesetzt, dass die Darstellung eines Briefkopfs auf dem Briefbogen eines Rechtsanwalts eine geschäftliche Handlung darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.1994 – I ZR 67/92, GRUR 1994, 825 – Strafverteidigungen; Urteil vom 16.05.2012 – I ZR 74/11, GRUR 2012, 1275 Zweigstellenbriefbogen; Urteil vom 20.02.2013 – I ZR 146/12, GRUR 2013, 950 – auch zugelassen am OLG E). Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Denn die Darstellung des Unternehmens auf einem Briefbogen hat einen werblichen Charakter und dient damit auch der Gewinnung neuer Mandate. Dies ergibt sich schon daraus, dass ein einheitlicher Briefbogen regelmäßig auch für Anfragen von Kunden genutzt wird, die noch kein Mandat erteilt haben. Auch im Rahmen eines erteilten Mandates sind die Briefbögen regelmäßig nicht nur für den Mandanten sichtbar, sondern auch für dritte Personen, beispielsweise Freunde oder Bekannte, soweit über die geplante Ausbildung gesprochen wird. Es kommt hinzu, dass die Beklagten in erster Instanz nicht behauptet haben, der Briefkopf werde nur bei bestehenden Mandanten genutzt. Ihr Vortrag im Rahmen der Berufungsbegründung, es erfolge lediglich eine beschränkte Nutzung des Briefbogens, ist daher verspätet und kann nicht berücksichtigt werden. Der Vortrag ist darüber hinaus unsubstantiiert. Soweit die Beklagten behaupten wollen, es würden unterschiedliche Briefbögen verwendet, hätten sie dies näher darlegen müssen. Der Vortrag ist auch schlicht unzutreffend. Wie sich aus der Berufungsbegründung ergibt, nutzen die Beklagten auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens einen Briefbogen, der wie der angegriffene Briefbogen gestaltet ist und somit unterhalb des Briefkopfes die Bezeichnungen der Orte „C D E F“ enthält.

Danach liegt in der angegriffenen Gestaltung des Briefbogens eine geschäftliche Handlung der Beklagten zu 1.

3. Die Nutzung des Briefbogens ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG. Eine Werbung ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs unwahre Angaben enthält. Bei der Prüfung, ob eine Angabe geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage verstanden wissen will. Entscheidend ist vielmehr die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 5 Rn. 1.57, mwN). Vor diesem Hintergrund kann auch eine gesetzlich zulässige und damit objektiv richtige Angabe irreführend sein, wenn sie beim angesprochenen Verkehr zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, sein Kaufverhalten zu beeinflussen. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf einem unrichtigen Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung der gesetzlichen Irreführungstatbestände jedoch grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2015 – I ZR 250/12, GRUR 2016, 406 – Piadina-Rückruf; Urteil vom 31.03.2016 – I ZR 86/13, GRUR 2016, 741 – Himalaya Salz; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 5 Rn. 1.105).

Bei der Frage, ob eine Werbeangabe irreführend ist, muss zunächst der Verkehrskreis ermittelt werden, an den sich die Angabe richtet. Der Briefbogen richtet sich im Grundsatz an (potentielle) Mandanten der Beklagten zu 1 und damit an allgemeine Verbraucher.

In diesem Zusammenhang kommt es auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2015 – I ZR 182/14, GRUR 2016, 521 – Durchgestrichener Preis II, mwN). Der Grad der Aufmerksamkeit richtet sich in diesem Zusammenhang nach der jeweiligen Situation und der Bedeutung der Entscheidung. So ist die Aufmerksamkeit bei geringwertigen Gegenständen des täglichen Bedarfs geringer als bei höherwertigen Waren (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2014 – I ZR 129/13, GRUR 2015, 698 – Schlafzimmer komplett, mwN). Bei der Auswahl eines Rechtsanwalts, zumal im Zusammenhang mit der anstehenden Wahl eines Studienplatzes und der damit verbundenen Kosten wird der angesprochene Verkehr seiner Entscheidung eine hohe Aufmerksamkeit entgegen bringen (vgl. KG, Urteil vom 24.08.2018 – 5 U 134/17, juris).

Die Irreführungsquote ist aufgrund des veränderten Verbraucherleitbildes nach oben verschoben. Eine Werbung ist nur dann irreführend, wenn sie geeignet ist, einen erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise in die Irre zu führen (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2012 – I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 – Marktführerschaft Sport, mwN). Es ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang eine Fehlvorstellung bei den angesprochenen Verbraucherkreisen hervorgerufen wird und ob und in welchem Umfang die Marktentscheidung der Verbraucher durch die Fehlvorstellung beeinflusst wird (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2016 – I ZR 23/15, GRUR 2016, 1073 – Geo-Targeting; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 5 Rn. 1.96). Eine Festlegung auf einen bestimmten Prozentsatz kommt nicht in Betracht, weil es von der Würdigung des Einzelfalles abhängt, welche Quote ausreichend ist (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 5 Rn. 1.98, mwN). Auch ist im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, dass nicht jeder auf Unkenntnis beruhende Irrtum eines Verbrauchers schutzwürdig ist (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 5 Rn. 1.105, mwN).

Nach diesen Grundsätzen liegt eine erhebliche Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise vor. Der Verkehr wird die Darstellung im Rahmen des Briefbogens so verstehen, dass die Beklagte zu 1 in den genannten Orten jeweils eine eigene Kanzlei und nicht lediglich eine Zweigstelle betreibt, wie die Beklagten dies im Rahmen der Berufungsbegründung erstmals behauptet haben. Die Darstellung der genannten Orte erfolgt prominent unterhalb der Namensbezeichnung „B Rechtsanwaltskanzlei“. Die Orte werden ohne weitere Zusätze an hervorgehobener Stelle erwähnt. Die Hervorhebung der Orte, die in gleicher Größe und Schriftart ohne eine erkennbare Unterscheidung nebeneinander dargestellt werden, suggeriert für den durchschnittlichen Empfänger – auch bei erhöhter Aufmerksamkeit –, dass die Orte auch in jedenfalls vergleichbarer Form als Kanzleistandort betrieben werden. Hieran ist der Verkehr im Zusammenhang mit Rechtsanwaltskanzleien gewöhnt, weil – was allgemein bekannt ist – zahlreiche überörtliche Rechtsanwaltskanzleien die Kanzleistandorte in vergleichbarer Form darstellen. Weiter ergeben sich aus dem Briefbogen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich lediglich um Zweigstellen – wie die Beklagten behaupten – handeln würde. Zwar wird am rechten Rand unterhalb eine benannten Rechtsanwalts die Adresse der Kanzlei in C aufgeführt. Dies wird allerdings nur dahin verstanden werden, dass der Schriftsatz an diesem Kanzleistandort erstellt wurde und das konkrete Mandat in C bearbeitet wird. Da eine entsprechende Gestaltung eines Rechtsanwaltsbriefkopfes ebenfalls allgemeinbekannt der Üblichkeit entspricht, erkennt der angesprochene Verkehr hierhin keine Einschränkung.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass auch der Gesetzgeber im Rahmen von § 27 Abs. 2 S. 1 BRAO zwischen der Kanzlei und einer Zweigstelle unterscheidet. Eine Zweigstelle ist als solche kenntlich zu machen, weil anderenfalls der Verkehr darüber getäuscht wird, wo der Rechtsanwalt mit seinem Personal in der Regel anzutreffen ist (vgl. Weyland in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 27 Rn. 28a, mwN). Unstreitig unterhält die Beklagte zu 1 in den Orten D, E und F allenfalls eine Zweigstelle im Sinne der BRAO. Eine Kenntlichmachung der Unterschiede zwischen den genannten Orten erfolgt nicht.

Der Ansicht der Beklagten, die bezeichneten Orte würden vom Verkehr allein dahin verstanden, dass die Beklagte zu 1 an den genannten Orten Mandaten betreue, kann nicht beigetreten werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass lediglich eine bestimmte Anzahl an Orten genannt wird und es fernliegt, dass die Beklagte mit der Darstellung zum Ausdruck bringen will, allein Mandanten aus den genannten Orten zu betreuen. Entsprechendes haben die Beklagten auch nicht behauptet.

Die Angabe ist auch erheblich. Denn für die Entscheidung über die Auswahl eines Rechtsanwalts ist dessen Sitz von nicht unerheblicher Bedeutung. So wird in der Regel insbesondere eine – aus Sicht des Mandanten zu erwartende – persönliche Rücksprache durch eine Kanzlei, die ihren Sitz in der Nähe des Wohnortes des Mandanten hat, erheblich erleichtert (vgl. KG, Urteil vom 24.08.2018 – 5 U 134/17, juris; Weyland in Feuerich/Weyland aaO, § 27 Rn. 28b). Dies gilt auch dann, wenn an den angegebenen Standorten – wie die Beklagten behaupten – einzelne Sprechstunden angeboten werden. Es kommt hinzu, dass durch die Nennung der vier Städte, die zu den wirtschaftlich bedeutendsten Städten in Deutschland gehören, eine Größe und überörtliche Präsenz suggeriert wird, die tatsächlich nicht besteht. Auch dies stellt ein nicht unwesentliches Kriterium für die Wahl der Rechtsanwaltskanzlei gerade für einen allgemeinen Verbraucher dar.

4. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, haftet der Beklagte zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1, weil die Entscheidung über die Gestaltung eines Briefkopfes einer Rechtsanwaltskanzlei eine Tätigkeit ist, die üblicherweise der Geschäftsführer, ggf. beraten durch Dritte, übernimmt. Gegenteiliges haben die Beklagten auch nicht vorgetragen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




EuGH: Wer Lehrvertrag mit Universität hat kann bei fehlender Unabhängigkeit nicht als Anwalt für diese vor dem EuGH oder dem EuG auftreten

EuGH
Urteile vom 0402.2020
Rechtssachen C-515/17 P und C-561/17 P
Uniwersytet Wrocławski und Polen / Exekutivagentur für die Forschung (REA)


Die Pressemitteilung des EuGH

"Das Gericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass das Bestehen eines Lehrvertrags zwischen einer Partei und ihrem Anwalt nicht mit dem Erfordernis der Unabhängigkeit des Prozessbevollmächtigten vor den Unionsgerichten vereinbar sei

Daher hebt der Gerichtshof den angefochtenen Beschluss auf

Mit am 4. Februar 2020 verkündeten Urteil Uniwersytet Wrocławski und Polen/REA (verbundene Rechtssachen C-515/17 P und C-561/17 P) hat der Gerichtshof (Große Kammer) den Beschluss des Gerichts der Europäischen Union aufgehoben, mit dem die Klage der Universität Wrocław (Breslau) gegen die Exekutivagentur für die Forschung (REA) als offensichtlich unzulässig abgewiesen wurde, weil der diese Universität vertretende Rechtsberater nicht die nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Satzung) erforderliche Voraussetzung der Unabhängigkeit erfülle.

Im Rahmen eines Forschungsprogramms hatte die REA mit der Universität Wrocław eine Finanzhilfevereinbarung geschlossen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Universität sich nicht an die Bestimmungen der Vereinbarung hielt, weshalb die REA die Vereinbarung kündigte und drei Zahlungsaufforderungen an die Universität Wrocław richtete, die von dieser beglichen wurden.

Die Universität Wrocław erhob daraufhin Klage beim Gericht und beantragte u. a., die Entscheidungen der REA, mit der diese die Finanzhilfevereinbarung gekündigt und einen Teil der entsprechenden Fördermittel zurückgefordert hatte, für nichtig zu erklären. Da der Rechtsberater, von dem sich die Universität vertreten lies, durch einen Lehrvertrag an diese gebunden war, hat
das Gericht die Klage als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

Der mit den Rechtsmitteln der Universität Wrocław (Rechtssache C-515/17 P) und der Republik Polen (Rechtssache C-561/17 P) befasste Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass Art. 19 der Satzung in Bezug auf die Vertretung einer nicht in den ersten beiden Absätzen dieses Artikels genannten Partei in Klageverfahren vor den Unionsgerichten zwei unterschiedliche Voraussetzungen enthält, die kumulativ erfüllt sein müssen. Gemäß der ersten Voraussetzung muss eine solche Partei vor den Unionsgerichten durch einen „Anwalt“ vertreten sein. Die zweite Voraussetzung sieht vor, dass der diese Partei vertretende Anwalt berechtigt sein muss, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) aufzutreten.

Mit dem Hinweis, dass der Rechtsberater der Universität Wrocław die zweite Voraussetzung erfüllt, hat der Gerichtshof geprüft, ob im vorliegenden Fall auch die erste Voraussetzung erfüllt ist. Zunächst weist er darauf hin, dass der Begriff „Anwalt“ im Sinne von Art. 19 der Satzung mangels eines Verweises auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten autonom und einheitlich auszulegen ist und dabei nicht nur der Wortlaut dieser Vorschrift, sondern auch ihr Zusammenhang und ihr Ziel zu berücksichtigen sind. Gemäß dem Wortlaut dieses Artikels darf eine nicht in den ersten beiden Absätzen dieses Artikels genannte „Partei“ nicht selbst vor einem Unionsgericht auftreten, sondern muss sich eines Dritten, und zwar eines Anwalts, bedienen, während die in den ersten beiden Absätzen genannten Parteien durch einen Bevollmächtigten vertreten werden können. Wie der Gerichtshof weiter ausführt, besteht das Ziel der Vertretung durch einen Anwalt gemäß Art. 19 der Satzung vor allem darin, in völliger Unabhängigkeit und unter Beachtung der Berufs- und Standesregeln die Interessen des Mandanten bestmöglich zu schützen und zu verteidigen. Der Begriff der Unabhängigkeit des Anwalts im spezifischen Kontext von Art. 19 der Satzung ist nicht nur negativ, d. h. durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern auch positiv, d. h. unter Bezugnahme auf die berufsständischen Pflichten, zu definieren. In diesem Zusammenhang ist die dem Rechtsanwalt obliegende Pflicht zur Unabhängigkeit nicht als das Fehlen jeglicher Verbindung mit seinem Mandanten zu verstehen, sondern als das Fehlen von Verbindungen, die offensichtlich seine Fähigkeit beeinträchtigen, seiner Aufgabe nachzukommen, die in der
Verteidigung seines Mandanten durch den bestmöglichen Schutz von dessen Interessen besteht.

Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass ein Anwalt dann nicht hinreichend unabhängig von der durch ihn vertretenen juristischen Person ist, wenn er über erhebliche administrative und finanzielle Befugnisse innerhalb dieser juristischen Person verfügt, wodurch er deren höherer Führungsebene zuzurechnen und daher nicht als unabhängiger Dritter anzusehen ist, wenn er eine hochrangige Leitungsfunktion innerhalb der von ihm vertretenen juristischen Person ausübt oder wenn er Aktien der von ihm vertretenen Gesellschaft besitzt und Vorsitzender ihres Verwaltungsrats ist.

Diesen Fallgestaltungen kann jedoch die Situation, dass der Rechtsberater nicht nur die Verteidigung der Interessen der Universität Wrocław nicht im Rahmen eines Über-/Unterordnungsverhältnisses zu dieser wahrgenommen hat, sondern darüber hinaus auch lediglich durch einen Lehrvertrag an die Universität gebunden war, nicht gleichgestellt werden. Der Gerichtshof hält eine solche Verbindung nicht für ausreichend, um anzunehmen, dass der Rechtsberater sich in einer Situation befunden hätte, die seine Fähigkeit, die Interessen seines Mandanten bestmöglich und völlig unabhängig zu vertreten, offensichtlich beeinträchtigen würde.

Folglich hat der Gerichtshof entschieden, dass das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt hat, dass allein das Bestehen eines zwischen der Universität Wrocław und dem sie vertretenden Rechtsberater geschlossenen zivilrechtlichen Lehrvertrags geeignet sei, die Unabhängigkeit dieses Rechtsberaters zu beeinträchtigen, weil dies die Gefahr berge, dass dadurch seine
beruflichen Ansichten zumindest teilweise von seinem beruflichen Umfeld beeinflusst würden. Daher hat der Gerichtshof den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: