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OLG Frankfurt: Unionsmarke bestehend aus einem stilisierten "S" wird durch ein abgeschnittenes "S" bei hochgradiger Warenähnlichkeit verletzt - Skechers

OLG Frankfurt
Urteil vom 19.05.2022
6 U 313/21


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass eine Unionsmarke bestehend aus einem stilisierten "S" durch ein abgeschnittenes "S" bei hochgradiger Warenähnlichkeit verletzt wird. Vorliegend ging es um Sportschuhe.

Aus den Entscheidunsggründen:
Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit besteht; er wird gemäß § 140 Abs. 3 Markengesetz in Verbindung mit Artikel 129 Abs. 2 UMV vermutet. Überdies hat die Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherung ihres Syndikus A glaubhaft gemacht, erst Anfang April 2021 Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt zu haben. Wie bereits im Senatsbeschluss vom 2.9.2021 ausgeführt, rechtfertigt es das Vorbringen der Antragsgegnerin nicht, an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung zu zweifeln. Ausgehend von einer Kenntniserlangung Anfang April 2021 hat die Antragstellerin alsbald nach Kenntniserlangung ihren Eilantrag - am 30.4.2021 - bei Gericht eingereicht.

B) Es besteht auch ein Verfügungsanspruch.

Der auf die Verletzung der Unionsbildmarke UM 003867579 gestützte Unterlassungsanspruch folgt aus Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV.

1. Die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Nichtbenutzung (Art. 18 UMV) greift nicht durch. Die Antragsgegnerin beanstandet in diesem Zusammenhang, die - insoweit darlegungsbelastete - Antragstellerin habe keine Benutzungsnachweise vorgelegt, ausweislich derer sie die Verfügungsmarke - stilisiertes „S“ vor schwarzem, quadratischen Hintergrund - benutze. Mit dieser Argumentation kann die Antragsgegnerin nicht durchdringen. Der kennzeichnende Charakter der Marke wird durch das stilisierte „S“, nicht aber durch das schwarze Quadrat im Hintergrund bestimmt. Deshalb sieht der Verkehr in der benutzten Form des stilisierten „S“ ohne ein schwarzes Quadrat im Hintergrund dieselbe Marke (auf dieses Kriterium abstellend: BGH GRUR 2009, 772 - Augsburger Puppenkiste).

2. Zwischen dem angegriffenen Zeichen und der Verfügungsmarke besteht Verwechslungsgefahr.

a) Die Markenrechtsrichtlinie überlässt die Art und Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr dem nationalen Recht (16. Erwägungsgrund a.E.).

Ob von einer Verwechslungsgefahr auszugehen ist, ist nach deutschem Rechtsverständnis eine Rechtsfrage (Bornkamm/Kochendörfer, FS 50 Jahre Bundespatentgericht, S. 533 m. zahlr. Nachw.). Das gilt in gleicher Weise für die Hauptkriterien für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, also die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit und die Zeichenähnlichkeit. Für die Verwechslungsgefahr ist es deshalb nicht maßgeblich, ob es bei den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich zu Verwechslungen kommt (Bornkamm/Kochendörfer, a.a.O., S. 534). Die Zuerkennung eines weiten Schutzbereichs für besonders kennzeichnungskräftige Marken etwa lässt sich aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht begründen, weil die empirische Verwechslungsgefahr hier eher abnimmt (Ströbele/Hacker/Thiering MarkenG 13. Aufl., § 9 Rn 20).

b) Es besteht Warenidentität. Die Verfügungsmarke ist für Schuhwaren eingetragen. Die Antragstellerin nutzt sie für Lifestyle-Schuhe wie aus Anlage AST1 ersichtlich. Auch die Antragsgegnerin benutzt das angegriffene Zeichen für Schuhwaren. Zwar ist sie auf Sicherheitsschuhe spezialisiert, sie bietet aber auch sportliche Sneaker an, wie aus Anlage Ast4 (Bl. 48, 50 d.A.) ersichtlich.

c) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt hat, ist die von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke durch die von der Antragstellerin dargelegte umfangreiche Nutzung gesteigert.

Die Antragstellerin hat zwischen Juli 2016 und April 2019 in Europa, insbesondere in der EU, mehr als drei Millionen Paar Schuhe verkauft, auf denen die Verfügungsmarke aufgebracht ist. Sie vertreibt die Schuhe innerhalb der EU über Vertriebspartner und über ihre eigenen Tochterunternehmen. Zu ihren Vertriebspartnern gehören in Deutschland u.a. B, C, D, E und F. Außerdem vertreibt sie die Schuhe in der EU über ihre E-Commerce Internetseiten. Damit hat die Antragstellerin einen Nutzungsumfang dargelegt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Syndikus A glaubhaft gemacht, der es rechtfertigt, von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen. Der Einwand der Antragsgegnerin, im Jahr 2019 seien in der EU mehr als 2,5 Milliarden Schuhe verkauft worden, der Marktanteil der Antragstellerin liege mithin bei nur 0,04 %, verfängt nicht. Für die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft einer Marke kommt es nicht allein auf den Marktanteil, sondern auch auf den Werbeaufwand an. Abgesehen davon ist ein Anteil von 0,04 % an einem Markt, auf dem eine Ware - hier Schuhe - milliardenfach verkauft wird, durchaus beachtlich.

Die Kennzeichnungskraft wird nicht relativiert durch den Umstand, dass zugunsten des französischen Schuhherstellers Salomon S.A.S. ebenfalls ein stilisiertes „S“ für Schuhe als Marke geschützt ist. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt:

„Zwar ist es richtig, dass durch dritte Zeichen im Ähnlichkeitsbereich eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke eintreten kann (BGH, Urteil vom 5.11.2008 - I ZR 39/06 - Stofffähnchen I - Rn 32, juris). Eine solche Schwächung stellt aber einen Ausnahmetatbestand dar. Sie setzt voraus, dass die Drittzeichen im Bereich der gleichen Branche oder eng benachbarter Branchen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen in einem Umfang tatsächlich in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Zeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (BGH, a.a.O.). Derartiges hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Sie hat sich lediglich auf eine weitere Marke berufen, die ebenfalls ein stilisiertes „S“ darstellt. Weitere Drittkennzeichen hat sie nicht benannt. Auch wenn als zutreffend unterstellt werden kann, dass es sich bei dem Schuhhersteller Salomon um ein bekanntes französisches Unternehmen handelt, rechtfertigt diese eine Marke es nicht, anzunehmen, dass sich der Verkehr an weitere Zeichen im Ähnlichkeitsbereich gewöhnt hat, zumal die Antragsgegnerin zum Umfang der Nutzung des Salomon-S nichts vorgetragen hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dieses „S“ sich von der Verfügungsmarke dadurch unterscheidet, dass die verbindende Linie zwischen dem oberen und dem unteren Querstrich diagonal gestaltet ist und nicht horizontal, wie bei der Verfügungsmarke.“

Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Umsätze des Unternehmens Salomon insgesamt verfängt nicht, da dieses bei weitem nicht nur Schuhwaren verkauft, sondern vor allem auf dem Markt der Wintersportausrüstung tätig ist.

d) Wie der Senat ebenfalls bereits in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt hat, liegt ein Fall absoluter Zeichenunähnlichkeit nicht vor. Dass es für den Schutz der Marke grundsätzlich allein auf die eingetragene Form ankommt und außerhalb der Registereintragung liegende Umstände nicht zu berücksichtigen sind, hat der Senat in diesem Beschluss unter Verweis auf sein Urteil vom 26.10.2017 - 6 U 154/16 („notebooksbilliger.de“) bereits ausgeführt.

Bei der Verfügungsmarke handelt es sich um eine Bildmarke in Gestalt eines stilisierten „S“, die sich dadurch auszeichnet, dass drei nahezu horizontal zueinander verlaufende Querbalken oben links und unten rechts mit einer teilweise geschwungenen Linienführung miteinander verbunden sind. Das angegriffene Zeichen besteht ebenfalls aus drei Querbalken, die allerdings nur unten rechts miteinander verbunden sind. Der Senat ist nach wie vor - der Argumentation der Antragstellerin folgend - der Überzeugung, dass hierdurch beim Verkehr der Eindruck eines „abgeschnittenen“ S entsteht.

Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist keine Tatsachenfeststellung, sondern Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens (BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft; BGH, Urteil vom 3.5.2001 - I ZR 318/98 - Das Beste jeden Morgen). Dieses Erfahrungswissen kann das Gericht grundsätzlich selbst dann haben, wenn die entscheidenden Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (BGH, Urteil vom 29.3.2007, I ZR 122/04 - Bundesdruckerei, Rn 36, juris). Maßgebend ist der Eindruck eines nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs; die Bestimmung des Teils des Verkehrs, der als „nicht ganz unerheblich“ im Sinne der Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr anzusehen ist, ist normativer Art und von den Umständen des Einzelfalles abhängig (BGH, Urteil vom 19.11.1992 - I ZR 254/90 - Guldenburg, Rn 29, juris).

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Teil des Verkehrs das angegriffene Zeichen als ein „abgeschnittenes S“ wahrnimmt und gedanklich vervollständigt, indem er die oberen beiden Balken durch eine bogenförmige Linienführung verbindet und damit ein Zeichen wahrnimmt, dass der Verfügungsmarke hochgradig ähnlich ist. Für diesen Teil des Verkehrs ist die Verwechslungsgefahr evident gegeben. Um den Schutzbereich der gesteigert kennzeichnungskräftigen Verfügungsmarke nicht zu eng zu definieren, ist bereits ein vergleichsweise kleiner Teil des Verkehrs ausreichend, um als „nicht ganz unerheblich“ im Sinne der Rechtsprechung zu gelten.

Die von der Antragsgegnerin eingeholte demoskopische Erhebung der Firma G stellt diese Argumentation nicht in Frage. Grundlage der Erhebung ist eine Online-Befragung, bei der das angegriffene Zeichen isoliert auf dem Bildschirm eingeblendet wurde. Der weit überwiegende Teil der Befragten konnte mit dem Zeichen im Zusammenhang mit Schuhen nichts verbinden, nur rund 5 % erkannte in dem Zeichen ein „abgeschnittenes S“ oder gar das „SKETCHERS-Logo“. Aus den oben dargelegten Gründen vermag dieser empirische Befund die normativen Erwägungen zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht in Frage zu stellen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Teilnehmer der Online-Befragung das angegriffene Zeichen auf einem Bildschirm vor sich sahen und nicht, wie in der Realität, aufgebracht auf einem Schuh.

Die vorstehenden Erwägungen beruhen auf der Vorberatung des Senats und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zum Zeitpunkt der Vorberatung war dem Senat der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16. Mai 2022, der der Antragsgegnerin nach ihren Angaben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorlag, noch nicht bekannt.

Nur ergänzend, ohne dass es für die Entscheidung des Falles hierauf ankäme, zeigt der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16.5.2022 weitere Aspekte auf, die gegen die Aussagekraft des Parteigutachtens sprechen. So spricht die angegebene Interviewdauer von im Durchschnitt 1:58 Minuten (so das Parteigutachten, Bl. 422 d.A.) gegen eine gewissenhafte Beantwortung der gestellten Fragen.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Teilnehmer der Befragung diese möglichst schnell „abarbeiten“ wollten. Auch weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass das Parteigutachten davon ausgeht, dass die Hälfte der Bevölkerung (47,9 %) von sich aus die Abbildung nicht beschreiben und nichts damit verbinden könne. Das ergibt sich aus dem Ankreuzen der vorgegebenen Antworten bei Frage 2 „weiß nicht“ und bei Frage 3 „kann nichts dazu sagen“ und bei Frage 4 „weiß nicht/kann ich nicht näher beschreiben“. Der Personenkreis, der diese Antwortmöglichkeiten ankreuzt, unterliegt jedoch ebenfalls einer potentiellen Verwechslung der Verfügungsmarke mit dem angegriffenen Zeichen.

Der Aufbau des Fragenkatalogs bietet den Befragten durch das Setzen eines Häkchens bei der Antwort „weiß nicht/kann ich nicht näher beschreiben“ einen einfachen Ausweg, die Befragung schnell zu beenden.

e) Mit Rücksicht auf die zumindest hochgradige Warenähnlichkeit und die gesteigerte Kennzeichnungskraft, die der Verfügungsmarke zukommt, ist die vorhandene Zeichenähnlichkeit hoch genug, um zu dem Ergebnis des Bestehens einer Verwechslungsgefahr zu gelangen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Frankfurt: Werbung mit Logo "Klimaneutral" wettbewerbswidrig wenn Unternehmen nicht über die grundlegenden Umstände der behaupteten Klimaneutralität aufklärt

OLG Frankfurt
Urteil vom 10.11.2022
6 U 104/22


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass die Werbung mit einem Logo "Klimaneutral" wettbewerbswidrig ist, wenn das Unternehmen nicht über die grundlegenden Umstände der behaupteten Klimaneutralität aufklärt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Werbung mit dem Logo „Klimaneutral“ ohne Aufklärung irreführend

Die Werbung mit dem Logo „Klimaneutral“ kann erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbraucher haben.

Die Werbung mit dem Logo „Klimaneutral“ kann erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbraucher haben. Über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität ist deshalb aufzuklären. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat gestern der Antragsgegnerin untersagt, ihre Produkte mit dem Logo „Klimaneutral“ zu bewerben, da diese Aufklärung fehlt.

Beide Parteien stellen ökologische Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel her. Die Antragsgegnerin bewirbt ihre Produkte auf ihrer Internetseite u.a. mit dem Logo „Klimaneutral“. Die Antragstellerin wendet sich u.a. gegen die Werbung mit diesem Begriff. Sie hält den Begriff „klimaneutral“ für erläuterungsbedürftig und die Werbung deshalb für intransparent und irreführend.

Das Landgericht hatte den auf Unterlassen gerichteten Eilantrag abgewiesen. Auf die Berufung hin hat das OLG die Antragsgegnerin verurteilt, die Verwendung des Logos „Klimaneutral“ zu unterlassen. Die Werbung sei irreführend. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität könne erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben. Es bestehe daher eine Verpflichtung zur Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verbraucher gehe bei dem streitgegenständlichen „klimaneutral“-Logo davon aus, dass grundsätzlich alle wesentlichen Emissionen des Unternehmens vermieden oder kompensiert würden. Eine Ausklammerung bestimmter Emissionsarten - wie von der Antragsgegnerin vorgenommen - nehme er nicht ohne Weiteres an.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10.11.2022, Az. 6 U 104/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.5.2022, Az. 3-12 O 15/22)


OLG Frankfurt: Keine wettbewerbswidrige Irreführung wenn Retroblechschilder mit Hinweis auf fehlende Lizenz des Markeninhabers angeboten werden

OLG Frankfurt
Urteil vom 10.10.2022
6 W 61/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Retroblechschilder mit einem Hinweis auf die fehlende Lizenz des Markeninhabers angeboten werden. Etwaige markenrechtliche Ansprüche waren nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Verfügungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1 und 3, 3 Abs. 1 UWG unter - hier aufgrund der Antragsbegründung allein zu prüfenden - Irreführungsaspekten nicht besteht, insbesondere nicht nach § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG (Fassung bis Mai 2022), wie die Antragstellerin meint.

Das streitbefangene Angebot richtet sich an Endverbraucher, die an nostalgischen Blechschildern als Dekorationsartikel interessiert sind, also an den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher mit situationsadäquater Aufmerksamkeit (zum Verbraucherleitbild vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 40. Aufl., § 5 Rn 1.76 - m.w.N.). Dieser Verkehrskreis unterliegt wegen in dem Angebot angebrachten Hinweises keinem Irrtum über wesentliche Informationen bzw. wesentliche Merkmale des angebotenen Blechschilds.

Dabei kann zugunsten der Antragstellerin angenommen werden, dass durch die fehlende Zustimmung der Markeninhaberin zur Benutzung der Kennzeichen auf dem streitbefangenen Blechschild dessen „Verkehrsfähigkeit“ beeinträchtigt wird und nicht nur eine (erlaubte) beschreibende Verwendung im Sinne des MarkenG vorliegt. Allerdings dürfte der Antrag insoweit schon nicht bestimmt genug sein, da die fehlende Verkehrsfähigkeit von Produkten auch aufgrund anderer Umstände - z.B. wegen einer Beschädigung - ergeben könnte.

Aufgrund des mit dem Angebot gegebenen Hinweises „Weder das Produkt noch der Hersteller stehen in einer direkten Vertrags- oder Lizenzbeziehung zum Markeninhaber“ versteht der angesprochene Verkehr gleichwohl ohne weiteres, dass die auf dem streitbefangenen Blechschild abgebildeten Kennzeichen ohne Zustimmung der Markeninhaberin aufgebracht wurden, sie die Benutzung der Kennzeichen also nicht lizenziert hat, soweit der Verkehr die rechtliche Bedeutung und Tragweite einer Lizenz überhaupt wird einschätzen können.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es unschädlich, dass der erste Teil des Hinweises („Retro-Blechschild … als rein dekoratives Element. Alle abgebildeten Kennzeichen werden nicht markenmäßig, sondern ausschließlich beschreibende verwendet.“) ggf. eine unzutreffende Rechtsauffassung oder - wie die Antragstellerin meint - Verharmlosung enthält. Der durchschnittlich informierte Verbraucher wird nämlich gar nichts mit der Aussage „nicht markenmäßig, sondern ausschließlich beschreibend“ anfangen können, wie die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift selbst ausführt. Entscheidend ist für ihn vielmehr der letzte Satz des Hinweises. Danach wird er davon ausgehen, dass die Markeninhaberin dem Angebot und dem Absatz des Blechschildes nicht zugestimmt hat und damit - nach Lesart der Antragstellerin - dessen Verkehrsfähigkeit insoweit eingeschränkt ist, als er damit rechnen muss, dass die Markeninhaberin eventuelle Markenrechte gegen ihn geltend machen könnte.

Klarstellend sei erwähnt, dass eventuelle markenrechtliche Ansprüche der Markeninhaberin (zu den Fällen der post-sale confusion vgl.: EuGH, Urteil vom 12.11.2002 C-206/01 - Arsenal) für den hier allein zu beurteilenden wettbewerbsrechtlichen Irreführungsvorwurf im Verhältnis der Antragstellerin zum Antragsgegner keine unmittelbare Rolle spielen können. Insoweit geht auch der Vorwurf der Antragstellerin ins Leere, das Landgericht würde das Angebot für ein „tolerables Kavaliersdelikt“ halten.




OLG Frankfurt: Verzicht des Urhebers auf Benennung als Urheber in AGB von Stockfoto-Portal Fotolia wirksam und keine unangemessene Benachteiligung

OLG Frankfurt
Urteil vom 29.9.2022
11 U 95/21

Das OLG Frankfurt hat entscheiden, dass der Verzicht des Urhebers auf Benennung als Urheber in den AGB des Stockfoto-Portals Fotolia wirksam ist und keine unangemessene Benachteiligung darstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Verzicht auf Urheberbenennung in AGBs eines Microstock-Portals ist wirksam

Microstock-Portale für Lichtbilder/Videos sprechen aufgrund geringer Lizenzgebühren und eines geringen Abwicklungsaufwands einen großen Nutzerkreis an. Wegen dieses Geschäftsmodells stellt ein in den Lizenzbedingungen eines Microstock-Portals enthaltener Verzicht der Urheber auf ihr Benennungsrecht keine unangemessene Benachteiligung dar. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche eines Berufsfotografen wegen unterlassener Urheberbenennung zurückgewiesen.

Der Kläger ist Fotograf und zählt zu den erfolgreichsten Bildanbietern weltweit. Er schloss mit dem Betreiber des Portals Fotolia einen so genannten Upload-Vertrag. Damit räumte er dem Portalbetreiber eine Lizenz zur Nutzung der von ihm eingestellten Fotografien ein sowie das Recht, Unterlizenzen an Kunden des Portals zu erteilen. Fotolia war laut Urteil eine der „führenden europäische Microstock Bildagenturen“ mit Millionen Bildern/Videos und Mitgliedern. Die Kunden können eingestellte Lichtbilder zu „äußerst günstigen Lizenzen“ nutzen. Dies führt zu einer hohen Anzahl eingeräumter Lizenzen und einer starken Verbreitung der eingestellten Werke. Der Kläger vermarktet seine Werke ausschließlich über Microstock-Portale.

Die Beklagte ist eine Kundin des Portals. Sie verwendete ein Lichtbild des Klägers auf ihrer Webseite als Hintergrund, ohne ihn als Urheber zu benennen. Der Kläger verlangt von der Beklagten u.a., es zu unterlassen, das Lichtbild ohne Urheberbenennung zu nutzen und wegen der bereits erfolgten Verletzung Schadensersatz an ihn zu zahlen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe wirksam auf das Recht zur Urheberbenennung im Rahmen des Upload-Vertrags mit Fotolia verzichtet, führt das OLG zur Begründung aus. Gemäß der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe „sowohl Fotolia als auch jedes herunterladende Mitglied, welches ein Werk über Fotolia bezieht, das Recht aber nicht die Verpflichtung (...), das hochladende Mitglied als Quelle seiner Werke kenntlich zu machen“. Diese Formulierung und insbesondere der Begriff „Quelle“ seien bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, dass der Urheber damit auf sein Urheberbenennungsrecht verzichte.

Dieser Verzicht sei auch wirksam vereinbart worden. Er verstoße nicht gegen das Transparenz- und Verständlichkeitsgebot. Der Verzicht werde ausdrücklich und klar erklärt. Die Klausel führte auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Urheber. Ein Urheber entscheide sich willentlich für die Nutzung von Microstock-Portalen. Damit vermeide er eigenen zeitlichen und finanziellen Vermarktungsaufwand. Die fehlende Verpflichtung zur Urheberbenennung habe für die Attraktivität des Angebots von Fotolia für die Kunden und damit für die große Verbreitung erhebliche Bedeutung. Dies räume auch der Kläger ein. „Der Verzicht auf die Pflicht zur Urheberbenennung ermöglicht mithin (auch) die große Reichweite des Microstock-Portals und die große Anzahl von Unterlizenzen, was dem Urheber zugutekommt und so die geringe Lizenzgebühr für die Unterlizenzen kompensiert“, vertieft das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen der klärungsbedürftigen Frage, ob ein Urheber in AGBs für jede Verwendungsart gegenüber einem Microstock-Portal wirksam auf sein Urheberbenennungsrechts verzichten kann, die Revision zum BGH zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.9.2022, Az. 11 U 95/21
(vorausgehend Landgericht Kassel, Urteil vom 5.7.2021, Az. 10 O 2109/20)



OLG Frankfurt: Zwangsmittel bei erkennbarer Unvollständigkeit einer Auskunft wenn zur Auskunft Verpflichteter nicht alle zumutbaren Nachforschungsmöglichkeiten ausschöpft

OLG Frankfurt
Beschluss vom 08.08.2022
6 W 41/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Zwangsmittel bei erkennbarer Unvollständigkeit einer Auskunft gerechtfertigt sind, wenn der zur Auskunft Verpflichtete nicht alle zumutbaren Nachforschungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckungsklausel bedarf.

2. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner über den Vorlieferanten der Schuhe keine vollständige Auskunft erteilt hat. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners hat er der Auskunftsverpflichtung nicht durch eine Negativerklärung genügt.

a) Ein Anspruch auf (ergänzende) Auskunftserteilung besteht nicht mehr, wenn der Schuldner eine formell ordnungsgemäße Auskunft erteilt hat. Ob die erteilte Auskunft richtig oder falsch ist, muss gegebenenfalls im Verfahren über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geklärt werden. Bei erkennbarer Unvollständigkeit fehlt es jedoch an einer formell ordnungsgemäßen Auskunft. In diesem Fall ist der (titulierte) Anspruch auf Auskunft noch nicht vollständig erfüllt und er kann daher im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 888 ZPO weiterverfolgt werden (OLG Frankfurt am Main NJW-RR 2016, 960 - unvollständige Auskunft; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.7.2005 - 6 W 6/05, Rn 3, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.8.2009 - 6 W 176/08, juris).

b) Der Antragsgegner hat zunächst über den Gerichtsvollzieher zwei Rechnungen übersandt mit dem Hinweis, die Schuhe seien einer der beiden Rechnungen zuzuordnen und bei einem der beiden Händler gekauft worden (Anlage Ast26). Es handelt sich um eine Rechnung vom 10.7.2018 von der Fa. A GmbH aus Stadt1 und um eine Rechnung vom 11.4.2019 von der Fa. B GmbH, ebenfalls aus Stadt1. Mit Schriftsatz vom 30.3.2022 hat sein Prozessbevollmächtigter ergänzend dargelegt, dass eine Identifizierung der Schuhe an Hand von Artikelnummern o.ä. nicht (mehr) möglich sei. Telefonische Nachforschungen bei den genannten Händlern hätten kein Ergebnis gebracht. Die Gesprächspartnerin der Fa. B GmbH sei der deutschen Sprache kaum mächtig gewesen. Der Geschäftsführer der Fa. A GmbH habe keine weitere Auskunft in der Sache erteilen wollen.

c) Mit diesen Angaben genügt der Antragsgegner seiner Auskunftspflicht nicht.

aa) Soweit keine aussagekräftigen Unterlagen über die Herkunft der mit der Verfügungsmarke gekennzeichneten Waren vorliegen, muss der Antragsgegner bei den in Betracht kommenden Vorlieferanten nachforschen. Der Schuldner hat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Information auszuschöpfen. Er hat seine Geschäftsunterlagen durchzusehen und muss sich, wenn dies nicht ausreicht, gegebenenfalls durch Nachfrage bei seinen Lieferanten und Abnehmern um Aufklärung bemühen (vgl. BGH GRUR 2006, 504, 506 - Parfumtestverkäufe). Der Auskunftsanspruch geht zwar nicht so weit, dass Nachforschungen bei Dritten vorzunehmen sind, um unbekannte Vorlieferanten erst zu ermitteln. Sind hingegen - wie hier - die möglichen Vorlieferanten bekannt, sind Zweifel durch Nachfrage bei den Lieferanten aufzuklären (BGH GRUR 2003, 433 - Cartier-Ring; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2021, 477 - Salami und Oliven). Erst wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung des Auskunftstitels feststeht, können Nachforschungen unterbleiben. Hierzu bedarf es substantiierten und nachprüfbaren Vorbringens des Schuldners (Zöller/Seibel ZPO, 34. Auflage, § 888, Rn 11). Die bloße Angabe, weitere Nachforschungen bei den Vorlieferanten hätten keine Aussicht auf Erfolg, genügt nicht.

bb) Der Antragsgegner hat die ihm zumutbaren Nachforschungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Eine bloße telefonische Nachfrage genügt in der Regel nicht. Die gilt besonders dann, wenn - wie bei der Fa. B GmbH - eine mündliche Verständigung mangels Sprachkenntnissen des Gesprächspartners nicht möglich ist. Vielmehr sind die in Betracht kommenden Lieferanten schriftlich um Überprüfung zu bitten, welche Schuh-Modelle der Rechnung zugrunde lagen und ob es die streitgegenständlichen waren. Bei in Deutschland ansässigen Unternehmen genügt es, wenn das Schreiben in deutscher Sprache verfasst wird. Wird das Schreiben nicht in angemessener Zeit beantwortet, ist ggf. unter Fristsetzung erneut nachzufragen.

Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 4.8.2022 in Reaktion auf den Nichtabhilfebeschluss darlegt, eine schriftliche Kontaktaufnahme sei sinnlos, weil die Fa. B GmbH unmissverständlich eine Kontaktaufnahme verweigert hätte, steht dieses Vorbringen in Widerspruch zu dem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 30.3.2022. Dort heißt es, die Kontaktaufnahme und Informationsbeschaffung sei daran gescheitert, dass die telefonische Gesprächspartnerin der deutschen Sprache nicht mächtig war. Das neue Vorbringen kann daher nicht berücksichtigt werden.

Eine schriftliche Kontaktaufnahme mit der Fa. B GmbH ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Handelsgeschäft bei Google als „vorrübergehend geschlossen“ bezeichnet wird. Der vom Antragsgegner daraus abgeleitete Schluss, der Geschäftsbetrieb sei (endgültig) eingestellt worden, ist nicht nachvollziehbar. Die Internetseite des Unternehmens ist nach wie vor mit sämtlichen Kontaktdaten erreichbar. Die GmbH ist auch nach wie vor im Handelsregister des AG Stadt2 eingetragen. Es ist daher nicht ersichtlich, wieso das Unternehmen postalisch nicht erreichbar sein soll.

cc) Anders liegt es bei der Fa. A GmbH. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hatte telefonisch Kontakt mit dem Geschäftsführer. Dieser äußerte, keine weiteren Auskünfte erteilen zu wollen. Er verwies außerdem darauf, dass er selbst von der Antragstellerin in der Vergangenheit wegen der Verfügungsmarke in Anspruch genommen worden sei. Es besteht daher keine Aussicht, dass er auf schriftliche Anfrage des Antragsgegners die Lieferung der streitgegenständlichen Schuhe einräumen und sich damit weiteren Ansprüchen aussetzen wird. Ein schriftliches Auskunftsersuchen wäre eine bloße “Förmelei“ ohne Erfolgsaussicht.

3. Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner auf eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das Landgericht zunächst nicht seinen Schriftsatz vom 30.3.2022 berücksichtigt habe. Das Zwangsmittel war aus den dargelegten Gründen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Schriftsatz vom 30.3.2022 zu verhängen. Außerdem hat das Landgericht den Schriftsatz jedenfalls bei der Entscheidung über die Nichtabhilfe berücksichtigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Kein Schadensersatzanspruch gegen Messeveranstalter wegen coronabedingter Absage einer Messe

OLG Frankfurt
Urteil vom 07.09.2022
4 U 331/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Schadensersatzanspruch gegen einen Messeveranstalter wegen coronabedingter Absage einer Messe besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein Schadensersatz wegen Messeabsage während der Corona-Pandemie

Einer Ausstellerin stehen keine Schadensersatzansprüche wegen der am 24.2.2020 erfolgten Verschiebung einer für den 8.3. bis 13.3.2020 geplanten Messe auf den Herbst 2020 sowie der vollständigen Absage dieser Messe am 5.5.2020 zu. Beide Entscheidungen waren im Hinblick auf das sich rasant und nicht prognostizierbar entwickelnde Pandemiegeschehen, der Verantwortung für die Gesundheit der Messeteilnehmer und der erheblichen wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit gestern verkündeter Entscheidung.

Die Klägerin hatte mit der beklagten Messeveranstalterin einen Vertrag über die Teilnahme an der vom 8.3. bis 13.3.2020 geplanten Messe „Light + Building 2020“ geschlossen. Am 24.2.2020 hatte die Beklagte die Messe im Hinblick auf die Verbreitung des Corona-Virus zunächst auf September 2020 verschoben und letztlich am 5.5.2020 ganz abgesagt. Die bereits entrichteten Standgebühren zahlte sie der Klägerin zurück. Diese begehrt nunmehr u.a. Schadensersatz in Höhe von knapp 75.000 € und verweist auf bereits vorgenommene Hotelreservierungen, PR-Maßnahmen, Miete des Messestands und statische Berechnungen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch zu, bestätigte das OLG.

Zu der zunächst vorgenommenen Verschiebung der Messe sei die Beklagte berechtigt gewesen. Ihr sei das Festhalten am ursprünglichen Vertrag nicht zumutbar gewesen. Bis zum 24.2.2020 hätten sich die Umstände, die Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags geworden waren, so schwerwiegend geändert, dass die Parteien bei Kenntnis dieser veränderten Umstände den Vertrag nicht mehr mit dem alten Inhalt geschlossen hätten. Die „dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens mit dem Corona-Virus vom Jahreswechsel 2019/2020 bis zu ihrer Entscheidung am 24.2.2022, die dadurch bedingten erheblichen Unsicherheiten für die Durchführbarkeit der Veranstaltung und die Verantwortung für Gesundheit und das Leben aller an der Messe teilnehmenden (...) Personen“ hätten die Beklagte zur Verschiebung um ca. 6 Monate berechtigt. Die Entwicklung des Infektionsgeschehens sei rasant und sich stetig verschärfend verlaufen. Unerheblich sei, dass am 24.2.2020 kein behördlich angeordnetes Verbot der Veranstaltung bestanden habe. Es habe vielmehr ausgereicht, dass ein behördliches Veranstaltungsverbot bei einer ex ante Prognose hinreichend wahrscheinlich gewesen sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Angesichts der Erklärung des Infektionsgeschehens zu einer Pandemie durch die WHO am 11.3.2020, des am 12.3.2020 erfolgten Verbots von Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen (wie hier) und des am 14.3.2020 verhängten vollständigen Verbots von Veranstaltungen wäre es allein vom Zufall abhängig gewesen, ob die Messe gerade noch hätte stattfinden können oder nicht. Dabei habe die Beklagte auch in besonderer Weise die Gesundheit der Messeteilnehmer und die Verhinderung der Infektion einer unübersehbaren Zahl an Personen berücksichtigen dürfen.

Die endgültige Absage der Messe am 5.5.2020 sei ebenfalls rechtmäßig erfolgt. Nach der damals gültigen Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung hätte die Messe nur mit einer Ausnahmegenehmigung durchgeführt werden können. Diese wäre wohl nicht zu erlangen gewesen. Jedenfalls habe die Lage am 5.5.2020 wegen Störung der Geschäftsgrundlage die Beklagte zu der völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses berechtigt. Am 5.5.2020 sei die Durchführung von Messen bis zum 31.8.2020 verboten gewesen. „Die Prognose, ob die Durchführung der Messe zu dem geplanten Ausweichtermin möglich sein würde und wenn ja in welchem Umfang, (war) für die Beklagte angesichts der sich ständig überschlagenden und beinahe täglich erfolgenden Neueinschätzungen durch die verantwortlichen Politiker, das RKI und die Wissenschaft kaum zu treffen“, begründete das OLG weiter. Angesichts der wirtschaftlichen Interessen einer Vielzahl von Ausstellern und des Umstands, dass die drohenden Schäden mit der Kurzfristigkeit einer Absage immer größer würden, habe die Beklagte die alle zwei Jahre stattfindende Messe absagen dürfen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 7.9.2022, Az. 4 U 331/21
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.11.2021, Az. 2-30 O 41/21)


OLG Frankfurt: Bei Augenbrauenpigmentierung besteht ein gewisser künstlerischer Gestaltungsspielraum - kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld

OLG Frankfurt
Hinweisbeschluss vom 05.07.2022
17 U 116/21


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass bei eine kosmetischen Behandlung in Form einer Augenbrauenpigmentierung ein gewisser künstlerischer Gestaltungsspielraum besteht und bei Geschmacksabweichungen kein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein Mangel bei Geschmacksabweichungen über eine Augenbrauenpigmentierung

Eine Augenbrauenpigmentierung betrifft neben der reinen handwerklichen Leistung auch künstlerische Aspekte. Der Besteller hat deshalb grundsätzlich einen künstlerischen Gestaltungsspielraum des Unternehmers hinzunehmen, so dass Geschmacksabweichungen keinen Mangel begründen. Dies ist nur anders, wenn konkrete Vorgaben im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht wurden. Da derartige Vorgaben nicht feststellbar waren, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung den mit der Berufung weiterverfolgten Ansprüchen auf Schmerzensgeld und Ersatz der Kosten einer Korrekturbehandlung keinen Erfolg beigemessen.

Der Kläger unterzog sich einer kosmetischen Behandlung seiner Augenbrauen in einem Kosmetikstudio der Beklagten in Wiesbaden. Er bestätigte mit seiner Unterschrift unter anderem, dass vor der Pigmentierung das Permanent Make-up vorgezeichnet und mittels Spiegel gezeigt worden sei. Gleiches gelte für das ungefähre Farbendergebnis. Der Kläger unterzeichnete zudem einen als „Abnahme“ bezeichneten Passus, wonach er das Permanent Make-up genauestens überprüft und nach der Behandlung als einwandfrei und ordnungsgemäß beurteilt habe.

Für die Behandlung zahlte er 280 €. Einen Tag später beschwerte er sich über die zu dunkle Farbe; weitere drei Tage später verlangte er das Honorar wegen eines nicht zufriedenstellenden Behandlungsergebnisses zurück. Drei Monate später unterzog er sich einer korrigierenden Laserbehandlung an den Augenbrauen. Diese kostete 289 €.

Der Kläger verlangt nunmehr Schmerzensgeld i.H.v. 3.500 € sowie Erstattung der Kosten der Korrekturbehandlung. Er behauptet, es sei ein so genanntes Micro-Blading vereinbart worden, bei welchem die Linien der Härchen der Augenbrauen eingeschnitten und mit Farbpigmenten in die Haut eingearbeitet würden. Die vorgenommene Pigmentierung der Beklagten entstelle ihn dagegen; ihm seien „zwei schwarze Balken“ in Höhe der Augenbrauen tätowiert worden.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch das OLG maß der Berufung keinen Erfolg bei. Der Kläger habe weder Anspruch auf Zahlung der Kosten der Laserbehandlung noch auf Entrichtung eines Schmerzensgeldes, führte das OLG im Hinweisbeschluss aus. Der Kläger habe mit der Beklagten ausweislich der Einwilligungserklärung einen Vertrag zur Durchführung eines Permanent-Make-Ups geschlossen, nicht aber für eine Härchenzeichnung mittels Micro-Blading. Ausweislich der Erklärung habe der Kläger sich ausdrücklich mit einem Permanent Make-up einverstanden erklärt. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die danach geschuldete Permanent Make-up-Behandlung fehlerhaft durchgeführt worden sei.

Das Werk der Beklagten sei auch nicht wegen etwaiger optischer Abweichungen mangelhaft. „Da bei einer Augenbrauenpigmentierung neben der reinen handwerklichen Leistung auch künstlerische Aspekte betroffen sind, hat der Besteller grundsätzlich einen künstlerischen Gestaltungsspielraum des Unternehmers hinzunehmen ..., so dass Geschmacksabweichungen nicht geeignet sind, einen Mangel zu begründen“, betont das OLG. Dies wäre nur anders, wenn der Besteller konkrete Vorgaben gemacht hätte. Dies könne hier nicht festgestellt werden. Der Kläger habe - so das OLG - vielmehr nicht bewiesen, „dass die auf den Lichtbildern erkennbare von der Augenbrauenlinie, der Augenform und der Dicke der Augenbrauen abweichende, zum Teil oberhalb derselben liegende, balkenförmig mit Spitzzulauf ausgeführte Tätowierung von der Absprache abweicht, die der Kläger mit der Beklagten zur Gestaltung der Augenbrauen getroffen hat“. Darüber hinaus habe der Kläger durch Unterzeichnung der Abnahmeerklärung das Werk als einwandfreien ordnungsgemäß gebilligt. Soweit der Farbton der Segmentierung als zu dunkel gerügt werde, habe der Kläger nicht dargelegt, welchen konkreten anderen Farbton er ausgewählt habe.

Der Kläger hat auf diesen Hinweisbeschluss in die Berufung zurückgenommen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 5.7.2022, Az. 17 U 116/21

(vorausgehend Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 13.10.2021, Az. 1 O 24/21)



OLG Frankfurt: Aufdruck "BLESSED" auf einem Hoodie keine Markenrechtsverletzung - kein Herkunftshinweis auf Markeninhaber

OLG Frankfurt
Urteil vom 02.06.2022
6 U 40/22


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass der Aufdruck "BLESSED" auf einem Hoodie keine Markenrechtsverletzung darstellt, da dieser nicht als Herkunftshinweis auf den Markeninhaber verstanden wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Blessed" Schriftzug auf Hoodie
Schriftzug „BLESSED“ auf Vorderseite eines Hoodies wird vom Verkehr als dekoratives Element und nicht als Herkunftshinweis verstanden.

Lesedauer:3 Minuten
Wörter auf Vorder- oder Rückseite eines Kleidungsstückes werden vom Verkehr nicht grundsätzlich als Herkunftshinweis verstanden. Insbesondere Wörter der deutschen Sprache, einer geläufigen Fremdsprache oder sog. Fun-Sprüche können auch lediglich als dekorative Elemente aufgefasst werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beschwerde gegen die Versagung eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen die Verwendung des Wortes „BLESSED“ auf der Vorderseite eines Hoodies zurückgewiesen.

Die Parteien streiten über einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch. Der Kläger ist Gastronom in Frankfurt am Main und Inhaber der Wort-Bildmarke #Blessed, die als weißer Schriftzug auf weißem Grund u.a. für Bekleidungsstücke eingetragen ist.

Die Beklagte ist eine weltweit tätige Sportartikelherstellerin. Sie arbeitet mit so genannten Markenbotschaftern zusammen. Dazu gehört ein brasilianischer Fußballer, der in seinem Nacken ein Tattoo mit dem Schriftzug „Blessed“ trägt. In diesem Zusammenhang brachte die Beklagte eine viel beachtete Lifestyle-Kollektion auf den Markt. Auf der Vorderseite des zu dieser Kollektion zählenden Hoodies steht in großer gelb-schwarzer Schrift „BLESSED“; das Kleidungsstück weist zudem auf Marken der Beklagten hin.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Eilverfahren aus Markenrecht auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hatte einen Unterlassungsanspruch abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Benutzung des Wortes „BLESSED“ beeinträchtige nicht die Markenrechte des Klägers. Der Schriftzug sei hier nicht markenmäßig, sondern dekorativ zu rein beschreibenden Zwecken benutzt worden. Der Hoody sei Teil einer Sportkollektion der Beklagten, die diese im Zusammenhang mit der Verpflichtung des brasilianischen Fußballers herausgebraucht habe. Das englische Wort bedeute „gesegnet“. Der eigene Markenname der Beklagten sei zudem an mehreren Stellen des Kleidungsstücks erkennbar. Schließlich wisse der Verbraucher, dass auf der Vorderseite von Kleidungsstücken Sprüche oder bekenntnishafte Aussagen aufgedruckt würden.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 02.06.2022, Az. 6 U 40/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2022, Az. 3/6 O 47/21)




OLG Frankfurt: Auch gerichtsbekannte Tatsachen müssen im Prozess vorgetragen werden - Abmahnbefugnis eines Abmahnvereins

OLG Frankfurt
Urteil vom 09.06.2022
6 U 134/21

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass auch gerichtsbekannte Tatsachen im Prozess vorgetragen werden müssen. Es entfällt lediglich die Beweisbedürftigkeit. Vorliegend ging es um die Abmahnbefugnis eines Abmahnvereins.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klage ist zulässig. Die Beklagte hat keine ausreichenden Umstände dargelegt, die im Streitfall für die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung durch den Kläger sprechen.

a) Nach § 8 c UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Eine missbräuchliche Geltendmachung ist nach § 8 c Abs. 2 Nr. 1 UWG im Zweifel anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder auf die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Generell ist von einem Missbrauch auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände.

b) Die Beklagte hat zu den Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs nur pauschal vorgetragen. Zwar ist diese Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH GRUR 2006, 243 Rn 15 - MEGA SALE). Deshalb muss der als Verletzte in Anspruch Genommene den Rechtsmissbrauch nicht ausdrücklich rügen; er muss aber dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung verschaffen. Die Beweislast obliegt - im Freibeweis - der Beklagten, die die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 10.12.2009 - 2 U 51/09, Rn 11, juris).

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, nach Auffassung des OLG Rostock sei das Abmahnverhalten des Klägers missbräuchlich, da er bei Abmahnungen planmäßig seine eigenen Mitglieder verschone. Grundsätzlich kann sich ein Indiz dafür, dass die Rechtsverfolgung überwiegend auf sachfremden Gründe beruht, daraus ergeben, dass der Verband unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder planmäßig duldet (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2019 - I ZR 21/19, Rn 58 - Culatello di Parma; BGH, Urteil vom 23.1.1997 - I ZR 29/94, Rn 34 - Produktwerbung). Anzunehmen ist das insbesondere, wenn der Verband selektiv ausschließlich gegen Nichtmitglieder vorgeht, um neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht (BGH, Urteil vom 17.8.2011 - I ZR 148/10, Rn 23 - Glücksspielverband; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.6.2015 - 6 U 69/14, Rn 12, juris). Voraussetzung ist, dass hinreichende Umstände darauf hindeuten, dass der Verband gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder planmäßig duldet.

Einen ausreichenden Sachvortrag für ein planmäßiges Verschonen von Mitgliedern hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht gehalten. Der bloße Hinweis, das OLG Rostock habe in einem anderen Rechtsstreit eine entsprechende Auffassung vertreten, stellt keinen ordnungsgemäßen Sachvortrag dar. Es genügt auch nicht der Hinweis im Berufungsverfahren, der Kläger gehe „bekanntermaßen“ gegen eigene Mitglieder nicht vor. Insbesondere hat die Beklagte - anders als etwa die Beklagte in dem Parallelverfahren vor dem Landgericht Köln (Az. 81 O 35/21) - keine Mitgliedsunternehmen benannt, die vergleichbare Verstöße gegen Informationspflichten wie die Beklagte begangenen haben und vom Kläger verschont wurden. Ein „planmäßiges“ Verschonen kann bei dieser Sachlage nicht festgestellt werden.

bb) Ferner behauptet die Beklagte im Berufungsverfahren, der Kläger verfolge mit seiner „Abmahntätigkeit“ in Wahrheit das Ziel, Mitglieder zu werben, die sich Ruhe vor weiteren Verfahren erkaufen wollen. Konkrete Anhaltspunkte für diese Behauptung sind nicht ersichtlich. Die pauschale Behauptung einer missbräuchlichen Intention reicht nicht aus, um einen Rechtsmissbrauch zu begründen. Der Kläger geht vorliegend auch nicht aus einer Abmahnung vor, sondern macht eine Vertragsstrafe aus einem im Nachgang zur Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertrag geltend. Dass nicht nur die Abmahnung, sondern auch das Vertragsstrafeverlangen in Wahrheit der Anwerbung der Beklagten als Mitglied dient, ist nicht vorgetragen.

cc) Die Beklagte hat weiterhin vorgetragen, der Kläger verfüge nicht über genug Mitglieder, die auf dem maßgeblichen Markt für asiatische Lebensmittel tätig sind. Dieser Einwand betrifft die Klagebefugnis für den - hier nicht streitgegenständlichen - Unterlassungsanspruch. Vorliegend geht es um einen vertraglichen Zahlungsanspruch. Auf die Mitgliederstruktur kommt es insoweit nicht an. Nicht zielführend sind daher die Ausführungen des Landgerichts, der Kläger sei trotz des gerichtlichen Hinweises auf die zweifelhafte Aktivlegitimation nicht gewillt gewesen, zu den näheren Umständen der wettbewerbsrechtlichen Situation seiner Mitglieder vorzutragen.

dd) Ein Rechtsmissbrauch kann entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die streitgegenständlichen Verstöße von einem Mitarbeiter des Klägers aufgedeckt wurden und nicht auf einen Hinweis aus dem Kreis der Mitgliedsunternehmen zurückgeht. Die Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG verlangt gerade deshalb eine hinreichende personelle Ausstattung des Verbands, damit dieser Wettbewerbsverstöße selbstständig verfolgen kann.

ee) Die umfangreiche Abmahntätigkeit des Klägers spricht schließlich für sich genommen ebenfalls nicht für die Verfolgung sachfremder Ziele. Will ein Wirtschaftsverband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG seine satzungsgemäße Aufgabe ernst nehmen, zieht eine Vielzahl von Wettbewerbsverstößen von Mitbewerbern der Mitglieder zwangsläufig eine entsprechende Anzahl von Abmahnungen und gegebenenfalls gerichtlicher Verfahren und Zahlungsaufforderungen nach Zuwiderhandlungen nach sich. Dieser Umstand kann daher für sich allein weder die Klagebefugnis in Frage stellen noch einen Rechtsmissbrauch begründen (BGH, Urteil vom 4.7.2019 - I ZR 149/18 = WRP 2019, 1182, Rn 44, 45 - Umwelthilfe). Die Prozessführungsbefugnis der Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen nicht nur im Interesse des unmittelbar Betroffenen, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt (BGH, Urteil vom 17.8.2011 - I ZR 148/10, Rn 22 - Glücksspielverband). Die umfangreiche Wahrnehmung dieser Aufgabe kann daher für sich genommen nicht missbräuchlich sein.

2. Die Klage ist teilweise begründet. Insoweit war das Urteil des Landgerichts abzuändern.

a) Zwischen den Parteien ist ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wird nicht schon durch eine einseitige Unterlassungserklärung des Schuldners begründet, sondern setzt den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner voraus. Für das Zustandekommen eines solchen Vertrags gelten die allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse (BGH GRUR 2017, 823 Rn 12 - Luftentfeuchter; BGH GRUR 2010, 355 Rn 21 - Testfundstelle). Es kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend ein Unterlassungsvertrag bereits durch die Abmahnung, die ein Angebot in Gestalt einer vorformulierten Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch enthielt, und die inhaltlich unveränderte Erklärung der Beklagten vom 10.8.2020 zustande kam (Anlage K1). Jedenfalls kam der Vertrag durch die Annahmeerklärung des Klägers vom 12.8.2020 zustande (Anlage K2). Soweit die Beklagte erstinstanzlich die Annahme bzw. deren Zugang bestritten hat, kann sie damit kein Gehör finden. Das Landgericht hat die Annahme der Unterlassungserklärung tatbestandlich festgestellt, ohne dass die Feststellung mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen wurde.

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Unterlassungsvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit bzw. wegen arglistiger Täuschung über die Aktivlegitimation hinsichtlich des abgemahnten Anspruchs unwirksam.

aa) Die Unwirksamkeit wegen arglistiger Täuschung würde eine Anfechtungserklärung nach § 143 BGB voraussetzen. Eine solche ist nicht ersichtlich und wurde vom Landgericht auch nicht festgestellt. Sie kann auch nicht mehr nachgeholt werden, da die Anfechtungsfrist nach § 124 Abs. 1 BGB abgelaufen ist.

bb) Es liegen im Übrigen auch weder ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 BGB noch Umstände vor, die die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründen könnten. Die Beklagte hat keine Umstände dargelegt, die auch nur ansatzweise den Tatbestand der arglistigen Täuschung ausfüllen. Das Landgericht kann den fehlenden Sachvortrag im Zivilprozess, in dem der Beibringungsgrundsatz gilt, nicht durch die Feststellung ersetzen, es sei gerichtsbekannt, dass „nach dem Gesamtbild der Abmahntätigkeit des Klägers“ nicht davon ausgegangen werden könne, dass es ihm um die Förderung gewerblicher selbstständiger Interessen, sondern ausschließlich um „lukrative Einnahmen für die wenigen für den Kläger Tätigen und Verantwortlichen“ gehe. Abgesehen davon, dass das Landgericht keine konkreten Quellen benennt, aus denen es diese Erkenntnis geschöpft hat, ersetzt die Gerichtsbekanntheit von Tatsachen nach § 291 ZPO nicht deren Vortrag, sondern allein ihre Beweisbedürftigkeit. Gerichtskundige Tatsachen dürfen nur bei Bezug zu entsprechend substantiiertem Sachvortrag eingeführt werden. Daran fehlt es. Die Beklagte hat lediglich pauschal behauptet, dass der Kläger die Abmahnung ausgesprochen habe, ohne über die nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erforderliche Klagebefugnis zu verfügen. Darüber sei der Beklagte bei Abgabe seiner Erklärung im Irrtum gewesen. Von einer konkreten Täuschungshandlung oder gar einem arglistigen Verhalten war keine Rede.

cc) Dem Kläger obliegt auch keine sekundäre Darlegungslast zur angeblichen Täuschung über seine Aktivlegitimation im Zeitpunkt der Abmahnung. Er muss im Vertragsstrafeprozess nicht zu seiner Mitgliederstruktur vortragen. Wenn man das - wie das Landgericht - anders sehen wollte, hätte ausdrücklich auf den möglichen Anfechtungsgrund und die in diesem Zusammenhang vermissten Darlegungen hingewiesen werden müssen. Daran fehlt es. Der pauschale Hinweis in der Eingangsverfügung, es bestünden Bedenken an der Aktivlegitimation, konnte nicht ohne weiteres so verstanden werden. Denn die Aktivlegitimation für den streitgegenständlichen Anspruch ergibt sich allein aus dem Unterlassungsvertrag.

c) Unstreitig hat die Beklagte mit den aus der Anlage K3.1 - 3.3 ersichtlichen Amazon-Angeboten gegen die eingegangene Verpflichtung zur Grundpreisangabe und weitere Informationspflichten verstoßen.

d) Die Vertragsstrafe ist verwirkt. Der Höhe nach kann der Kläger nur eine Vertragsstrafe von 1.000 € beanspruchen. Die vom Kläger verlangte Vertragsstrafe in Höhe von 4.000 € entspricht nicht der Billigkeit (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB).

aa) Die der Sicherung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverpflichtung dienende Vertragsstrafevereinbarung kann gemäß § 315 Abs. 1 BGB - wie hier - in der Weise umgesetzt werden, dass dem Gläubiger für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht die Bestimmung der Strafhöhe nach seinem billigen Ermessen überlassen bleibt (sog. "Hamburger Brauch"). Die vom Gläubiger getroffene Bestimmung der Strafhöhe ist nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht, wobei dem Gläubiger ein Ermessensspielraum zusteht. Die richterliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kommt auch einem Kaufmann zugute, so dass es auf die Vorschrift des § 348 HGB, wonach eine unter Kaufleuten vereinbarte Vertragsstrafe nicht herabgesetzt werden kann, nicht ankommt (BGH, Urteil vom 17.9.2009 - I ZR 217/07, Rn 30 - Testfundstelle, juris).

bb) Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass es um einen erstmaligen Verstoß geht, der noch in der Umstellungszeit - nämlich zwei Wochen nach Zustandekommen des Unterlassungsvertrages - stattfand. Betroffen sind zwei Angebote, die am selben Tag (26.8.2020), geschaltet wurden. Sie stehen in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang und bilden eine Handlungseinheit. Der Verstoß betrifft Informationspflichten wie etwa die Grundpreisangabe und die Angabe des Gerichtsorts des Handelsregisters, deren Nichtbeachtung Verbraucherinteressen nicht in schwerwiegender Weise beeinträchtigt hat. Bei dieser Sachlage hat der Kläger mit einer Vertragsstrafe von 4.000 € seinen Ermessensspielraum überschritten. Angemessen erscheinen hier 1.000 €.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Pizzeria darf sich nicht "Falcone" nennen wenn dies im Kontext mit Mafia-Bezug geschieht

OLG Frankfurt
Beschluss vom 07.07.2022
6 U 211/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass sich eine Pizzeria nicht "Falcone" nennen darf, wenn dies im Kontext mit Mafia-Bezug geschieht. Insofern liegt eine Namensrechtsverletzung und Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des ermordeten italienischen Ermittlungsrichters Giovanni Falcone vor.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Pizzeria darf sich ohne Zustimmung der Namensinhaber nicht „Falcone“ nennen

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Versäumnisurteil die Betreiberin einer Frankfurter Pizzeria verpflichtet, den Namen des ermordeten italienischen Ermittlungsrichters „Falcone“ nicht als Geschäftsbezeichnung und für ihre Geschäftstätigkeit zu benutzen, soweit dies im Mafia-Kontext geschieht.

Die Klägerin ist die Tochter des früheren italienischen Ermittlungsrichters Giovanni Falcone. Dieser bekämpfte in den 1980er - und 1990er Jahren gemeinsam mit Paolo Borsellino die organisierte Kriminalität in Italien. Beide wurden 1992 Opfer von Attentaten der Mafia.

Die Beklagte war Inhaberin der Pizzeria „Falcone & Borsellino“ Frankfurt am Main. Sie verwendete u.a. im Lokal Fotografien von Falcone und Borsellino, aber auch aus dem Film „Der Pate“. Die Speisekarte ist mit Einschusslöchern versehen. Der Name „Falcone“ wurde zudem auf dem Aushängeschild, Werbematerialien und in den sozialen Medien genutzt. Die Pizzeria wird gegenwärtig nicht betrieben.

Die Klägerin wendet sich gegen die Verwendung des Namens im Mafia-Kontext ohne ihre Zustimmung. Das Landgericht hatte die auf Unterlassung gerichteten und auf Namensrecht und postmortales Persönlichkeitsrecht gestützten Anträge zurückgewiesen.

Auf die Berufung hin hat das OLG die Beklagte nunmehr im Wege des Versäumnisurteils verpflichtet, es zu unterlassen, die Bezeichnung „Falcone“ als Geschäftsbezeichnung und für ihre Geschäftstätigkeit im Kontext mit Mafia-Bezug zu benutzen; es sprach damit – in der Säumnissituation der Beklagten, in der nur der klägerische Vortrag zugrunde gelegt wird - die auf Namensrecht und postmortales Persönlichkeitsrecht gestützten Ansprüche zu. Ein Versäumnisurteil ergeht unbegründet.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil ist der Einspruch statthaft.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.07.2022, Az. 6 U 211/20
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2020, Az. 2-6 O 322/19)


OLG Frankfurt: Verletzung der bekannten Marke "The North Face" durch Verwendung der Zeichenfolge "The Dog Face" für Tierbekleidung

OLG Frankfurt
Beschluss vom 28.6.2022
6 W 32/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass durch Verwendung der Zeichenfolge "The Dog Face" für Tierbekleidung die bekannte Marke "The North Face" verletzt wird, da der Verkehr eine gedankliche Verknüpfung zwischen beiden Zeichenfolgen herstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Markenverletzung durch Angebot von „The-Dog-Face“-Tierkleidung

Zwischen den Zeichen „The North Face“ und „The Dog Face“ besteht keine Verwechslungsgefahr. Da die Marke „The North Face“ jedoch in erheblichem Maß bekannt ist, wird der Verkehr trotz der erkennbar unterschiedlichen Bedeutung von „Dog“ und „North“ die Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung der Antragsgegnerin die Verwendung des Zeichens „The Dog Face“ im Zusammenhang mit Tierbekleidung untersagt.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Marke „The North Face“, die u.a. für Bekleidung eingetragen ist. Die Antragsgegnerin vertreibt online Bekleidung für Tiere und kennzeichnet diese mi". Im Eilverfahren geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin hatte das Landgericht abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG nun Erfolg. Die Antragstellerin könne von der Antragsgegnerin verlangen, dass sie ihre Tierbekleidungsprodukte nicht mit „The Dog Face“ kennzeichnet, stellte das OLG fest. Die Marke „The North Face“ sei eine bekannte Marke. Sie sei einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt.

Die Antragsgegnerin benutze diese Marke in rechtsverletzender Weise, da die Verkehrskreise das Zeichen „The Dog Face“ gedanklich mit „The North Face“ verknüpften. Nicht erforderlich sei dabei, dass zwischen den Zeichen Verwechslungsgefahr bestehe. An dieser würde es hier fehlen. Es liege aber Zeichenähnlichkeit vor. Die Wortfolge „The Dog Face“ lehne sich erkennbar an die Marke „The North Face“ an. Da die Marke der Antragstellerin in erheblichem Maß bekannt sei und durch intensive Benutzung ein hohes Maß an Unterscheidungskraft besitze, verknüpfe der Verkehr trotz der unterschiedlichen Bedeutung von „Dog“ und „North“ das Zeichen der Antragsgegnerin mit der Marke der Antragstellerin. Dies gelte auch, da eine gewisse Warenähnlichkeit zwischen Outdoor-Bekleidung und Tierbekleidung bestehe. Insoweit genüge es, „dass das Publikum glauben könnte, die betreffenden Waren stammten aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen“. Es liege die Vermutung nahe, dass angesprochenen Verkehrskreise annehmen, die Antragstellerin habe ihr Bekleidungssortiment auf Hundebekleidung erweitert, etwa um es „dem sporttreibenden Hundebesitzer zu ermöglichen, seinen Outdoor-Sport im Partnerlook mit dem Tier zu betreiben“.

Die Zeichenverwendung beeinträchtige auch die Marke der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin lehne sich mit dem Zeichen an die bekannte Marke der Antragstellerin an, um deren Wertschätzung für ihren Absatz auszunutzen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.6.2022, Az. 6 W 32/22
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.3.2022, Az. 3/8 O 12/22)



OLG Frankfurt: Unterlassungsanspruch und 1.000 EURO Entschädigung für Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit gegen Deutsche Bahn wegen Diskriminierung durch Anreden "Herr" oder "Frau"

OLG Frankfurt
Urteil vom 21.06.2022
9 U 92/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch und ein Anspruch auf 1.000 EURO Entschädigung für eine Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit gegen die Deutsche Bahn wegen Diskriminierung durch Anreden "Herr" oder "Frau" besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Unterlassungs- und Entschädigungsanspruch einer Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat mit heute verkündeter Entscheidung die Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns verpflichtet, es ab dem 01.01.2023 zu unterlassen, die klagende Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit dadurch zu diskriminieren, dass diese bei der Nutzung von Angeboten des Unternehmens zwingend eine Anrede als „Herr“ oder „Frau“ angeben muss. Bezüglich der Ausstellung von Fahrkarten, Schreiben des Kundenservice, Werbung und gespeicherter personenbezogener Daten gilt das Unterlassungsgebot ohne Umstellungsfrist sofort. Zudem hat das Unternehmen an die klagende Person eine Entschädigung i.H.v. 1.000 € zu zahlen.

Die Beklagte ist Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns. Die klagende Person besitzt eine nicht-binäre Geschlechtsidentität. Die Person ist Inhaberin einer BahnCard und wird in diesbezüglichen Schreiben sowie Newslettern der Beklagten mit der unzutreffenden Bezeichnung „Herr“ adressiert. Auch beim Online-Fahrkartenverkauf der Beklagten ist es zwingend erforderlich, zwischen einer Anrede als „Frau“ oder „Herr“ auszuwählen. Die klagende Person ist der Ansicht, ihr stünden Unterlassungsansprüche sowie ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von € 5.000 gegen die Beklagte zu, da deren Verhalten diskriminierend sei.

Das Landgericht hatte den Unterlassungsansprüchen der klagenden Person stattgegeben und Entschädigungsansprüche abgewiesen.

Auf die Berufungen der Parteien hin hat das OLG die Unterlassungsansprüche der klagenden Person bestätigt, dabei allerdings der Beklagten hinsichtlich des Unterlassungsgebots bezüglich der Nutzung von Angeboten der Beklagten eine Umstellungsfrist bis zum Jahresende eingeräumt. Zudem hat es eine Entschädigung i.H.v. 1.000 € zugesprochen. Die klagende Person könne wegen einer unmittelbaren Benachteiligung im Sinne der §§ 3, 19 AGG aus Gründen des Geschlechts und der sexuellen Identität bei der Begründung und Durchführung von zivilrechtlichen Schuldverhältnissen im Massenverkehr Unterlassung verlangen, begründete das OLG seine Entscheidung. Das Merkmal der Begründung eines Schuldverhältnisses sei dabei weit auszulegen und nicht nur auf konkrete Vertragsanbahnungen zu beziehen. Es umfasse auch die Verhinderung geschäftlicher Kontakte, wenn Menschen mit nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit gezwungen würden, für einen Online-Vertragsschluss zwingend die Anrede „Herr“ oder „Frau“ auszuwählen.

Allerdings hat das OLG der Beklagten eine Umstellungsfrist bis zum Jahresende von gut sechs Monaten eingeräumt. Dies bezieht sich insbesondere auf die Nutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten allgemeinen Buchungssystems für Online-Fahrkarten, das sich nicht nur an die klagende Person richtet. Das OLG hat die gewährte Umstellungsfrist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit im Hinblick auf den für die Anpassung erforderlichen erheblichen Aufwand bemessen.

Keine Umstellungsfrist hat das OLG der Beklagten dagegen gewährt, soweit sich der Unterlassungsanspruch der klagenden Person auf die Ausstellung von Fahrkarten, Schreiben des Kundenservice, Werbung und gespeicherte personenbezogene Daten bezieht. In der diesbezüglichen individuellen Kommunikation sei es für die Beklagte technisch realisierbar und auch im Hinblick auf den finanziellen und personellen Aufwand zumutbar, dem Unterlassungsanspruch ohne Übergangsfrist zu entsprechen.

Das OLG hat der klagenden Person zudem wegen der Verletzung des Benachteiligungsverbots eine Geldentschädigung in Höhe von 1.000 € zugesprochen. Die klagende Person habe infolge der Verletzung des Benachteiligungsverbots einen immateriellen Schaden erlitten, begründet das OLG. Sie erlebe „die Zuschreibung von Männlichkeit“ seitens der Beklagten als Angriff auf die eigene Person, welche zu deutlichen psychischen Belastungen führe. Die Entschädigung in Geld sei angemessen, da sie der klagenden Person Genugtuung für die durch die Benachteiligung zugefügte Herabsetzung und Zurücksetzung verschaffe. Abzuwägen seien dabei die Bedeutung und Tragweite der Benachteiligung für die klagende Person einerseits und die Beweggründe der Beklagten andererseits. Die Benachteiligungen für die klagende Person sei hier als so massiv zu bewerten, dass sie nicht auf andere Weise als durch Geldzahlung befriedigend ausgeglichen werden könnten. Zu Gunsten der Beklagten sei aber zu berücksichtigen, dass keine individuell gegen die Beklagte gerichteten Benachteiligungshandlungen erfolgt seien. Zudem handele es sich bei der Frage der Anerkennung der Persönlichkeitsrechte von Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität um eine neuere gesellschaftliche Entwicklung, welche selbst in der Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahr 2004 (RL 2004/11/EG) noch keinen Niederschlag gefunden habe. So sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei Einführung ihrer Software in Bezug auf den Online-Ticketkauf bewusst oder absichtlich zur Benachteiligung nicht-binärer Personen eine geschlechtsneutrale Erwerbsoption ausgespart habe. Allerdings habe die Beklagte ihre IT-Systeme im Unterschied zu anderen großen Unternehmen bislang nicht angepasst. Zudem sei ihr vorzuhalten, dass sie gerade in der individuellen Kommunikation mit der klagenden Person - so etwa hinsichtlich der BahnCard - nach wie vor eine unzutreffende männliche Anrede verwende.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.06.2022, Az. 9 U 92/20

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Schlussurteil vom 03.12.2020, Az. 2-13 O 131/20)

Die Entscheidung ist in Kürze im Volltext unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Erläuterungen:
Das OLG hat den Anspruch unmittelbar aus dem AGG hergeleitet, so dass es – anders als die angefochtene Entscheidung - keines Rückgriffs auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Ab. 1 S. 2 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bedurfte.

§ 3 AGG Begriffsbestimmungen
(1) 1Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § AGG § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. 2Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § AGG § 2 Abs. AGG § 2 Absatz 1 Nr. AGG § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis AGG § 2 Absatz 1 Nummer 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § AGG § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

...

§ 19 AGG Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

1.typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder
2.eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,
ist unzulässig.

...

§ 21 AGG Ansprüche

(1) 1Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.

(2) 1Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbots ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. 2Dies gilt nicht, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. 3Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

(3) Ansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unberührt.


OLG Frankfurt: Privilegierte Zeichenverwendung nach Art. 14 Abs. 1 lit. c), 2 UMV und keine Markenrechtsverletzung durch "Ersatzkopf für Philips RQ11" für Drittanbieter-Ersatzteil

OLG Frankfurt
Beschluss vom 03.05.2022
6 W 28/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine privilegierte Zeichenverwendung nach Art. 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 UMV und keine Markenrechtsverletzung durch Verwendung von "Ersatzkopf für Philips RQ11" für ein Drittanbieter-Ersatzteil vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
A. Soweit die Antragstellerin ihren Verfügungsanspruch erstmals mit Schriftsatz vom 10.2.2022 darauf stützt, die beanstandete Werbung sei irreführend und daher gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter, fehlt es an dem Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Die Antragstellerin hat mit diesem Vorbringen einen neuen Streitgegenstand in dieses Eilverfahren eingeführt (BGH, Urteil vom 19.7.2018 - I ZR 268/14 - Champagner Sorbet II, Rn 14, juris). Die Antragstellerin hatte jedoch spätestens am 23.12.2021 Kenntnis von allen vermeintlich anspruchsbegründenden Tatsachen. Es bestand kein Grund, die Beanstandung der Werbung als irreführend erst mit Schriftsatz vom 10.2.2022 in dieses Eilverfahren einzuführen.

B. Im Übrigen fehlt es an einem Verfügungsanspruch.

1. Der Antragstellerin steht kein Verfügungsanspruch aus Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV zu.

a) Zwar wird die bekannte Verfügungsmarke in der angegriffenen Anzeige rechtsverletzend benutzt, da der Wortbestandteil des Zeichens, wenn auch in kleinen Buchstaben geschrieben, identisch für Zubehörteile von Elektrorasierern und damit für eine Ware benutzt wird, für die auch die Verfügungsmarke eingetragen ist.

b) Jedoch ist die Zeichenverwendung gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 UMV privilegiert.

Nach dieser Vorschrift gewährt die Unionsmarke dem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Unionsmarke zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung erforderlich ist, wenn die Benutzung durch den Dritten den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH entspricht die Benutzung der Marke den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel insbesondere dann nicht, wenn

- sie in einer Weise erfolgt, die glauben machen kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Markeninhaber besteht;

- sie den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt;

- durch sie diese Marke herabgesetzt oder schlechtgemacht wird;

- oder der Dritte seine Ware als Imitation oder Nachahmung der Ware mit der Marke darstellt, deren Inhaber er nicht ist (EuGH, Urteil vom 17.3.2005, C-228/03 - Gillette, Rn 49).

Die Verwendung der Verfügungsmarke „Philips“ durch die Antragsgegnerin ist erforderlich, um auf die Bestimmung des Scherkopfs als Ersatzteil für die von der Antragstellerin hergestellten Elektrorasierer hinzuweisen.

Die Art der Verwendung in der angegriffenen Werbung entspricht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel.

(1) Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.2.2022 die Auffassung vertritt, die Benutzung der Verfügungsmarke sei nicht mehr durch das Ankündigungsrecht gedeckt, weil die Antragsgegnerin darüber täusche, dass sie kein Original, sondern ein Plagiat liefert, ist dem nicht zu folgen. Der angesprochene Verkehr wird durch die angegriffene Werbung, wie sie sich in dem in Anlage AST 12 wiedergegebenen Kontext darstellt, nicht darüber getäuscht, dass es sich bei den Ersatzköpfen nicht um ein Originalprodukt der Antragstellerin handelt. Das ergibt sich bereits aus der Formulierung „Ersatzkopf für Philips RQ11“. Damit wird deutlich, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um einen Ersatz für den Original-Ersatz-Scherkopf von Philips handelt. Auch die Aufmachung der Internetseite im Übrigen, auf der der Wortbestandteil der Verfügungsmarke nur einmal kleingeschrieben verwendet wird, führt den angesprochenen Verkehr weg von der Annahme, dass es sich um ein Original-Ersatzteil handeln könnte, dies auch deshalb, weil die Antragsgegnerin das Produkt auf ihrer Internetseite grandada.com anbietet.

Im Übrigen widerspricht die Antragstellerin mit diesem Vorbringen im Schriftsatz vom 10.2.2022 ihrem Vorbringen in der Antragsschrift, wo sie die Verwendung des Zeichens „RQ 11“ beanstandet, weil die zusätzliche Angabe der Produktnummer RQ 11 erkennbar deshalb geschehe, um weiteren Traffic im Internet zu generieren. Auch die Antragstellung zielt nicht darauf ab, dass durch die beanstandete Werbung der Eindruck erweckt werde, es würden Original-Ersatzteile angeboten, sondern darauf, nicht originale Scherköpfe mit dem Zeichen „Philips“ in Kombination mit dem Zeichen „RQ11“ zu benutzen.

(2) Die Nutzung des Zeichens „RQ 11“ führt jedoch nicht dazu, die Nutzung der Verfügungsmarke als nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entsprechend anzusehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Wertschätzung der Verfügungsmarke durch die Nennung des Zeichens „RQ 11“, das die Antragstellerin für ihre Original Ersatz-Scherköpfe verwendet, an dem sie aber keine Zeichenrecht geltend macht, ausgenutzt wird oder die Verfügungsmarke gar hierdurch herabgesetzt oder schlechtgemacht wird. Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang insbesondere nicht auf die BGH-Entscheidungen „GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE“ (GRUR 2011, 1135) berufen, denn dort hat der BGH entschieden, dass es von dem Ankündigungsrecht nicht gedeckt ist, eine bekannte Wort-/Bildmarke eines Automobilherstellers zu verwenden, wenn die Benutzung der Wortmarke die schützenswerten Interessen des Markeninhabers weniger beeinträchtigt. Ebenso wenig einschlägig ist die Entscheidung „keine-Vorwerk-vertretung I“ des BGH (Urteil vom 28.6.2018 - I ZR 236/16), weil sich auch diese Entscheidung mit der Verwendung eines markenrechtlich geschützten Zeichens beschäftigt. Auch die Entscheidung des BGH „Verbrauchsmaterialien“ (GRUR 1996, 781) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Denn in diesem Urteil ging es darum, dass Produkte von Drittanbietern mit der identischen Bezeichnung der Originalprodukte versehen und unter dieser Bezeichnung auf den Markt gebracht wurden. Daran fehlt es vorliegend, da die Produkte der Antragsgegnerin, wie bereits ausgeführt, hinreichend deutlich als Ersatz für die jeweiligen Original Produkte ausgelobt werden.

(3) Soweit schließlich die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.2.2022 erstmals beanstandet, dass die Antragsgegnerin in der angegriffenen Werbung selbst „das Logo“ identisch übernommen habe, ist dieser Beanstandung nicht weiter nachzugehen, da sie keinen Niederschlag in dem Eilantrag gefunden hat. Dort ist zwar die konkrete Verletzungsform - die das Logo beinhaltet - wiedergegeben. Der abstrakte Tel des Antrags zielt aber auf die Verwendung des Zeichens Philips in Kombination mit dem Zeichen „RQ 11“ und den Bezeichnungen für die einzelnen Rasierertypen und wendet sich nicht gegen eine identische Verwendung eines Logos.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Instagram-Influencerin muss Beiträge mit kostenlos erhaltenen Büchern mit Verlinkung auf Unternehmen per Tap Tag als Werbung kennzeichnen

OLG Frankfurt
Urteil vom 19.05.2022
6 U 56/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Instagram-Influencerin Beiträge mit kostenlos erhaltenen Büchern mit Verlinkung auf Unternehmen per Tap Tag als Werbung kennzeichnen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Anpreisung kostenlos erhaltener Bücher durch Influencerin auf Instagram mit Verlinkung zu den Unternehmen über Tap-Tags ist als Werbung kenntlich zu machen

Ein ohne finanzielle Gegenleistung erfolgter Beitrag einer Influencerin auf Instagram ist als Werbung zu kennzeichnen, wenn er kostenlos überlassene E-Books anpreist und jeweils mit sog. Tap-Tags zu den Unternehmen der Bücher verlinkt. Aufgrund der Vermischung von privaten und kommerziellen Darstellungen ist es für den Durchschnittsverbraucher ohne diese Kennzeichnung nicht erkennbar, ob es sich um Werbung handelt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies mit heute verkündetem Urteil die Berufung einer Influencerin zurück, die vom Landgericht zum Unterlassen der Veröffentlichung derartiger Posts ohne Werbehinweis verurteilt worden war.

Die Klägerin ist Verlegerin mehrerer Print- und Onlinezeitschriften. Sie verfügt über einen Instagram-Account und bietet Kunden u.a. entgeltlich Werbeplatzierungen an. Die Beklagte ist sog. Influencerin und betreibt auf Instragram ein Nutzerprofil mit mehr als einer halbe Million Followern. Sie stellt dort zum einen Produkte und Leistungen von Unternehmen vor, für deren Präsentation sie von diesen vergütet wird. Zum anderen veröffentlicht sie Posts, bei denen sie mittels sog. Tap-Tags auf die Instragram-Accounts von Unternehmen verlinkt, deren Produkte zu sehen sind. Hierfür erhält sie keine finanzielle Gegenleistung. Im Herbst 2019 verwies die Beklagte auf ein Bündel von E-Books, das sich mit veganer Ernährung befasste. Sie erhielt dafür keine finanzielle Gegenleistung; die E-Books waren ihr jedoch kostenlos zur Verfügung gestellt worden.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte, es zu unterlassen, kommerzielle Inhalte vorzustellen, ohne die Veröffentlichung als Wertung kenntlich zu machen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Der Klägerin stehe der geltend gemacht Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu, begründete das OLG seine Entscheidung. Die Parteien seien Mitbewerber. Beide böten Dritten an, auf ihrem Instagram-Account entgeltlich zu werben. Die Posts der Beklagten seien auch geschäftliche Handlungen. Erfasst würden Handlungen, die bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet seien, durch „Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern“, betont das OLG.

Der Betrieb des Instagram-Profils fördere zum einen das eigene Unternehmen der Beklagten. Die Steigerung des Werbewerts komme unmittelbar ihrem Unternehmen zugute. Gerade scheinbar private Posts machten es für das Publikum attraktiver, Influencern zu folgen, da diese so „glaubwürdiger, nahbarer und sympathischer“ wirkten. Zum anderen fördere der Post auch die Unternehmen der Anbieter der E-Books. Es liege ein „geradezu prototypischer Fall des werblichen Überschusses“ vor. Es finde keinerlei Einordnung oder inhaltliche Auseinandersetzung oder Bewertung der herausgestellten Produkte statt. Die Beklagte habe vielmehr werbend unter Hervorhebung des außergewöhnlich hohen Rabattes die E-Books angepriesen.

Diese Förderung der Drittunternehmen nicht kenntlich zu machen, sei unlauter. Die Beklagte habe die E-Books im von ihr behaupteten Wert von rund 1.300 € unentgeltlich erhalten und dies nicht gekennzeichnet. Die Kennzeichnung als Werbung sei auch nicht entbehrlich gewesen. „Selbst followerstarke Profile auf Instagram sind nicht stets (nur) kommerziell motiviert“, erläutert das OLG, so dass die Follower zu Recht erwarteten, dass ein etwaiges ernährungsbezogenes Engagement des Influencers nicht kommerziell beeinflusst sei. Die Beklagte habe allerdings nicht darauf hinweisen müssen, dass ihr Verhalten auch ihrem Unternehmen zu gute komme. Dies sei dem durchschnittlichen Verbraucher unzweifelhaft erkennbar gewesen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehren.



OLG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Irreführung durch "Presseschau" wenn diese aus eigenen Pressemeldungen und nicht aus Berichten unabhängiger Presseorgane besteht

OLG Frankfurt
Beschluss vom 04.04.2022
6 W 8/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Verwendung des Begriffs "Presseschau" vorliegt, wenn diese aus eigenen Pressemeldungen des Unternehmens und nicht aus Berichten unabhängiger Presseorgane besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Gegenstand des Eilverfahrens ist die konkrete Verletzungsform, wie sie im Verfügungsantrag eingeblendet ist. Richtet sich die Klage bzw. der Antrag gegen die sog. konkrete Verletzungsform, also das konkret umschriebene (beanstandete) Verhalten, so ist darin der Lebenssachverhalt zu sehen, der den Streitgegenstand bestimmt (BGHZ 194, 314 Rn 24 - Biomineralwasser). Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt die Voraussetzungen nicht nur einer, sondern mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist unerheblich. Vielmehr umfasst der Streitgegenstand in diesem Fall alle Rechtsverletzungen, die durch die konkrete Verletzungsform verwirklicht wurden (BGH GRUR 2012, 184 Rn 15 - Branchenbuch Berg; BGHZ 194, 314 Rn 24 - Biomineralwasser; BGH GRUR 2018, 203 Rn 18 - Betriebspsychologe).

Das Gericht kann daher ein Verbot auch auf Anspruchsgrundlagen stützen, die der Kläger gar nicht vorgetragen hat (OLG Köln WRP 2013, 95). Das gilt auch für das Berufungsgericht, unabhängig davon, wie das Landgericht das Verbot begründet hat (OLG Frankfurt am Main WRP 2015, 755, 756). Im Hinblick auf die Dispositionsmaxime darf das Gericht aber ein Verbot nur auf solche Beanstandungen stützen, die der Kläger vorgetragen hat (BGH GRUR 2018, 431 Rn 16 - Tiegelgröße; OLG Frankfurt am Main WRP 2014, 1482).

Die Antragstellerin hat hier neben einer Irreführung in zweiter Instanz ihren Verfügungsantrag nunmehr (auch) darauf gestützt, es könne ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 oder § 4 Nr. 2 UWG vorliegen, was unter dem Aspekt des Streitgegenstandes zulässig ist.

2. Der Antragstellerin steht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 UWG ein Unterlassungsanspruch zu, da der Antragsgegner mit der streitgegenständlichen Internetseite den irreführenden Eindruck erweckt hat, es gebe eine von ihm unabhängige Veröffentlichung in der Presse, in der "schwere Vorwürfe" gegen die Antragstellerin erhoben worden seien.

Der Vorwurf der Antragstellerin geht dahin, der Antragsgegner habe den Eindruck erweckt, die "schweren Vorwürfe" gegen die Antragstellerin seien von einem vom Antragsgegner unabhängigen Pressemedium erhoben worden, während sie tatsächlich von dem Antragsgegner - einem Mitbewerber - stammten. Dies ergebe sich daraus, dass unter der Überschrift "Presseschau" der Verkehr Berichte von Presseorganen erwarte und nicht eine eigene Pressemitteilung des Antragsgegners.

Diese Verkehrsauffassung teilt der Senat. Der Verkehr erwartet in einer "Presseschau" eine Zusammenstellung von Berichten von Presseorganen, nicht hingegen solche des Antragsgegners selbst. Diese Unterscheidung ist für den Verkehr auch erheblich, bringt er doch Presseberichterstattungen auch aufgrund der der Presse obliegenden Sorgfaltspflicht ein größeres Vertrauen entgegen als der Äußerung eines Mitbewerbers, die mutmaßlich (auch) von eigenen geschäftlichen Interessen geprägt ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass hinter der Überschrift der Hinweis "(...)" enthalten ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist dem Verkehr, dem auch die Mitglieder des Senats angehören, nicht bekannt, dass auf der Internetseite "(...)" nur Pressemitteilungen veröffentlicht werden und keine unabhängige Berichterstattung. Durch die Einreihung in die Reihe anderer Quellen wie "C", "D-Zeitung" "E" etc. nimmt der Verkehr vielmehr an, auch der Beitrag "Schwere Vorwürfe gegen Cannabisärzte-Startup" stamme aus einer solchen Quelle und nicht vom Antragsgegner.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die vollständige Internetseite jenseits des von der Antragstellerin zum Antragsgegenstand gemachten Ausschnitts die Überschrift "Y-Mitteilungen vom 30. Oktober 2021" trug (Bl. 130 d.A.). Angesicht des mehrfachen Hinweises auf "Presseschau" hat der Verkehr keine Veranlassung zu der Annahme, es handele sich hier nicht um Fremd-, sondern Eigenberichte.

3. Es fehlt auch nicht an der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Dringlichkeit. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG ist als nicht widerlegt anzusehen.

Insbesondere hätte die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel nicht bereits auf Grundlage der Fassung der Internetseite am 29.10.2021 erreichen können. Der - wie oben dargestellt - durch die Überschrift erweckte Eindruck (Eigen-, statt Fremdbericht) ist nicht bereits zum damaligen Zeitpunkt erweckt worden, so dass die Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt keine einstweilige Verfügung hätte erwirken können. Unstreitig war zum damaligen Zeitpunkt - wie auch jetzt noch bei den anderen Artikeln - die Überschrift nicht in Alleinstellung vorhanden, sondern unter der Überschrift folgte jeweils der entsprechende Artikel. Aus dem Text zur streitgegenständlichen Überschrift wurde jedoch für den Verkehr unmittelbar erkennbar, dass es sich um eine Pressemitteilung und nicht um einen - unabhängigen - Presseartikel handelt. Der Text leitete ein mit der Formulierung "Der Vorstand der Y e.V. (Y) erhebt schwere Vorwürfe gegen die X [...]". Dies lässt daher gar nicht erst den Eindruck entstehen, es handele sich um eine unabhängige Medienberichterstattung. Auf Grundlage der damaligen Veröffentlichung hätte der Antragsteller daher eine einstweilige Verfügung mit dem hier begehrten Inhalt nicht erwirken können.

4. Der Senat hat von der ihm nach § 938 ZPO zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Tenor an die geltend gemachte Rechtsverletzung angepasst. Der von der Antragstellerin formulierte Antrag, es zu unterlassen, "auf der eigenen Webseite unter dem Schlagwort "Presseschau" der Wahrheit zuwider auf eine Presseveröffentlichung zu verweisen, in welcher angeblich schwere Vorwürfe gegen die konkret genannte Unterlassungsgläubigerin erhoben werden" trifft nicht die Handlung, die der Senat der einstweiligen Verfügung zugrunde legt. Diese besteht darin, den Eindruck zu erwecken, dass schwere Vorwürfe von einem Presseorgan gegen die Antragstellerin erhoben würden, während es sich tatsächlich um eine Pressemitteilung des Antragsgegners handelte.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: